Ein Besucher erlitt bei einem schweren Unfall im Erlebnisbad 2019 eine Querschnittslähmung und klagte auf Schadensersatz vom Betreiber. Das Gericht musste klären, wann die Haftung des Betreibers bei Fehlgebrauch der Rutsche entfällt, wenn der Kläger die Anlage aktiv mit dem Kopf voran nutzte.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
 - Schwerer Unfall auf der Wasserrutsche: Warum muss der Betreiber trotzdem keinen Schadensersatz zahlen?
 - Was genau war am Unfalltag passiert?
 - Welche juristischen Maßstäbe legte das Gericht an?
 - Warum wies das Gericht die Klage auf Schadensersatz vollständig ab?
- Der entscheidende Unterschied: Auffangeinrichtung statt Eintauchbereich
 - Die Normkonformität: Ein Spiegel des aktuellen Stands der Technik
 - Die Unfallursache: Ein grob fahrlässiger und unvorhersehbarer Fehlgebrauch
 - Die Rolle der Warnhinweise: Waren die Piktogramme ausreichend?
 - Die Überwachungspflicht: Hätte eine strengere Aufsicht den Unfall verhindert?
 
 - Was bedeutet das Urteil für Betreiber und Besucher von Wasserrutschen?
 - Die Urteilslogik
 - Benötigen Sie Hilfe?
 - Experten Kommentar
 - Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann verletzt ein Betreiber die Verkehrssicherungspflicht bei einem Rutschunfall?
 - Habe ich Anspruch auf Schadensersatz, wenn ich die Rutschregeln missachtet habe?
 - Welche Warnhinweise und Piktogramme sind am Rutscheneinstieg Pflicht?
 - Wann wird mein Fehlverhalten auf der Rutsche als grobes Eigenverschulden gewertet?
 - Wie schützen mich aktuelle DIN-Normen und technische Gutachten vor der Haftung?
 
 - Glossar
 - Das vorliegende Urteil
 
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 O 1881/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Oldenburg
 - Datum: März 2024
 - Aktenzeichen: 3 O 1881/21
 - Verfahren: Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage
 - Rechtsbereiche: Vertragsrecht, Haftungsrecht, Produkthaftungsrecht
 
- Das Problem: Ein Mann erlitt beim Rutschen in einem Erlebnisbad eine schwere Querschnittslähmung, nachdem er auf dem Bauch mit dem Kopf voran gerutscht und gegen die gegenüberliegende Beckenwand geprallt war. Er verlangte von der Betreiberfirma, dem Hersteller und dem Prüfdienst Schmerzensgeld sowie Ersatz aller entstandenen Schäden.
 - Die Rechtsfrage: Haben der Rutschenhersteller, der Prüfdienst oder der Badbetreiber ihre Pflichten verletzt und war die Rutschenanlage deshalb fehlerhaft oder unsicher im Sinne der geltenden technischen Normen?
 - Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Klage ab, da die Rutsche den Normen und dem Stand der Technik entsprach und als sicher eingestuft wurde. Der Unfall wurde nicht durch einen Fehler der Anlage, sondern durch den unvorhersehbaren und besonders leichtsinnigen Fehlgebrauch des Klägers verursacht.
 - Die Bedeutung: Betreiber von Wasserrutschen haften nicht, wenn ein Unfall durch eine grobe und plötzliche Fehlbenutzung der Anlage außerhalb der klaren Warnhinweise entsteht. Die Einhaltung der technischen Normen und die Anbringung von Hinweisschildern erfüllen die Verkehrssicherungspflichten der Betreiber.
 
Schwerer Unfall auf der Wasserrutsche: Warum muss der Betreiber trotzdem keinen Schadensersatz zahlen?
Ein Tag im Erlebnisbad, der in einer Katastrophe endet: Ein 37-jähriger Mann erleidet beim Rutschen eine Querschnittslähmung. Er verklagt den Hersteller, den Prüfer und den Betreiber der Anlage auf hohes Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Doch seine Klage wird vollständig abgewiesen. In einem detaillierten Urteil vom März 2024 analysierte die 3. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg (Az. 3 O 1881/21), warum die Verantwortung für diesen tragischen Vorfall nicht bei den Betreibern, sondern allein beim Kläger selbst lag. Die Entscheidung ist eine Lehrstunde über die Grenzen von Verkehrssicherungspflichten, die Bedeutung technischer Normen und die Konsequenzen eines unvorhersehbaren Fehlverhaltens.
Was genau war am Unfalltag passiert?
Am 26. Dezember 2019 besuchte der Kläger, ein 37-jähriger studierter Sportwissenschaftler mit einer Körpergröße von 1,95 m und einem Gewicht von etwa 110 kg, ein öffentliches Schwimmbad. Dessen Außenbereich verfügte über eine 2016 errichtete Anlage mit vier parallel verlaufenden Wasserrutschen, die in einem 1,35 Meter tiefen Wasserbecken endeten. Der Mann nutzte die Rutschen an diesem Tag bereits mehrfach in der vorgesehenen Weise: auf dem Rücken liegend, mit den Füßen voran.
Gegen 14:35 Uhr traf er jedoch eine folgenschwere Entscheidung. Er legte sich auf einer der grünen Rutschen auf den Bauch, um mit dem Kopf voran zu rutschen. Am Ende der Rutsche, im Auslaufbecken, bremste er nicht wie vorgesehen ab, sondern prallte mit dem Kopf gegen die gegenüberliegende Beckenwand.
Die Diagnose in der Notaufnahme war niederschmetternd: eine Fraktur des fünften Halswirbels sowie beidseitige Wirbelbogenfrakturen. Die Folge war eine inkomplette Querschnittslähmung, die trotz operativer Versorgung dauerhaft blieb. Für den Kläger begann ein neuer Lebensabschnitt, geprägt von schweren körperlichen Einschränkungen. Er war überzeugt, dass ein Fehler in der Konstruktion oder mangelnde Sicherheitshinweise für seinen Unfall verantwortlich waren und zog vor Gericht.
Welche juristischen Maßstäbe legte das Gericht an?
Um diesen komplexen Fall zu beurteilen, stützte sich das Gericht auf mehrere zentrale Rechtsgrundlagen. Diese definieren die Pflichten, die Hersteller und Betreiber von öffentlichen Anlagen gegenüber ihren Nutzern haben.
Die wichtigste Rolle spielt die sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Wer eine Gefahrenquelle schafft – wie eine Wasserrutsche –, muss alle zumutbaren Vorkehrungen treffen, um Dritte vor Schäden zu schützen. Diese Pflicht ergibt sich aus § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Umfang dieser Pflicht ist jedoch nicht grenzenlos. Es müssen nur solche Gefahren abgesichert werden, die ein sorgfältiger Benutzer nicht ohne Weiteres erkennen und meiden kann.
Eng damit verbunden ist die Produkthaftung nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Ein Hersteller haftet für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstehen (§ 1 ProdHaftG). Ein Produkt gilt dann als fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die man unter Berücksichtigung aller Umstände vernünftigerweise erwarten darf (§ 3 ProdHaftG).
Um zu bewerten, was „erwartbar sicher“ ist, ziehen Gerichte technische Regelwerke heran, insbesondere DIN-Normen. Im konkreten Fall war dies die DIN EN 1069 für Wasserrutschen. Solche Normen sind zwar keine Gesetze, sie gelten aber als anerkannter Stand der Technik. Hält sich ein Hersteller oder Betreiber an die relevanten DIN-Vorgaben, ist das ein starkes Indiz dafür, dass er seine Sicherungspflichten erfüllt hat.
Warum wies das Gericht die Klage auf Schadensersatz vollständig ab?
Die Kernfrage für das Gericht war: Haben der Hersteller, der Prüfer oder der Betreiber eine ihrer Pflichten verletzt? Hätte der Unfall durch eine andere Konstruktion, bessere Warnungen oder eine strengere Aufsicht verhindert werden können? Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme, die ein gerichtliches Sachverständigengutachten und die Auswertung von Videoaufnahmen umfasste, verneinte die Kammer diese Fragen aus mehreren, ineinandergreifenden Gründen.
Der entscheidende Unterschied: Auffangeinrichtung statt Eintauchbereich
Das zentrale Argument des Klägers war, die Rutsche sei baulich mangelhaft. Er behauptete, der Landebereich sei ein sogenannter Eintauchbereich, für den die DIN-Norm einen Sicherheitsabstand von bis zu zehn Metern zur Beckenwand vorschreibe. Tatsächlich betrug der Abstand nur wenige Meter. Wäre diese Einschätzung korrekt gewesen, hätte die Anlage niemals in Betrieb gehen dürfen.
Das vom Gericht beauftragte Sachverständigengutachten kam jedoch zu einem anderen Ergebnis. Der Gutachter klassifizierte den Landebereich nicht als Eintauchbereich, sondern als Auffangeinrichtung. Der technische Unterschied ist fundamental: Bei einer Auffangeinrichtung endet die Rutsche nicht abrupt an der Wasseroberfläche, sondern wird unter Wasser weitergeführt. Der Nutzer wird auf diesem verlängerten Rutschenstück sanft abgebremst – er wird „aufgefangen“. Für diesen Bautyp gelten andere, weitaus geringere Sicherheitsabstände, die hier laut den Messungen des Gutachters (6,04 m vom Wassereintritt und 2,01 m vom Ende der Einrichtung bis zur Wand) eingehalten waren. Das Gericht folgte dieser überzeugenden technischen Einordnung. Damit war das Hauptargument des Klägers entkräftet.
Die Normkonformität: Ein Spiegel des aktuellen Stands der Technik
Der Kläger kritisierte zudem das hohe Gefälle der Rutsche von fast 24 %. Tatsächlich lag dieser Wert über dem, was die DIN-Norm aus dem Jahr 2010 für den ursprünglich angenommenen Rutschentyp vorsah. Das Gericht stellte jedoch klar, dass für die Beurteilung der Sicherheit der Stand der Technik zum Unfallzeitpunkt maßgeblich ist. Und die neuere DIN-Fassung von 2019 erlaubte für den hier vorliegenden Rutschentyp ein Gefälle von bis zu 25 %. Auch die Rutschgeschwindigkeiten bewegten sich laut Messungen innerhalb der von der Norm vorgegebenen sicheren Grenzen. Die Anlage war also nachweislich normkonform und entsprach dem Stand der Technik.
Die Unfallursache: Ein grob fahrlässiger und unvorhersehbarer Fehlgebrauch
Die Auswertung der Videoaufnahmen durch den Sachverständigen brachte den entscheidenden Aspekt ans Licht, der den Unfallhergang erklärte. Der Kläger war nicht nur verbotenerweise mit dem Kopf voran gerutscht. Im Landebereich, als er bereits im Wasser war, hatte er zusätzlich seine Arme nach vorne gestreckt und den Oberkörper aktiv aufgerichtet – ein Verhalten, das der Gutachter als „Aufbäumen“ beschrieb.
Durch diese Bewegung ragte sein Oberkörper weit aus dem Wasser heraus und hob ihn quasi über die unter Wasser liegende Bremsrinne der Auffangeinrichtung hinweg. Die sicherheitsrelevante Bremswirkung der Konstruktion wurde dadurch komplett ausgehebelt. Erst dieses Manöver ermöglichte es ihm, die verbleibende Distanz zur Beckenwand ungebremst zurückzulegen. Der Sachverständige war sich sicher: Selbst bei einer Rutschpartie mit dem Kopf voran, aber in flacher Bauchlage, wäre ein Anprall an der Wand nicht erfolgt. Das Gericht wertete dieses Verhalten als einen besonders leichtsinnigen und für die Betreiber nicht vorhersehbaren Fehlgebrauch.
Die Rolle der Warnhinweise: Waren die Piktogramme ausreichend?
Der Kläger gab an, die Warnhinweise nicht wahrgenommen zu haben. Sowohl am Treppenaufgang als auch direkt am Einstieg der Rutsche waren jedoch Schilder angebracht. Diese zeigten klar die erlaubte Rutschposition (auf dem Rücken, Füße voran) und verboten explizit die Bauchlage mit dem Kopf voran. Das Gericht befand, dass diese Piktogramme den DIN-Vorgaben entsprachen und für einen erwachsenen, gebildeten Nutzer unmissverständlich waren. Eine Pflichtverletzung des Betreibers lag auch hier nicht vor.
Die Überwachungspflicht: Hätte eine strengere Aufsicht den Unfall verhindert?
Zuletzt prüfte das Gericht, ob eine intensivere Überwachung den Unfall hätte verhindern können. Die Anlage wurde per Video überwacht und war einsehbar. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Klägers, die Rutsche in dieser spezifischen, gefährlichen Weise zu nutzen, so plötzlich und unerwartet kam, dass selbst eine direkt danebenstehende Aufsichtsperson kaum eine Chance gehabt hätte, rechtzeitig einzugreifen. Eine Verkehrssicherungspflicht verlangt nicht, jede irrationale und grob unvernünftige Handlung eines Besuchers zu verhindern.
Da das Gericht somit weder einen Produktfehler der Rutsche noch eine Verletzung der Sicherungs- oder Hinweispflichten feststellen konnte, wurde die Klage auf Schmerzensgeld und Schadensersatz vollständig abgewiesen. Die unmittelbare und alleinige Ursache für den tragischen Unfall war das unvorhersehbare und grob leichtsinnige Fehlverhalten des Klägers selbst.
Was bedeutet das Urteil für Betreiber und Besucher von Wasserrutschen?
Die Entscheidung des Landgerichts Oldenburg verdeutlicht die Aufteilung von Verantwortung in öffentlichen Freizeiteinrichtungen. Sie liefert sowohl für Betreiber als auch für Besucher wichtige Orientierungspunkte.
Für Betreiber von Freizeitanlagen: Eine Checkliste zur Risikominimierung
- Normen als Maßstab: Stellen Sie sicher, dass Ihre Anlagen nicht nur bei der Errichtung, sondern fortlaufend dem aktuellen Stand der Technik und den relevanten DIN-Normen entsprechen. Die Einhaltung muss lückenlos dokumentiert sein.
 - Regelmäßige Inspektion: Führen Sie die vorgeschriebenen jährlichen Hauptinspektionen durch externe Prüfer durch und dokumentieren Sie diese sorgfältig. Führen Sie zudem regelmäßige eigene Kontrollen durch.
 - Verständliche Warnhinweise: Platzieren Sie klare, unmissverständliche und Piktogramm-basierte Warnhinweise an gut sichtbaren Stellen, insbesondere direkt am Ort der potenziellen Gefahr (z.B. am Rutscheneinstieg).
 - Dokumentierte Risikoanalyse: Erstellen und aktualisieren Sie regelmäßig schriftliche Risikoanalysen für Ihre Anlagen. Dokumentieren Sie darin auch, dass es in der Vergangenheit keine vergleichbaren Vorfälle gab (z.B. durch ein Unfalltagebuch).
 - Angemessene Überwachung: Installieren Sie eine funktionierende Überwachung (z.B. per Video), die es Ihnen ermöglicht, den Regelbetrieb im Blick zu behalten und auf erkennbare Gefahrensituationen zu reagieren.
 
Für Besucher: Was Sie vor der Nutzung beachten sollten
- Regeln sind kein Vorschlag: Lesen Sie die angebrachten Hinweis- und Verbotsschilder aufmerksam durch. Sie dienen Ihrer eigenen Sicherheit.
 - Anweisungen befolgen: Nutzen Sie Anlagen wie Wasserrutschen ausschließlich in der vom Betreiber vorgegebenen Weise. Experimente oder das bewusste Ignorieren von Regeln können katastrophale Folgen haben.
 - Eigenverantwortung anerkennen: Betreiber müssen vor vorhersehbaren Gefahren schützen. Sie können jedoch nicht jede unvernünftige oder selbstgefährdende Handlung eines Besuchers verhindern.
 - Fähigkeiten nicht überschätzen: Schätzen Sie Ihr eigenes Können und Ihre körperliche Verfassung realistisch ein. Im Zweifel gilt: lieber auf eine Attraktion verzichten, als ein unkalkulierbares Risiko einzugehen.
 
Die Urteilslogik
Die Verkehrssicherungspflicht von Anlagenbetreibern endet dort, wo das grob fahrlässige und unvorhersehbare Fehlverhalten des Nutzers zur alleinigen Unfallursache wird.
- Der Standard definiert die Sicherheitspflicht: Hersteller und Betreiber erfüllen ihre Produkthaftungs- und Sicherungspflichten, wenn die Anlage den geltenden technischen Regelwerken (DIN-Normen) und dem aktuellen Stand der Technik entspricht.
 - Eigenverantwortung bricht die Haftungskette: Betreiber müssen Vorkehrungen gegen vorhersehbare Gefahren treffen; sie haften jedoch nicht für Schäden, die einzig durch einen bewussten und leichtsinnigen Fehlgebrauch entstehen, der die Sicherheitsmechanismen der Anlage aktiv umgeht.
 - Piktogramme schaffen Klarheit: Werden normkonforme und unmissverständliche Warnhinweise zur richtigen Benutzung bereitgestellt, tragen erwachsene Nutzer die volle Verantwortung, wenn sie die explizit verbotene, gefährliche Nutzungsposition einnehmen.
 
Gerichte begrenzen die Schutzpflichten von Betreibern konsequent auf das, was technisch machbar und vernünftigerweise vorhersehbar ist, und verlangen vom Nutzer ein Mindestmaß an Vernunft und Regelkonformität.
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Experten Kommentar
Oftmals herrscht die Vorstellung, in einem öffentlichen Bad gelte eine Art Vollkaskoschutz. Das Landgericht Oldenburg zieht hier eine klare rote Linie: Die Verkehrssicherungspflicht des Betreibers endet, wo grobe und unvorhersehbare Eigenverantwortung beginnt. Wenn Warnhinweise nach DIN angebracht sind und die Technik dem Stand der Norm entspricht, hat der Betreiber seine Pflicht erfüllt. Das aktive Manöver des Badegastes – das „Aufbäumen“ im Auslauf – wurde zur alleinigen Unfallursache, weil es die gesamte Sicherheitsarchitektur der Anlage gezielt aushebelte. Für Betreiber ist damit die lückenlose Einhaltung der Normen der beste Schutzschild gegen jegliche Haftungsansprüche.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann verletzt ein Betreiber die Verkehrssicherungspflicht bei einem Rutschunfall?
Die Verkehrssicherungspflicht verletzt ein Betreiber nur, wenn die Anlage nicht dem anerkannten Stand der Technik entspricht oder wenn er vor Gefahren nicht warnt. Entscheidend ist die Einhaltung der aktuellen technischen Standards, insbesondere der Norm DIN EN 1069 für Wasserrutschen. Ein Betreiber muss nur solche Gefahren absichern, die ein sorgfältiger Benutzer nicht selbst erkennen und meiden kann – nicht jedoch das Risiko eines grob fahrlässigen Fehlgebrauchs.
Die erste juristische Prüfung fokussiert auf die Einhaltung der Normkonformität der Konstruktion. Gerichte sehen die Nichteinhaltung der aktuellen Fassung der DIN EN 1069 als starkes Indiz für eine Pflichtverletzung des Betreibers. Ein Mangel liegt beispielsweise vor, wenn bauliche Sicherheitsabstände unzulässig sind. Der Betreiber haftet auch, wenn er es unterlässt, unmissverständliche Piktogramme gegen vorhersehbare, gefährliche Nutzungspositionen anzubringen. Die Gefahr muss für einen durchschnittlichen Nutzer klar erkennbar sein, damit die Warnpflicht als erfüllt gilt.
Der juristische Hebel liegt oft in der korrekten Klassifizierung der Rutschenkonstruktion durch technische Gutachten. Ein Baufehler kann vorliegen, wenn der Landebereich fälschlicherweise als „Auffangeinrichtung“ statt als „Eintauchbereich“ bewertet wird, da für letzteren strengere Sicherheitsabstände zur Beckenwand gelten. Klagen scheitern regelmäßig, wenn sie sich auf veraltete technische Standards stützen oder wenn die Unfallursache einzig im grob leichtsinnigen Verhalten des Klägers liegt. Entspricht die Anlage der aktuell gültigen Norm, ist die Sicherungspflicht in der Regel erfüllt.
Fordern Sie über Ihren Anwalt sofort das aktuell gültige Prüf- und Wartungsprotokoll (inklusive DIN-Norm-Referenz, z.B. DIN EN 1069:2019) der Anlage zum Unfallzeitpunkt an, um die technische Normkonformität zu prüfen.
Habe ich Anspruch auf Schadensersatz, wenn ich die Rutschregeln missachtet habe?
Wenn Sie die Regeln auf einer Wasserrutsche missachten, führt dies nicht automatisch zum Verlust Ihres Schadensersatzanspruchs. Eine einfache Fahrlässigkeit, wie die bloße Missachtung der Rutschposition, führt in der Regel lediglich zu einer Minderung des Anspruchs (Teilschuld). Ihr Anspruch kann jedoch vollständig abgewiesen werden, wenn Ihr Verhalten als grob leichtsinnig und unvorhersehbar eingestuft wird.
Gerichte fordern, dass Betreiber nur solche Gefahren absichern müssen, die ein sorgfältiger Benutzer nicht ohne Weiteres erkennen und meiden kann. Wenn Ihr Verhalten die alleinige und unmittelbare Ursache des Unfalls darstellt, trägt der Betreiber keine Verantwortung, da er keine Sicherungspflicht verletzt hat. Grob fahrlässig ist ein Verhalten dann, wenn es über die Regelmissachtung hinausgeht und aktiv die Sicherheitsmechanismen der Anlage aushebelt.
Ein Beispiel: Ein Gericht wies die Klage vollständig ab, weil der Kläger nicht nur verbotenerweise mit dem Kopf voran gerutscht war, sondern im Auslaufbecken zusätzlich seinen Oberkörper aktiv aufrichtete. Dieses Manöver („Aufbäumen“) hob ihn über die Bremsrinne der Auffangeinrichtung hinweg. Dadurch wurde die gesamte Sicherheitsfunktion der Anlage kausal außer Kraft gesetzt. Die Unfallfolge beruhte somit auf einem besonders leichtsinnigen Fehlgebrauch, den selbst eine Aufsichtsperson kaum hätte verhindern können.
Rekonstruieren Sie den Unfallhergang präzise, um festzustellen, ob Ihre aktive Bewegung die Bremswirkung der Rutsche ursächlich zunichtegemacht hat.
Welche Warnhinweise und Piktogramme sind am Rutscheneinstieg Pflicht?
Klare, piktogrammbasierte Warnhinweise direkt am Rutscheneinstieg sind verpflichtend. Diese Symbole müssen den Anforderungen der DIN EN 1069 entsprechen und unmissverständlich die erlaubte sowie die verbotene Rutschposition darstellen. Der Betreiber erfüllt seine Warnpflicht nur, wenn die Hinweise für den durchschnittlichen Nutzer sofort verständlich und gut sichtbar sind.
Die Regel verlangt, dass Warnhinweise an gut sichtbaren Stellen platziert werden, typischerweise am Treppenaufgang und noch einmal direkt am tatsächlichen Einstieg. Diese Piktogramme müssen die wesentlichen Gefahren visualisieren, besonders jene, die zu schweren Verletzungen führen können, wie das Rutschen in Bauchlage mit dem Kopf voran. Ein rotes „X“ über der verbotenen Nutzungsposition macht die Botschaft für jeden Erwachsenen unmissverständlich klar.
Der Betreiber muss zwar vor allen bekannten und vorhersehbaren Gefahren warnen. Die Pflicht endet aber dort, wo ein Nutzer grob fahrlässig und irrational handelt. Gerichte gehen davon aus, dass ein erwachsener Mensch unmissverständliche, normkonforme Piktogramme wahrnehmen und befolgen kann. Im Fall des Landgerichts Oldenburg schloss das Gericht eine Pflichtverletzung aus, weil die Schilder die explizite Gefahr des Rutschens in Bauchlage darstellten.
Dokumentieren Sie stets mit hochauflösenden Fotos die Position, Größe und den genauen Inhalt jedes einzelnen Piktogramms am Unfallort, um deren Sichtbarkeit und Eindeutigkeit prüfen zu lassen.
Wann wird mein Fehlverhalten auf der Rutsche als grobes Eigenverschulden gewertet?
Grobes Eigenverschulden liegt erst vor, wenn Ihr Verhalten nicht nur leicht fahrlässig ist, sondern die grundlegenden Sicherheitsmechanismen der Anlage aktiv und unvorhersehbar außer Kraft setzt. Die bloße Missachtung einer Rutschregel, wie das Rutschen in Bauchlage, reicht für eine vollständige Ablehnung des Schadensersatzanspruchs in der Regel nicht aus. Entscheidend ist die juristische Trennlinie zwischen einfacher Fahrlässigkeit und einer aktiven Selbstgefährdung.
Ein Gericht spricht von grobem Fehlverhalten, wenn Nutzer die Regeln nicht nur brechen, sondern aktiv die sichere Funktion der Rutsche vereiteln. Im konkreten Fall des Landgerichts Oldenburg rutschte der Kläger nicht nur verbotenerweise kopfüber. Er richtete im Auslaufbecken seinen Oberkörper zusätzlich aktiv auf, eine Bewegung, die als „Aufbäumen“ beschrieben wurde. Dieses aktive Manöver hob die passive Bremswirkung der unter Wasser liegenden Auffangeinrichtung aus.
Diese Kausalkette ist entscheidend: Die Bewegung führte dazu, dass der Oberkörper des Klägers über die Bremsrinne hinwegragte. Dadurch konnte er die verbleibende Distanz zur Beckenwand ungebremst zurücklegen und kollidierte. Weil diese Handlung die eigentliche Unfallursache war und für den Betreiber nicht vorhersehbar war, entfiel jeglicher Anspruch auf Schadensersatz, da der Schaden allein durch das leichtsinnige Verhalten verursacht wurde.
Um Ihre Situation einzuschätzen, ziehen Sie das gerichtliche Sachverständigengutachten heran, um die Unfallkinematik zu verstehen.
Wie schützen mich aktuelle DIN-Normen und technische Gutachten vor der Haftung?
Aktuelle DIN-Normen und technische Gutachten dienen in erster Linie als Absicherung für den Betreiber. Die Einhaltung der Normen, wie der DIN EN 1069, gilt als starkes Indiz dafür, dass die Anlage dem Stand der Technik entspricht und keine Produktfehler vorliegen. Für Sie als geschädigte Person bieten die Normen nur einen indirekten Schutz. Sie müssen nachweisen, dass der Betreiber diese Standards verletzt hat, um Schadensersatzansprüche zu begründen.
Gerichte nutzen die aktuelle Fassung der DIN-Normen zur Beurteilung, welche Sicherheitsmaßnahmen als verkehrssicher gelten. Wenn beispielsweise das Gefälle einer Rutsche 24 Prozent beträgt, die gültige Norm (DIN 2019) jedoch bis zu 25 Prozent erlaubt, kann der Hersteller nicht haftbar gemacht werden. Klagen, die auf strengeren, aber veralteten Regelwerken basieren, sind daher in der Regel unwirksam. Der Betreiber muss lediglich den Stand der Technik zum Unfallzeitpunkt lückenlos und nachweisbar einhalten.
Entscheidend für die Haftungsfrage ist oft die technische Klassifikation der Anlage im Sachverständigengutachten. Nur durch die korrekte Einstufung, etwa als Auffangeinrichtung statt eines Eintauchbereichs, kann der Betreiber geringere Sicherheitsabstände zur Beckenwand rechtfertigen. Findet das Gutachten eine Normverletzung – etwa unzureichende Abstände oder ein zu steiles Gefälle – dient dies Ihnen als klarer Beweis für die Pflichtverletzung des Betreibers.
Gleichen Sie die technischen Merkmale der Rutsche sofort mit der Definition der DIN EN 1069 ab, um die korrekte Klassifizierung der Auffangeinrichtung zu überprüfen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Auffangeinrichtung
Eine Auffangeinrichtung ist im Kontext von Wasserrutschen eine spezielle bauliche Konstruktion, bei der das Rutschenende unter Wasser verlängert wird, um den Nutzer sanft und kontrolliert abzubremsen. Juristen nutzen diese Klassifizierung, weil für diesen Bautypus gemäß der relevanten DIN-Norm geringere Sicherheitsabstände zur Beckenwand zulässig sind als für einen Eintauchbereich. Das Gesetz erlaubt diese Bauweise, solange die Bremswirkung technisch sichergestellt ist.
Beispiel: Im vorliegenden Fall entkräftete das Sachverständigengutachten die Argumentation des Klägers, indem es den Landebereich technisch korrekt als Auffangeinrichtung klassifizierte.
DIN-Normen
DIN-Normen sind technische Regelwerke, die in Deutschland als anerkannter Stand der Technik gelten und die spezifischen Anforderungen an die Sicherheit und Beschaffenheit von Produkten und Anlagen festlegen. Gerichte ziehen diese Normen heran, um den Umfang der Verkehrssicherungspflicht zu bestimmen; die Einhaltung der aktuellen DIN-Vorgaben gilt als starkes Indiz dafür, dass ein Betreiber seine Pflichten erfüllt hat und dient der Schaffung von Rechtssicherheit.
Beispiel: Die aktuelle DIN EN 1069 für Wasserrutschen erlaubte ein Gefälle von bis zu 25 Prozent, wodurch das Gericht feststellte, dass die Anlage trotz des hohen Gefälles normkonform war.
Grobes Eigenverschulden
Juristen sprechen von grobem Eigenverschulden, wenn der Geschädigte die notwendige Sorgfalt in extrem hohem Maße verletzt und dadurch aktiv die Sicherheitsvorkehrungen einer Anlage außer Kraft setzt. Dieses Prinzip ist entscheidend für die Haftung: War das Verhalten des Nutzers die alleinige und unmittelbare Ursache des Schadens, entfällt die Verantwortung des Betreibers, da dieser nur vor vorhersehbaren Gefahren schützen muss.
Beispiel: Der Kläger verursachte seinen schweren Unfall durch grobes Eigenverschulden, weil er nicht nur verbotenerweise kopfüber rutschte, sondern zusätzlich durch das sogenannte „Aufbäumen“ die Bremswirkung der Auffangeinrichtung vorsätzlich aufhob.
Normkonformität
Normkonformität beschreibt den Zustand, in dem ein Produkt oder eine Anlage sämtlichen relevanten technischen Anforderungen und Sicherheitsstandards entspricht, die in den aktuell gültigen DIN-Normen festgelegt sind. Die lückenlose Einhaltung der Normkonformität ist der wichtigste Nachweis für den Betreiber, dass er seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen ist, wodurch er seine Haftung bei potenziellen Unfällen minimiert.
Beispiel: Da die Messungen zeigten, dass die Rutschgeschwindigkeit und die baulichen Abstände zur Beckenwand innerhalb der Normkonformität der aktuellen DIN-Fassung lagen, sah das Gericht keinen Mangel an der Anlage.
Produkthaftung
Produkthaftung bezeichnet die verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers für Schäden, die durch ein fehlerhaftes Produkt entstehen, auch wenn dem Hersteller kein unmittelbares Verschulden nachgewiesen werden kann. Dieses Gesetz soll Verbraucher schützen, indem es gewährleistet, dass Produkte die Sicherheit bieten, die man vernünftigerweise erwarten darf; die Haftung greift unabhängig davon, ob der Fehler bei der Herstellung oder der Konstruktion lag.
Beispiel: Obwohl die Klage auch gegen den Hersteller gerichtet war, verneinte das Gericht die Produkthaftung, da die Wasserrutsche dem aktuellen Stand der Technik entsprach und nicht als fehlerhaft galt.
Verkehrssicherungspflicht
Die Verkehrssicherungspflicht verpflichtet jeden, der eine Gefahrenquelle schafft – wie den Betreiber einer öffentlichen Anlage –, alle zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um Dritte vor Schäden zu bewahren. Diese Pflicht dient dem allgemeinen Schutz im Rechtsverkehr und soll verhindern, dass Nutzer durch leicht erkennbare oder vermeidbare Mängel zu Schaden kommen, ist aber auf Gefahren beschränkt, die ein sorgfältiger Benutzer nicht selbst meiden kann.
Beispiel: Das Landgericht prüfte umfassend, ob der Betreiber der Wasserrutsche seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte, etwa durch unzureichende Warnhinweise oder die Nichteinhaltung baulicher Sicherheitsabstände.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Oldenburg – Az.: 3 O 1881/21 – Urteil vom 19.03.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz



    
        
					
										
					
										
					
										
					
										
					
										
					
										
					
										
					
										

