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Zu geringer Stundenlohn angesetzt bei der Berechnung des Übergangsgeldes

SOZIALGERICHT KOBLENZ

Az.: S 2 U 45/00

Verkündet am 12.06.2001


In dem Rechtsstreit hat die 2. Kammer des Sozialgerichts Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 12.06.2001 durch die

für Recht erkannt:

1. Der Bescheid der Beklagten vom 19.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2000 wird abgeändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger ein höheres Übergangsgeld als bisher bewilligt zu gewähren.

2. Die Beklagte hat dem Kläger die ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger ein höheres Übergangsgeld, als von der Beklagten bewilligt, zu gewähren ist.

Der 1969 geborene Kläger ist gelernter Maler und Lackierer. Er leidet an einem gemischförmigen Asthma bronchiale, einer pollivalenten Allergie und einem hyperreagiblen Bronchialsystem. Wegen einer drohenden Berufskrankheit nach Ziff 4302 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung hat er seinen erlernten Beruf aufgegeben und nimmt seit 01.03.1999 an einer Umschulungsmaßnahme teil. Kostenträger ist die Beklagte. Ab Beginn der Umschulungsmaßnahme gewährte sie ihm mit Bescheid vom 19.04.1999 Übergangsgeld. Dieses setzte sie auf 48,70 DM fest. Sie legte ihrer Berechnung das zu gewährende Verletztengeld von 71,62 DM zugrunde und errechnete daraus einen Prozentsatz von 68 vH = 48,70 DM. Bei der Berechnung des Verletztengeldes berücksichtigte sie einen Stundenlohn des Klägers in Höhe von 21,19 DM und eine Wochenarbeitszeit von 39 Stunden und gelangte zu einem Regellohn in Höhe von 110,19. Gegen den Bewilligungsbescheid erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, die Beklagte habe einen zu niedrigen Bruttostundenlohn bei der Berechnung des Regellohnes zugrunde gelegt. Außerdem sei es nicht korrekt, das Übergangsgeld aus dem Verletztengeld zu berechnen. Anzuknüpfen sei vielmehr an das Regelentgelt, wie es der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde gelegt werde.

Mit Bescheid vom 12.08.1999 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie das Übergangsgeld ab 01.03.1998 auf 53,48 DM kalendertäglich anhob, wobei sie davon ausging, dass der Regellohn nicht 110,19 DM, sondern 132, 92 DM kalendertäglich betragen habe.

Der Kläger erhielt seinen Widerspruch mit der Begründung aufrecht, dass der Berechnungsmodus der Beklagten, was das Übergangsgeld angehe, falsch sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2000 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Sie beharrte auf ihrem Standpunkt, dass der Berechnung des Übergangsgeldes nicht das sogenannte Regelentgelt zugrunde zu legen sei, sondern dass das Übergangsgeld aus dem tatsächlich gezahlten oder fiktiven Verletztengeld zu errechnen sei..

Mit der am 11.02.2000 eingegangen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, aus den gesetzlichen Bestimmungen über die Gewährung von Obergangsgeld sei zu entnehmen, dass das der Berechnung zugrunde zu legende Regelentgelt beim Übergangsgeld das gleiche Regelentgelt sei wie bei der Bemessung des Verletztengeldes. Deshalb sei auch bei der Berechnung des Übergangsgeldes das Regelentgelt von 132,92 DM kalendertäglich zugrunde zu legen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19.04.1999 und vom 26.01.2000 zu verurteilen, ihm ein höheres Übergangsgeld als bisher bewilligt, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält an ihrer Verwaltungsentscheidung fest.

Nach § 151 Abs 2 SGB VII sei bei der Berechnung des Übergangsgeldes nicht nur die Art und Weise der Berechnung gemäß § 47 Abs. 1 und 5 SGB VII zugrunde zu legen, sondern Berechnungsgrundlage für das Übergangsgeld nach Maßgabe der -Prozentsätze in § 51 Abs. 1 SGB VII es sei denn nach § 47 Abs 1 und 5 SGB VII berechnete Betrag des Verletztengeldes.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie die Leistungsakten der Beklagten, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 87, 90 SGG form- und fristgerecht erhobene und auch sonst zulässige Klage ist auch begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.04.1999 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 12.08.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2000 ist rechtswidrig und der Kläger durch ihn in seinen Rechten verletzt.

Gemäß § 49 SGB VII wird vom Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Obergangsgeld gezahlt, wenn ein Versicherter infolge des Versicherungsfalles berufsfördernde Leistungen nach § 35 Abs. 1 SGB VII erhält und wegen dieser Leistungen

eines ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann. Es wird gemäß § 50 SGB VII für die Dauer der betriebsfördernden Leistungen erbracht. Gemäß § 51 SGB VII beträgt das Übergangsgeld für Versicherte, die mindestens 1 Kind haben, die pflegebedürftig sind oder deren Ehegatten, mit dem sie in häuslicher Gemeinschaft leben pflegebedürftig ist, 75 vH, für die übrigen Versicherten 68 vH des nach den Abs 2 und 3 berechneten Betrages. Nach § 51 Abs 2 SGB VII gilt § 47 Abs 1 und 5 SGB VII entsprechend für Versicherte, die in den letzten drei Jahren vor Beginn der berufsfördernden Leistungen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben. Der Kläger gehört als kinderloser, nicht pflegebedürftiger, unverheirateter Versicherter zu dem Personenkreis, dessen Übergangsgeld sich auf 68 vH des nach § 51 Abs 2 und 3 zu berechnenden Betrages beläuft.

Da der Kläger sein letztes Arbeitsentgelt innerhalb von drei Jahren vor Beginn der berufsfördernden Leistungen erzielt hat, gilt für ihn die Regelung des § 47 Abs 1 und 5 SGB VII entsprechend. Denn der Kläger war bis 20.12.1998 als Maler und Lackierer beschäftigt und erzielte Arbeitsentgelt. Am 21.12.1998 meldete er sich arbeitslos. Seit 01.03.1999 nimmt er an der Umschulungsmaßnahme teil.

Aus dem Verweis auf § 47 Abs. 1 und 5 SGB VII ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass die Berechnung des Übergangsgeldes grundsätzlich nach dem gesetzlich festgelegten Prozentsatz des im Bemessungszeitraum erzielten Arbeitsentgeltes zu berechnen ist. Dh es knüpft an das früher vom Kläger erzielte Arbeitsentgelt an, was auch der Berechnung des ihm zu gewährenden Verletztengeldes zugrunde liegen würde. Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Gewährung von Übergangsgeld. Es ist eine Lohnersatzleistung. Es soll den Lebensunterhalt des Behinderten während seiner beruflichen Rehabilitationsmaßnahme sichern. Nur wenn der letzte Tag der Erwerbsfähigkeit mehr als drei Jahre zurückliegt oder kein Arbeitsentgelt erzielt worden ist oder es unbillig hart wäre, von diesem Arbeitsentgelt auszugehen, wird der Berechnung das tariflich bzw ortsübliche Arbeitsentgelt zugrunde gelegt, dass der Behinderte ohne die Behinderung nach seinen beruflichen Fähigkeiten und seinem Lebensalter erzielen könnte. Da ein solcher Ausnahmefall

beim Kläger nicht gegeben ist, hat die Berechnung des Übergangsgeldes in Anlehnung an das von ihm zuletzt erzielte Arbeitsentgelt zu erfolgen, um der Zielrichtung der gesetzlichen Regelung Genüge zu tun. Für eine solche Anknüpfung an das Regelentgelt und nicht an eine zuvor bezogene oder fiktiv beziehbare Sozialleistung als Ausgangsbasis für die. Berechnung des Übergangsgeldes spricht auch; das zur Sicherung der Kontinuität der Leistungen bei mehreren Rehabilitationsmaßnahmen das Arbeitsentgelt als Berechnungsgrundlage jeweils übernommen wird (vgl BSG Urteil vom 26.09.1990, Az: 9 B-7 RAr 96/88).

Im Übrigen enthielt auch bereits die frühere gesetzliche Regelung zum Übergangsgeld (§ 568 ff RVO) in Abs 5 eine entsprechende Verweisung auf die Vorschriften über das Verletztengeld.

Auch die Tatsache, dass anders als bei früheren gesetzlichen Regelungen eine Rente, die der Verletzte wegen des der Berufshilfe zugrunde liegenden Versicherungsfalles bezieht, auf das Übergangsgeld nicht mehrangerechnet wird, weil eine § 568 Abs 6 RVO entsprechende Vorschrift in das SGB VII nicht übernommen wurde, rechtfertigt keine andere Berechnungsweise. Wenn § 52 SGB VII nur die Möglichkeit gleichzeitig erzielten Einkommens auf Verletzten- und Übergangsgeld anzurechnen, vorsieht, ist der Wegfall der vorher bestehenden Anrechnungsmöglichkeit als grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Versicherten hinzunehmen.

Aus alledem folgt, dass der Klage stattzugeben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

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