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Verspätung eines Interkontinentalfluges und außergewöhnlichere Umstande – Ausgleichsanspruch

AG Frankfurt, Az.: 31 C 397/16 (17), Urteil vom 08.06.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger je zur Hälfte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Verspätung eines Interkontinentalfluges und außergewöhnlichere Umstande - Ausgleichsanspruch
Symbolfoto: Von MiniStocker /Shutterstock.com

Die Kläger hatten eine Luftbeförderung mit der Beklagten auf dem Flug von L. nach F. gebucht. Ein weiterer Fluggast für diesen Flug brachte unangemeldet eine Katze mit in die Kabine. Als das in der Kabine umherlaufende Tier entdeckt wurde, sollte es zunächst in einer Tasche der Besitzerin verbleiben. Die Katze verließ jedoch die Tasche und lief erneut frei in der Kabine herum. Die Besatzung vereinbarte mit der Tierbesitzerin, die Katze in einem Waschraum einzuschließen und von der Crew versorgen zu lassen. Damit war die Besitzerin nach dem Start nicht mehr einverstanden. Sie widersetzte sich den Anweisungen der Crew und geriet mit der Besatzung in Streit. Sie trat gegen die Waschraumtür, schlug und bedrohte eine Flugbegleiterin und drohte, das Flugzeug abstürzen zu lassen, sie habe Kontakte zur Mafia und terroristische Absichten.

Der Pilot entschied sich zu einer Landung, um die Tierbesitzerin von Bord bringen zu lassen. Aufgrund der unplanmäßigen Landung wurde eine Untersuchung des Fluggeräts notwendig und konnte die Besatzung den Weiterflug nicht mehr in der vorgeschriebenen maximalen Dienstzeit durchführen, so dass es zu weiteren gen kam, bis der Weiterflug angetreten wurde. Die Kläger erreichten F. mit mehr als 24 Stunden Verspätung.

Die Kläger verlangten jeweils eine Ausgleichszahlung nach Fluggastrechte-Verordnung. Trotz rechtsanwaltlicher Zahlungsaufforderung zahlte die Beklagte nicht.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 600 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2015 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 2) 600 € nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2015 zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, die außergerichtlichen anwaltlichen Gebühren in Höhe von 242,76 € nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2015 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Die Kläger haben keine Ansprüche auf eine Ausgleichsleistung nach Art. 6, Art. 7 VO (EG) 261/2004 analog.

a) Das Vorbringen ist unschlüssig. Es besteht nach eigenem Vortrag der Kläger kein Anspruch. Die Beklagte ist gemäß Art. 5 Abs. 3 VO (EG) 261/2004 analog wegen des Vorliegens eines außergewöhnlichen Umstandes entlastet.

Außergewöhnliche Umstände sind solche, die nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens sind und auf Grund ihrer Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen sind (EuGH NJW 2009, 347 (349 Tz. 23)); die also nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (BGH NJW 2013, 374 Tz. 10, 14).

Selbst wenn die Beklagte vorwerfbar, was nicht beurteilt werden muss, die Katze im Handgepäck mit an Bord gelassen oder an Bord belassen haben sollte, ist es ein davon zu trennender mehr als außergewöhnlicher Umstand, wenn die Tierbesitzerin den Anweisungen der Besatzung nicht Folge leistet, „einen Aufstand macht“, gewalttätig wird und grundsätzlich ernstzunehmende Drohungen ausspricht. Im Luftverkehr geht – auch im Interesse der Kläger – Sicherheit vor, so dass es nicht zu beanstanden ist, dass sich der Pilot zu einer außerplanmäßigen Landung entschloss und hierdurch die weitere Luftbeförderung nur verzögert durchgeführt werden konnte.

Zwar ist dem Luftfahrtunternehmen die Entlastung nur dann zu gewähren, wenn die außergewöhnlichen Umstände sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Das wäre hier aber nur dann zu bejahen gewesen, wenn bereits bei Entdecken der Katze ihre Besitzerin auffällig geworden wäre, so dass die Beklagte damit rechnen konnte, dass es Schwierigkeiten geben könnte. So war die einvernehmliche Verwahrung der Katze in dem Waschraum aber eine zumutbare Maßnahme, Ärger mit der Tierbesitzerin und Verzögerungen in der Beförderung zu vermeiden. Zeigt sich der Passagier unauffällig und einsichtig, darf das Luftfahrtunternehmen auf dessen Kooperation vertrauen. Eine nachfolgende Eskalation ist dann überraschend und entspricht nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge. Das weitere Geschehen war für die Beklagte deshalb nicht vorhersehbar.

Die weiteren Verzögerungen bis zum Weiterflug sind kausal auf die Eskapaden der Tierbesitzerin zurückzuführen und der Beklagten daher nicht anzulasten.

b) Vortrag aus dem Schriftsatz ist, sofern überhaupt Relevantes enthaltend, unbeachtlich, da nicht nachgelassen nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgenommen und deshalb verspätet (§ 296a ZPO). Gründe, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, sind nicht ersichtlich.

2. Ohne Hauptforderungen bestehen keine Nebenforderungen.

II. Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 S. 1, § 100 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

III. Streitwert: 1200 €.

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