OLG Brandenburg
Az: 7 U 169/04
Urteil vom 27.04.2005
In dem Rechtsstreit hat der 7. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.2005 für Recht erkannt:
Die Berufung des Klägers gegen das am 21. Juli 2004 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
1.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Aufhebung der von ihr für sein Nutzerkonto ausgesprochenen Sperre sowie auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten in Anspruch.
Der Kläger ist seit 01.05.2001 Mitglied der Beklagten. Seit Januar 2003 vertreibt er über sein Mitgliedskonto … Waren seiner Ehefrau, die seit 1997 ein Handelsunternehmen betreibt, in welchem der Kläger angestellt ist.
Die Beklagte ließ am 30.05.2003 das Nutzerkonto des Klägers mit sofortiger Wirkung sperren, und zwar unter Hinweis darauf, dass der Kläger zu viele negative Bewertungen anderer Nutzer erhalten habe. Mit Schreiben vom 04.09.2003 (BI. 155, 156 d.A.), gerichtet an den anwaltlichen Vertreter des Klägers, kündigte die Beklagte den Nutzungsvertrag gemäß § 4 Nr. 4 ihrer AGB vorsorglich zum 31.09.2003.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, die Sperrung des eBay Accounts … aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden, die ihm aus der Sperrung des eBay Accounts … entstanden sind, zu ersetzen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage mit dem Antrag zu Ziffer 1. sei deshalb unbegründet, weil die Beklagte wirksam den Nutzungsvertrag mit Schreiben vom 04.09.2003 – ordentlich – gekündigt habe. Der Feststellungsantrag sei unbegründet, da der Kläger lediglich Waren seiner Frau veräußert habe und die Beklagte deshalb sich nicht schadensersatzpflichtig gemacht haben könne.
Der Kläger hat Berufung eingelegt.
Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Die Berufung ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage. soweit der Kläger darauf anträgt, die Sperrung des ebay – Accounts … aufzuheben, zu Recht als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Aufhebung der Sperrung deshalb nicht zu, weil der Nutzungsvertrag mit Rücksicht auf die von der Beklagten erklärte – ordentliche- Kündigung wirksam beendet ist.
Die dagegen vorgetragenen Berufungsrügen greifen nicht durch.
1.
Das Landgericht hat zutreffend die Berechtigung der Beklagten bejaht, gemäß § 4 Nr. 4 ihrer seit dem 31.05.2003 geltenden AGB (BI. 203 d.A.) den Nutzungsvertrag jederzeit mit einer Frist von vierzehn Tagen zum Monatsende zu kündigen.
a)
Der Kläger selbst zweifelt – im Grundsatz – nicht an, dass die Beklagte berechtigt ist, Allgemeine Geschäftsbedingungen zu verwenden und auch hierbei im Einklang mit den §§ 307 309 BGB in § 4 Nr. 4 ihrer AGB ein ordentliches Kündigungsrecht aufzunehmen (Seite.4 der Berufungsbegründung – BI. 405 d.A.). Die Vertragsfreiheit gebiete es, Dauerschuldverhältnisse mit einer ordentlichen Kündigungsfrist zu kündigen. Die Beklagte hat dem Nutzer in § 4 Nr. 3 AGB ebenfalls ein Kündigungsrecht eingeräumt, das dieser jederzeit – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – ausüben kann. Die für eine Kündigung der Beklagten ausbedungene Kündigungsfrist von vierzehn Tagen kann nicht als unangemessen bezeichnet werden, weil sie mit der gesetzlichen Regelung des § 621 Nr. 5 BGB im Einklang steht.
Entgegen den Ausführungen des Klägers kann der Beklagten das Recht zur ordentlichen Kündigung nicht mit dem Hinweis darauf versagt werden, der Anlass der Kündigung sei die vorangegangene Sperrung gewesen. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom 04.09.2003 (BI. 155, 156 d.A.) ausdrücklich erklärt, sie spreche vorsorglich gemäß § 4 Nr. 4 AGB „zusätzlich“ – also unabhängig von der vorausgegangenen Sperrung – die Kündigung aus. Dieses Recht auf ordentliche Kündigung stand der Beklagten zu. Deshalb kommt es entgegen dem Vorbringen des Klägers nicht darauf an, dass die Beklagte – möglicherweise – ohne vorausgegangene Sperrung keine Veranlassung zur Kündigung gemäß § 4 Nr. 4 AGB gehabt hätte. Wie das Landgericht in seinen Entscheidungsgründen bereits zutreffend bemerkt hat, ist die Frage nach der Berechtigung zu einer ordentlichen Kündigung völlig losgelöst von den Auseinandersetzungen der Parteien hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Sperrung des Nutzerkontos des Klägers durch die Beklagte zu beantworten. Denn andernfalls würde das Erfordernis eines wichtigen Grundes in der Tat zur Voraussetzung der ordentlichen Kündigung werden, was aber systemwidrig ist.
b)
Die Kündigung als solche ist, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, wirksam.
Ohne rechtliche Bedeutung ist, dass das Kündigungsschreiben vom 04.09.2003 nicht von einem Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglied der Beklagten unterzeichnet ist. Die Kündigung ist im Geschäftsbetrieb der Beklagten auf deren Briefbögen erklärt worden, und zwar von einem Angehörigen der Rechtsabteilung der Beklagten. Schon deshalb bestehen an der Wirksamkeit der Kündigung – insoweit – keine Zweifel. Außerdem ist die Kündigung vom 04.09.2003 an Rechtsanwalt … in Bad Schönborn gerichtet, der seinerzeit den Kläger anwaltlich vertrat. Dieser hat keinerlei Bedenken geäußert in dem Sinne, dass die Kündigung von einer nicht vertretungsberechtigten Person unterzeichnet sei. Auch im Verfahren erster Instanz hat der Kläger schriftsätzlich Bedenken nicht vortragen lassen. In der Sitzungsniederschrift vom 21.07.2004 sind dort geäußerte Bedenken nicht protokolliert worden. Das Landgericht hat unter den gegebenen Umständen zurecht eine verspätete Rüge mit Rücksicht auf die Vorschriften der §§ 180, 177, 179 BGB nicht zugelassen.
Unschädlich ist schließlich der von dem Kläger erstmals im Berufungsrechtszug angeführte Umstand, dass die Kündigung zum 31.09.2003 ausgesprochen worden ist. Es versteht sich von selbst, dass das unrichtige Datum des 31.09.2003 im Wege der ergänzenden Auslegung (§§ 133, 157,242 BGB) dahin zu verstehen ist, dass der 30.09.2003 gemeint gewesen ist.
2.
Das Landgericht hat aufgrund des Vortrages des Klägers mit Recht keine sonstigen Umstände erblickt, die die Kündigung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) als unwirksam erscheinen ließen.
Erstmals im Berufungsrechtszug (Seite 3 der Berufungsbegründung – BI. 404 d.A.) macht der Kläger geltend, die Kündigung sei angesichts der zwischenzeitlichen Monopolstellung der Beklagten als unangemessene Benachteiligung zu werten. Mit diesem neuen Vorbringen. für das der Kläger einen Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht angibt, ist der Kläger im zweiten Rechtszug ausgeschlossen.
Das gilt auch insoweit, als der Kläger erstmals auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 31.03.2005 (BI. 478 d.A.) einen Verstoß gegen die Bestimmungen des GWB vorträgt. Es handelt sich auch hierbei um einen neuen Klagegrund.
Außerdem kann der Kläger aus der erst im zweiten Rechtszug vorgetragenen marktbeherrschenden Stellung der Beklagten auch der Sache nach nichts für sich herleiten. Auch für die Beklagte gilt – und zwar unabhängig von. ihrer Marktstellung – der Grundsatz der Abschlussfreiheit.
Ein unmittelbarer Anschlusszwang besteht nicht. Die Beklagte als Online-Marktplatz gehört nicht zu dem Kreis der Daseinsvorsorge, bei dem teilweise die Abschlusspflicht gesetzlich geregelt ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl., Einf v § 145 BGB, Rdnr. 8).
Ein mittelbarer Anschlusszwang kann gleichfalls nicht angenommen werden. Das ist nur unter engen Voraussetzungen möglich, nämlich dann, wenn die Ablehnung des Vertragsschlusses eine unerlaubte Handlung ist (Palandt/Heinrichs, aa.a.O., Rdnr. 9). Es ist nichts dafür ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen, dass – ihm gegenüber – die Ablehnung eines Vertragsschlusses eine unerlaubte Handlung bedeuten würde.
Schließlich führt auch der Hinweis des Klägers auf die Bestimmungen des GWB zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Soweit nämlich der Kläger erstmals auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 31.03.2005 (B1.478 d.A.) – lange nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – vorträgt, er sei bei der Beklagten gewerblich tätig gewesen. setzt er sich mit seinem erstinstanzlichen Vorbringen in Widerspruch. Er hat nämlich auf Seite 2 des Schriftsatzes vom 13.04.2004 geleugnet, als Kaufmann tätig gewesen zu sein; er hat vielmehr vorgetragen, er sei als „Privatperson'“ Mitglied der Beklagten; in dem Handelsunternehmen seiner Ehefrau sei er lediglich angestellt (B1. 229 d.A.). Das Landgericht hat mit Rücksicht auf diesen Vortrag des Klägers seine örtliche Zuständigkeit (§ 21 Abs. 1 ZPO) bejaht, die die Beklagte unter Hinweis auf ihre in den AGB enthaltene Gerichtsstandsvereinbarung verneint hatte.
Mit Rücksicht auf seinen erstinstanzlichen Vortrag ist der Kläger nicht als ein am Wettbewerb beteiligter Unternehmer anzusehen, was aber Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmungen des GWB wäre.
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Feststellungsantrag für- unbegründet erachtet. Die Unbegründetheit des Feststellungsantrages ergibt sich allein daraus, dass nach dem Klagevorbringen nichts für einen durch die Sperre des Nutzerkontos bedingten Schadens des Klägers ersichtlich ist. Das Landgericht hat insoweit zutreffend darauf abgestellt, dass der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen über das Nutzerkonto Waren zum Verkauf angeboten hat, die im Eigentum seiner Ehefrau – bei der er lediglich angestellt war – standen. Folglich kann dem Kläger ein Schaden nicht entstanden sein.
Auf die Hilfserwägungen des Landgerichts dazu, ob die Sperrung des Nutzerkontos gemäß § 2 Nr. 7 AGB berechtigt war, kommt es entscheidungserheblich nicht an. Demnach braucht auch den Ausführungen des Klägers – hierzu – im Schriftsatz vom 31.03.2005 (131. 472 ff. d.A.) nicht näher nachgegangen zu werden. Das gilt auch insoweit, als der Kläger in seinem Schriftsatz vom 28.04.2005 (BI. 521 f. d.A.) der Beklagten vorhält, sie habe aufgrund vertraglicher Nebenpflichten ihm „Transaktionsdaten“ mitzuteilen gehabt.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert im Berufungsrechtszug: 6.500,00 €.