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Behinderung von Baumfällarbeiten – Schadensersatzpflicht

AG Hamburg, Az.: 18b C 329/18, Urteil vom 04.02.2019

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Behinderung von Baumfällarbeiten – Schadensersatzpflicht
Symbolfoto: Von Parilov /Shutterstock.com

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz, weil die Beklagte Baumschneidearbeiten behindert habe, indem ihr PKW in einem für die Arbeiten errichteten vorübergehenden Halteverbot abgestellt wurde.

Der Kläger ist Gewerbetreibender und im Bereich der Forstlohnarbeit tätig. Das Bezirksamt Hamburg-Nord beauftragt den Kläger, in der in Hamburg Baumschneidearbeiten in der Zeit vom 01.06.2016 bis zum 30.06.2016 vorzunehmen (Anlage K1). Dabei sollten ein Hubsteiger sowie ein Schredder mit Ladefahrzeug eingesetzt werden. Da der Straßenrand der auf Höhe der Hausnummer 280 als Stell-, Rangier- und Abstellfläche genutzt werden sollte, wurde dieser Bereich auch für den 29.09.2016 mit entsprechenden Schildern als Halteverbotszone ausgewiesen. Dennoch parkte am 29.09.2016 der PKW der Beklagten mit dem amtlichen Kennzeichen … von 12:53 bis 13:39 Uhr in diesem Bereich. Das Fahrzeug wurde amtlich angeordnet abgeschleppt. Verursacher war der Beklagten zufolge nicht sie selbst, sondern ein Familienangehöriger.

Der Kläger forderte die Beklagte am 14.01.2017 mit Frist bis zum 25.01.2017 auf, ihn den durch das widerrechtliche Abstellen des Fahrzeugs und das dadurch erzwungene vorübergehende Ruhen der Arbeit entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Das daraufhin vom Kläger beauftragte Inkassounternehmen mahnte die Beklagte wiederholt zur Zahlung auf.

Der Kläger behauptet, das Fahrzeug hätte den Fortgang der Baumarbeiten behindert. Erst nach dem Abschleppen hätten die Arbeiten wieder aufgenommen werden können. Dadurch sei ein Schaden in Höhe von 257,16 Euro entstanden, der sich aus den zeitanteiligen Kosten für die Mitarbeiter, den Hubsteiger und den Schredder von insgesamt 3,22 pro Minute, mithin 148,12 Euro für 46 Minuten, einem entgangenen Gewinn in Höhe von 44,44 Euro und den Kosten für die Halterermittlung durch den Rechtsanwalt in Höhe von 64,60 Euro zusammensetze.

Der Kläger ist der Ansicht, dass ein betriebsbezogener Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliege, indem durch das Blockieren der Fläche der Betrieb des Klägers für den Zeitraum bis zum Abschleppen „stillgelegt“ worden sei. Er ist außerdem der Ansicht, dass für die Höhe seines Schadens nicht von Belang sein könne, dass er eine pauschale Vergütung pro Baum erhielt. Er habe vor Vertragsschluss seine Kosten kalkuliert. Das widerrechtliche Abstellen des Autos habe naturgemäße seine Kostenkalkulation zunichte gemacht.

Nach Rücknahme von Inkassokosten in Höhe von 26,47 Euro beantragt der Kläger nunmehr,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 257,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit dem 26.01.2017 sowie Mahnkosten in Höhe von 5,00 € zu zahlen,

2. die Kosten des Inkassobüros in Höhe der Hälfte einer einem Rechtsanwalt zustehenden 1,3 Geschäftsgebühr gem. 2300 VV RVG – Anrechnung gemäße Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG – nach dem Wert der Klageforderung als erstattungsfähig anzusehen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass es zu keiner Verzögerung der Arbeiten gekommen sei, da im betroffenen Zeitraum andere Bäume, Vorbereitungs- und Absicherungsarbeiten hätten durchgeführt werden können. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie schon nicht richtige Adressatin der Schadensersatzforderung sei, da nicht sie, sondern ein – im Verfahren nicht benanntes – Familienmitglied den PKW im Halteverbot abgestellt habe. Im Übrigen sei der geltend gemachte Schadenersatzanspruch nach der obergerichtlichen Rechtsprechung schon dem Grunde nach nicht erstattungsfähig. Jedenfalls könne kein zeitlicher Verdienstausfall geltend gemacht werden, da der Kläger eine pauschale Vergütung pro Baum vereinbart hatte.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Hamburg ergibt sich aus § 32 ZPO, da die Ansprüche auf unerlaubte Handlung im Bezirk des Amtsgerichts Hamburg Mitte gestützt werden. Der – neu formulierte – Antrag zu 2. ist bei großzügiger Auslegung noch zulässig, da in der gebotenen Gesamtschau ersichtlich ist, dass der Kläger auch insoweit Zahlung beansprucht (zur Auslegungsfähigkeit von Prozesshandlungen: BGH NJW-RR 1995, 1183; BGH NJW-RR 2000, 1521; Zöller, 32. Aufl., vor § 128 Rn. 25).

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 257,16 Euro aus § 823 II BGB in Verbindung mit § 12 I Nr. 6 StVO.

§ 12 I Nr. 6 StVO stellt kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB dar. Um ein Schutzgesetz handelt es sich, wenn mit der Norm generell ein Individualrechtsschutz gewährleistet werden soll. Dies ist bei § 12 I Nr. 6 StVO nicht der Fall. Die Straßenverkehrsordnung ist insbesondere kein Gesetz zur Sicherung des Vermögens der Teilnehmer des Straßenverkehrs oder Personen, die gewerblich auf die Nutzung öffentlichen Raums angewiesen sind. Sie ist vielmehr Teil des Straßenverkehrsrechts, dessen Regelungen die Leichtigkeit und Sicherheit des Straßenverkehrs gewährleisten sollen. Der Umstand, dass die einzelnen Normen auch Individualinteressen schützen können, ändert an diesem Umstand nichts (BGH VI ZR 385/02 NJW 2004, 356). Daher ist für die Einordnung des § 12 I Nr. 6 StVO ohne Bedeutung, dass vorliegend der Kläger durch die Norm ggf. auch individuell geschützt werden soll.

2.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten auch keinen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 257,16 Euro gem. § 823 I BGB.

Ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Klägers liegt nicht vor. Dafür ist erforderlich, dass die Verletzungshandlung betriebsbezogen ist (BGH vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02 = NJW 2004, 356). Dies setzt eine Verletzung voraus, die sich „unmittelbar gegen den Bestand des Gewerbebetriebes richtet, sei es, dass dieser tatsächlich gehindert oder dass seine rechtliche Zulässigkeit verneint und seine Schließung oder Einschränkung verlangt wird“ (RGZ 73, 107 (112)). Es muss eine Schadensgefahr begründet werden, die über eine bloße Belästigung hinausgeht und geeignet ist, den Betrieb in empfindlicher Weise zu beeinträchtigen. (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 823 Rn. 323). Kriterium für die Betriebsbezogenheit ist die Willensrichtung des Verletzers. Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass er durch das Abstellen des Beklagten-PKW im Halteverbot daran gehindert wurde, 46 Minuten lang seiner Tätigkeit nachzugehen, weil der vorgesehene Arbeitsbereich „blockiert“ wurde, wäre damit der Gewerbebetrieb nicht in einer empfindlichen Weise beeinträchtigt, wie er für den Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erforderlich ist. Der Auftrag der Baumschneidearbeiten erstreckte sich über einen Zeitraum von einem Monat (01.06.2016 bis 30.06.2016), sodass einer Beeinträchtigung von weniger als einer Stunde nicht die erforderliche Eingriffsintensität zukommt. Darüber hinaus dürfte es an der erforderlichen Willensrichtung der Beklagten bzw. des das Fahrzeug abstellenden fehlen. Es ist durch den Kläger nicht hinreichend dargelegt, inwiefern die Beklagte, beziehungsweise der Fahrer, mit dem Abstellen des PKW im Halteverbot – und sei es mit bedingtem Vorsatz – auf den Gewerbebetrieb des Klägers einwirken wollte. Das bloße Missachten der vorübergehenden Halteverbotsschilder reicht dafür nicht aus. Bei lebensnaher Betrachtung liegt es nahe, dass bei einem Halten im Halteverbot gerade gehofft wird, keine Behinderung hervorzurufen, die das – kostenträchtige – Abschleppen des Fahrzeugs zur Folge hat.

3.

Mangels Hauptforderung stehen dem Kläger auch nicht die geltend gemachten Nebenforderung zu.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 I, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

IV.

Die Berufung war gem. § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob sich schadensersatzpflichtig macht, wer einen Betrieb an der Durchführung von Arbeiten hindert, indem er trotz speziell dafür aufgestellter Halteverbotsschilder mit einem verbotswidrig geparkten Fahrzeug die Arbeiten behindert, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Dies zu bejahen erscheint ebenso gut vertretbar, zumal die – ältere – obergerichtliche Rechtsprechung vor dem Hintergrund des gewandelten Verständnisses des Eigentumsschutzes restriktiv erscheint.

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