Oberlandesgericht Hamm
Az: 4 Ss 316/09
Beschluss vom 10.09.2009
Die Revision wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Angeklagte (§ 473 Abs. 1 StPO).
Gründe:
1. Hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 81a StPO weist der Senat auf Folgendes hin:
Mit der Verfahrensrüge wird allein geltend gemacht, dass ein Beweiserhebungs- und daraus folgende Beweisverwertungsverbot sich daraus ergebe, dass die Polizeibeamtin R1, ohne sich um eine richterliche Anordnung bemüht zu haben, die Entnahme der Blutprobe (wegen Gefahr im Verzug) angeordnet und damit den Richtervorbehalt des § 81a StPO verletzt habe. Diese Rüge kann schon deshalb keinen Erfolg haben, da tatsächlich die Voraussetzungen für die Annahme von „Gefahr im Verzug“ vorlagen.
Tatzeit war 22:04 Uhr. Nachdem zunächst der Angeklagte als Fahrer ermittelt und sodann aufgesucht wurde, erfolgte die Blutentnahme gegen 23:13 Uhr. Wie im Urteil zutreffend ausgeführt wird, endet der richterliche Eildienst um 21:00 Uhr (vgl. RV des JM v. 15.10.2007 JMBl. NRW 2007, S. 185). Ein Eildienstrichter hätte daher erst am folgenden Tag um 6:00 Uhr zur Verfügung gestanden. Nach der dann erfolgten Anordnung hätte die Blutentnahme frühestens gegen 7:00 Uhr durchgeführt werden können. Die dadurch bedingte Rückrechnung über einen Zeitraum von mehr als sieben Stunden würden sowohl bezüglich der Feststellung der absoluten Fahruntüchtigkeit des Angeklagten als auch für die Frage der Beurteilung der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB zu der drohenden Gefahr eines Beweismittelverlustes führen (so zu Recht: OLG Hamm Beschl. v. 24.03.2009 – 3 Ss 53/09). Ein Zuwarten bis 6:00 Uhr stand auch nicht im Interesse des Angeklagten, da dieser dann für diese Zeit hätte in Gewahrsam gehalten werden müssen. Daher musste auch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Anordnung der Entnahme der Blutprobe unverzüglich erfolgen.
Auf die mit der Revisionsbegründung aufgeworfene Frage, ob es der Polizeibeamtin bewusst war, dass kein Richter zu erreichen war oder ob sie versuchen musste, ob zufällig ein Richter erreichbar war, kommt es nicht an. Maßgeblich ist die objektive Gefahrenlage hinsichtlich des Beweismittelverlustes.
Ferner ist es unerheblich, ob ein Organisationsverschulden der Justiz darin gesehen werden könnte, dass ein richterlicher Eildienst nicht auch für die Zeit zwischen 21:00 Uhr und 6:00 Uhr eingerichtet worden ist. Zwar ist der 3. Senat des OLG Hamm für den Bezirk des LG Bielefeld von der Notwendigkeit eines solchen Eildienstes ausgegangen (Urteil vom 18.08.2009 – 3 Ss 293/08). Der Senat teilt diese, im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung zur Nachtzeit ergangenen Entscheidung und die dort angestellten Überlegungen nicht. Jedenfalls können sie nicht auf die Anordnung einer Blutentnahme gem. § 81a StPO übertragen werden. Dies folgt schon daraus, dass im Gegensatz zu dem im Grundgesetz angeordneten Richtervorbehalt für die Wohnungsdurchsuchung, Art. 13 II GG, der Vorbehalt des § 81a StPO ein einfachgesetzlicher ist. Dies ist sowohl bei der Frage, ob aus einer Verletzung des Vorbehaltes ein Beweisverwertungsverbot folgen kann, wertend mit heranzuziehen, als auch schon bei der Vorfrage, ob wegen der Anzahl der Blutentnahmen zur Nachtzeit ein Eildienst zwingend erforderlich ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass wegen der Eilbedürftigkeit ohnehin nur ein telefonischer Antrag und eine entsprechende Entscheidung möglich sind. Eine sachliche richterliche Kontrolle, ob die Voraussetzungen für die Anordnung gegeben sind, könnte nur sehr eingeschränkt stattfinden. Der Sinn des Richtervorbehalts, dem betroffenen Bürger einen möglichst effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 IV GG zu gewähren, ließe sich auf diesem Wege kaum erreichen. Der mit der Einrichtung eines Eildienstes einhergehende erhebliche personelle Aufwand -bei den knappen Ressourcen der Justiz- stünde damit in keinem Verhältnis zu dem erreichen Erfolg hinsichtlich des Rechtsschutzes des Bürgers vor Strafverfolgungsmaßnahmen. -Der 1., 2. und 5. Senat haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie diese Ansicht teilen.-
Letztlich braucht der Senat die Frage im vorliegenden Revisionsverfahren nicht zu beantworten. Denn die Nichteinrichtung eines nächtlichen Eildienstes ist nicht gerügt. Vielmehr hat der Verteidiger in der Revisionsbegründung selbst die Ansicht des Amtsgerichts ausdrücklich gebilligt, dass auch nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Bedeutung des Richtervorbehaltes die Erreichbarkeit des zuständigen Richters zur Nachtzeit nicht gewährleistet werden muss.
2. Soweit mit der Revision die fehlende Erörterung der §§ 21, 49 I StGB gerügt wird, stellt dies aus Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft ein sachlich rechtlicher Mangel dar. Der Senat sieht jedoch gem. § 354 I a StPO von der Aufhebung des Urteils ab. Auch bei einem gemilderten Strafrahmen ist das Urteil außergewöhnlich milde, wenn man berücksichtigt, dass der Angeklagte insgesamt neunmal vorbestraft worden ist, darunter dreimal wegen Trunkenheit im Verkehr und dreimal wegen anderer Verkehrsdelikte.