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Dienstvertrag oder Werkvertrag – Abgrenzung

LAG Nürnberg

Az.: 4 Ta 180/11

Beschluss vom 21.12.2011


1. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg – vom 06.09.2011, Az.: 7 Ca 600/11, abgeändert.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt für seine im Monat Februar 2011 für die Beklagte erbrachte Tätigkeit die Zahlung der geschuldeten Vergütung, Aufwandsersatz und Annahmeverzugslohn.

Der Kläger war aufgrund einer Internetannonce der Beklagten, in der diese einen Schreiner/Monteur gesucht hat, nach erfolgreicher Bewerbung im Zeitraum vom 07.02. bis 11.02.2011 für die Beklagte tätig und wurde bei den B… F… in M… eingesetzt.

Die Beklagte verweigerte in der Folgezeit eine Vergütung seiner Tätigkeit und Erstattung der geltend gemachten Fahrtauslagen.

Der Kläger begehrt über den 11.02.2011 hinaus wegen der nicht rechtswirksamen Beendigung seines Vertragsverhältnisses die Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Der Kläger behauptet, die Beklagte habe in dem in der Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit eingestellten Stellenangebot die Stelle eines Schreiners/Monteurs im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses angeboten (vgl. Kopie Bl. 4 d.A.). Hierauf habe er sich mit seinem Schreiben vom 24.01.2011 (Kopie Bl. 14 d.A.) beworben. Im Rahmen eines telefonisch geführten Bewerbungsgespräches sei es zur Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses gekommen. Auf Weisung der Beklagten sei er für diese bei den B… F… in M… tätig gewesen. Auch wenn dieser Einsatz seiner Erprobung gedient habe, ändere dies am Charakter der Vertragsbeziehung nichts. Während seiner Tätigkeit in M… sei er dort den Anweisungen des Produktionsleiters/Studiomeisters unterworfen gewesen. Er sei keinesfalls frei in seiner Arbeitszeiteinteilung gewesen und stets davon ausgegangen, dass ein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte.

Unzutreffend sei, dass er der Beklagten telefonisch mitgeteilt habe, eine eigene Schreinerei zu betreiben, denn er habe niemals selbständig gearbeitet und kein Gewerbe angemeldet gehabt. Vielmehr habe die Beklagte ihn ausdrücklich aufgefordert, ihr seine sozialversicherungsrechtlichen Daten mitzuteilen und die entsprechenden Unterlagen vorzulegen.

Wegen der nicht rechtswirksamen Beendigung seines Vertragsverhältnisses schulde ihm die Beklagte Annahmeverzugslohn über den 11.02.2011 hinaus.

Die Beklagte ihrerseits rügt die Zuständigkeit des angerufenen Arbeitsgerichts.

Sie begründet dies damit, der Kläger habe sich am 26.01.2011 telefonisch bei ihr gemeldet und mitgeteilt, dass er eine eigene Schreinerei betreibe und auf der Suche nach neuen Auftraggebern sei. Er habe angefragt, für die Beklagte als Subunternehmer eingesetzt werden zu können. In diesem Zusammenhang sei für die Zeit vom 07. bis 13.02.2011 ein Einsatz in M… vereinbart worden. Eine schriftliche Bewerbung des Klägers habe sie nicht erhalten. Die Übermittlung von Sozialversicherungsdaten habe sie nicht begehrt. Ihrem Weisungsrecht habe der Kläger nicht unterstanden.

Die Bezahlung des Einsatzes hänge ausschließlich von einer ordnungsgemäßen Rechnungserstellung seitens des Klägers ab.

Das angerufene Erstgericht hat mit Beschluss vom 06.09.2011 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als nicht eröffnet erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Obernburg am Main verwiesen.

Gegen den ihnen am 21.09.2011 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Telefax vom 05.10.2011 sofortige Beschwerde eingelegt.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 25.10.2011 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

Der Kläger rügt, dass das Erstgericht die E-Mail der Beklagten vom 18.05.2011 (Kopie Bl. 5 R d.A.) unberücksichtigt gelassen habe, worin die Beklagte zugestanden habe, es sei ein „Probearbeiten“ vereinbart worden, um sich über seine Kenntnisse Gewissheit zu verschaffen, wofür ein „Stundenlohn“ geschuldet sei. Von der Begründung eines selbständigen Dienst- oder Werkvertrages sei dort nicht die Rede. Schon aus der vorgelegten Stellenausschreibung und seiner Bewerbung ergebe sich, dass ein Arbeitsverhältnis habe begründet werden sollen.

Bezüglich näherer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.

II.

1.

Die gegen den Verweisungsbeschluss eingelegte sofortige Beschwerde ist statthaft, §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG, und form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 78 Satz 1 ArbGG, 569 ZPO.

2.

Die Beschwerde ist sachlich begründet.

Sie führt zur Abänderung des angegriffenen Beschlusses und der Feststellung der Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges, denn dieser ist gemäß § 2 Abs. 1 Ziff. 3 a ArbGG eröffnet.

Der Kläger macht mit seiner Zahlungsklage Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche aus einem Arbeitsverhältnis geltend.

Ob es sich hierbei um ein wirksam begründetes, ein eventuell zeitlich unbegrenztes oder nur ein rein faktisches Arbeitsverhältnis handelt, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

Zu Unrecht geht das Erstgericht davon aus, dem Kläger sei der Nachweis nicht gelungen, die Tätigkeit in M… im Rahmen eines vereinbarten bzw. beabsichtigten Arbeitsverhältnisses verrichtet zu haben. Vielmehr haben sich die Vertragsparteien darauf verständigt, dass der Kläger zumindest im Rahmen einer Erprobung als Arbeitnehmer für die Beklagte in M… tätig werden sollte.

Dies ergibt sich aus den vom Kläger dargelegten näheren Umständen seiner Bewerbung und der diesbezüglich abgegebenen Willenserklärungen. Diese sind in wesentlichen Punkten von der Beklagten nicht konkret in Abrede gestellt worden.

Der Kläger durfte aufgrund des Inhalts des Stellenangebotes in der Jobbörse (Kopie Bl. 4 d.A.) davon ausgehen, dass seine schriftliche bzw. mündliche Bewerbung auch von der Beklagten so interpretiert wird, sie sei auf Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit als Arbeitnehmer gerichtet.

Auch wenn es in der Folgezeit ohne den Abschluss eines schriftlichen Vertrages zu einer Einigung der Parteien über eine zumindest probeweise Aufnahme der Tätigkeit gekommen ist, erfolgte diese auf der Basis des Stellenangebotes der Beklagten und des Verständnisses der Parteien von der diesbezüglichen Bewerbung des Klägers.

Spätestens mit der tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit in M… kam zwischen den Parteien ein i.R.d. § 611 Abs. 1 BGB wirksam begründetes bzw. zumindest faktisches Arbeitsverhältnis zustande. Letzteres dann, wenn über wesentliche Vertragsbedingungen noch kein Einvernehmen hergestellt worden sein sollte.

Aufgrund der genannten Umstände bedurfte es keines konkreten Nachweises des Klägers, dass nicht ein freies Dienstverhältnis oder Vertragsverhältnis als Subunternehmen (Werkvertrag) vereinbart werden sollte. Hierfür sprechen aufgrund des Inhalts des Stellenangebotes keinerlei Anhaltspunkte.

Insoweit waren von der Beklagten, die sich auf eine von dem Stellenangebot abweichende Vertragsgestaltung beruft, konkrete Gegentatsachen dafür vorzutragen gewesen, die abgegebenen Willenserklärungen und eine Einigung der Parteien wären i.R.d. §§ 133, 157 BGB in diesem Sinne auszulegen gewesen.

Die Beklagte hat sich in ihrer Klageerwiderung vom 14.06.2011 zur Begründung ihrer Zuständigkeitsrüge zwar darauf berufen, es wäre der Wille des Klägers gewesen, im Rahmen einer von ihm betriebenen eigenen Schreinerei als Subunternehmer eingesetzt zu werden. Dies hat der Kläger jedoch ausreichend konkret in Abrede gestellt, weshalb es die prozessuale Obliegenheit der Beklagten gewesen wäre, für ihren Sachvortrag Beweis anzutreten. Dies ist indes nicht erfolgt.

Insoweit hat es bei der durch das Stellenangebot der Beklagten geprägten Auslegung der Willenserklärungen der Parteien zu verbleiben.

Das Auslegungsergebnis wird zudem gestützt durch den Inhalt der E-Mail der Beklagten vom 18.05.2011, in der davon die Rede ist, dass es zu der Vereinbarung eines „Probearbeiten“ des Klägers gekommen ist, um sich über dessen Kenntnisse Gewissheit zu verschaffen. Dies spricht für die Begründung eines Dienstvertrages/Arbeitsvertrages und gegen den Einsatz als Subunternehmer im Rahmen eines Werkvertrages. Letztere Art der Zusammenarbeit erfolgt in der Regel projektbezogen und zeitlich begrenzt und nicht nach erfolgreicher Erprobung auf unbestimmte Dauer.

Von der Beklagten wird in der E-Mail weiter ausgeführt, es sei nicht der von dem Kläger „genannte Stundenlohn“ vereinbart worden. Damit bringt die Beklagte zwar zum Ausdruck, dass der vom Kläger begehrte Stundenlohn von ihr nicht zugesagt worden ist, andererseits wird durch diese Bezeichnung der Gegenleistung das Verständnis beider Parteien offenbar, geschuldete Gegenleistung für das „Probearbeiten“ sei eine Geldleistung auf der Basis eines vereinbarten „Stundenlohnes“. Auch dies spricht für die Begründung eines Dienstvertrages i.S.d. § 611 Abs. 1 BGB und zwar in der Form eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses. Dass von der Beklagten eine anders geartete Gegenleistung geschuldet sein sollte, ergibt sich aus dem Inhalt dieser E-Mail nicht.

Damit spricht auch die von der Beklagten selbst gewählte Terminologie für das Verständnis der Zusammenarbeit auf der rechtlichen Basis ihres Stellenangebotes im Internet.

Haben die Vertragspartner in Form einer schriftlichen, mündlichen oder konkludenten Vereinbarung ein Arbeitsverhältnis und kein freies Dienstverhältnis begründet, kommt es auf die faktische Durchführung des Vertragsverhältnisses nicht an (vgl. LAG Nürnberg vom 12.01.2004 – 9 (2) Sa 653/02 – NZA – RR 2004, 400; BAG vom 01.11.1995 – 5 AZR 84/94 und 5 AZR 880/94 – NZA 1996, 813 und 816).

Es kann folglich dahingestellt bleiben, wie der Einsatz des Klägers in M… tatsächlich gesteuert worden ist und ob er diesbezüglich einem umfassenden Weisungsrecht der Beklagten in zeitlicher und fachlicher Hinsicht unterstellt war (vgl. hierzu auch LAG Nürnberg vom 22.06.2006 – 4 (9) Ta 9/06 – n.v.).

III.

1.

Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.

2.

Eine gesonderte Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, denn die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind Teil der Kosten des geführten Rechtsstreits.

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