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Flugannullierung – Ausgleichsanspruch bei rutschiger Landebahn bei Regen und starkem Wind

AG Frankfurt, Az.: 29 C 2878/14 (21), Urteil vom 09.12.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.03.2014 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Ausgleichsleistungen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 […] (im Folgenden: EGV 261/2004) wegen nicht ordnungsgemäß erbrachter Flugleistungen in Anspruch.

Der Kläger buchte für den 15.02.2014 einen Flug von Birmingham nach Frankfurt am Main (…). Die Distanz beträgt 767 km.

Die Flugbeförderung sollte durch die Beklagte erfolgen. Der Flug wurde von der Beklagten annulliert. Der streitgegenständliche Flug sollte am 15.02.2014 mit dem Flugzeug Typ Airbus A321 (DAISJ) durchgeführt werden. Dieses Flugzeug sollte im Rahmen des Fluges … von Frankfurt am Main nach Birmingham gebracht werden. Das Flugzeug sollte Frankfurt am Main um 11:50 Uhr verlassen und Birmingham um 13:25 Uhr erreichen. Dort sollte das Flugzeug den streitgegenständlichen Flug um 14:05 Uhr durchführen.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 250,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 22.03.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, zum Zeitpunkt des geplanten Starts in Frankfurt am Main habe eine sogenannte NOTAM (Notice to Airmen) des Flughafens Birmingham bestanden. Die Beklagte sei darin gewarnt worden, dass die einzige Start- und Landebahn des Flughafens aufgrund einer Oberflächenerneuerung bei Nässe rutschig sei. Gleichzeitig habe die Beklagte den Wettervorhersagen entnehmen können, dass zum Zeitpunkt der geplanten Landung Regen und starker Wind (bis 67 km/h) herrschen würde. Dies sei dann auch tatsächlich der Fall gewesen. Sie behauptet, die Start- und Landebahn habe damit nicht mehr dem operationalen Limit für eine sichere Landung entsprochen.

Die nautische Entscheidung des Piloten, unter diesen Bedingungen nicht zu landen, sei nicht vollumfänglich gerichtlich überprüfbar.

Sie habe keine Möglichkeit gehabt den Flug mit einem anderen Flugzeug durchzuführen. Die Beklagte beruft sich außerdem auf eine Entscheidung der Civil Aviation Authority, wonach von einem außergewöhnlichem Umstand auszugehen sei.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf alle Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 EUR nach Art. 5 Abs. 1 lit. c) i.V.m. Art. 7 Abs. 1 EGV 261/2004 wegen Annullierung des Fluges.

Die Beklagte ist von ihrer Verpflichtung zur Zahlung von Ausgleichsleistungen auch nicht nach Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 freigeworden. Der Ausnahmetatbestand greift nicht. Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückging, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. i) Ein außergewöhnlicher Umstand i.S.d. Art. 5 Abs. 3 EGV 261/2004 ist nur dann gegeben, wenn das Vorkommnis nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftverkehrsunternehmens und aufgrund seiner Natur oder Ursache von ihm tatsächlich nicht zu beherrschen ist (EuGH, Urteil vom 22.12.2008 – C-549/07, Wallentin-, Hermann/Alitalia, Rn. 23 – juris).

Flugannullierung - Ausgleichsanspruch bei rutschiger Landebahn bei Regen und starkem Wind
Symbolfoto: Bussker/Bigstock

Hierbei kennzeichnet es die gegebenenfalls zu einem Wegfall der Ausgleichsverpflichtung führenden Umstände, dass sie außergewöhnlich sind, d.h. nicht dem gewöhnlichen Lauf der Dinge entsprechen, sondern außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann (vgl. BGH a.a.O., Rn. 10, 13 – juris: „(als) außergewöhnlich aus den üblichen und erwartbaren Abläufen des Luftverkehrs herausragen“). Der Begriff soll Ereignisse erfassen, die nicht mit dem Luftverkehr verbunden sind, sondern als – jedenfalls in der Regel von außen kommende – besondere Umstände seine ordnungs- und plangemäße Durchführung beeinträchtigen oder unmöglich machen können (vgl. BGH a.a.O., Rn. 11 – juris). Erwägungsgrund 14 und 15 der Verordnung zeigen, dass für die Qualifikation der Umstände als außergewöhnlich weder ihre – möglicherweise vielfältigen – Ursachen noch ihre Herkunft aus dem Verantwortungsbereich des Luftverkehrsunternehmens oder eines Dritten oder ihre generelle Unbeeinflussbarkeit entscheidend sind, sondern vielmehr der Umstand, dass sie sich von denjenigen Ereignissen unterscheiden, mit denen typischerweise bei der Durchführung eines einzelnen Fluges gerechnet werden muss (vgl. BGH a.a.O., Rn. 14 – juris).

Bei Unterstellung, dass am 15.02.2014 tatsächlich die einzige Start- und Landebahn des Flughafens aufgrund einer Oberflächenerneuerung bei Nässe rutschig gewesen sei und zum Zeitpunkt der geplanten Landung Regen und starker Wind geherrscht habe, lässt sich aufgrund des Vortrags der Beklagten nicht entnehmen, dass dies dem operationalen Limit für eine sichere Landung entgegenstand. Die Beklagte hat trotz gerichtlichem Hinweis nicht vorgetragen welche operationellen Limits für das streitgegenständliche Flugzeug bestehen, die hier von Relevanz gewesen sein sollen. Damit ist dem Gericht eine Überprüfung, ob die Wetterbedingungen tatsächlich den operationellen Limits entgegenstanden nicht möglich. Ob Windgeschwindigkeiten von bis zu 67 km/h tatsächlich der Landung und dem Abflug des streitgegenständlichen Flugzeugs entgegenstanden ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, warum entsprechender Vortrag der Beklagten nicht zumutbar sein soll.

Ob die Einschätzung des Piloten bei Ansprüchen nach EGV 261/2004 einer vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung entzogen ist, muss hier -trotz erheblicher Zweifel- nicht entschieden werden. Denn selbst die von der Beklagten zugestandene Überprüfung, ob der Pilot grob fehlerhaft gehandelt hat, bedarf der Mitteilung von hinreichenden Anknüpfungstatsachen, um dies gfs. durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen (vgl. AG Geldern, Urteil vom 03. August 2011 – 4 C 242/09 -, juris).

Weshalb die Beklagte meint, das Gericht müsse der („not (…) legally binding“) Entscheidung der Civil Aviation Authority Bedeutung beimessen, wenn diese ihre Entscheidung offensichtlich lediglich auf die Angaben der Beklagten gestützt hat („After considering all the information provided to us from the airline (…)“) und keinerlei konkreten inhaltlichen Ausführungen macht, welche Informationen Grundlage für die Entscheidung gewesen sind, erschließt sich dem Gericht nicht.

Da damit schon die erste der beiden kumulativen Voraussetzungen für die Annahme eines außergewöhnlichen Umstands im Sinne des Art 5 Abs. 3 EGV 261/2004 fehlt, kommt es nicht mehr auf die zweite Voraussetzung an, namentlich die Frage, ob das Vorkommnis vom Luftfahrtunternehmen zu beherrschen ist oder nicht.

Die zugesprochenen Zinsen stehen der Klägerseite als Verzugsschaden gemäß den §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 BGB zu.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit findet ihre Maßgabe in §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

III. Die Berufung war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert, § 511 Abs. 4 ZPO.

IV. Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem Landgericht Frankfurt am Main, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt am Main.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

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