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Werkvertrag – Nachbesserung und Minderwert

 Oberlandesgericht Celle

Az: 14 U 52/11

Urteil vom 02.11.2011


In dem Rechtsstreit hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2011 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin zu 2 wird das Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 14. Februar 2011 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin zu 2 13.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2010 zu zahlen;

2. an die Klägerin zu 2 5,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 zu zahlen;

3. an die Klägerinnen zu 1 und 2 als Gesamtgläubigerinnen 3.629,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 zu zahlen;

4. an die Klägerinnen zu 1 und 2 jeweils 1.212,30 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25. März 2010 zu zahlen;

5. die Grundbucheintragung der beiden in dem Grundbuch des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. eingetragenen Grundstücke der Gemarkung Mayenfeld, Blatt …, Flur …, Flurstück Nr. …, sowie Blatt Flur … 1, Flurstück Nr. … an die Klägerin zu 2 sowie Herrn … zu je hälftigem Miteigentum zu bewilligen;

6. die Klägerin zu 1 gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, wegen der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 596,90 EUR freizustellen;

7. die Klägerin zu 2 gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, wegen der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.023,60 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin zu 2, die Berufung der Klägerin zu 1 sowie die Berufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden wie folgt verteilt:

Von den Gerichtskosten einschließlich der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens sowie den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1 32%, die Klägerin zu 2 36% und die Beklagte 32%; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 tragen die Klägerin zu 1 84% und die Beklagte 16%; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 tragen die Klägerin zu 2 58% und die Beklagte 42%.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen:

Von den Gerichtskosten sowie den außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 1 36%, die Klägerin zu 2 40% und die Beklagte 24%; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1 tragen die Klägerin zu 1 98% und die Beklagte 2%; von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2 tragen die Klägerin zu 2 64% und die Beklagte 36%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerinnen nehmen die beklagte Bauträgerin auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten in Anspruch. Insoweit wird wegen des dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhaltes und den Gründen der angefochtenen Entscheidung auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich beide Parteien mit selbstständigen Rechtsmitteln.

Wegen des – unstreitig – fehlerhaften Einbaus der Rollladenkästen macht die Klägerin zu 2 anstelle des vom Landgericht zugesprochenen Wertminderungsbetrages unverändert den Ersatz der Mängelbeseitigungskosten geltend. Sie ist der Ansicht, sich nicht mit einem Minderungsbetrag zufrieden geben zu müssen. Der Austausch sei nicht unverhältnismäßig; die dabei entstehenden Schäden am Wärmedämmverbundsystem (im Folgenden: WDVS) könnten für die Beurteilung nicht ins Gewicht fallen, da das WDVS selbst mangelhaft und daher ebenfalls auszutauschen sei.

Wegen der behaupteten Fehlerhaftigkeit des WDVS begehren die Klägerinnen weiterhin Ersatz der für die Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten. Das Landgericht sei zu Unrecht von der Mangelfreiheit ausgegangen. Mit der Verarbeitung eines systemfremden Oberputzes habe die Beklagte gegen die bauaufsichtliche Produktzulassung sowie gegen die einschlägigen DIN-Normen verstoßen, deren Einhaltung als Mindeststandard geschuldet sei. Im Hinblick auf die Brandschutzanforderungen sei unerheblich, ob das von der Beklagten erstellte WDVS nach Änderung der betreffenden bauaufsichtlichen Zulassung zum 3. April 2008 deren Vorgaben erfülle; relevant sei allein der Zeitpunkt der Abnahme des Bauwerks am 7. Juli 2006. Die weiteren im Schriftsatz vom 18. November 2010 genannten Mängel am WDVS, die zu einer Durchfeuchtung geführt hätten, seien rechtzeitig vorgetragen worden; Verspätung könne generell nicht angenommen werden, wenn nur ein Termin stattfinde.

Die Klägerinnen beantragen, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,

1.

an die Klägerin zu 1 24.704,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 zu zahlen,

2.

an die Klägerin zu 2 40.609,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 zu zahlen,

3.

die Klägerin zu 1 gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, wegen der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 870,13 EUR freizustellen,

4.

die Klägerin zu 2 gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten, den Rechtsanwälten …, wegen der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von weiteren 2.176,63 EUR freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufungen der Klägerinnen zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil, soweit das Landgericht die Klage wegen der behaupteten Mängel am WDVS abgewiesen hat. In Bezug auf die mangelbehafteten Rollladenkästen ist sie der Ansicht, ein Ersatz der Mängelbeseitigungskosten komme nicht in Betracht, da ein Nachbesserungsverlangen wegen der lediglich optischen Beeinträchtigung unzumutbar sei. Im Übrigen könne eine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Rückgabe der mangelhaften Elemente erfolgen (Protokoll Bl. 391 d.A.).

Mit Schreiben an die Gegenseite vom 11. Februar 2011 (Bl. 321 d.A.) hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem Gesamtbetrag von 2.691,55 EUR erklärt. Dieser setzt sich aus dem noch unstreitig ausstehenden Restkaufpreis in Höhe von 2.193,79 EUR sowie aus unstreitig aufgewendeten 479,76 EUR Prämien für die Gebäudeversicherung des Bauvorhabens der Klägerin zu 2 zusammen (vgl. Bl. 321 d.A.). Durch die Aufrechnung seien die titulierten Forderungen der Klägerinnen teilweise erloschen.

Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil insoweit abzuändern, als die Beklagte verurteilt ist, an die Klägerin zu 2 1.355,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 und an die Klägerinnen zu 1 und 2 als Gesamtgläubigerinnen einen Betrag von mehr als 3.011,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3. März 2007 zu zahlen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Sie sind der Ansicht, die Aufrechnung der Beklagten könne nicht durchgreifen, weil die Eigentumsumschreibung auf die Klägerin zu 2 noch immer nicht vollzogen sei und der Kaufpreisforderung daher nach wie vor die Einrede des nicht erfüllten Vertrages entgegen stehe. Die Raten für die Gebäudeversicherung habe die Klägerin zu 2 nicht zu erstatten, denn schließlich sei sie nicht verpflichtet gewesen, selbst eine solche Versicherung abzuschließen.

Die Beklagte hält dem entgegen, es sei allein Aufgabe der Klägerin zu 2, den Notar zur Veranlassung der Eigentumsumschreibung aufzufordern; die Beklagte sei mit Erklärung der Auflassung ihrer Verpflichtung bereits nachgekommen. Im Hinblick auf die Gebäudeversicherung sei die Klägerin zu 2 jedenfalls rechtsgrundlos bereichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll vom 20. September 2011 (Bl. 390 f. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin zu 2 hat teilweise Erfolg. Die Berufung der Klägerin zu 1 sowie die Berufung der Beklagten sind hingegen unbegründet.

1. Berufung der Klägerin zu 2

a)

Soweit die Klägerin zu 2 wegen des fehlerhaften Einbaus der Rollladenkästen Schadensersatz in Höhe der Mängelbeseitigungskosten verlangt, ist die Klage überwiegend begründet. Der Anspruch ergibt sich aus den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa)

Die Beklagte hat ihre Pflicht zur mangelfreien Herstellung des Bauvorhabens gemäß § 633 Abs. 1 BGB verletzt. Die Beklagte hat unstreitig gestellt, dass alle zehn Rollladenkästen der Doppelhaushälfte der Klägerin zu 2 fehlerhaft angebracht wurden (vgl. Bl. 319 d.A.). Hierzu hat der Sachverständige G. in seinem Gutachten vom 10. September 2007 festgestellt, dass die Rollladenkästen entgegen der üblichen Einbauweise mit ihren Unterkanten in den Glasbereich der Fensterelemente hineinragen (S. 6 f. d. Gutachtens). Dies führe insbesondere von innen zu einem sehr befremdlichen Anblick der Fenster sowie zu einer geringeren Lichtöffnung und geringeren lichten Durchgangshöhe der Fenstertüren zu den Terrassen (ebd.). Daraus resultiere eine nicht mehr als geringfügig anzusehende optische Beeinträchtigung; die Wertminderung sei mit 1.350,00 EUR anzusetzen (S. 7 f. des Gutachtens). Diesen Ausführungen ist das Landgericht gefolgt (LGU 13). Die diesbezügliche Würdigung des Landgerichts wird von den Parteien nicht angegriffen.

bb)

Die Klägerin zu 2 setzte erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8.Februar 2007 wurde die Klägerin zu 2 auf die fehlerhafte Montierung der Rollladenkästen aufmerksam gemacht (vgl. S. 2 dieses Schreibens, Bl. 30 d.A.) und vergeblich unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert.

cc)

Entgegen der Annahme des Landgerichts ist die Klägerin zu 2 nicht auf die Geltendmachung des entstandenen Minderwertes beschränkt.

(1)

Selbst bei unterstellter Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH grundsätzlich davon auszugehen, dass der Besteller nicht auf den Minderwert verwiesen werden, sondern (stattdessen) dem Unternehmer die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Kosten berechnen kann (BGH, Urt. v. 29.06.2006 – VII ZR 86/05, […]Rdnr. 22; BGH, Urt. v. 10.03.2005 – VII ZR 321/03, […]Rdnr. 10 ff.; BGH, Urt. v. 27.03.2003 – VII ZR 443/01, […]Rdnr. 9 f.; BGH, Urt. v. 26.10.1972 – VII ZR 181/71, […]Rdnr. 3 ff.). Ein „Gleichlauf“ mit § 635 Abs. 3 BGB ist schon deshalb nicht angezeigt, weil ein Schadensersatzanspruch aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 S. 1 BGB gegenüber dem bloßen Nacherfüllungsverlangen zusätzlich das Vorliegen von Verschulden erfordert. Würde man den Besteller als Ausgleich für das mangelhafte Werk allein auf den Ersatz der objektiven Wertminderung verweisen, unterliefe man den Zweck des Schadensersatzanspruchs, die Nachteile des Bestellers auszugleichen, die ihm durch die mangelhafte Werkleistung entstanden sind. Denn der Ersatzanspruch tritt an die Stelle des ursprünglichen auf mangelfreie Herstellung gerichteten Erfüllungsanspruchs (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.2005 – VII ZR 321/03, […]Rdnr. 11 f.).

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(2)

Eine entsprechende Anwendung des § 251 Abs. 2 BGB kommt zugunsten der Beklagten nicht in Betracht. An dieses Korrektiv sind strenge Anforderungen zu stellen und alle Umstände des Falls, insbesondere der Grad des Verschuldens, zu berücksichtigen (BGH, Urt. v. 26.10.1972 – VII ZR 181/71, […]Rdnr. 10 ff.). Unverhältnismäßig sind die Aufwendungen für die Beseitigung eines Werkmangels, wenn der damit in Richtung auf die Beseitigung des Mangels erzielte (Teil-)Erfolg in keinem vernünftigen Verhältnis zur Höhe des dafür gemachten Geldaufwandes steht. In einem solchen Fall würde es Treu und Glauben widersprechen, wenn der Besteller diese Kosten dem Unternehmer anlasten könnte. Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne kann in aller Regel nur dann angenommen werden, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer ordnungsgemäßen Leistung ein ganz erheblicher und deshalb unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an dieser Leistung, so kann ihm regelmäßig nicht wegen hoher Kosten die Kompensation für die fehlende Vertragserfüllung verweigert werden (zum Ganzen: BGH, Urt. v. 26.10.1972 – VII ZR 181/71, […]Rdnr. 10 ff.; BGH, Urt. v. 27.03.2003 – VII ZR 443/01, […]Rdnr. 15; BGH, Urt. v. 29.06.2006 – VII ZR 86/05, […]Rdnr. 16; Genius in: jurisPK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 634 BGB Rdnr. 41). Dieser strenge Maßstab ist im Grundsatz auch dann anzulegen, wenn die Werkleistung zu einer (lediglich) optischen Beeinträchtigung geführt hat (OLG Bamberg, Urt. v. 16.04.2007 – 4 U 198/05, […]Rdnr. 53; OLG Bamberg, Urt. v. 04.04.2005 – 4 U 95/04; vgl. auch Senat, Urt. v. 11.06.2008 – 14 U 213/07, […]Rdnr. 20).

Daran gemessen setzen sich die Interessen der Klägerin zu 2 durch; ein Verweis auf den Minderwert in Höhe von 1.350,00 EUR scheidet aus. Die geschätzten Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 14.500,00 EUR netto sind – auch in Anbetracht des gesamten Kaufpreises/Werklohns von 181.720,00 EUR (Bl. 142 d.A.) – nicht derart eklatant hoch, dass sie zu der optischen Beeinträchtigung ganz außer Verhältnis stünden. Bei den eingebauten Rollläden handelte es sich um einen besonderen Ausstattungswunsch der Klägerin zu 2 und ihres Ehemannes (vgl. auch S. 6 des Gutachtens G.), was ein gesteigertes Interesse der Klägerin zu 2 begründet. Nicht ausschlaggebend ist, dass der Sachverständige G. vor der Kammer nur noch von einem „optischen“ – nicht auch technischen – Mangel ausgegangen ist (Bl. 207 d.A.), denn eine nachhaltige Funktionsbeeinträchtigung der Rollläden ist nicht erforderlich. Da die Klägerin eine Doppelhaushälfte erwarb, geht es in diesem Zusammenhang auch darum, eine einheitliche Fassade zu gewährleisten, was durch die unterschiedliche Höhe der Rollladenkästen derzeit nicht gegeben ist (vgl. Fotos Nr. 5, 6 des Gutachtens G.).

Unter Einbeziehung des Verschuldens der Beklagten ergibt sich nichts anderes. Die Beklagte hat nicht den Versuch unternommen, sich zu entlasten. Da das Hineinreichen des Rollladenbehangs in den Scheibenbereich offensichtlich ist (vgl. Fotos Nr. 9, 10, 11 des Gutachtens G.), hätte dies bereits beim Einbau des ersten Rollladenkastens auffallen müssen. Wenn die Beklagte sodann „sehenden Auges“ die weiteren Kästen verbaut, ist ihr Verschulden auch nicht als gering zu bewerten.

dd)

Gegen die Höhe des vom Sachverständigen G. geschätzten Mängelbeseitigungsaufwands (S. 8 seines Gutachtens), welche die Klägerin zu 2 zum Gegenstand ihres Vortrags macht, hat die Beklagte keine Einwände erhoben.

Gleichwohl ist von den im Gutachten angesetzten 14.500,00 EUR ein Abzug von insgesamt 1.000,00 EUR vorzunehmen, da die Mängelbeseitigungskosten wegen der fehlenden Trennfugen zwischen dem Oberputz des WDVS sowie den Rollladenkästen und Blendrahmen der Fenster in den vom Landgericht zuerkannten 3.629,50 EUR bereits enthalten sind (LGU 9 f.; S. 12 und S. 22 des Gutachtens G.).

ee)

Da die Nachbesserungsarbeiten bisher nicht durchgeführt worden sind, kann nur der Nettobetrag verlangt werden. Ein vor der Mängelbeseitigung geltend gemachter Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängel an einem Bauwerk umfasst nicht die auf die voraussichtlichen Mängelbeseitigungskosten entfallende Umsatzsteuer (BGH, Urt. v. 22.07.2010 – VII ZR 176/09).

ff)

Die Zuerkennung des Schadensersatzbetrages ist entgegen der Auffassung der Beklagten (Bl. 391 d.A.) nicht davon abhängig, dass die Klägerin zu 2 im Gegenzug die Fensterelemente bzw. Rollladenkästen an die Beklagte herausgibt. Eine Zug-um-Zug-Verurteilung kommt nur über die Verweisung des § 281 Abs. 5 BGB auf die §§ 346, 348 BGB in Betracht, wenn der Besteller das Bauwerk nicht behalten will und dementsprechend nach den §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1, Abs. 5 BGB Schadensersatz statt der ganzen Leistung (vormals „gro-ßer“ Schadenersatz) geltend macht. Die Klägerin zu 2 begehrt aber lediglich den „kleinen“ Schadensersatz im Sinne des § 281 Abs. 1 BGB, denn in dessen Rahmen kann der Besteller entweder den mangelbedingten Minderwert des Werkes oder den Betrag verlangen, der für die Beseitigung des Mangels erforderlich ist (BGH, Urt. v. 11.07.1991 – VII ZR 301/90, […]Rdnr. 9; BGH, Urt. v. 10.03.2005 – VII ZR 321/03, […]Rdnr. 11; BGH, Urt. v. 29.06.2006 – VII ZR 86/05, […]Rdnr. 16). Der Besteller ist insoweit frei, den zur Verfügung gestellten Betrag zur Mängelbehebung zu verwenden oder von einer Beseitigung abzusehen (vgl. BGH, Urt. v. 10.04.2003 – VII ZR 251/02, […]Rdnr. 13; BGH, Urt. v. 06.11.1986 – VII ZR 97/85). Diese Entscheidungsfreiheit würde der Klägerin zu 2 genommen, wenn sie die fiktiven Mangelbeseitigungskosten nur gegen Rückgabe der Fenster bzw. Rollladenkästen durchsetzen könnte, da sie dann letztlich doch gezwungen wäre, einen entsprechenden Austausch der mangelhaften Elemente vorzunehmen.

gg)

Überdies stehen der Klägerin zu 2 weitere 5 EUR nebst anteiligen Zinsen zum Ausgleich für die optische Wertminderung im Bereich der Außenfensterbank zu (LGU 13 Ziff. 2.1 und S. 5 des Gutachtens G.).

b)

Einen Anspruch auf Schadensersatz für eine Erneuerung des WDVS kann die Klägerin zu 2 nicht mit Erfolg geltend machen. Die eingebaute Wärmedämmung ist nicht mangelhaft. Sie entspricht sowohl den vertraglich vereinbarten Anforderungen und der vorausgesetzten Verwendung (aa), als auch der üblichen Beschaffenheit im Sinne des § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB (bb).

aa)

Dass nach den Ausführungen des Sachverständigen G. das WDVS technisch einwandfrei ist, steht der Mangelhaftigkeit zwar noch nicht von vornherein entgegen, da nach dem subjektiven Fehlerbegriff des § 634 Abs. 2 S. 1 BGB gleichwohl ein Mangel vorliegen kann (Senat, Urt. v. 11.06.2008 – 14 U 213/07, […]Rdnr. 8; BGH, Urt. v. 21.09.2004 – X ZR 244/01). Die Klägerin zu 2 versucht aufgrund des Umstands, dass tatsächlich eine Wärmedämmung nach Art eines WDVS verbaut wurde, eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit daraus herzuleiten, dass dieses WDVS etwaigen Herstellervorgaben oder bauaufsichtlichen Zulassungen nicht gerecht wurde oder einschlägigen DIN-Nor-men widerspricht. Dabei übersieht sie, dass die Beklagte nach dem Vertrag lediglich eine Wärmedämmung schuldete, aber kein Verbundsystem, wie es letztlich angebracht wurde. In der Baubeschreibung (Bl. 77 d.A.) heißt es hierzu:

„Das Außenmauerwerk wird wie folgt ausgeführt: ( … ) Wärmedämmung laut Wärmeschutznachweis, jedoch mindestens 10 cm, Wert 035, Außenputz als mineralischer Kratzputz (…).“ Die Ausführungszeichnung enthält überdies die Angaben: „Außenwände: 15 cm KS-Planelemente; Thermohaut, WDVS; 12 cm Hartschaumplatten WLG 035.“

Dass das vorliegend eingebaute WDVS jedenfalls diese ausdrücklichen Vorgaben im Hinblick auf die Wärmedämmung erfüllt, wie es das Landgericht im Anschluss an den Sachverständigen G. angenommen hat (LGU 7), wird mit der Berufungsbegründung nicht in Frage gezogen. Im Übrigen enthält der notarielle Vertrag vom 09.08.2005 die allgemein gehaltene Klausel, wonach sich die Beklagte verpflichtet, „das Bauwerk gemäß der Baubeschreibung herzustellen und auszustatten, nur normgerechte Baustoffe zu verwenden und das Bauvorhaben nach den anerkannten Regeln der Baukunst und technisch einwandfrei zu errichten“ (vgl. § 7 I. des Vertrages vom 09.08.2005, Bl. 146 d.A.).

Dies entspricht aber ohnehin dem, was der Werkunternehmer dem Besteller ohne ausdrückliche Vereinbarung schuldet. In der Regel verpflichtet sich der Unternehmer stillschweigend zur Beachtung der anerkannten Regeln der Technik (etwa BGH, Urt. v. 14.05.1998 – VII ZR 184/97, […]Rdnr. 11). In Bezug auf das WDVS lässt sich aus dem Vertragsinhalt mithin keine besondere Beschaffenheitsvereinbarung herleiten. Eben darin besteht der wesentliche Unterschied zu dem Senatsurteil 14 U 213/07 (BauR 2008, 1637 [OLG Celle 11.06.2008 – 14 U 213/07]), auf das sich die Klägerin zu 2 in ihren Schriftsätzen beruft. In dem dortigen Verfahren hatten die Parteien ausdrücklich den Einbau eines WDVS und die Geltung sämtlicher Herstellerrichtlinien und DIN-Normen vereinbart. Da allein dies der relevante Maßstab war, konnte außer Betracht bleiben, ob sich die Abweichungen auf die Gebrauchstauglichkeit negativ auswirken (vgl. Senat a.a.O., […]Rdnr. 8 ff.).

bb)

Weil es vorliegend auf die übliche Beschaffenheit gemäß § 633 Abs. 2 Nr. 2 BGB ankommt, kann gerade nicht unberücksichtigt bleiben, ob und inwieweit die Gebrauchstauglichkeit objektiv beeinträchtigt wird. Hiernach ist nicht von der Mangelhaftigkeit der Wärmedämmung auszugehen.

(1)

Wegen der behaupteten Abweichung von der bauaufsichtlichen Zulassung für das verwendete WDVS in Bezug auf Brandschutzvorgaben ergibt sich dies schon daraus, dass die betreffende bauaufsichtliche Zulassung bereits vor Klageerhebung geändert wurde und das verbaute WDVS den neuen (geringeren) Anforderungen gerecht wird. Dies tragen die Klägerinnen nunmehr selbst vor (Bl. 362 f. d.A.). Für den Ersatz von Mängelbeseitigungskosten kann es entgegen der Auffassung der Klägerinnen aber nicht genügen, dass ein etwaiger Mangel bei Abnahme vorgelegen hat, wenn er gegenwärtig nicht mehr existiert. Die Nacherfüllung ist kein Selbstzweck. Anders wäre dies nur, wenn die Beseitigungskosten bereits entstanden wären, als der Mangel noch vorlag, oder wenn die Installation bestimmter Brandschutzelemente ausdrücklich vereinbart war. Beides ist hier nicht der Fall.

(2)

Der Einwand, die Beklagte habe entgegen der bauaufsichtlichen Zulassung und unter Missachtung der Vorgaben der DIN 18559 und 55699 einen systemfremden Oberputz verarbeitet, begründet ebenfalls nicht die Mangelhaftigkeit der Wärmedämmung. Da die Einhaltung der DIN-Normen nicht explizit vereinbart wurde, ist die objektive Auswirkung der Abweichung im Hinblick auf die Gebrauchstauglichkeit der Wärmedämmung entscheidend. Die anerkannten Regeln der Technik werden nicht allein durch die DIN-Normen festgelegt. Denn hierbei handelt es sich lediglich um private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (vgl. Senat, Urt. v. 11.06.2008 – 14 U 213/07, BauR 2008, 163), welche hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben (BGH, Urt. v. 14.05.1998 -VII ZR 184/97, […]Rdnr. 16) oder im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens sogar noch darüber hinaus gehen können (BGH, Urt. v. 06.06.1991 – I ZR 234/89, […]Rdnr. 38). Auch bei einer Abweichung von DIN-Normen kann deren bezweckter Erfolg erreicht werden. Die DIN-Normen befreien folglich nicht davon, sich mit dem jeweiligen Einzelfall auseinander zu setzen. Allein aus einer Missachtung ihrer Vorgaben kann damit nicht auf einen Mangel geschlossen werden, wenn sich die Abweichung auf das Bauwerk nicht auswirkt. Der Sachverständige hat bei der ergänzenden Befragung im Termin vom 18. November 2010 nochmals überzeugend bekräftigt, dass die Verarbeitung eines Oberputzes eines anderen Systemherstellers keine bautechnischen Nachteile zur Folge habe (Bl. 206 d.A.). Ein Schadensrisiko wird durch den Wechsel damit insgesamt nicht begründet.

Doch selbst bei Annahme einer diesbezüglichen Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit müsste ein Ersatz der Mängelbeseitigungskosten in Anwendung der oben dargelegten Grundsätze zu § 251 Abs. 2 BGB ausscheiden, da sich die Verwendung eines systemfremden Oberputzes nicht negativ auswirkt und damit keine zu berücksichtigenden Interessen der Klägerinnen erkennbar sind.

(3)

Mit den weiteren im Schriftsatz vom 18. November 2010 (Bl. 199 f. d.A.) behaupteten Mängeln am WDVS, die zu einer Durchfeuchtung im Sockelbereich der Fassade geführt haben sollen, kann die Klägerin zu 2 ebenfalls nicht durchdringen. Das Landgericht hat zu Recht von einer weiteren Aufklärung abgesehen.

(a)

Die angeblichen Durchfeuchtungsschäden (vgl. Bl. 200 und 298 f., 300 d.A.) begründet die Klägerin zu 2 mit einer fehlerhaften Verarbeitung des WDVS aufgrund einer fehlenden Abschrägung der Perimeterdämmplatten im Erdbereich (Bl. 298 d.A.) sowie einer fehlenden Unterbrechung durch ein Sockelprofil (Bl. 299 d.A.). Diese behaupteten Mängel waren aber bereits Gegenstand des selbstständigen Beweisverfahrens (vgl. Beweisfrage 8, Bl. 4 der OH-Beiakte: „Trifft es zu, dass die angebrachten Perimeterplatten … nicht abgeschrägt sind und ebenfalls keine Bitumenabdichtung vorgenommen wurde … Stellt dies einen Mangel dar?“) und sind vom Sachverständigen G. nicht bestätigt worden. Nach dem Gutachten vom 10. September 2007 ist kein Ausführungsfehler oder Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik zu erkennen (S. 16 f.). Daran hat der Sachverständige auch in der ergänzenden Stellungnahme vom 11. August 2009 und im Kern in der Anhörung vor der Kammer (Protokoll Bl. 206 d.A.) festgehalten.

Gerade vor diesem Hintergrund hätte es entgegen dem Einwand der Berufung auch eines Vortrags zur Höhe der Mängelbeseitigungskosten bedurft. Wenn der Sachverständige hier schon keinen Mangel erkennen kann, so ist nicht verständlich, warum die behaupteten Mängel in diesem Punkt nur durch eine Neuerstellung des ganzen WDVS sollen behoben werden können (Bl. 299 d.A.).

(b)

Im Übrigen ist das Vorbringen zur Durchfeuchtung im Sockelbereich verspätet. Der betreffende Schriftsatz ist erst im Termin der Kammer vom 18. November 2010 vorgelegt worden; die darin gerügten Mängel hat die Beklagte bestritten. Eine Zulassung des Vortrags hätte eine erneute Beweiserhebung erforderlich gemacht und damit zu einer Verzögerung der Erledigung des Rechtsstreits geführt.

Es ist auch davon auszugehen, dass die Verspätung auf grober Nachlässigkeit beruht (§ 296 Abs. 2 ZPO). Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Mängel nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt hätten vorgetragen werden können. Das Landgericht hat in seiner Urteilsbegründung deutlich seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, wonach allein die Verwendung der Begriffe „zwischenzeitlich“ (Bl. 199 d.A.) und „nunmehr“ (Bl. 200 d.A.) noch nicht für ein Bekanntwerden unmittelbar vor dem Termin spreche. Trotz dieses Hinweises haben die Klägerinnen auch in der Berufungsbegründung keinen Versuch der Entlastung unternommen. Insoweit fehlt es an jeglichem Vortrag, wann die geltend gemachten Durchfeuchtungsschäden erstmals aufgetreten und bemerkt worden sind.

Darüber hinaus wären die Klägerinnen gehalten gewesen, die Problematik im gleich folgenden Termin vom selben Tag näher gegenüber dem Sachverständigen anzusprechen; sie haben auch keinen Schriftsatznachlass oder eine weitere Erklärungsfrist beantragt (Protokoll Bl. 208 d.A.).

c)

Wegen des zuerkannten weiteren Schadensersatzbetrages war das Urteil auch hinsichtlich der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu Gunsten der Klägerin zu 2 abzuändern. Unter Ansatz eines Gegenstandswerts bis 22.000,00 EUR (13.500,00 EUR + 5,00 EUR + 3.629,50 EUR + 1.212,30 EUR + 2.193,79 EUR [Streitwert für die Eintragungsbewilligung entsprechend dem Streitwert der Restforderung, s. BGH, Beschl. v. 06.12.2001 – VII ZR 420/2000]) beträgt die 1,3-fache Geschäftsgebühr 839,80 EUR. Zuzüglich der Pauschale von 20,00 EUR und 19% Mehrwertsteuer ergibt sich ein Betrag von 1.023,60 EUR (statt der vom Landgericht angesetzten 718,40 EUR), von dem die Klägerin zu 2 durch die Beklagte freizustellen ist (§ 257 BGB).

d)

Die hier zugesprochenen 13.500,00 EUR können nicht wie beantragt bereits ab dem 3. März 2007 verzinst werden. Das Landgericht hat für den Zinsbeginn auf das anwaltliche Schreiben vom 8. Februar 2007 abgestellt (LGU S. 11). Darin wird die Beklagte allerdings nur zur Mängelbeseitigung aufgefordert, nicht aber zur Begleichung der mit der Klage begehrten Beträge (vgl. Bl. 29 ff. d.A.). Eine derartige vorgerichtliche Aufforderung zur Leistung von Schadensersatz ist dem Parteivorbringen nicht – erst recht nicht in dem eingeklagten Umfang – zu entnehmen, so dass ein Zinsanspruch erst mit Zustellung der Klageschrift begründet ist (§§ 253 Abs. 1 ZPO, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB). Die Klage ist der Klägerin zu 2 am 25. März 2010 zugestellt worden (Bl. 95 d.A.).

2. Berufung der Klägerin zu 1

a)

Wegen der geltend gemachten Mängel am WDVS kann die Klägerin zu 1 keinen Schadensersatz geltend machen. Die Wärmedämmung ist – ebenso wie bei der Klägerin zu 2 – nicht mangelhaft. Insoweit wird auf die Ausführungen unter II.1b) verwiesen.

b)

Entsprechend sind auch die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten nicht zu erhöhen, so dass es bei den vom Landgericht zuerkannten 596,90 EUR verbleibt.

3. Berufung der Beklagten

Der Aufrechnungseinwand der Beklagten bleibt ohne Erfolg. Die vom Landgericht zugesprochenen Beträge sind nicht durch Aufrechnung (teilweise) erloschen.

a)

§ 533 ZPO steht der Berücksichtigung der Aufrechnungserklärung nicht von vornherein entgegen; ob die zur Aufrechnung gebrachten Forderungen der Beklagten bestehen, ist von keiner weiteren Tatsachenfeststellung abhängig. Dass ein restlicher Kaufpreis von 2.193,79 EUR noch nicht an die Beklagte ausgezahlt wurde, ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass die Beklagte die Gebäudeversicherung der Immobilie der Klägerin zu 2 mit Ratenzahlungen in Höhe von 497,76 EUR bedient hat.

b)

Ob der Beklagten in Höhe der Versicherungsprämien ein Anspruch zusteht, weil die Klägerin zu 2 bereits mit Abnahme des Bauwerks die Gefahr des zufälligen Untergangs zu tragen hatte (vgl. § 9 des notariellen Vertrages, Bl. 147 d.A.) und der erlangte Versicherungsschutz damit objektiv nützlich war, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn die geltend gemachten Forderungen sind nach wie vor einredebehaftet, was nach § 390 BGB einer Aufrechnung durch die Beklagte entgegen steht.

aa)

Die Klägerin zu 2 kann die Zahlung des Restkaufpreises nach § 320 Abs. 1 BGB verweigern, da sie der Beklagten einen durchsetzbaren Anspruch auf Anweisung des Notars zur Vorlage der Erklärungen zum Eigentumsübergang an das Grundbuchamt entgegen halten kann. In Bezug auf den Erstattungsanspruch wegen der Gebäudeversicherung greift insoweit § 273 Abs. 1 BGB ein.

(1)

Die Beklagte hat ihre Pflicht zur Eigentumsverschaffung aus § 433 Abs. 1 S. 1 BGB noch nicht erfüllt. Der Einwand der Beklagten, insoweit müsse die Klägerin zu 2 gegenüber dem Notar aktiv werden (Bl. 387 d.A.), trifft nicht zu. Nach § 4 des notariellen Vertrages vom 9. August 2005 ist der Notar angewiesen, die Erklärungen zum Eigentumsübergang dem Grundbuchamt erst vorzulegen, wenn der Verkäufer dem Notar die Vorlage gestattet (Bl. 141 d.A.). Dies ist bislang nicht erfolgt.

(2)

Eine dementsprechende Erklärung der Beklagten gilt auch nicht gemäß § 894 ZPO als abgegeben. Der betreffende und nicht angefochtene Teil des Tenors des landgerichtlichen Urteils verpflichtet die Beklagte zur Bewilligung der Grundbucheintragung. Gemäß § 4 des notariellen Vertrages ist diese jedoch ebenso wie die Auflassung bereits erklärt (Bl. 141 d.A.). Der Ausspruch des Landgerichts geht daher ins Leere. Die Bewilligung des von der Eintragung Betroffenen nach § 19 GBO ist qualitativ etwas anderes als die Anweisung an den Notar, die bereits abgegebenen Erklärungen zum Eigentumsübergang dem Grundbuchamt vorzulegen. Zu einer Verpflichtung der Beklagten, den Notar zur Vorlage aufzufordern, enthält das Urteil des Landgerichts keinen Ausspruch.

(3)

Insoweit sieht sich der Senat auch gehindert, den Tenor des Landgerichts entsprechend zu korrigieren. Da die Verurteilung zur Bewilligung nicht angefochten wird, ist sie nicht Gegenstand dieses Berufungsverfahrens. Anstelle des Landgerichts kann der Senat eine Berichtigung nach § 319 ZPO nur vornehmen, solange und soweit er mit dem Rechtsstreit befasst ist. Im Übrigen fehlt es an einer offenbaren Unrichtigkeit im Sinne der Vorschrift. § 319 ZPO erfasst nur Fälle der Unstimmigkeit zwischen Wille und Erklärung des Gerichts; es kann demnach nicht das bei Urteilserlass Gewollte geändert werden, mag dem auch eine falsche oder unterlassene Subsumtion, etwa durch Übersehen gesetzlicher Bestimmungen oder Übergehen von Streitstoff, zugrunde liegen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., § 319 Rdnr. 4 m.w.N.). Evident ist die Unrichtigkeit nur, wenn sich das Versehen des Gerichts schon unmittelbar aus der Entscheidung selbst oder aus den Vorgängen bei Erlass und Verkündung des Urteils auch für Dritte ohne weiteres ergibt (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 319 Rdnr. 4 m.w.N.; Zöller/Vollkommer a.a.O., § 319 Rdnr. 5 und 7 m.w.N.).

Hier ist das Urteil des Landgerichts widersprüchlich, da zwar im Tatbestand richtigerweise erwähnt wird, die Beklagte habe die Bewilligungserklärung abgegeben (LGU 2), sodann aber im Tenor ein Anspruch auf Bewilligung zugestanden wird, weil (lediglich) die Auflassung bereits erklärt sei und die Beklagte kein Recht habe, die Bewilligung der Eigentumsumschreibung zu verweigern (LGU 15 f.). Soweit das Landgericht möglicherweise davon ausgegangen ist, die Verurteilung zur Bewilligung umfasse auch die Verpflichtung zum endgültigen Vollzug durch Anweisung des Notars zur Vorlage der Erklärungen beim Grundbuchamt, wird die diesbezügliche Differenzierung in § 4 des notariellen Vertrages vom 9. August 2005 (Bl. 141 unten d.A.) nicht beachtet. Dies ist dann aber ein Fall der fehlerhaften Rechtsanwendung bzw. Willensbildung, der einer Korrektur gemäß § 319 ZPO nicht zugänglich ist.

(4)

Die Umschreibung hängt damit weiterhin von einem Tätigwerden der Beklagten ab. Die rechtskräftige Verurteilung zur Bewilligung hilft nicht darüber hinweg, dass der Notar nach § 4 des Vertrages vom 9. August 2005 angewiesen ist, die Vorlage der Erklärungen solange zurückzuhalten, bis die Beklagte die Weiterleitung gestattet. Hierauf hat die Klägerin zu 2 einen durchsetzbaren Anspruch, den sie dem Zahlungsbegehren der Beklagten einredeweise entgegen halten kann. Die Beklagte ist wegen § 320 Abs. 2 BGB nicht ihrerseits berechtigt, den endgültigen Vollzug der Grundbuchumschreibung mit der Begründung zu verweigern, es stehe noch 2.193,79 EUR restlicher Kaufpreis zur Zahlung aus (vgl. OLG München, Urt. v. 13.11.2007 – 13 U 3419/07, […]Rdnr. 7).

bb)

Bereits das Bestehen der Einreden schließt nach § 390 BGB die Möglichkeit zur Aufrechnung aus (Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., § 390 Rdnr. 1).

cc)

Damit verbleibt es insoweit bei dem Ausspruch des Landgerichts auch hinsichtlich der Beseitigungskosten von 3.629,50 EUR (LGU 10).

4.

Die den Klägerinnen zugesprochenen Gutachterkosten von 1.212,30 EUR (LGU 11) sind nicht angegriffen worden.

III.

1.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 S. 1, 97 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO.

Das Landgericht ist bei seiner Kostengrundentscheidung davon ausgegangen, dass die Klägerin zu 2 in Bezug auf den Antrag auf Auflassung und Bewilligung der Eigentumsumschreibung im Verhältnis 90.860,00 EUR (Hälfte des Kaufpreises i. H. v. 181.720,00 EUR) zu 2.193,97 EUR (Restkaufpreis) unterliegt (vgl. auch LGU 16 unten Ziff. II.2g sowie den Streitwertbeschluss des Landgerichts, Bl. 261 d.A.). Denn wenn man dieses Verhältnis zu Grunde legt, ergeben sich rechnerisch insgesamt auch die 6% Kostentragung, die das Landgericht der Beklagten auferlegt hat.

Der Senat verteilt die Kosten schon im Ansatz anders. Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob der Kostenausspruch der angefochtenen Entscheidung richtig ist (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 97 Rdnr. 6 m.w.N.). Unerheblich ist dabei, dass die Parteien den betreffenden Teil des Hauptsachetenors (Anspruch auf Auflassung und Bewilligung) nicht zur Überprüfung stellen; auch ein beschränkter Rechtsmittelangriff reicht aus, um die gesamte Kostenentscheidung der Vorinstanz einer Kontrolle zu unterziehen (BGH GRUR 1992, 625 [BGH 11.06.1992 – I ZR 226/90]; Zöller/ Herget a.a.O., § 97 Rdnr. 6).

Unabhängig davon, dass bereits die Halbierung des Verkehrswertes des Grundstücks zweifelhaft ist, da die Klägerin zu 2 zugleich aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes klagt (wie auch vom Landgericht erwähnt, Bl. 261 d.A.), ist die im Streitwertbeschluss der Kammer zitierte Rechtsprechung des OLG Celle (Beschl. v. 07.09.1998 – 16 W 58/98) überholt (vgl. ausdrücklich OLG Celle, Beschl. v. 21.08.2002 – 4 W 162/02, dort insbesondere […]Rdnr. 4). Das OLG Celle nimmt insoweit eine Sonderstellung unter den Oberlandesgerichten ein, indem es den Streitwert einer nur auf Auflassung und nicht zugleich auch auf Übergabe gerichteten Klage (also genau wie in diesem Verfahren) mit einem Bruchteil des Verkehrswerts des Grundstücks (i. d. R. 20%) bemisst (OLG Celle, Beschl. v. 21.08.2002 – 4 W 162/02 unter Verweis auf die Begründung dieser Rechtsprechung im Be-schluss vom 05.05.1997 – 4 W 86/97).

Andere Oberlandesgerichte vertreten entweder die Position, der Streitwert bestimme sich anhand des vollen objektiven Verkehrswertes, oder, dass allein der noch ausstehende Restkaufpreis maßgeblich sei (für den objektiven Verkehrswert : OLG Köln, Beschl. v. 20.09.2004 – 19 U 214; OLG Hamm, Beschl. v. 16.07.2002 – 21 W 1/02; OLG Stuttgart, Beschl. v. 31.01.2002 – 2 W 3/02; OLG München, Beschl. v. 10.03.1997 – 28 W 2542/96; OLG Jena, Beschl. v. 30.07.1998 – 7 W 217/98; für den Restkaufpreis : OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2010 – 2 W 2145/10; OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.09.2009 – 8 W 392/09; KG, Beschl. v. 23.08.2002 -12 W 202/02; OLG Schleswig, Beschl. v. 09.11.2004 – 4 W 70/04; OLG Frankfurt, Beschl. v. 11.10.1995 – 23 W 14/95; OLG Köln, Beschl. v. 08.10.2003 – 19 W 52/03; OLG Stuttgart, Beschl. v. 21.01.2004 – 12 W 14/04).

Der Senat schließt sich den Entscheidungen des OLG Stuttgart (8 W 392/09, MDR 2009, 1353 [OLG Stuttgart 23.09.2009 – 8 W 392/09]) sowie des OLG Nürnberg (2 W 2145/10, NJW-RR 2011, 1007) an. Die Auffassung, § 6 ZPO gebührenrechtlich rein „formal“ anzuwenden, überzeugt nicht. Vielmehr darf sich die Streitwertfestsetzung auch in diesem Kontext einer wirtschaftlichen Betrachtung nicht verschließen. Die pauschale Ansetzung eines Streitwertes in Höhe des gesamten Wertes der Immobilie samt dem damit verbundenen Kostenrisiko kann derart abschreckend wirken, dass das in einem Fall wie dem vorliegenden, in denen nur noch ein geringer Kaufpreis aussteht, geeignet ist, die Käufer von der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Rechte abzuhalten. Dies führt zu einem Konflikt mit dem Justizgewähranspruch. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 19.11.1999 (1 BvR 1821/94) entschieden, dass es den Justizgewährungsanspruch der kostenbelasteten Partei im Zivilprozess verletzt, wenn durch eine Festsetzung des Streitwerts weit über dem wirtschaftlichen Wert des Verfahrens bereits die Kosten einer Gerichtsinstanz ihr wirtschaftliches Interesse an einer Rechtsverteidigung übersteigen.

Wenn die Frage, ob jemand eine Umschreibung des Grundbuchs durchsetzen kann, nur noch davon abhängt, ob der ausstehende Restkaufpreis entgegen gehalten werden kann, dann erscheint es sachgerecht, nur auf diesen Restkaufpreis abzustellen. Inhaltlich ist kein Unterschied zu dem vom BGH (Beschl. v. 06.12.2001 – VII ZR 420/00, NJW 2002, 684, […]Rdnr. 3 f.) entschiedenen Fall zu erkennen. Zwar wurde dort – ähnlich wie es auch vorliegend die Klägerin zu 2 richtigerweise hätte tun müssen – auf Zustimmung zum endgültigen Vollzug der Umschreibung geklagt. In beiden Fällen geht es aber letztlich nur um die Verfolgung desselben Ziels, ins Grundbuch eingetragen zu werden, wobei als Hindernis nur eine Restgegenforderung des Beklagten im Weg steht. Der Bundesgerichtshof hat es in dem genannten Beschluss allerdings ausdrücklich offen gelassen, ob der Streitwert auch dann auf die Restgegenforderung festzusetzen ist, wenn auf Auflassung geklagt wird (a.a.O., […]Rdnr. 5).

Der Senat geht deshalb im Rahmen der Kostengrundentscheidung von dem noch ausstehenden Restkaufpreis aus. Bei einem Streitwert von somit 2.193,97 EUR hat die Klägerin zu 2 keinen Verlustanteil zu tragen. Zwar hätte die Klägerin zu 2 vor dem Landgericht an sich auch mit dem Antrag auf Bewilligung unterliegen müssen, da auch diese bereits erfolgte (vgl. § 4 des notariellen Vertrages); weil das Landgericht aber – wenngleich unberechtigterweise – der Klägerin zu 2 einen Anspruch auf Bewilligung der Eigentumsumschreibung zugesprochen hat und dies von der Beklagten nicht mit der Berufung angegriffen worden ist, ist dies auch der Kostenentscheidung erster Instanz zu Grunde zu legen.

Für die Kosten des Berufungsverfahrens war das jedoch unbeachtlich, da der Anspruch auf Auflassung und Bewilligung dort – wie erwähnt – nicht im Streit stand.

2.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

 

 

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