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Telefonwerbung – Unterlassung belästigender Telefonanrufe

Oberlandesgericht Hamm

Az.: 4 U 78/06

Urteil vom 15.08.2006

Vorinstanz: Landgericht Bielefeld, Az.: 15 O 246/05


Die Berufung der Beklagten gegen das am 28. März 2006 verkündete Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, mit dem sie von der Beklagten begehrt hat, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Verbraucher ohne ihr vorheriges Einverständnis zu Werbezwecken anzurufen oder anrufen zu lassen, nach §§ 3, 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG gegen die Beklagte zu. Außerdem kann die Klägerin nach § 12 Abs. 1 Satz UWG die Erstattung der Abmahnkosten in Höhe von 180,00 EUR von der Beklagten verlangen.

1)

Der Unterlassungsantrag und das ihm folgende Verbot sind bestimmt genug im Sinne der §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Zunächst ist klarzustellen, dass es sich nicht im eigentlichen Sinne um eine Gesetzeswiederholung handelt.

Die Unlauterkeit folgt hier aus dem belästigenden Werbeanruf in Form eines Kaltanrufes bei Verbrauchern. Ein solcher Anruf ist nur dann nicht unlauter, wenn der Angerufene damit einverstanden ist. Deshalb hat der Gesetzgeber nur Telefonanrufe ohne Einwilligung der Verbraucher als Beispielsfall in das Gesetz aufgenommen. Die Rechtsprechung hatte vorher schon klargestellt, dass eine solche Einwilligung, die jetzt den Tatbestand des § 7 UWG ausschließt, wegen der mit dem Anruf verbundenen Belästigung nur im Fall eines vorherigen Einverständnisses angenommen werden kann. Dabei konnte ein solches Einverständnis ausdrücklich oder konkludent erklärt werden. Diese frühere Rechtsprechung, die Grundlage der Gesetzesregelung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG geworden ist, hat die Klägerin bei ihrem Antrag in Bezug genommen. Es ist deshalb klar, was mit dem Verbot gemeint sein soll. Soweit die Beklagte meint, das Verbot gehe zu weit, weil es in seiner Allgemeinheit Verletzungshandlungen mit umfasse, die von ihr nicht begangen worden seien und auch nicht drohen würden, nämlich Telefonwerbung in einem Fall des klassischen Kaltanrufs, bei dem also keine irgendwie geartete Erklärung des anzurufenden Verbrauchers vorliege, mit Anrufen zu Werbezwecken einverstanden zu sein, ist das unschädlich, weil solche Anrufe erst recht verboten wären.

2)

Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin setzt ihre Klagebefugnis und eine unlautere Wettbewerbshandlung der Beklagten in Form einer belästigenden Telefonwerbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. UWG voraus.

a) Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich vorliegend schon aus § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und ist nicht im Streit.

b) Der Unterlassungsanspruch setzt nach § 8 Abs. 1 UWG voraus, dass die Beklagte eine unlautere Wettbewerbshandlung begangen hat. Nach der Regelung des § 7 Abs. 1 UWG hat sie unlauter gehandelt, wenn sie mit der Telefonwerbung für ihre Dienstleistungen einen Marktteilnehmer unzumutbar belästigt hat. Eine solche unzumutbare Belästigung liegt nach § 7 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt. UWG vor, wenn gegenüber Verbrauchern mit Telefonanrufen ohne deren Einwilligung geworben wird. Die Beklagte hat zwar im einzelnen dargelegt, dass sie selbst die Kunden O und S nicht angerufen hat. Nach § 8 Abs. 2 UWG haftet sie aber als Unternehmerin nicht nur für ihre eigene Werbemaßnahmen, sondern auch für die Telefonwerbung von Beauftragten im Sinne dieser Vorschrift. Als solche Beauftragte ist sicher die C GmbH anzusehen, die auf Rechnung der Beklagten Werbung für deren Dienstleistungen betrieben hat. Die Beklagte haftet aber auch für das Werbeverhalten der eigenständigen Firma W GmbH. Denn diese ist auf Grund eines vertraglichen Verhältnisses auch im Interesse und für das Unternehmen der Beklagten tätig. Der Beklagten kommen unstreitig die geschäftlichen Erfolge der W GmbH zugute. Sie hat zugleich einen bestimmenden und durchsetzbaren Anspruch auf deren Werbetätigkeit für das …-Konzept, wie sie selbst vorgetragen hat (vgl. BGH GRUR 1995, 605, 607 –Franchise-Nehmer).

Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die W GmbH als in die Werbetätigkeit einbezogene selbständige Unternehmerin gegen eine Weisung der Beklagten gehandelt hat oder nicht (Hefermehl/Köhler, Wettbewerbsrecht, 24. Auflage, § 8 UWG, Rdn. 2.47). Somit kann es hier offen bleiben, ob die Beklagte auch deutlich genug Kaltanrufe für die Fälle, in denen das Einverständnis nur formularmäßig und auch nicht den Anrufern selbst gegenüber erklärt worden ist, untersagt hat.

c) Die Telefonwerbung der W GmbH im Falle O stellt einen solchen belästigenden Anruf von Verbrauchern dar. Unstreitig hatte die Zeugin O vorher der anrufendenden Firma gegenüber nicht ausdrücklich in einen solchen Werbeanruf eingewilligt. Der Anrufer konnte hier auch nicht auf eine konkludente Einwilligung schließen. Unter Einwilligung ist –wie oben ausgeführt- das ausdrückliche oder konkludente vorige Einverständnis des Angerufenen mit dem Anruf zu verstehen.

Ob eine solche Einwilligung vorliegt und welchen Umfang sie hat, ist durch Auslegung zu ermitteln (BGH GRUR 1995, 220 –Telefonwerbung V). Die Auslegung hat nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen. Es kommt dabei darauf an, ob aus der objektiven Sicht des Anrufers bei verständiger Würdigung des Verhaltens des Anzurufenden auf eine tatsächliche Einwilligung geschlossen werden kann, weil eine mutmaßliche Einwilligung hier ja gerade nicht genügt. Dem Anrufer muss deshalb eine Erklärung des Anzurufenden vorliegen, aus der er schließen darf, dieser sei mit dem Anruf zu dem betreffenden Zweck einverstanden. Legt man dies zugrunde, so genügte es nicht, dass die Zeugin O gegenüber dem Handyservice der E unter Nr. 5 der vorformulierten Auftragsbedingungen erklärt hat, sie sei damit einverstanden, dass der

Handyservice sie auch telefonisch über weitere interessante Angebote informiere.

Diese Einverständniserklärung war schon aus Rechtsgründen unwirksam. Dabei kann offen bleiben, ob eine vorformulierte Einwilligung eines Verbrauchers in künftige Telefonwerbung generell eine unangemessene Benachteiligung des Kunden darstellt (vgl. BGH WRP 1999, 847, 851 –Private Vorsorge bei Arbeitslosigkeit). Jedenfalls ist das aber der Fall, wenn die Einwilligung wie hier an versteckter Stelle mitten in einem vorformulierten Text untergebracht ist und damit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB widerspricht. Wenn man der Argumentation der Beklagten folgen würde, dass einer solchen Erklärung aus objektiver Sicht zu entnehmen sei, der Anrufer sei damit auch mit der Werbung für andere Vertragsschlüsse mit Drittanbietern einverstanden, läge erst recht eine unwirksame Einwilligung des Kunden vor. Denn dieser wird unangemessen benachteiligt, wenn sich die vorformulierte Erklärung erkennbar nicht nur auf Werbung im Rahmen des angebahnten oder bestehenden Vertragsverhältnisses beschränkt, sondern zudem die Werbung für sonstige Vertragsschlüsse ermöglichen soll (vgl. BGH GRUR 2000, 818, 820 –Telefonwerbung VI). Denn es wird dann für den Verbraucher angesichts des bestehenden Adressenhandels unüberschaubar, wer sich auf ein solches Einverständnis berufen könnte. Der Schutz des Verbrauchers vor belästigenden Anrufen wäre dadurch ausgehöhlt.

Aber auch wenn ein verständiger Dritter hier der Einverständniserklärung entnehmen sollte, dass sie im Interesse des Verbrauchers nur für den Handyservice und im Rahmen des bestehenden Vertragsverhältnisses und zum Zwecke seiner Abänderung gelten sollte, hilft das der Beklagten nicht weiter. Denn dann könnte sich die W GmbH auf dieses Einverständnis im Hinblick auf ihre eigenen Werbemaßnahmen wegen ganz anderer Dienstleistungen nicht berufen.

d) Im Fall S hat die darlegungspflichtige Beklagte schon nicht ausreichend dargelegt, woraus sich insoweit das Einverständnis der Frau S mit der Telefonwerbung ergeben soll. Der pauschale Hinweis auf eine angebliche Erklärung der Zeugin S bei einer „Lifestyle-Befragung“ genügt insoweit nicht. Trotz eines Hinweises des Landgerichts hat die Beklagte nicht dargelegt, wer die Befragung durchgeführt hat und welchen genauen Inhalt die angeblich schriftlich formulierte Erklärung gehabt haben soll. Ohne diese Darlegung ist eine Auslegung der Erklärung dahin, ob sie auch für andere Werbemaßnahmen wie die der C GmbH gelten sollte, nicht möglich. Das Landgericht hat deshalb zu Recht den Zeugen T nicht vernommen, weil der fehlende Vortrag nicht durch eine auf Ausforschung gerichtete Zeugenvernehmung ersetzt werden kann.

e) Ist die Telefonwerbung als Wettbewerbshandlung unlauter, so ist sie in der Regel auch geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer im Sinne des § 3 UWG nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Denn Bagatellfälle werden im Rahmen der Berücksichtigung der Gesamtumstände als noch hinzunehmende geringe Belästigungen erfasst, die den Tatbestand des § 7 UWG nicht erfüllen. Schon die wegen des damit verbundenen Eingriffs in die Privatsphäre unzulässige Belästigung von Verbrauchern durch einen Kaltanruf ist geeignet, den Wettbewerb zu deren Nachteil nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen. Hinzu kommt der Nachahmungseffekt, der zu einem nicht unerheblichen Nachteil für den gesetzestreuen Mitbewerber führt, der sich solcher Werbemethoden nicht bedient.

Es handelt sich auch nicht nur um einen einmaligen Ausrutscher der Beklagten und der vermeintlich anderweitig angewiesenen Firma. Die Beklagte hat vielmehr eine solche Beeinträchtigung dadurch in Kauf genommen, dass sie die Frage auch nach den einzelnen Erfordernissen der Einwilligung im Verhältnis zu den für sie Werbenden nicht ausdrücklich angesprochen hat. Sie vertritt auch jetzt noch den Standpunkt, dass man in solchen Fällen von einer konkludenten Einwilligung ausgehen durfte, was aber gerade nicht der Fall ist.

3)

Vor dem Hintergrund hat die Beklagte die angemessenen Auslagen für die Abmahnung in Höhe von 180,00 € nebst Zinsen zu erstatten, was zwischen den Parteien nicht im Streit ist.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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