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Krankenversicherung – Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung – Dauerbehandlung

BSG

Az: B 3 KR 1/06 S

Beschluss vom 03.08.2006


Gründe

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Beschluss vom 4. April 2006 beim 3. Senat angefragt, ob dieser an der in den Urteilen vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R -, vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – und vom 7. Juli 2005 – B 3 KR 40/04 R – vertretenen Rechtsauffassung festhält, und diese Anfrage insbesondere durch fünf fallbezogene Fragen konkretisiert. Nach einer informatorischen Vorab-Stellungnahme des Vorsitzenden des 3. Senats hat der 1. Senat seine Anfrage durch Präzisierungsbeschluss vom 26. Juli 2006 ergänzt und die seiner Ansicht nach bestehenden und im Ausgangsfall entscheidungserheblichen Divergenzen unter Darstellung der unterschiedlichen Rechtsauffassung beider Senate in acht Punkten aufgelistet. Auf der Grundlage dieser beiden Beschlüsse des 1. Senats und einer gemeinsamen Beratung der Mitglieder beider Senate am 1. August 2006 nimmt der 3. Senat zu den an ihn gerichteten Fragen wie folgt Stellung:

1. In dem vom 1. Senat zu entscheidenden Fall ist nicht (mehr) zweifelhaft, dass eine behandlungsbedürftige Krankheit vorgelegen und Krankenhausbehandlung stattgefunden hat (Punkte 1 und 8 Präzisierungsbeschluss); die im Anfragebeschluss gestellte Frage 1 ist deshalb vom 3. Senat nicht mehr zu beantworten.

2. Der 3. Senat hält an seiner in den Urteilen vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/03 R – (BSGE 92, 300 = SozR 4-2500 § 39 Nr 2), vom 20. Januar 2005 – B 3 KR 9/03 R – (BSGE 94, 139 = SozR 4-2500 § 112 Nr 4) und vom 7. Juli 2005 – B 3 KR 40/04 R – (GesR 2005, 558) vertretenen Rechtsauffassung fest und konkretisiert diese wie folgt:

a) Zutreffend weist der 1. Senat zunächst darauf hin (Punkt 2 Präzisierungsbeschluss), dass jener unmittelbar über Ansprüche Versicherter gegen die Krankenkasse auf Krankenhausbehandlung entscheidet, während der 3. Senat die Voraussetzungen des § 39 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) mittelbar bei Ansprüchen von Leistungserbringern gegen Krankenkassen auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung zu prüfen hat; dies ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan 2006 – Teil A – RdNr 1 und 3. Richtig ist weiterhin, dass beide Entscheidungsbereiche nicht isoliert nebeneinanderstehen; auch wenn der Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung gegen die Krankenkasse von dem Sachleistungsanspruch des Versicherten auf Behandlung zu trennen ist, so korrespondieren dennoch beide Ansprüche in der Weise, dass sie sich inhaltlich im Kern decken, weil die Leistung des Leistungserbringers (hier: Krankenhaus) zur Erfüllung des Sachleistungsanspruchs dient (Urteil des Senats vom 7. Juli 2005, aaO, Rz 17). Dennoch gelten die nachfolgenden Ausführungen nur im Rahmen der Zuständigkeit des 3. Senats – nämlich bei der Prüfung von Ansprüchen von Leistungserbringern gegen Krankenkassen auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung.

b) Nicht nur für den 1. Senat (Punkt 3 Präzisierungsbeschluss), sondern auch für den 3. Senat ist die in § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V als Anspruchsvoraussetzung genannte Notwendigkeit/Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung ein objektives Tatbestandsmerkmal. Ausgangspunkt beider Senate ist zunächst übereinstimmend die gesetzliche Formulierung, wonach die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung anzunehmen ist, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Entsprechend der schon zu Vorschriften der Reichsversicherungsordnung entwickelten früheren Rechtsprechung des BSG setzt der Anspruch auf Krankenhausbehandlung grundsätzlich voraus, dass die Krankheit behandlungsbedürftig ist und ihr mit den spezifischen Mitteln des Krankenhauses begegnet werden muss, um sie zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Der 3. Senat hat zur Notwendigkeit/Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung ergänzend Folgendes ausgeführt (vgl Urteil des Senats vom 13. Mai 2004, aaO, Rz 16 mwN):
„Lässt sich eine erforderliche medizinische Behandlung in ebenso guter Weise auch außerhalb eines Krankenhauses durchführen, so besteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Hierunter fällt neben der Behandlung in der Arztpraxis auch die ärztliche Krankenbehandlung in der Wohnung des Versicherten, ggf in Kombination mit häuslicher Krankenpflege (§ 37 SGB V). Ferner gehört dazu die ärztliche Versorgung und sonstige medizinische Betreuung der Bewohner von Pflegeheimen, von Einrichtungen der Behindertenhilfe und von sonstigen Heimen oder Anstalten. Ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung ist außerdem ausgeschlossen, wenn keine akute medizinische Behandlung einer Krankheit erforderlich, sondern medizinische Rehabilitation (dann ggf Rehabilitationsklinik) oder dauerhafte Pflege (dann ggf Pflegeheim) ausreichend ist. Wenn die Rechtsprechung als besondere Mittel des Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, ein geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten bzw rufbereiten Arzt herausstellt, so wird damit für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder der Einsatz aller dieser Mittel gefordert noch stets als ausreichend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen. Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen.“
Dieser Rechtsprechung hat sich der 1. Senat angeschlossen (Urteil vom 16. Februar 2005, BSGE 94, 161, 164 f = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 13 f mwN; vgl auch die Zitate zu Punkt 3 Präzisierungsbeschluss); insofern dürfte ebenfalls keine Divergenz bestehen.

Diese Umschreibung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit reicht aber nach Auffassung des 3. Senats zur konkreten Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals der Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) nicht aus. Die Entscheidung, ob ein Versicherter wegen einer behandlungsbedürftigen Krankheit in einem Krankenhaus versorgt werden muss, kann ein die Einweisung ins Krankenhaus verordnender niedergelassener Arzt (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V iVm § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V) oder die Aufnahme ins Krankenhaus anordnender Krankenhausarzt (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) stets nur mit Blick auf die in Betracht kommenden ambulanten Behandlungsalternativen treffen. Dies gilt in gleicher Weise bei der Entscheidung eines Krankenhausarztes, ob ein bereits stationär untergebrachter Patient bei fortdauernder Behandlungsbedürftigkeit weiterhin im Krankenhaus zu behandeln ist oder entlassen werden kann, weil die erforderliche medizinische Versorgung außerhalb des Krankenhauses sichergestellt ist (Urteil des Senats vom 13. Mai 2004, aaO; ebenso die Senatsurteile vom 20. Januar und 7. Mai 2005). Mit dieser konkreten und an den Bedürfnissen der Versicherten orientierten Betrachtungsweise hat der Senat die Ausfüllung des Tatbestandsmerkmals „Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung“ weiterentwickelt, weil in der Regel nur so die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten gewährleistet wird.

An dieser Rechtsprechung hält der 3. Senat fest. Wie sich aus § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V ergibt, besteht ein Anspruch auf die dort genannten Leistungen vom Beginn einer Krankheit an; Zielrichtung und Zweckbestimmung der Krankenbehandlung werden hier zusammengefasst, ohne dass eine Rangordnung unter den verschiedenen Leistungen hergestellt wird (vgl RegE zum Gesundheits-Reformgesetz, BR-Drucks 200/88, S 170). Maßgeblich ist allein, dass die Krankenbehandlung notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs 1 Satz 1 SGB V). Daraus folgt nach Ansicht des 3. Senats, dass die Krankenkassen bei der Frage, mit welchen der grundsätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln sie den Sachleistungsanspruch eines Versicherten erfüllen, von seinem durch die Erkrankung konkretisierten Bedarf auszugehen haben. § 39 SGB V spricht vom „Behandlungsziel“, das es zu erreichen gilt. Dieses Erfordernis einer konkreten Betrachtungsweise bedeutet, dass es nicht ausreicht, von theoretisch vorstellbaren, besonders günstigen Sachverhaltskonstellationen auszugehen, die zB einen weiteren Krankenhausaufenthalt entbehrlich erscheinen lassen, sondern dass zu prüfen ist, welche ambulanten oder sonstigen Behandlungsalternativen im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen, um die kontinuierliche medizinische Versorgung eines Versicherten zu gewährleisten. Demgegenüber beurteilt der 1. Senat die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit eines Versicherten nicht nach dessen Bedarf, sondern abstrakt danach, ob die notwendige medizinische Versorgung nur mit den Mitteln des Krankenhauses durchgeführt werden kann (Punkt 3 Präzisierungsbeschluss), also nach den personellen und apparativen Möglichkeiten eines Krankenhauses und deren Ausnutzungsgrad im Einzelfall, und will diese Frage verneinen, obwohl im dort zu entscheidenden Ausgangsfall weiterhin eine behandlungsbedürftige Krankheit vorlag und eine (rein) ambulante Versorgung offensichtlich nicht möglich, vielmehr nach wie vor eine geschützte Unterbringung erforderlich war. Da entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten aber der Art nach anscheinend vorhanden sind (Punkt 6 Präzisierungsbeschluss), würde diese „institutsorientierte“ Betrachtungsweise mangels einer konkret nachgewiesenen Alternative iS von § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V dazu führen, dass der Kläger trotz weiterhin fortbestehenden Sachleistungsanspruchs (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB V) keine Leistungen der Krankenkasse mehr erhalten könnte. Dieses Ergebnis ist nach Ansicht des 3. Senats nicht sachgerecht und entspricht weder der Aufgabenstellung der Krankenversicherung (§§ 1 Satz 1, 27 Abs 1 Satz 1 SGB V) noch dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 Abs 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch). Es würde zudem im Widerspruch zum Günstigkeitsprinzip des § 2 Abs 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) stehen, der auch den Sozialgerichten gegenüber eine Pflicht zur teleologischen bürgerfreundlichen Interpretation aller Normen des SGB normiert und dazu führen soll, dass Ansprüche auf Sozialleistungen möglichst umfassend verwirklicht werden (Mrozynski, SGB I, 3. Aufl 2003, § 2 RdNr 16 f; vgl auch Seewald in Kasseler Kommentar, Bd 1, Stand: Mai 2006, § 2 SGB I RdNr 10, 16). Das gesetzliche Regelungssystem ist so auszulegen, dass Versorgungslücken nicht eintreten, sofern sie nicht vom Gesetzgeber ausdrücklich als „Eigenverantwortung“ der Versicherten deklariert werden. Bei sachgerechter Gesetzesauslegung bedarf es auch nicht eines Auffangens wegen eines „Systemversagens“, wobei zusätzlich zu begründen wäre, weshalb dann gerade die Krankenversicherung eintreten müsste.

c) Der 3. Senat präzisiert seine Rechtsprechung zur konkreten Betrachtungsweise dahingehend, dass Krankenhausbehandlung immer dann notwendig ist, wenn nach Prüfung des Krankenhausarztes zur Behandlung einer Krankheit neben ärztlicher Behandlung die Betreuung durch hinreichend geschulte medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung erforderlich ist und andere bedarfsgerechte Einrichtungen weder flächendeckend vorhanden sind noch im Einzelfall konkret zur Verfügung stehen. Ist eine Unterbringung allein aus anderen Gründen – etwa nach den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen – notwendig, entfällt die Zuständigkeit der Krankenkasse, weil die Unterbringung nicht zur Gewährleistung der Behandlung, sondern dem Schutz der Öffentlichkeit dient, was eine polizeiliche Aufgabe ist; anders ist es aber, wenn die Unterbringung auch zur Durchführung einer Behandlung erforderlich ist (Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 18/05 R -). Bei der Möglichkeit einer Unterbringung von pflegebedürftigen Personen in vollstationären Pflegeeinrichtungen (§ 43 Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entfällt die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung, weil davon auszugehen ist, dass es solche Einrichtungen bundesweit flächendeckend gibt und die Grundpflege sowie evtl erforderliche Behandlungspflege in die Leistungspflicht der Pflegeversicherung fällt. Anders kann es wiederum sein, wenn ein spezieller Behandlungspflegebedarf abzudecken ist, für den nicht alle Pflegeheime geeignet sind (zB Wachkomapatienten, Hochquerschnittsgelähmte, Dauerbeatmungspflichtige). Hier entfällt die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit erst, wenn konkret eine Spezialeinrichtung zur Verfügung steht. Hier wie in allen übrigen Fällen kann sich die Krankenkasse nicht allein damit entlasten, dass sie auf denkbare ambulante oder sonstige Behandlungsalternativen verweist, ohne diese in konkreter und nachvollziehbarer Weise aufzuzeigen. Die Problematik wird besonders deutlich, wenn ein Versicherter zB wegen eines unheilbaren Krebsleidens keiner intensiven Krankenhausbehandlung mehr bedarf, mangels der Möglichkeit einer ambulanten Betreuung im eigenen Haushalt oder in der Familie aber in einem Hospiz ausreichend palliativ-medizinisch versorgt werden könnte. Eine Entlassung aus dem Krankenhaus kommt in solchen Fällen erst in Betracht, wenn geklärt ist, in welchem Hospiz der weiterhin behandlungsbedürftige Patient nach der Entlassung unterkommen wird und ob dort die notwendige medizinische Versorgung sichergestellt ist. Solange dies nicht geklärt ist, sondern nur theoretische Möglichkeiten im Raum stehen, kann ein Patient nicht aus dem Krankenhaus entlassen werden; die stationäre Behandlung ist dann weiterhin „erforderlich“ iS des § 39 Abs 1 SGB V. Nach der Auffassung des 1. Senats wäre ein solcher todgeweihter Patient hingegen aus dem Krankenhaus zu entlassen, obwohl er weiterhin an einer palliativ-medizinisch behandlungsbedürftigen Krankheit leidet und seine Versorgung und Betreuung nicht sichergestellt sind, oder er müsste seine Behandlung nunmehr selbst bezahlen.

Die Richtigkeit der Auffassung, dass die verschiedenen in § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V genannten Leistungen zur Krankenbehandlung nicht institutionell abzugrenzen, sondern bedarfsbezogen einzusetzen sind, wird auch an anderen Beispielen deutlich. So lässt § 37 Abs 1 SGB V die sog Krankenhausersatzpflege zu, also die häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn zwar Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist – etwa wegen Bettenmangels im Krankenhaus, fehlender Transportfähigkeit des Versicherten oäm (Beispiele nach Höfler in Kasseler Kommentar, aaO, § 37 SGB V RdNr 6). Hier wird notgedrungen eine Unterversorgung in Kauf genommen, um überhaupt eine Behandlung zu ermöglichen. Nichts anderes kann aber gelten, wenn ein „überdimensioniertes“ Leistungsangebot in Anspruch genommen wird, weil ein „maßgeschneidertes“ Angebot nicht zur Verfügung steht. Auch die Anfügung des § 37 Abs 2 Satz 5 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl I 2190) zeigt, dass der Gesetzgeber zur Koordinierung der Leistungen iS von § 27 Abs 1 Satz 2 SGB V weiteren Handlungsbedarf gesehen und eine Rechtsgrundlage dafür geschaffen hat, dass alleinstehende Wohnungslose medizinische Behandlungspflege erhalten können, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht, ihnen aber nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Diese Regelung ist getroffen worden, um wohnungslose Krankenversicherte in die ambulante Versorgung zurückzuführen und kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (BT-Drucks 15/1525 S 90), deren Bezahlung die Krankenkassen nicht durch bloßen Hinweis auf ambulante Behandlungsmöglichkeiten vermeiden konnten. Schließlich zeigt auch die Vorschrift des § 27 Abs 1 Satz 3 SGB V, wonach bei der Krankenbehandlung den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen ist, dass der Maßstab für die Gewährung von Leistungen zur Krankenbehandlung konkret – versichertenbezogen – und nicht abstrakt anzulegen ist. Denn psychische Erkrankungen werden vom Krankheitsbegriff des SGB V ebenso erfasst wie körperliche; gleichwohl hat der Gesetzgeber diese Personengruppe besonders hervorgehoben, weil den Bedürfnissen psychisch Kranker seiner Ansicht nach bislang nicht ausreichend Rechnung getragen worden war (Nachw bei Höfler, aaO, § 27 SGB V RdNr 66). Dies ist nicht nur Programmsatz, sondern unmittelbar anwendbares und im Einzelfall zu beachtendes Recht (Urteil des Senats vom 20. Januar 2005, BSGE 94, 139, 144 f = SozR 4-2500 § 112 Nr 4 RdNr 14). Diesem Ansatz ist auch der 1. Senat in seinem Urteil vom 16. Februar 2005 (BSGE 94, 161, 164 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 11) gefolgt und hat hieraus – insoweit ausdrücklich dem 3. Senat folgend – zumindest für den Bereich der psychischen Erkrankungen ebenfalls gefolgert, dass Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht schon bei einer rein theoretischen Möglichkeit ambulant-ärztlicher Versorgung zu verneinen, sondern der Nachweis einer tatsächlich vorhandenen und bedarfsgerechten Behandlungsalternative erforderlich sei (BSGE 94, 161, 173 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 25).

3. Der 3. Senat hält weiterhin an seiner Rechtsprechung fest, dass eine Krankenhausbehandlung stets dann notwendig ist, wenn sie aus der vorausschauenden Sicht des Krankenhausarztes unter Zugrundelegung der im Entscheidungszeitpunkt bekannten oder erkennbaren Umstände vertretbar ist, dh nicht im Widerspruch zur allgemeinen oder besonderen ärztlichen Erfahrung steht oder medizinische Standards verletzt (stRspr des 3. Senats – vgl Urteile vom 12. Mai 2005, SozR 4-5565 § 14 Nr 9 RdNr 8 mwN, und vom 7. Juli 2005 – B 3 KR 40/04 R -, GesR 2005, 558, 560). In der letztgenannten Entscheidung hat der Senat aber auch klargestellt, dass die den behandelnden Krankenhausärzten zuzubilligende Einschätzungsprärogative nicht dazu führt, neben der „objektiven“ Notwendigkeit der Behandlung eine weitere Alternative zu eröffnen, um den Leistungsanspruch des Versicherten und/oder den daraus folgenden Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu begründen. Der 3. Senat geht mit dem anfragenden 1. Senat davon aus, dass der Gesetzeswortlaut des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V allein auf die sachliche Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung abstellt; die Entscheidung, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, obliegt nicht dem einweisenden oder dem Krankenhaus-Arzt, sondern allein der Krankenkasse. Insoweit dürfte – entgegen Punkt 4 Präzisierungsbeschluss – keine Divergenz bestehen. Die Frage ist jedoch, wie die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung festzustellen ist. Die Rechtsprechung des 3. Senats, dass es auf die fachlich einwandfreie Einschätzung des behandelnden Krankenhausarztes ankommt, trägt dessen Situation und Entscheidungsverantwortung Rechnung, die dadurch geprägt sind, dass es eine objektiv richtige Maßnahme im Bereich ärztlichen Handelns oft nicht gibt und der Arzt die zivilrechtliche und strafrechtliche Verantwortung für sein Handeln trägt. Diese Rechtsprechung entspricht auch dem Wortlaut des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V, der die Rolle des Krankenhausarztes hervorhebt, indem er den Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung von der Prüfung der Erforderlichkeit durch das Krankenhaus abhängig macht. Diese Regelung ist erst durch das Gesundheitsstrukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) in das Gesetz eingefügt worden; zur Begründung hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass hierdurch die Prüfungspflicht des Krankenhauses im Hinblick auf den Vorrang der teilstationären, vor- und nachstationären sowie der ambulanten Behandlung vor der vollstationären Behandlung verdeutlicht werden soll (BT-Drucks 12/3608 S 81). Nach Ansicht des 3. Senats kann es deshalb nicht richtig sein, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu verneinen, wenn ein Gutachter „ex post“ noch andere Behandlungsmöglichkeiten erkennt und zu dem Ergebnis kommt, dass die personellen und sächlichen Mittel eines Krankenhauses zur Behandlung des Versicherten nicht notwendig waren, solange nicht eine Fehleinschätzung des Krankenhausarztes im oben genannten Sinn festzustellen ist.

4. Der 3. Senat hält an seiner vorstehend dargestellten Rechtsprechung auch im Hinblick auf die Fragen 2 bis 5 des Anfragebeschlusses fest. Es kann keinen Unterschied machen, dass es sich im Ausgangsfall des 1. Senats um eine über mehrere Jahre hinweg erstreckende Dauerbehandlung handelt, während der sich der behandlungsbedürftige Versicherte tatsächlich in einem Krankenhaus aufgehalten hat und es lediglich noch um die Frage geht, welcher Sozialleistungsträger die Kosten hierfür zu tragen hat. Das Problem eines Systemversagens, dass dieser Frage anscheinend zu Grunde liegt , stellt sich für den 3. Senat nicht. Die Krankenkasse hat sowohl für akute als auch chronische Erkrankungen einzustehen. Es ist auch wenig überzeugend und praktisch kaum durchführbar, nach akuten und chronischen Phasen einer Erkrankung zu unterscheiden und danach verschiedene Kostenträger zu ermitteln. Nicht relevant ist auch die Tatsache, dass zwischen Krankenhausträger und Krankenkasse Verträge geschlossen worden sind, nach denen beide Institutionen gegenüber dem Versicherten Betreuungspflichten treffen. Die vertragliche Pflicht des Krankenhauses, sich ebenfalls um eine bedarfsgerechte Behandlung und Betreuung des Versicherten zu kümmern, ändert an der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkasse zur Übernahme der Krankenhausbehandlung nichts, wenn alternative Behandlungsmöglichkeiten vom Krankenhaus nicht gefunden werden.

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