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Notwegerecht – Duldung des Notwegerechts

Oberlandesgericht Celle

Az.: 4 U 133/02

Urteil vom 23.01.2003

Vorinstanz: LG, AZ.: 7 O 487/01


In dem Rechtsstreit hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 10. Januar 2003 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 2. Juli 2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts … wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht das beanspruchte Notwegerecht jedenfalls deshalb nicht zu, weil die Beklagten nach § 918 Abs. 1 BGB zur Duldung des Notwegs nicht verpflichtet sind. Ob dem Kläger überhaupt nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ein Notwegerecht zukam, kann deshalb offen bleiben. Das gilt auch für die weitere Frage, ob das mit Vertrag vom 20. August 2002 vereinbarte Nutzungsrecht betreffend das der Autohaus … GmbH & Co. KG gehörende Grundstück ein etwaiges Notwegerecht des Klägers in Fortfall gebracht hat.

Im Einzelnen:

1.

Nach § 918 Abs. 1 BGB tritt die Verpflichtung zur Duldung des Notwegs nicht ein, wenn die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch eine willkürliche Handlung des Eigentümers aufgehoben wird. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Denn der Verlust der ursprünglich vorhandenen Zuwegung für das Grundstück … in … von der öffentlichen Straße her bis in den hinteren Teil des Grundstücks ist dadurch eingetreten, dass der Eigentümer … auf seinem und teilweise auch dem Grundstück der Beklagten einen Erweiterungsbau errichtete. Dem Grundstückseigentümer … war dabei nach eigenem Vortrag des Klägers bereits in der Klageschrift vom 31. August 2001 (S. 3 f., Bl. 3 f. d. A.) bekannt, dass der so konzipierte Erweiterungsbau den Verlust der Zufahrtsmöglichkeit zum hinteren Grundstücksbereich bedingte. Der Grundstückseigentümer … ist auf die damit verbundene Zufahrtsproblematik nach dem vom Kläger selbst vorgelegten Fax des Architekten … vom 2. Dezember 1996 (Bl. 35 d. A.) hingewiesen worden. Der Kläger hat in der Klageschrift auf S. 8 (Bl. 8 d. A.) zudem selbst ausdrücklich vorgetragen, dass diese Problematik seitens des Architekturbüros nicht nur mit dem Eigentümer …, sondern auch dem Beklagten zu 2 persönlich erörtert worden sei.

Wenn der Grundstückseigentümer … sich bei dieser Ausgangssituation gleichwohl dazu entschließt, wie geschehen, den konzipierten Erweiterungsbau so zu errichten, gibt er im Sinne der genannten Vorschrift des § 918 Abs. 1 BGB die bisherige Verbindung des Grundstücks mit dem öffentlichen Wege durch willkürliche Handlung auf. Denn willkürliche Handlung im Sinne von § 918 Abs. 1 BGB meint jede freiwillige Handlung, mit der eine bestehende Verbindung aufgegeben wird und die einer ordnungsgemäßen Grundstücksbenutzung unter Beachtung der Interessen des Nachbarn widerspricht. Ein Verschulden ist weder erforderlich, noch auch ausreichend, um eine Handlung als willkürlich erscheinen zu lassen. Entscheidend ist vielmehr, dass derjenige, der ein Bauwerk errichtet, nicht nur darauf zu achten hat, dass die Grundstücksbebauung überhaupt einer ordnungsgemäßen Benutzung des Grundstücks entspricht, sondern er muss beim Bau zusätzlich darauf Rücksicht nehmen, dass die Verbindungsmöglichkeit erhalten bleibt. Wer sich keinen Weg offen lässt, kann mit anderen Worten keinen Notweg verlangen. Das gilt auch, wenn der später in Anspruch genommene Nachbar – hier die Beklagten – nichts gegen den Bau unternimmt oder ihn sogar gestattet hat (vgl. Staudinger/Roth, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand 2002, § 918 Rn. 2, 3 m. w. Nachw.).

Die Voraussetzungen des § 918 Abs. 1 BGB sind damit erfüllt. An dieser Beurteilung ändert sich entgegen der vor allem im Senatstermin für den Kläger vertretenen Auffassung nichts dadurch, dass zwischen dem Grundstückseigentümer … und den Beklagten verwandtschaftliche und teilweise auch gesellschaftsrechtliche Verbindungen bestanden bzw. bestehen. Denn es mag zwar sein, dass im Rahmen der Anwendbarkeit des Ausschlusstatbestandes des § 918 Abs. 1 BGB – wie vorstehend auch bereits erwähnt – Interessen des Nachbarn mit zu berücksichtigen sind (Staudinger/Roth, a. a. O., Rz. 2). Im Einzelfall mag auch denkbar erscheinen, dass trotz freiwilliger Beseitigung der ursprünglichen Zuwegung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausnahmsweise gleichwohl ein Notwegerecht geltend gemacht werden kann. Im vorliegenden Fall sieht der Senat einen solchen Ausnahmefall jedoch nicht als gegeben an. Gerade dann, wenn wie hier nach eigenem Vortrag des Klägers vor Inangriffnahme der ursprünglichen Zufahrt beseitigenden Erweiterungsbebauung die damit verbundene Zuwegungsproblematik erörtert und verschiedene Varianten auch unter Einbeziehung der Beklagten besprochen wurden, handelt der Kläger auf eigenes Risiko, wenn er die vor Inangriffnahme der Erweiterungsbebauung gegebene Möglichkeit, ein von den Beklagten zu duldendes Wegerecht durch klare Vereinbarungen abzusichern, nicht nutzt, sondern stattdessen ohne bautechnische oder wirtschaftliche Notwendigkeit die Nutzbarkeit des Grundstücks durch Ausbau bis an die Grenzen und darüber hinaus voll ausschöpft. Wer so in Kenntnis der damit verbundenen Wegeproblematik handelt, kann hinterher nicht geltend machen, dass die zuvor selbst unterlassene Absicherung eines neuen Wegerechts nach freiwilliger Beseitigung des alten Treu und Glauben widerspreche.

2.

Nach alledem war die auf Einräumung eines Wegerechts gerichtete Klage schon deshalb abzuweisen, weil der Kläger mit seinem Begehren nach § 918 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Auf die weitere Frage, ob dem Kläger überhaupt ein Notwegerecht zukam, obwohl das Grundstück des … von vornherein kein sog. „gefangenes“ Grundstück war und deshalb möglicherweise auch ein Rückbau geboten sein könnte, kommt es ebenso wenig für die Entscheidung an wie auf die Problematik, welche Bedeutung dem im Senatstermin vorgelegten Vertrag über die Grundstücksmitbenutzung vom 20. August 2002 im Einzelnen zukommt. Das gilt auch für die weitere Frage, ob mit dem Landgericht angenommen werden kann, dass die Klage schon wegen unberechtigten Abbruchs der Vertragsverhandlungen seitens des Klägers abgewiesen werden durfte, wozu der Senat allerdings aus den insoweit zutreffenden Erwägungen des Berufungsvorbringens des Klägers weniger neigt.

III.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 ZPO weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Von der Festsetzung des Wertes der Beschwer wird im Hinblick auf BGH NJW 2002, 2720 abgesehen.

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