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Abhandenkommen nach § 935 BGB kann geheilt werden – Einverständnis

Wem gehört ein kostbares Familienarchiv, das die NS-Verfolgung einer Familie detailliert dokumentiert? Diese Frage beschäftigte die Gerichte, nachdem ein Erbe die Herausgabe von einer Institution forderte. Die Einrichtung hatte die wertvollen Dokumente von einem Verwandten des Erblassers erworben und berief sich auf gutgläubigen Erwerb. Ein Urteil in Köln klärt nun, wo die Geschichte dieser Familie bleiben wird.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 18 U 57/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: OLG Köln
  • Datum: 16.04.2025
  • Aktenzeichen: 18 U 57/24
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Eigentum, Besitz, Gutgläubiger Erwerb

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Alleinerbe von Z. J., der die Herausgabe eines historischen Dokumentenarchivs begehrt und behauptet, das Archiv sei sein Eigentum und die Beklagte habe es unrechtmäßig erhalten.
  • Beklagte: Die Institution, die das Archiv betreibt, und die sich auf gutgläubigen Erwerb oder Miteigentum am Archiv beruft.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Der Kläger als Erbe der Archivsammlerin Z. J. fordert die Rückgabe eines Familienarchivs zur NS-Verfolgung, das von Z. J.s Bruder an die Beklagte verkauft wurde. Der Kläger behauptet, der Bruder habe das Archiv widerrechtlich entwendet.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob der Kläger einen Anspruch auf Rückgabe des Archivs hat oder ob die Beklagte Eigentum daran erworben hat, insbesondere durch gutgläubigen Erwerb von Z. J.s Bruder.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts, das die Klage abgewiesen hatte, wurde zurückgewiesen. Das Archiv bleibt bei der Beklagten.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass die Beklagte das Archiv jedenfalls gutgläubig erworben habe. Ein gutgläubiger Erwerb sei nicht ausgeschlossen gewesen, da der Kläger den Besitz des Verkäufers (Z. J.s Bruder) nachträglich legitimiert hatte.
  • Folgen: Der Kläger verliert den Prozess in zweiter Instanz und muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das Gericht ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, um eine unklare Rechtsfrage zu klären.

Der Fall vor Gericht


OLG Köln: Historisches Familienarchiv zur NS-Verfolgung – Guter Glaube beim Erwerb (§ 932 BGB) schließt Herausgabeanspruch des Erben (§ 985 BGB) aus

Ein bedeutendes Dokumentenarchiv, das die Verfolgung einer Familie von H. (heute D. Q.) während der NS-Zeit detailliert nachzeichnet, stand im Mittelpunkt eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln.

Übergabe historischer Dokumente aus Familienarchiv an erfahrenen Archivar im Archivraum
Familienarchiv zur NS-Verfolgung wird an eine Institution übergeben – Dokumente, Fotos und Geschichte sichern. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Alleinerbe der Archivgründerin forderte die Herausgabe des Archivs von einer Institution, die es vom Bruder der Verstorbenen erworben hatte. Das Gericht musste klären, ob der Erbe einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat oder ob die beklagte Institution Eigentum durch gutgläubigen Erwerb nach § 932 BGB erlangt hat, obwohl der Verkäufer möglicherweise nicht der wahre Eigentümer war. Die Entscheidung des OLG Köln (Az.: 18 U 57/24) bestätigte die Abweisung der Klage durch das Landgericht Bonn und verneinte den Herausgabeanspruch des Erben.

Ausgangslage: Ein wertvolles Archiv zur Familiengeschichte und NS-Verfolgung

Den Kern des Streits bildete ein umfangreiches Archiv, das von Z. J., verstorben im Jahr 2005, seit 1933 zusammengetragen wurde. Dieses „Archiv der Z. J.“ enthielt eine Fülle historischer Dokumente – darunter Haftbefehle, Urteile, Briefe, Fotos und Ausweise –, die die systematische Verfolgung der Familie J., Angehörige der D. Q., durch das nationalsozialistische Regime belegen. Der Kläger ist der Alleinerbe von Z. J. Das Archiv befindet sich heute im Besitz der Beklagten, die ein Dokumentationszentrum in I. betreibt (P. der T.).

Z. J. hatte ihren Nachlass in mehreren Schritten geregelt. Ein handschriftliches Testament von 2001 verteilte allgemeines Inventar und Konten unter ihren Geschwistern. Eine spätere Verfügung vom Juli 2003, betitelt als Vermächtnis, bestimmte explizit, dass alle Dokumente zur Verfolgung der D. Q. nach ihrem Tod in den Besitz der Religionsgemeinschaft der D. Q. in B./Ts. übergehen sollten. Dieses Vermächtnis war jedoch an eine Bedingung geknüpft: Ihr Bruder, L. J., musste zuvor alle Materialien kopiert bzw. eingescannt haben.

Der Streitpunkt: Verkauf des Archivs durch den Bruder und die Frage des Eigentums

Nach dem Tod von Z. J. im Jahr 2005 entwickelte sich ein Konflikt um das Eigentum und den Verbleib des Archivs. Der Bruder der Verstorbenen, L. J., der nach eigenen Angaben zum Todeszeitpunkt im Besitz des Archivs war, verkaufte dieses am 10. Dezember 2009 für 4.000 Euro an die Beklagte. Der Kaufvertrag bezeichnete das Objekt als „Archiv der Familie J.“. L. J. versicherte darin, alleiniger Eigentümer zu sein und frei darüber verfügen zu können. Zudem sicherte der Vertrag ihm und seinen Angehörigen uneingeschränkten Zugang und das Recht zur Nutzung für Publikationen zu. Die Beklagte verpflichtete sich im Gegenzug zur kostenfreien Digitalisierung des Archivs.

Interessanterweise wurde der Kontakt zwischen L. J. und der Beklagten durch den Kläger selbst, den späteren Herausgabekläger, vermittelt. Ein für den Kläger tätiger Historiker wurde 2008 von der Beklagten bezüglich des Archivs kontaktiert. Der Kläger lehnte eine Leihgabe durch seine Gesellschaft ab und verwies die Beklagte stattdessen in einer E-Mail vom 23. September 2008 explizit an L. J., den Bruder der Erblasserin. In dieser E-Mail, die der Beklagten bekannt war, formulierte der Kläger bzw. sein Historiker: „in deinem Fall wäre der Leihgeber eine Priva[t]person. Ein entsprechender Vertrag würde zwischen dem Museum und dir geschlossen we[r]den.“ Kurz nach dem Vertragsschluss im Dezember 2009 wurde das Archiv an die Beklagte übergeben.

Der Kläger argumentierte vor Gericht, Z. J. sei Alleineigentümerin des Archivs gewesen, und er habe dieses als Alleinerbe geerbt. Das Archiv habe sich ursprünglich im Haus der Verstorbenen befunden und sei dort von seinen Beauftragten gesichtet und markiert worden (mit „WTG“-Stempeln/Aufklebern). L. J. habe sich das Archiv widerrechtlich angeeignet, indem er es unter einem Vorwand aus dem Haus mitgenommen habe. Der Kläger hielt den Kaufpreis von 4.000 Euro für deutlich zu niedrig und sah darin ein Indiz für die Bösgläubigkeit der Beklagten. Insbesondere die E-Mail von 2008, die L. J. als „Leihgeber“ bezeichnete, hätte der Beklagten signalisieren müssen, dass L. J. nicht der Eigentümer war. Zudem seien die Markierungen ein Hinweis gewesen. Im August 2022 focht der Kläger zudem die kaufvertragliche Erklärung von L. J. an.

Die Beklagte bestritt das Alleineigentum von Z. J. und führte an, es handle sich um ein Familienarchiv im Miteigentum mehrerer Familienmitglieder, an dem auch L. J. mitgewirkt habe. Sie behauptete außerdem, Z. J. habe L. J. das Archiv schon vor ihrem Tod (teilweise) überlassen. Vor allem aber berief sich die Beklagte auf einen gutgläubigen Erwerb des Eigentums von L. J. gemäß § 932 BGB.

Die Entscheidung des Landgerichts Bonn: Klageabweisung wegen gutgläubigen Erwerbs

Das Landgericht Bonn hatte die Klage nach Vernehmung mehrerer Zeugen bereits abgewiesen. Es kam zu dem Schluss, dass der Kläger sein Eigentum nicht zweifelsfrei nachweisen konnte und vieles für ein Familienarchiv im Miteigentum sprach. Unabhängig davon sah das Landgericht die Voraussetzungen für einen gutgläubigen Erwerb durch die Beklagte als erfüllt an. Ein Abhandenkommen der Sache im Sinne des § 935 BGB, welches einen gutgläubigen Erwerb ausschließen würde, sei nicht bewiesen. Selbst wenn das Archiv zunächst ohne Willen des Klägers an L. J. gelangt sei, sei dieser Zustand durch die nachträgliche Zustimmung des Klägers – manifestiert in der E-Mail und der Verweisung an L. J. – geheilt worden. Dem Kläger sei es zudem nicht gelungen, die Bösgläubigkeit der Beklagten zu beweisen. Die Anfechtungserklärung des Klägers sei verspätet erfolgt. Gegen dieses Urteil legte der Kläger Berufung ein.

OLG Köln Urteil: Berufung zurückgewiesen – Gutgläubiger Erwerb (§ 932 BGB) bestätigt

Das OLG Köln wies die Berufung des Klägers als unbegründet zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts. Die Klage auf Herausgabe des Archivs nach § 985 BGB scheiterte, weil das Gericht zum Ergebnis kam, dass die Beklagte das Eigentum an dem Archiv wirksam durch gutgläubigen Erwerb gemäß § 932 BGB erlangt hat. Die Frage, ob ursprünglich Z. J. Alleineigentümerin war und der Kläger ihr Alleinerbe ist, konnte daher letztlich offenbleiben.

Begründung OLG Köln: Kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs durch Abhandenkommen (§ 935 BGB)

Ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ist nach § 935 BGB ausgeschlossen, wenn die Sache dem Eigentümer abhandengekommen ist, also der unmittelbare Besitz ohne seinen Willen verloren ging. Dies schützt den Eigentümer vor dem Verlust seines Eigentums durch Diebstahl oder Verlieren. Der Erbe genießt diesen Schutz über § 857 BGB ebenfalls.

Das OLG ließ offen, ob L. J. das Archiv ursprünglich ohne Zustimmung des Klägers aus dem Haus der Verstorbenen entfernt hat. Entscheidend war jedoch, dass selbst ein anfängliches Abhandenkommen nachträglich geheilt werden kann. Dies geschieht, wenn der wahre Berechtigte (hier der Kläger als Erbe) die entstandene Besitzlage nachträglich billigt oder legitimiert. Der Zustand des Abhandenkommens endet, sobald der Eigentümer die Sache zurückerhält oder der Besitzlage zustimmt – auch wenn dies nur zur Begründung von mittelbarem Besitz führt.

Genau dies sah das OLG hier als gegeben an. Der Kläger hatte in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG selbst vorgetragen, er habe L. J. den Besitz am Archiv bewusst belassen und geduldet, damit dieser die Auflage aus dem Vermächtnis von Z. J. erfüllen konnte, nämlich das Archiv zu kopieren. Indem der Kläger L. J. den Besitz zu diesem Zweck (wenn auch nur vorübergehend) gestattete, begründete er nach Ansicht des Gerichts ein Besitzmittlungsverhältnis. Der Kläger wurde dadurch mittelbarer Besitzer und L. J. war berechtigter unmittelbarer Besitzer. Diese nachträgliche faktische Akzeptanz der Besitzlage durch den Kläger beendete den Zustand des Abhandenkommens.

Diese Einschätzung wurde durch die E-Mail vom 23. September 2008 (Anlage K9) gestützt. Mit dieser E-Mail, die der Beklagten bekannt war, habe der Kläger aktiv den Rechtsschein gesetzt, dass L. J. zu diesem Zeitpunkt zumindest der berechtigte Besitzer, wenn nicht sogar Eigentümer sei. Der Kläger habe die Beklagte auf deren Anfrage ausdrücklich an L. J. als Vertragspartner verwiesen und ihn als „richtigen Ansprechpartner“ bezeichnet. Dass L. J. in der E-Mail als „Leihgeber“ bezeichnet wurde, ändere daran nichts, da dies auf die ursprüngliche Anfrage der Beklagten nach einer Leihgabe zurückzuführen sei. Der Gesamtkontext der E-Mail signalisierte der Beklagten, dass L. J. handlungsbefugt war. Der Kläger habe keine eigenen Rechte geltend gemacht.

Durch dieses Verhalten habe der Kläger den unmittelbaren Besitz des L. J. gegenüber der Beklagten legitimiert. Er könne sich daher nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht widersprüchlich verhalten und sich nun auf ein Abhandenkommen berufen. Der Kläger hat den Rechtsschein des Besitzes, an den der gutgläubige Erwerb anknüpft, selbst zurechenbar mitverursacht. Seine interne Annahme, er sei Eigentümer und L. J. besitze nur für ihn, sei unerheblich für die Außenwirkung gegenüber der Beklagten. Zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Beklagte lag somit kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB mehr vor.

Begründung OLG Köln: Guter Glaube der Beklagten (§ 932 BGB) nicht widerlegt

Das OLG schloss sich auch der Auffassung des Landgerichts an, dass der Kläger die Bösgläubigkeit der Beklagten beim Erwerb des Archivs nicht nachweisen konnte. Guter Glaube liegt vor, wenn dem Erwerber weder bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört (§ 932 Abs. 2 BGB).

  • Die E-Mail vom 23.09.2008 begründete keine Bösgläubigkeit. Die explizite Verweisung an L. J. sprach aus Sicht der Beklagten eher für dessen Verfügungsbefugnis. Die Zeugin von F.-X. (für die Beklagte tätig) bestätigte, dass der Eindruck entstanden sei, L. J. sei der „richtige Ansprechpartner und Berechtigte“. Es gab keine Anhaltspunkte für die Beklagte, am Eigentum von L. J. zu zweifeln.
  • Der Kläger konnte nicht beweisen, dass das Archiv bei Übergabe an die Beklagte mit seinen Eigentumsmarkierungen („WTG“) versehen war. Die Beweisaufnahme des Landgerichts hierzu wurde vom OLG als nicht zu beanstanden bewertet (Zeugenaussagen waren unergiebig, unkonkret oder verneinten die Markierungen).
  • Der Kaufpreis von 4.000 Euro wurde angesichts der Gesamtumstände, insbesondere der Verweisung durch den Kläger selbst, nicht als ausreichendes Indiz für Bösgläubigkeit gewertet.

Die Beweiswürdigung des Landgerichts war nach Auffassung des OLG Köln fehlerfrei. Der Kläger trug die Beweislast für die Bösgläubigkeit der Beklagten und konnte diesen Beweis nicht erbringen.

Weitere Ansprüche und Zulassung der Revision

Die vom Kläger erklärte Anfechtung der Willenserklärung von L. J. im Kaufvertrag war laut OLG nicht nur verfristet (§ 121 Abs. 2 BGB), sondern es war auch unklar, warum der Kläger überhaupt zur Anfechtung einer Erklärung seines Onkels berechtigt sein sollte. Da der Kläger somit kein Eigentümer mehr war und der gutgläubige Erwerb wirksam erfolgte, schieden auch andere Ansprüche, etwa aus Bereicherungsrecht oder Deliktsrecht, aus.

Das OLG Köln hat jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Der Grund hierfür liegt in der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Zustand des Abhandenkommens nach § 935 BGB wieder beendet wird (also „geheilt“ ist). Da diese Frage bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist, soll der BGH die Möglichkeit zur Klärung erhalten, um eine einheitliche Rechtsprechung zu sichern. Bis zu einer Entscheidung des BGH bleibt das Urteil des OLG Köln bestehen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 10.000 Euro festgesetzt. Der Kläger muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.


Die Schlüsselerkenntnisse

Ein historisches NS-Verfolgungsarchiv muss nicht an den Erben der ursprünglichen Eigentümerin herausgegeben werden, da die besitzende Institution es gutgläubig vom Bruder der Verstorbenen erworben hat. Das OLG Köln entschied, dass selbst wenn das Archiv ursprünglich ohne Zustimmung aus dem Nachlass entfernt wurde, dieser Zustand geheilt wurde, als der Erbe den Besitz des Bruders duldete und sogar Dritte an diesen verwies. Der Fall zeigt, dass Eigentümer ihren Besitzanspruch eindeutig dokumentieren sollten, denn wer einen Rechtsschein setzt, dass jemand verfügungsberechtigt ist, kann später nicht mehr erfolgreich auf sein Eigentum pochen.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Abhandenkommen“ im juristischen Sinne und welche Rolle spielt es beim Eigentumserwerb?

Im juristischen Sinne bedeutet „Abhandenkommen“, dass jemand die tatsächliche Kontrolle (den Besitz) über einen Gegenstand unfreiwillig verloren hat. Das passiert zum Beispiel bei Diebstahl, Verlust oder wenn die Sache jemandem gestohlen wird.

Wichtig ist dabei: Es geht um den Verlust des Besitzes (der tatsächlichen Gewalt über die Sache), nicht unbedingt um den Verlust des Eigentums (dem Recht, die Sache zu besitzen und damit zu tun, was man möchte). Jemand, dem etwas gestohlen wird, verliert den Besitz, bleibt aber weiterhin der Eigentümer.

Ein Gegenstand kommt nicht abhanden, wenn er jemandem freiwillig übergeben wird, etwa wenn Sie ihn verleihen, vermieten oder als Pfand geben. In diesen Fällen geben Sie den Besitz freiwillig aus der Hand.

Diese Unterscheidung spielt eine große Rolle beim gutgläubigen Erwerb. Stellen Sie sich vor, Sie kaufen einen Gegenstand von jemandem, der aber gar nicht der eigentliche Eigentümer ist. Grundsätzlich sagt das Gesetz, dass Sie unter bestimmten Voraussetzungen trotzdem der neue Eigentümer werden können, wenn Sie nicht wissen und auch nicht wissen müssen, dass der Verkäufer nicht der Eigentümer ist (das ist der ‚gute Glaube‘).

Aber hier kommt das „Abhandenkommen“ ins Spiel (§ 935 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Wenn der Gegenstand dem ursprünglichen Eigentümer gestohlen wurde, verloren gegangen ist oder ihm sonst unfreiwillig abhandengekommen ist, dann können Sie das Eigentum auch dann nicht erwerben, wenn Sie die Sache in gutem Glauben kaufen. Das Gesetz schützt hier den ursprünglichen Eigentümer, der den Besitz nicht freiwillig aufgegeben hat. Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen von dieser Regel, zum Beispiel bei Geld oder bestimmten Wertpapieren.

Das bedeutet praktisch: Der ursprüngliche Eigentümer, dem die Sache abhandengekommen ist, kann sie vom Käufer zurückverlangen – auch wenn der Käufer dachte, er hätte sie rechtmäßig erworben.

Für Sie als potenziellen Käufer bedeutet das: Wenn Sie einen Gegenstand kaufen, der dem ursprünglichen Eigentümer abhandengekommen war (z.B. gestohlen), können Sie das Eigentum daran nicht erwerben, selbst wenn Sie das nicht wussten. Der ursprüngliche Eigentümer kann den Gegenstand von Ihnen zurückfordern. Diese Regelung unterstreicht, wie wichtig es sein kann, beim Kauf von Gegenständen – insbesondere aus zweiter Hand – auf die Herkunft zu achten.


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Unter welchen Voraussetzungen kann ein gutgläubiger Erwerb von Eigentum stattfinden und welche Bedeutung hat der „gute Glaube“ dabei?

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen etwas – zum Beispiel ein Fahrrad auf einem Flohmarkt. Normalerweise kann Ihnen nur der wahre Eigentümer das Eigentum an diesem Fahrrad übertragen. Doch was passiert, wenn der Verkäufer gar nicht der Eigentümer war, aber Sie das nicht wussten? Hier greift unter bestimmten Umständen der sogenannte gutgläubige Erwerb. Er schützt Sie als Käufer, auch wenn der Verkäufer unberechtigt handelte, und sorgt dafür, dass der Handel im Alltag reibungslos funktioniert.

Für einen gutgläubigen Erwerb von beweglichen Sachen (also Dingen, die man anfassen und bewegen kann, wie Fahrräder, Bücher, Möbel, Autos etc.) müssen nach deutschem Recht (insbesondere §§ 932 ff. Bürgerliches Gesetzbuch, BGB) mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Eine Übergabe der Sache findet statt: Sie müssen das Eigentum an der Sache durch eine tatsächliche Übergabe erwerben. Das bedeutet, Sie bekommen das Fahrrad physisch vom Verkäufer überreicht.
  2. Ein gültiges Rechtsgeschäft liegt vor: Zwischen Ihnen und dem Verkäufer muss ein Vertrag geschlossen worden sein, der auf den Erwerb des Eigentums gerichtet ist, z. B. ein Kaufvertrag oder ein Tauschvertrag.
  3. Der Verkäufer ist nicht der Eigentümer, tritt aber als solcher auf: Die Person, die Ihnen die Sache verkauft, ist in Wirklichkeit gar nicht der rechtmäßige Eigentümer.
  4. Sie sind in gutem Glauben bezüglich des Eigentums des Verkäufers: Das ist der zentrale Punkt und wird weiter unten erklärt.
  5. Die Sache ist nicht abhandengekommen: Das bedeutet, die Sache darf dem ursprünglichen Eigentümer nicht gestohlen worden sein oder verloren gegangen sein. Eine Sache, die gestohlen wurde oder verloren ging, kann grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden.

Die Bedeutung des „guten Glaubens“

Ihr „guter Glaube“ als Käufer ist der entscheidende Aspekt, der Sie unter den genannten Voraussetzungen zum Eigentümer machen kann, selbst wenn der Verkäufer kein Eigentümer war.

Guter Glaube bedeutet in diesem juristischen Sinne, dass Sie im Moment der Übergabe der Sache

  • nicht wissen, dass der Verkäufer gar nicht der Eigentümer ist, und
  • diese Tatsache auch nicht grob fahrlässig nicht wissen.

Nicht grob fahrlässig bedeutet, dass Sie nicht die gebotene Sorgfalt in einem besonders schweren Maße verletzt haben. Sie dürfen also nicht offensichtliche Anzeichen dafür ignoriert haben, dass etwas mit der Eigentümerschaft nicht stimmt.

Beispiele:

  • Wenn Sie ein teures Fahrrad zu einem extrem niedrigen Preis auf einem Parkplatz von einer Ihnen unbekannten Person kaufen, ohne nach Herkunft oder Papieren zu fragen, könnte das ein Hinweis auf grobe Fahrlässigkeit und damit das Fehlen des guten Glaubens sein.
  • Wenn Sie dasselbe Fahrrad in einem etablierten Fahrradgeschäft kaufen, gehen Sie in der Regel davon aus, dass das Geschäft Eigentümer der verkauften Ware ist. Hier liegt typischerweise guter Glaube vor, solange es keine konkreten Anhaltspunkte für das Gegenteil gibt.

Das Gesetz schützt den gutgläubigen Käufer, der die Sache vom Nichtberechtigten erworben hat, im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs. Ihr guter Glaube sorgt dafür, dass der ursprüngliche Eigentümer sein Eigentum verliert und Sie es erwerben.

Der gute Glaube wird in der Regel vermutet, wenn Ihnen die Sache übergeben wurde (§ 932 Abs. 2 BGB). Das bedeutet, dass derjenige, der sich auf das Fehlen Ihres guten Glaubens beruft (z.B. der ursprüngliche Eigentümer), beweisen muss, dass Sie wussten oder grob fahrlässig nicht wussten, dass der Verkäufer kein Eigentümer war.


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Was ist ein Vermächtnis und wie unterscheidet es sich von einer Erbschaft?

Wenn jemand verstirbt, wird sein Vermögen und seine Schulden nicht einfach herrenlos. Es gibt Regeln, wer stattdessen Eigentümer wird. Hier gibt es im deutschen Recht zwei wichtige Rollen, die oft verwechselt werden: Erbe und Vermächtnisnehmer.

Ein Erbe ist derjenige, der die gesamte oder einen Bruchteil der gesamten Rechtsnachfolge antritt. Stellen Sie sich vor, der Verstorbene hinterlässt ein Haus, ein Auto, Geld, aber auch Schulden. Der Erbe (oder die Erbengemeinschaft, wenn es mehrere sind) tritt an die Stelle des Verstorbenen. Das bedeutet, der Erbe wird Eigentümer des Hauses und des Autos, bekommt das Geld, aber übernimmt auch die Schulden. Der Erbe ist sozusagen der neue „Chef“ über alles, was da ist, inklusive der Verpflichtungen.

Ein Vermächtnisnehmer hingegen erhält nicht die gesamte Rechtsnachfolge. Er hat stattdessen einen Anspruch auf einen bestimmten Gegenstand oder einen Geldbetrag aus dem Nachlass. Jemand kann zum Beispiel in einem Testament schreiben: „Mein Auto soll meine Nichte bekommen.“ Die Nichte ist dann die Vermächtnisnehmerin. Sie wird nicht Erbin und hat nichts mit den anderen Vermögenswerten oder den Schulden zu tun. Sie hat lediglich einen Anspruch gegenüber dem oder den Erben, dass ihr das Auto herausgegeben wird.

Der Hauptunterschied liegt also in der Rolle und den Rechten:

  • Der Erbe wird Gesamtrechtsnachfolger und übernimmt Vermögen und Schulden. Er ist direkt Eigentümer der Dinge im Nachlass.
  • Der Vermächtnisnehmer ist kein Rechtsnachfolger des Verstorbenen, sondern hat nur einen Anspruch auf eine bestimmte Sache (oder einen Geldbetrag) gegen den oder die Erben. Er muss seinen Anspruch beim Erben einfordern.

Für Sie bedeutet das, wenn Sie ein Testament oder andere Verfügungen des Verstorbenen lesen: Prüfen Sie genau, ob jemand als „Erbe eingesetzt“ wurde (dieser übernimmt alles oder einen Teil vom Ganzen) oder ob jemandem lediglich „ein bestimmter Gegenstand vermacht“ wurde (dieser bekommt nur diese eine Sache und hat damit sonst nichts weiter zu tun). Das hilft Ihnen zu verstehen, wer welche Art von Rechten oder Pflichten bezüglich des Nachlasses, beispielsweise auch eines Archivs, hat.


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Welche Rolle spielt das Verhalten des Erben (Klägers) im Hinblick auf den Eigentumserwerb der Beklagten?

Das eigene Verhalten einer Person kann im Recht eine bedeutende Rolle spielen, auch wenn man sich später auf seine ursprünglichen Rechte beruft. Dies gilt auch für einen Erben, der möglicherweise versucht, Eigentum zurückzuerhalten, das bereits von einer anderen Person (der Beklagten) erworben wurde.

Ein wichtiger Gedanke dahinter ist der Grundsatz von Treu und Glauben, der in § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert ist. Dieser Grundsatz verlangt, dass jeder so handeln muss, wie es die Fairness und die allgemeine Vertrauenswürdigkeit im Umgang miteinander erfordern. Es ist eine Art allgemeine Regel für faires Verhalten im Rechtsverkehr.

Wenn sich jemand über längere Zeit hinweg so verhält, dass der Eindruck entsteht, er werde ein bestimmtes Recht nicht mehr geltend machen, und ein anderer sich darauf verlässt, kann dies unter Umständen zur Verwirkung dieses Rechts führen. Verwirkung bedeutet, dass das Recht zwar grundsätzlich besteht, aber nicht mehr erfolgreich durchgesetzt werden kann, weil es als unfair empfunden würde, wenn es plötzlich doch noch beansprucht würde.

Für einen Erben bedeutet das: Wenn der Erbe durch sein eigenes Verhalten, zum Beispiel durch die Vermittlung des Kontakts oder andere Handlungen, den Eigentumserwerb durch die Beklagte aktiv unterstützt oder zumindest geduldet hat und dadurch bei der Beklagten das berechtigte Vertrauen entstanden ist, dass der Erbe keine Einwände hat, könnte dieses frühere Verhalten Konsequenzen haben.

Auch wenn der Erbe eigentlich der rechtmäßige Erbe des Eigentums wäre, könnte sein Verhalten nach den Regeln von Treu und Glauben und der Verwirkung dazu führen, dass er sein Recht, das Eigentum von der Beklagten zurückzufordern, nicht mehr durchsetzen kann. Es wird geprüft, ob das späte Bestehen auf dem Recht nach dem vorangegangenen Verhalten widersprüchlich und unfair ist.

Kurz gesagt: Das Verhalten des Erben kann dazu führen, dass er trotz seiner formalen Rechtsposition daran gehindert wird, seine Ansprüche erfolgreich geltend zu machen, wenn sein früheres Handeln im Widerspruch dazu steht und bei der Gegenseite Vertrauen geschaffen hat.


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Wie wirkt sich ein Einverständnis auf das Abhandenkommen im Sinne von § 935 BGB aus?

Um diese Frage zu verstehen, betrachten wir zunächst, was mit „Abhandenkommen“ im rechtlichen Sinne gemeint ist, insbesondere im Zusammenhang mit § 935 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Was bedeutet „Abhandenkommen“?

Eine Sache gilt rechtlich als „abhandengekommen“, wenn der ursprüngliche Eigentümer den unmittelbaren Besitz an der Sache gegen seinen Willen verloren hat. Stellen Sie sich vor, Ihnen wird etwas gestohlen oder es geht verloren. In diesen Fällen haben Sie den Besitz unfreiwillig verloren.

Warum ist das wichtig?

§ 935 BGB ist eine Schutzvorschrift für den ursprünglichen Eigentümer. Sie besagt, dass man an Sachen, die abhandengekommen sind (also gestohlen oder verloren wurden), in der Regel kein Eigentum gutgläubig erwerben kann. Das bedeutet: Auch wenn jemand eine gestohlene Sache von einem Händler kauft und nicht weiß, dass sie gestohlen ist, wird er in der Regel nicht deren Eigentümer. Der ursprüngliche Eigentümer bleibt der Eigentümer.

Was passiert bei einem Einverständnis?

Genau hier liegt der wichtige Unterschied: War der ursprüngliche Eigentümer oder sein Erbe mit der Weggabe oder dem Verlust des Besitzes einverstanden, spricht das Gesetz nicht von einem „Abhandenkommen“ im Sinne des § 935 BGB.

Ein Einverständnis liegt zum Beispiel vor, wenn der Eigentümer die Sache freiwillig an jemand anderen übergibt, sei es zur Verwahrung, als Leihgabe oder zur Miete. Auch wenn derjenige, dem die Sache übergeben wurde, sie später unerlaubt weiterverkauft, liegt nach § 935 BGB kein Abhandenkommen vor, weil der ursprüngliche Besitzer den unmittelbaren Besitz ja freiwillig aus der Hand gegeben hatte.

Die Auswirkung auf den gutgläubigen Erwerb

Wenn eine Sache nicht abhandengekommen ist, dann findet die Schutzvorschrift des § 935 BGB keine Anwendung.

Für Sie als potenziellen Erwerber bedeutet das: Wenn Sie eine Sache von jemandem kaufen, der nicht der Eigentümer ist, der ursprüngliche Eigentümer aber den Besitz an dieser Sache seinerzeit freiwillig an den Verkäufer oder dessen Vorbesitzer abgegeben hat, dann können Sie unter Umständen gutgläubig Eigentum erwerben. Voraussetzung ist, dass Sie beim Kauf nicht wussten und auch nicht wissen mussten, dass der Verkäufer gar nicht der wahre Eigentümer ist.

Kurz gesagt: Wenn der Eigentümer seinen Besitz unfreiwillig verloren hat (Diebstahl, Verlust), ist ein gutgläubiger Erwerb meist ausgeschlossen (§ 935 BGB greift). Hat der Eigentümer den Besitz aber freiwillig weitergegeben (Leihe, Miete etc.), dann hindert § 935 BGB einen gutgläubigen Erwerb durch einen Dritten in der Regel nicht.

Das Einverständnis des ursprünglichen Eigentümers bei der Besitzaufgabe ist also entscheidend dafür, ob ein nachfolgender gutgläubiger Erwerb rechtlich möglich ist oder nicht.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

Herausgabeanspruch (§ 985 BGB)

Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB ermöglicht es dem Eigentümer einer Sache, von demjenigen, der die Sache besitzt, ihre Rückgabe zu verlangen, wenn dieser kein Recht zum Besitz hat. Dabei muss der Eigentümer sein Eigentum an der Sache beweisen und der Besitzer hat keine rechtliche Rechtfertigung für den Besitz. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Alleinerbe vom aktuellen Besitzer des Archivs die Herausgabe des Archivs verlangen kann, sofern er sein Eigentum an dem Archiv nachweist und die Beklagte kein gültiges Recht zum Besitz hat.

Beispiel: Wenn Ihnen jemand ein Buch gestohlen hat und es verkauft, können Sie von dem Käufer die Herausgabe des Buchs nach § 985 BGB verlangen, wenn er nicht Eigentümer geworden ist.


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Gutgläubiger Erwerb (§ 932 BGB)

Der gutgläubige Erwerb nach § 932 BGB erlaubt es einem Käufer, Eigentum an einer beweglichen Sache zu erlangen, auch wenn der Verkäufer nicht der Eigentümer ist, sofern der Käufer in gutem Glauben über das Eigentum des Verkäufers handelt und die Sache ihm übergeben wurde. „Guter Glaube“ bedeutet, der Käufer weiß nicht und darf auch nicht grob fahrlässig nicht wissen, dass der Verkäufer nicht berechtigt ist. Voraussetzung ist außerdem, dass die Sache dem ursprünglichen Eigentümer nicht abhandengekommen ist (§ 935 BGB muss also nicht greifen).

Im Kontext des Falls hat die Beklagte das Archiv von L. J. gekauft, der möglicherweise nicht Eigentümer war. Das Gericht prüfte, ob die Beklagte gutgläubig war, sodass sie trotz des möglichen Fehlens der Eigentümerstellung von L. J. Eigentümerin geworden ist.

Beispiel: Wenn Sie ein Fahrrad von einem Dritten kaufen, der Ihnen scheinbar rechtmäßig gehört, und Sie nichts von einem Diebstahl wissen, können Sie Eigentümer werden – außer, das Fahrrad wurde dem ursprünglichen Eigentümer gestohlen und der gute Glaube greift nicht.


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Abhandenkommen (§ 935 BGB)

Abhandenkommen liegt vor, wenn der Eigentümer den unmittelbaren Besitz an einer Sache gegen seinen Willen verliert, etwa durch Diebstahl oder durch Verlieren. Ist die Sache abhandengekommen, kann ein Dritter sie auch bei gutgläubigem Erwerb nicht Eigentum erwerben; das Gesetz schützt den ursprünglichen Eigentümer besonders. Hat der Eigentümer jedoch den Besitz freiwillig herausgegeben oder später den Verlust des Besitzes genehmigt (Einverständnis), liegt kein Abhandenkommen mehr vor, und ein gutgläubiger Erwerb ist möglich.

Im vorliegenden Rechtsstreit war entscheidend, ob das Archiv dem Kläger unfreiwillig, also abhandengekommen ist, oder ob er durch sein Verhalten dem Besitzwechsel zugestimmt hat und das Abhandenkommen dadurch „geheilt“ wurde.

Beispiel: Wenn Ihnen Ihre Uhr gestohlen wird, so ist diese abhandengekommen, und der Dieb kann sie nicht gutgläubig an einen Neuwert verkaufen. Geben Sie Ihre Uhr dagegen freiwillig zur Reparatur und wird sie später ohne Ihre Zustimmung weiterveräußert, liegt kein Abhandenkommen vor.


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Vermächtnis

Ein Vermächtnis ist ein zugewendeter Anspruch auf eine bestimmte Sache oder einen Geldbetrag aus dem Nachlass eines Verstorbenen, ohne dass der Vermächtnisnehmer Erbe des Gesamtvermögens wird. Das Vermächtnis begründet also keinen Eigentumserwerb am Nachlass, sondern einen Anspruch gegenüber dem oder den Erben auf Herausgabe des vermachten Gegenstands. Im Gegensatz zum Erben übernimmt der Vermächtnisnehmer nicht die Schulden oder das Gesamtvermögen.

Im Fall wurde durch ein Vermächtnis verfügt, dass bestimmte Dokumente des Archivs einer Religionsgemeinschaft übergehen sollten, was besondere Bedeutung für den Umgang mit dem Archiv hatte.

Beispiel: Jemand schreibt ins Testament, dass sein Lieblingsgemälde nicht vererbt wird, sondern als Vermächtnis an eine Freundin geht. Diese Freundin kann dann vom Erben verlangen, ihr das Gemälde herauszugeben, sie wird jedoch nicht Erbin des Gesamtvermögens.


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Besitzmittlungsverhältnis

Ein Besitzmittlungsverhältnis liegt vor, wenn eine Person den unmittelbaren Besitz an einer Sache innehat, aber dieser Besitz vom Eigentümer oder einem anderen Berechtigten vermittelt wird. Das bedeutet, der sogenannte mittelbare Besitzer hat das Recht, die Sache über den unmittelbaren Besitzer zu kontrollieren oder für sich nutzen zu lassen, obwohl er nicht selbst die tatsächliche Gewalt ausübt.

Im vorliegenden Fall hat der Kläger den Besitz des Archivs an den Bruder L. J. überlassen und geduldet, sodass dieser als unmittelbarer Besitzer und die Beklagte als Erwerber diesen Besitzstatus gegenüber dem Kläger hatten. Dieses Verhältnis kann den guten Glauben des Erwerbers stärken und das Abhandenkommen ausschließen, wenn der Eigentümer den Besitzwechsel akzeptiert.

Beispiel: Wenn Sie Ihre Wohnung an einen Mieter übergeben, bleibt Ihr mittelbarer Besitz an der Wohnung bestehen, denn Sie sind Eigentümer, der Mieter hat den unmittelbaren Besitz. Ein Dritter, der Möbel des Mieters kauft, erwirbt deshalb unter Umständen gutgläubig, sofern kein Abhandenkommen vorliegt.


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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 932 BGB (Gutgläubiger Erwerb): Ermöglicht den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten, wenn der Erwerber gutgläubig ist und die bewegliche Sache im Besitz des Veräußerers übergeben wird. Voraussetzung ist, dass der Erwerber keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom fehlenden Eigentum des Veräußerers hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte erlangte das Archiv durch Vertrag vom Bruder der Verstobenen, der möglicherweise nicht Eigentümer war. Das OLG bestätigte, dass die Beklagte gutgläubig war und somit Eigentum nach § 932 BGB erworben hat.
  • § 985 BGB (Herausgabeanspruch des Eigentümers): Der Eigentümer kann von einem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen, sofern dieser kein Recht zum Besitz hat. Der Anspruch setzt voraus, dass der Kläger Eigentümer ist und der Beklagte die Sache ohne Recht zum Besitz hält. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger als Erbe der Archivgründerin forderte Herausgabe des Archivs, konnte jedoch nicht den Eigentumsnachweis führen, da das Eigentum durch gutgläubigen Erwerb an die Beklagte überging.
  • § 935 BGB (Abhandenkommen): Schließt einen gutgläubigen Erwerb aus, wenn die Sache dem Eigentümer gegen seinen Willen verloren gegangen ist, etwa durch Diebstahl oder Verlegen. Das Schutzsystem schützt den Eigentümer vor dem Eigentumsverlust in solchen Fällen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG prüfte, ob das Archiv dem Kläger abhandengekommen war und kam zu dem Ergebnis, dass der Zustand durch faktische Zustimmung des Klägers geheilt wurde, sodass kein Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs vorlag.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Verteilt die Pflichten und Rechte im Rechtsverkehr unter Berücksichtigung von Fairness und Vertrauensschutz. Ein Recht kann nicht widersprüchlich ausgeübt werden, um sich selbst zu begünstigen und anderen gegenüber nachteilig zu verhalten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger hatte durch sein Verhalten (E-Mail, Duldung des Besitzes durch L. J.) den Anschein gesetzt, dass L. J. berechtigt sei, sodass er sich nicht rückwirkend auf ein Abhandenkommen berufen konnte.
  • § 121 Abs. 2 BGB (Anfechtung bei Fristversäumnis): Regelt, dass die Anfechtung einer Willenserklärung innerhalb einer festen Frist erfolgen muss, andernfalls wird sie unwirksam. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vom Kläger erklärte Anfechtung des Kaufvertrags war verspätet, sodass diese keine Wirkung entfalten konnte und das Eigentum an die Beklagte wirksam übertragen wurde.
  • Rechtsfiguren des Besitzmittlungsverhältnisses: Ein Besitzmittlungsverhältnis liegt vor, wenn jemand den unmittelbaren Besitz für einen anderen ausübt. Hierdurch wird dem mittelbaren Besitzer die direkte Verfügungsgewalt verrechtlicht, was Besitzschutz und Eigentumsfragen beeinflusst. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Duldung des Klägers, dass L. J. das Archiv vorübergehend besaß, begründete ein Besitzmittlungsverhältnis, das den Zustand des Abhandenkommens beendete und dem gutgläubigen Erwerb den Weg ebnete.

Das vorliegende Urteil


OLG Köln – Az.: 18 U 57/24 – Urteil vom 16.04.2025


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