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Reifen schlecht – Versicherung braucht bei Unfall nicht zu zahlen!

 LANDGERICHT ITZEHOE

Az.: 3 O 153/00

verkündet am: 05. Oktober 2000

Urteil ist nicht rechtskräftig!


URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe auf die mündliche Verhandlung vom

14. September 2000 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.200,00 DM vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadensersatz aus einer Vollkaskoversicherung.

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines BMW 325 TD, amtliches Kennzeichen: NMS . Am 20. November 1999 befuhr der Kläger gegen 16.15 Uhr die Autobahn A 215 aus Richtung Kiel kommend Richtung Bordeshoimer Dreieck. Nachdem es gegen Mittag Schneefall bzw. Schneeregen gegeben hatte und auch Streufahrzeuge im Einsatz gewesen waren, war die Fahrbahn jetzt unstreitig zumindest nass, der Standstreifen noch schneebedeckt. Der genaue Fahrbahnzustand ist zwischen den Parteien im Streit, ebenso die konkrete Geschwindigkeit, die der Kläger fuhr. Der Kläger war mit seinem Fahrzeug auf den Überholfahrstreifen ausgeschert, um ein Fahrzeug zu überholen. Danach zog er sein Fahrzeug wieder nach rechts, als er auf Höhe der mittleren Leitlinie plötzlich ins Schleudern kam. Dem Kläger gelang es nicht, sein Fahrzeug wieder einzufangen. Er schleuderte nach rechts und kam in der rechts neben der Fahrbahn befindlichen Böschung zum Stehen. Das Fahrzeug des Klägers wurde dabei erheblich beschädigt. Ausweislich eines Gutachtens eines von der Beklagten beauftragten Sachverständigen wären zur Wiederherstellung Reparaturkosten in Höhe von über 46.000,00 DM notwendig geworden. Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges belief sich abzüglich des kalkulierten Restwertes auf 17.100,00 DM. Zum Unfallzeitpunkt bestand bei der Beklagten für das Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung, vereinbart war eine Selbstbeteiligung von 650,00 DM. Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung des kalkulierten Restwertes abzüglich der Selbstbeteiligung. Er trägt vor: Er habe die Autobahn mit mäßiger Geschwindigkeit befahren. Bis zu dem Verkehrsunfall habe es keinerlei Schwierigkeiten mit der Bodenhaftung gegeben. Ihm sei bis heute Unklar, weshalb sein Fahrzeug ins Schleudern geraten sei. Möglicherweise habe sich auf der Höhe der Leitlinie eine nicht vorhersehbare glatte Stelle befunden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.450,00 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit – die am 03.04.2000 eingetreten ist – zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klagabweisung.

Sie trägt vor: Gemäß § 61 VVG sei sie von der Verpflichtung zur Leistung frei, da der Kläger den Unfall grob fahrlässig selbst hervorgerufen habe. Er habe nämlich seine Geschwindigkeit nicht den Witterungsverhältnissen angepasst gehabt, außerdem seien die Reifen der Hinterachse des Fahrzeuges des Klägers bis an die Verschleißgrenze heruntergefahren gewesen. Schon in der Schadensmeldung habe der Kläger ihr gegenüber zum Schadenhergang angegeben, dass er aufgrund Straßenglätte und Schnee ins Schleudern gekommen sei. Gegenüber dem Polizeibeamten, der den Unfall aufgenommen hätte, habe der Kläger angegeben, dass er mit einer Geschwindigkeit von 120 – 130 km/h gefahren sei. Diese Geschwindigkeit sei aufgrund der herrschenden Schneeglätte grob fahrlässig zu hoch gewesen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Fahrzeug des Klägers mit Reifen der Größe 245/40 ZR 17 bestückt gewesen sei, wobei die Reifen der Hinterachse bis unmittelbar vor den Verschleißbalken heruntergefahren gewesen seien, was unweigerlich zum Verlust des Versicherungsschutzes führen müsse. Selbst wenn die Fahrspur des Klägers möglicherweise freigewesen sei, hätte dieser niemals mit 120 – 130 km/h die Fahrspuren wechseln dürfen, weil er dann zwangsläufig durch glatte bzw. schneebedeckte gefährliche Flächen auf der Autobahn fahren musste.

Schließlich sei sie – die Beklagte – auch von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil der Kläger bei der Schadensmeldung falsche bzw. unvollständige Angaben gemacht habe. Sie habe nämlich festgestellt, dass das hier fragliche Fahrzeug bereits von dem Vorversicherer, der einmal als Totalschaden reguliert worden sei, was der Kläger verschwiegen habe.

Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf die eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben über den Zustand der Fahrbahn zur Zeit des Unfalles sowie über die vom Kläger gefahrene Geschwindigkeit und den Zustand der Reifen des Fahrzeuges durch Vernehmung des Zeugen PHM vom Autobahnrevier Neumünster. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2000 (BI. 39 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.

Die Klage ist vor dem Landgericht zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keine Ansprüche gegen die Beklagte aus der Haftpflichtversicherung, weil er den Unfall grob fahrlässig selbst herbeigeführt hat. Die Beklagte ist gemäß § 61 VVG von der Leistung freigeworden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger an Ort und Stelle mit seinem Fahrzeug auf zumindest regennasser, teilweise glatter Fahrbahn bei einer Geschwindigkeit von 120 – 130 km/h mit Breitbereifung auf der Hinterachse die Fahrstreifen gewechselt. Damit überschritt er die an Ort und Stelle aufgrund der besonderen Umstände noch gefahrlos zu fahrende Geschwindigkeit schon objektiv erheblich, was unter den gegebenen Umständen jedem Kraftfahrer einleuchtet. Hinzu kommt, dass – wie auch jedem Kraftfahrer bekannt ist – Breitreifen schon von ihrer Bauart her schlechteres Aquaplaningverhalten zeigen können als Normalbereifung, so dass schon bei nasser Fahrbahn mit ihnen vorsichtiger gefahren werden muss. Diese Sorgfaltspflichten eines Kraftfahrer hat der Kläger an Ort und Stelle gröblich, d. h., in hohem Grade außer Acht gelassen. Die grobe Pflichtverletzung ist ihm auch subjektiv vorzuwerfen, d. h., es handelt sich nicht um ein Augenblicksverschulden. Der Kläger wusste, dass sein Fahrzeug mit Breitreifen ausgestattet war, die für hohe Geschwindigkeiten zugelassen waren. Er wusste auch bzw. musste wissen, dass zumindest die Reifen an der Hinterachse bis zur noch zugelassenen Verschleißgrenze abgefahren waren. Wenngleich das Fahren mit derartigen Reifen auch noch keine Ordnungswidrigkeit darstellte, so war die vom Kläger gefahrene hohe Geschwindigkeit deutlich unangemessen zu hoch. Das musste dem Kläger nicht nur bewusst sein, sondern sich ihm aufgrund des sichtbaren Fahrbahnzustandes geradezu aufdrängen. Dass im November nach vorangegangenem Schneefall und nasser Fahrbahn Glättegefahr besteht, darüber hinaus die Gefahr von Aquaplaning auch bei normalen Reifen mit hinreichender Profiltiefe, gehört zum Allgemeinwissen eines jeden Autofahrers. Dem Kläger musste sich daher die Gefahr, in der er sich aufgrund der von ihm gewählten Fahrgeschwindigkeit befand, geradezu aufdrängen. Er kann von Glück sagen, dass er selbst bei dem Unfall nicht wesentlich verletzt worden ist und auch andere Personenschäden nicht zu beklagen sind.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

 

 

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