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Versagung Restschuldbefreiung – unvollständige Angaben über wirtschaftliche Verhältnisse

LG Wuppertal – Az.: 16 T 162/20 – Beschluss vom 21.10.2020

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 02.03.2020 (145 IK 223/19) in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 29.05.2020 dahingehend abgeändert, dass der Antrag der weiteren Beteiligten zu 1., der Schuldnerin die beantragte Restschuldbefreiung zu versagen, zurückgewiesen wird.

Die durch den Versagungsantrag verursachten Kosten einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der weiteren Beteiligten zu 1. auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf „bis 5.000 Euro“ festgesetzt.

Gründe

I.

Das Rechtsmittel der Schuldnerin ist als sofortige Beschwerde gemäß §§ 4, 290 Abs. 3 InsO,  567 ff. ZPO statthaft und auch sonst zulässig. Es hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Amtsgericht dem Schuldner die Restschuldbefreiung versagt. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der weiteren Beteiligten zu 1. liegen die Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht vor.

Gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2 InsO besteht ein Versagungsgrund, wenn der Schuldner in den letzten drei Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag vorsätzlich oder grob fahrlässig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichen Mitteln zu beziehen oder Leistungen öffentlichen Kassen zu vermeiden.

1.

Zu Unrecht meinen das Amtsgericht und die weitere Beteiligte zu 1., die Schuldnerin habe diesen Tatbestand erfüllt, indem sie mit ihren in der Tat weitgehend unrichtigen Angaben in ihrer eidesstattlichen Versicherung die einstweilige Verfügung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16.11.2018 (49 C 513/18) gegen die weitere Beteiligte zu 1. erwirkte, was zu einer weitgehend ungerechtfertigten Auszahlung führte. Die Schuldnerin unterhielt bei der weiteren Beteiligten zu 1. ein Konto, das von dieser gekündigt wurde. Abhebungen konnte die Schuldnerin nicht mehr vornehmen. Sie reklamierte mit ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15.11.2018, auf das Konto seien öffentliche Gelder und Arbeitseinkommen geflossen, die unpfändbar seien und zur sofortigen Auszahlung freigegeben werden müssten, um wirtschaftliche Not von ihr und ihren unterhaltsberechtigten Kindern abzuwenden. Das Amtsgericht Düsseldorf ordnete daraufhin durch die oben erwähnte einstweilige Verfügung an, dass die weitere Beteiligte zu 1. an die Schuldnerin 2.733,99 Euro auszuzahlen hätte, was sodann auch geschah. Nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Angaben der Schuldnerin weitgehend falsch waren, weil die Gelder gerade nicht auf das besagte Konto geflossen waren, hob das Amtsgericht Düsseldorf die Leistungsverfügung vom 16.11.2018 durch Urteil vom 23.11.2019 bis auf einen Betrag von 388,00 Euro auf.

2.

Das vorgenannte Verhalten der Schuldnerin erfüllt nicht den Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da ihre unwahren Angaben nicht zur Erlangung eines Kredits im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO dienten. Dabei kann auch außer Betracht bleiben, ob nicht schon wegen des Umstandes, dass die Auszahlung auf staatlichem Zwang und damit nicht auf dem freien Willen der weiteren Beteiligten zu 1. beruhte, der Kreditbegriff von vorneherein ausgeschlossen ist.

a)

Allerdings ist der Ausgangspunkt des Amtsgerichts zutreffend, dass der Begriff des Kredits weit auszulegen ist (vgl. statt vieler: Braun, Insolvenzordnung, 8. A., Fn. 46 zu § 290 Rn. 15). Wesentlich ist aber, dass durch das Geschäft dem Schuldner Geld oder geldwerte Mittel i.w.S. zeitweise zur Verfügung gestellt werden (vgl. Uhlenbruck, InsO, 15 A., § 290 Rn. 50). Will der Schuldner den Geschäftspartner zu einer Leistung veranlassen, die seiner rechtsgeschäftlichen Art nach dauerhaft bei jenem verbleiben soll, ist die Auslegungsgrenze des Kreditbegriffs überschritten. Allein aus dem Umstand, dass der Schuldner aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes zur Rückzahlung verpflichtet ist, selbst wenn dies auf einer Straftat beruht, ist ein Versagungsgrund nicht zu folgern (vgl. LG Düsseldorf, Beschluss vom 06.01.2009, 25 T 810/08, NZI 2009, 193).

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass insbesondere auch der Zahlungsaufschub bzw. eine Stundung von dem Kreditbegriff umfasst ist (vgl. Braun, a.a.O.; AG Göttingen NZI 2010, 153). Die Abrechnung eines gekündigten Lebensversicherungsvertrages fällt indes nicht mehr unter den Begriff des Kredits (vgl. LG Düsseldorf, a.a.O.).

b)

Die Anwendung dieser Grundsätze führt hier zur Verneinung des Kreditbegriffs. Die Schuldnerin begehrte (mittelbar durch das Amtsgericht Düsseldorf) von der weiteren Beteiligten zu 1. keinen Kredit, sondern die Freigabe angeblich nicht aufrechen- bzw. verrechenbarer Zahlungseingänge. Damit wünschte sie eine Auszahlung, die ihrem Wesen nach als solche nicht zeitweise, sondern dauerhaft bei ihr verbleiben sollte.

Der Umstand, dass ein Großteil der verlangten und auch ausgezahlten Beträge gerade nicht von dritter Seite auf das Konto eingezahlt worden war, mithin die weitere Beteiligte zu 1. faktisch dazu bewegt wurde, der Schuldnerin 2.733,99 Euro zur Verfügung zu stellen, erfüllt den Kreditbegriff i.S.d. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht. Es handelt sich nicht um die Erwirkung von Geldmitteln, die ihrem rechtsgeschäftlichen Wesen nach nur vorübergehend bei ihr verbleiben sollten. Dass die weitere Beteiligte zu 1. den Auszahlungsbetrag auf dem betreffenden Konto ins Soll stellte und faktisch diesen Vorgang wie einen Kredit behandelt, führt nicht zur Erfüllung des Kreditbegriffs (auch nicht im weitesten Sinne, zumal es im Übrigen verschiedenste Sollstellungen gibt, die mit einer Kreditgewährung nicht das Geringste zu tun haben). Das ausdrückliche Bestreben der Schuldnerin ist hier nicht darauf gerichtet, einen Kredit zu erlangen, sondern zu erreichen, dass die weitere Beteiligte zu 1. die vermeintlichen Kontogutschriften nicht zur teilweisen Sollsaldorückführung verwendet oder mit anderen Verbindlichkeiten verrechnet. Dass die Zielrichtung hier durch falsche Angaben teilweise nur vorgeschoben war und das Verhalten faktisch in eine ungenehmigte Kontoüberziehung mündete, ist strafrechtlich relevant, jedoch kein auf eine Kreditvergabe gerichtetes Verhalten. Mithin sind die Ausführungen der Beteiligten zu 1., die wie folgt lauten:

„Wenn die Schuldnerin die Gläubigerin [Anmerkung der Kammer: die weitere Beteiligte zu 1.] unmittelbar, also ohne Einschaltung des Gerichts, aufgrund der von ihr bewusst erteilten falschen Angaben eine weitere Kontoüberziehung eingeräumt hätte, würde es sich hierbei zweifellos um eine „Kreditvergabe“ handeln. Folglich kann nichts anderes gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Gericht lediglich als „verlängerter Arm“ der Gläubigerin die „Kreditentscheidung“ trifft.“

gerade nicht zutreffend. Vielmehr tritt deutlich zu Tage, dass die weitere Beteiligte zu 1., wenn sie denn durch die Schuldnerin unmittelbar mit den unwahren Angaben angegangen worden wäre, nicht eine „Kreditwürdigkeit“ der Schuldnerin geprüft hätte, sondern untersucht hätte, ob denn ein Anspruch auf Freigabe der Einkünfte und öffentlichen Gelder tatsächlich besteht oder nicht. Die Prüfung eines Antrags auf Bewilligung eines Kredits (respektive Zahlungsaufschubs oder einer Stundung) ist vom Wesen her etwas gänzlich anderes als die Prüfung eines Anspruchs.

c)

Weiter folgt aus den oben genannten Grundsätzen, dass es entgegen der Auffassung der weiteren Beteiligten zu 1. unerheblich ist, dass das Verhalten der Schuldnerin wohl strafbar ist. Dementsprechend ist nicht weiter auf das Urteil des Amtsgerichts Mettmann vom 30.09.2020 (29 C 79/19) einzugehen, wodurch festgestellt wurde, dass eine zur Tabelle festgestellte Teilforderung der weiteren Beteiligten zu 1. wegen des oben beschriebenen Verhaltens der Schuldnerin aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4 InsO, 91, 97 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde ist entgegen der Auffassung der weiteren Beteiligten zu 1. nicht zuzulassen, denn Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stehen nicht zur Entscheidung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 ZPO.

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