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Videoüberwachung – Einführung im Betrieb

Bundesarbeitsgericht

Az: 1 ABR 16/07

Beschluss vom 26.08.2008


In dem Beschlussverfahren hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts auf Grund der Anhörung vom 20. Mai 2008 für Recht erkannt:

I. Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14. Dezember 2006 – 4 TaBV 21/06 – teilweise aufgehoben.

II. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10. April 2006 – 2 BV 130/05 – teilweise abgeändert:

Es wird festgestellt, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 7. November 2005 in § 6 Abs. 7 unwirksam ist.

III. Die Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 10. April 2006 – 2 BV 130/05 – wird insoweit zurückgewiesen, als sie sich gegen die Feststellung richtet, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 7. November 2005 in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 einschließlich der Anlage 3 unwirksam ist.

IV. Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

Gründe:

A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs zur Einführung einer Videoüberwachung.

Die Arbeitgeberin betreibt in L ein Briefverteilzentrum. Für dieses ist ein Betriebsrat errichtet. In dem Verteilzentrum wird überwiegend mit Handsortierung gearbeitet. Vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2005 meldeten 250 Kunden Verluste von Briefsendungen. In der Vergangenheit hatte der Betriebsrat zweimal anlässlich konkreter Verdachtsmomente gegen einzelne Arbeitnehmer der vorübergehenden Installierung einer verdeckten Videokamera zugestimmt. Dadurch konnten die Täter jeweils überführt werden. Bundesweit wurden durch den Einsatz stationärer Videoanlagen in Briefverteilzentren der Arbeitgeberin im Jahr 2005 insgesamt elf Täter überführt. Die Betriebsparteien haben für das Briefzentrum L eine Betriebsvereinbarung geschlossen, nach der Tür- und Taschenkontrollen möglich sind; ein Abtasten von Personen ist nicht erlaubt.

Die Betriebsparteien verhandelten im Jahr 2005 erfolglos über die Einrichtung einer stationären Videoüberwachungsanlage. Die daraufhin angerufene Einigungsstelle beschloss am 7. November 2005 mit der Stimme des Vorsitzenden eine „Betriebsvereinbarung zum Einsatz einer stationären Videoanlage im Briefzentrum L“ (BV). Diese sieht die Möglichkeit der Videoüberwachung im Innen- und Außenbereich vor und enthält ua. folgende Regelungen:

㤠1 Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt
1. in personeller Hinsicht für alle Arbeitnehmer, Auszubildenden und Beamten (im folgenden: die Beschäftigten) der Niederlassung BRIEF L, Betriebsteil L

2. in räumlicher Hinsicht für das Briefzentrum und seinen Außenbereich mit Ausnahme der Büro-, Aufenthalts- und Sozialräume.

3. In sachlicher Hinsicht für die Einführung, den Einsatz und den Betrieb einer Videoanlage sowie die Verwertung, Aufbewahrung und Vernichtung der dabei gewonnenen Erkenntnisse und Aufzeichnungen.

§ 2 Zweck

(1) Die Videoanlage soll Sendungsverluste, -beschädigungen sowie Inhaltsschmälerungen, die das Ansehen der Deutschen Post AG und ihrer Beschäftigten schädigen können, vermindern und aufklären. Sie soll das Eigentum der Deutsche Post AG, ihrer Kunden und Lieferanten sichern, die Beschäftigten und ihr Eigentum schützen und der Wahrung des Postgeheimnisses dienen.

(2) Die Videoanlage wird ausschließlich zur Aufklärung von Straftaten sowie zur Vorbeugung von weiteren Straftaten betrieben.

(4) Jede Nutzung der Anlage oder Teilen von ihr zu anderen Zwecken (Art, Umfang und Weise) als in dieser Betriebsvereinbarung beschrieben, ist untersagt.

§ 3 Ausschluss von Leistungs- und/oder Verhaltenskontrollen

(1) Jede Leistungs- und/oder Verhaltenskontrolle über den Rahmen der Zweckbestimmung des § 2 hinaus ist ausgeschlossen.

§ 4 Technische Ausstattung

(1) Die Videoanlage wird durch eine Fachfirma so installiert, dass die gewonnenen Daten gegen den Zugriff Unbefugter geschützt sind.

(2) Die technische Ausstattung, Anzahl und Standorte der Kameras, Aufzeichnungsgeräte, Monitore und weiterer technischer Geräte sind in der Anlage 1 geregelt, die Bestandteil der Betriebsvereinbarung ist.

(3) Der Betrieb der Videoanlage erfolgt von einem Raum aus, der mit einem Schnappschloss so gesichert ist (z.B. durch einen Knauf), dass er von Unbefugten nicht geöffnet werden kann.

(4) Die Bedienungselemente der Videoanlage sind in einem Schrank unterzubringen, der nur mit zwei Schlüsseln geöffnet werden kann. Ein Schlüssel steht der Arbeitgeberin, ein anderer dem Betriebsrat zur Verfügung.

(5) Tonaufnahmen sind unzulässig.

(6) Eine Software-Verknüpfung mit anderen IT-Systemen findet nicht statt. Es besteht eine HardwareSchnittstelle (potentialfreie Kontakte) zur Einbruch-und Überfallmeldeanlage. Dadurch wird im Alarmfall sichergestellt, dass für die Dauer des Alarmereignisses entsprechende Videoaufzeichnungen gespeichert und zur ereignisbezogenen Auswertung vorgehalten werden.

(7) Jede Änderung der Standorte und der Anzahl der Kameras sowie jede technische Leistungsänderung, die den Betrieb der Videoanlage, ihre Nutzung, die Speicherung von Daten und / oder deren Auswertung betrifft, bedarf der Zustimmung des Betriebsrats.

§ 6 Betrieb der Videoanlage

(1) Die Videoanlage wird während der Betriebsruhezeiten grundsätzlich im gesamten Bereich des Briefzentrums im Aufzeichnungsmodus eingeschaltet.

(2) Der Außenbereich wird grundsätzlich, wie in Anlage 1 dargestellt, auch während der Betriebszeiten von der Videoanlage im Aufzeichnungsmodus überwacht.

(3) Voraussetzung für den Betrieb der Videoanlage im Aufzeichnungsmodus im Innenbereich während der Betriebszeiten ist ein auf konkrete Personen bezogener Verdacht einer strafbaren Handlung aufgrund von:

a) Beschädigungen, Verluste oder Inhaltsschmälerungen von Sendungen, die den Verdacht auf eine strafbare Handlung im Briefzentrum rechtfertigen oder

b) Feststellungen zu Entwendungen und / oder Beschädigungen von Eigentum der Beschäftigten oder der Deutsche Post AG im Briefzentrum.

(4) Über entsprechende Feststellungen gemäß Abs. 3 ist der Betriebsrat vor Einsatz der Videoanlage durch die NLL bzw. durch die Mitarbeiter der Konzernsicherheit zu informieren. Alle Informationen zu vorliegenden Verdachtsmomenten sowie die Art, Weise und Dauer des vorgesehenen Betriebs der Anlage unterliegen der Geheimhaltungspflicht gemäß § 79 BetrVG.

(5) Um den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten durch die Videoüberwachung so gering wie möglich zu halten, soll die Durchführung der Videoüberwachung im Aufzeichnungsmodus im jeweiligen Fall abhängig vom ermittelten Sachverhalt zunächst auf den räumlichen Bereich, dem der Vorfall gemäß Abs. 4 a) oder b) zugeordnet werden kann, beschränkt werden. Zu diesem Zweck können max. 6 Kameras eingesetzt werden.

(6) Die Dauer der Videoaufzeichnung hat sich auf den erforderlichen Umfang zu beschränken. Sobald der Täter oder die Täterin ermittelt ist, der oder die für den die Videoaufzeichnung auslösenden Vorfall i.S.d. Abs. 3 a) oder b) verantwortlich ist, ist die Aufzeichnung unverzüglich einzustellen.

(7) Hat die Videoaufzeichnung des überwachten Bereichs i.S.d. Abs. 5 zu keiner Überführung des Täters oder der Täterin geführt, kann die Videoaufzeichnung auf weitere Bereiche oder ggf. das gesamte Briefzentrum erstreckt werden, wobei die Überwachung mit Aufzeichnung insgesamt 4 Wochen nicht überschreiten darf. Eine darüber hinaus gehende Videoüberwachung im Aufzeichnungsmodus aufgrund des auslösenden Vorfalls ist nur mit Zustimmung des BR zulässig.

(8) Erforderliche Zwischenbedienungen (Behebung technischer Störungen, Schaltung der Videoanlage während der Betriebsruhezeiten) werden gemeinsam durch Personen gem. § 5 vorgenommen.

§ 7 Auswertung der Erkenntnisse

(1) Die Auswertung der Aufzeichnungen erfolgt durch visuelle Sichtung via Bildschirm. Bis auf das Vergrößern von Bildausschnitten ist die Anwendung technischer Auswertungsmöglichkeiten nur mit Zustimmung des BR zulässig.

(2) Auswertungen von Aufzeichnungen dürfen nur aus Anlass und zur Aufklärung von Beschädigungen, Verlusten oder Inhaltsschmälerungen von Sendungen, die den Verdacht auf eine strafbare Handlung im Briefzentrum rechtfertigen oder wegen Feststellungen zu Entwendungen und / oder Beschädigungen von Eigentum der Beschäftigten oder der Deutsche Post AG erfolgen.

§ 8 Aufbewahrung und Vernichtung der Aufzeichnungen

(1) Die aufgezeichneten Bilddaten befinden sich auf den eingebauten Festplatten der Digitalrecorder.

(2) Aufgezeichnete Bilddaten werden spätestens 60 Tage nach Herstellung gelöscht, es sei denn, sie werden zur Beweissicherung benötigt.

(3) Zur Beweissicherung können beweiserhebliche Bilddaten auf RAM-Disk oder Magnetband überspielt werden. Spätestens 60 Tage, nachdem die Aufzeichnungen nicht mehr zur Beweissicherung benötigt werden, werden sie gelöscht, es sei denn, das Gesetz schreibt eine längere Aufbewahrungsdauer vor.

§ 9 Datenschutz

(1) Die Bestimmungen des Datenschutzes und anderer diesbezüglicher Gesetze und Gesamtbetriebsvereinbarungen bleiben von dieser Betriebsvereinbarung unberührt und sind zu beachten.

§ 10 Rechte des Betriebsrats

(1) Der Betriebsrat ist berechtigt, sich beim Betrieb der Videoanlage einschließlich aller Zwischenbedienungen mit jeweils einem seiner Mitglieder zu beteiligen.

(2) Der Betriebsrat hat das Recht, die Einhaltung dieser Betriebsvereinbarung zu kontrollieren. Der dazu erforderliche Zutritt zu den entsprechenden Anlagen und Räumen und die dazu erforderlichen Informationen sind dem Betriebsrat jederzeit zu gewähren.

§ 11 Rechte und Information der Beschäftigten

(1) Vor dem erstmaligen Betriebsbeginn sind die Beschäftigten vom Arbeitgeber über Hintergründe und Inhalt dieser Betriebsvereinbarung und die Funktionsweise der Videoanlage zu informieren.

(2) Neu eingestellte Kräfte erhalten ein vom Arbeitgeber verfasstes Informationsblatt (unter Umständen fremdsprachig) ausgehändigt.

(3) Insbesondere im Ein- und Zugangsbereich der Niederlassung wird durch gut sichtbare Beschilderung auf den Einsatz von Videokameras hingewiesen.

§ 12 Konfliktlösung und Schlussbestimmungen

(1) Sofern diese Betriebsvereinbarung das Einvernehmen mit dem BR bzw. die Zustimmung des BR erfordert und innerhalb von drei Tagen das Einvernehmen nicht hergestellt bzw. die Zustimmung nicht erteilt wurde (z.B. zum Betrieb der Anlage gem. § 6), entscheidet auf Antrag die Einigungsstelle. Die Einigungsstelle tritt in diesem Fall am Tag nach Ablauf der Dreitagefrist zusammen. Als Vorsitzende der Einigungsstelle werden die in der Anlage 3 aufgeführten Einigungsstellenvorsitzenden benannt. Für die jeweils erforderliche Einigungsstelle führt der zuoberst Genannte den Vorsitz, in dessen Verhinderungsfall der nächstgenannte, usw.

…“

Aus der Anlage 1 zur Betriebsvereinbarung ergibt sich, dass für den 4 Innenbereich insgesamt 13 Kameras vorgesehen sind. In der Anlage 3 zur Betriebsvereinbarung sind drei Personen namentlich genannt, darunter an erster Stelle der Vorsitzende der Einigungsstelle, die den Spruch vom 7. November 2005 gefasst hat.

Durch die Videoüberwachung im Außenbereich werden 30 Kraftfahrer während des Be- und Entladens sowie der Prüfung ihrer Fahrzeuge erfasst. Diese Tätigkeiten dauern für den einzelnen Fahrer täglich höchstens eine Viertelstunde. Zum Außenbereich des Briefverteilzentrums haben Kunden, die Sendungen über die Großannahmestelle einliefern wollen, während der Betriebszeiten ungehinderten Zugang.

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Der Betriebsrat hat den ihm am 16. November 2005 zugestellten Spruch der Einigungsstelle am 30. November 2005 beim Arbeitsgericht angefochten. Er hat die Auffassung vertreten, durch die in dem Spruch vorgesehenen Möglichkeiten der Videoüberwachung werde unverhältnismäßig in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingegriffen. Es sei bereits fraglich, ob die Videoüberwachung geeignet sei, Diebstähle von Briefsendungen zu ermitteln oder zu verhindern. Die Überführung von bundesweit elf Tätern durch Videoüberwachung sei im Verhältnis zu der von der Arbeitgeberin behaupteten Vielzahl von Vermögensdelikten verschwindend gering. Jedenfalls sei die Videoüberwachung nicht erforderlich. Die Möglichkeiten der Tür- und Taschenkontrolle sowie die Installation einer verdeckten Videoüberwachung in einem konkreten Verdachtsfall seien ausreichende und mildere Mittel. Vor allem seien die vorgesehenen Überwachungsmöglichkeiten unangemessen. Dies gelte sowohl für die verdachtsabhängige Überwachung im Innenbereich als auch für die verdachtsunabhängige Überwachung im Außenbereich. Im Innenbereich seien die in § 6 Abs. 3 BV genannten Voraussetzungen nicht nachvollziehbar und nur oberflächlich ausgestaltet. Vor allem aber sei die in § 6 Abs. 7 BV vorgesehene Erstreckung der Videoaufzeichnung auf den gesamten Betrieb unangemessen. Die Konfliktlösungsregelung in § 12 BV verstoße gegen § 76 Abs. 2 BetrVG.

Der Betriebsrat hat beantragt festzustellen, dass die durch Spruch der Einigungsstelle zum Einsatz einer stationären Videoanlage bei der Deutschen Post AG, Briefzentrum L, getroffene Vereinbarung vom 7. November 2005 unwirksam ist.

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Einigungsstellenspruch sei uneingeschränkt wirksam. Die vorgesehene Videoüberwachung sei geeignet, erforderlich und angemessen, um Diebstähle zu verhindern und Täter zu überführen. Die Regelungen der BV reduzierten den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Beschäftigten auf ein zumutbares Maß.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats teilweise entsprochen und festgestellt, dass die Regelung in § 12 Abs. 1 BV unwirksam ist. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Auf die Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin hat es den Antrag des Betriebsrats insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag in vollem Umfang weiter.

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist teilweise begründet. Der 10 angefochtene Einigungsstellenspruch ist insoweit unwirksam, als er in § 6 Abs. 7 BV für den Innenbereich über den nach § 6 Abs. 3 bis 6 BV zulässigen Umfang hinaus eine Ausweitung der Videoüberwachung vorsieht und in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV in Verbindung mit der Anlage 3 Vorsitzende für die im Falle von Konflikten zu errichtende Einigungsstelle bestimmt. Im Übrigen hält der Einigungsstellenspruch der gerichtlichen Überprüfung stand. Die Rechtsbeschwerde ist insoweit unbegründet.

I. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist zutreffend auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs gerichtet (vgl. BAG 6. Mai 2003 – 1 ABR 11/02 – BAGE 106, 95, zu B I der Gründe mwN). Er ist nicht etwa deshalb unzulässig, weil es sich bei dem angefochtenen Spruch lediglich um einen verfahrensbegleitenden Zwischenbeschluss handeln würde (vgl. dazu BAG 22. Januar 2002 – 3 ABR 28/01 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 16 = EzA BetrVG 1972 § 76 Nr. 69, zu II 2 b der Gründe). Die Einigungsstelle wollte durch den Spruch den streitigen Gegenstand abschließend regeln. Dem steht nicht entgegen, dass § 12 Abs. 1 BV die erneute Bildung einer Einigungsstelle vorsieht. Diese Konfliktlösungsregelung ist nicht auf die Fortsetzung der Tätigkeit der bisherigen Einigungsstelle gerichtet. Deren Aufgabe soll beendet sein.

II. Der Antrag ist teilweise begründet. Der angefochtene Einigungsstellenspruch ist in Teilen unwirksam. Die Unwirksamkeit einzelner Regelungen hat nicht die Unwirksamkeit des gesamten Spruchs zur Folge. Die verbleibenden Teile bilden weiterhin eine in sich geschlossene und sinnvolle Regelung.

1. Arbeitgeber und Betriebsrat sind grundsätzlich befugt, eine Videoüberwachung im Betrieb einzuführen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 1 der Gründe). Die Betriebsparteien haben nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine umfassende Kompetenz zur Regelung materieller und formeller Arbeitsbedingungen sowie von Fragen der Ordnung des Betriebs (vgl. GS 16. März 1956 – GS 1/55 -BAGE 3, 1, zu I 1 der Gründe; 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 – Rn. 13 ff., AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1). Darunter fällt die Einführung einer Videoüberwachung. Auch an § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wird deutlich, dass dies bei Zustimmung des Betriebsrats nicht ausgeschlossen ist. Eine Videoüberwachungsanlage ist eine technische Einrichtung, die dazu bestimmt ist, das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I 1 der Gründe mwN).

2. Regelungen der Betriebsparteien über eine Videoüberwachung im Betrieb müssen mit höherrangigem Recht vereinbar sein. Die Betriebsparteien haben nach § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG die Pflicht, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern. Sie haben daher insbesondere das in Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht zu beachten. Das gilt auch für den Spruch einer Einigungsstelle (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 -BAGE 111, 173, zu B I 2 a der Gründe mwN).

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst neben dem Recht am gesprochenen Wort auch das Recht am eigenen Bild. Es gehört zum Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen. Das Recht am eigenen Bild ist nicht auf bestimmte Örtlichkeiten beschränkt. Auch unterfällt nicht erst die Verwertung, sondern bereits die Herstellung von Abbildungen dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 2 b der Gründe mwN). Das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung bedarf dabei unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I2 d cc der Gründe; BVerfG 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 ua. – BVerfGE 65, 1, 42, zu C II 1 a der Gründe). Die mit der elektronischen Datenverarbeitung grundsätzlich verbundenen technischen Möglichkeiten, Einzelangaben über eine Person unbegrenzt zu speichern sowie jederzeit abzurufen, sind geeignet, bei den betroffenen Personen einen psychischen Anpassungsdruck zu erzeugen, durch den sie in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt werden (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I 2 d cc der Gründe; BVerfG 15. Dezember 1983 – 1 BvR 209/83 ua. – aaO, zu C II 1 a der Gründe; vgl. auch BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07 – Rn. 64, NJW 2008, 1505).

b) Außerhalb des absoluten Kernbereichs privater Lebensgestaltung wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht in den Schranken der verfassungsmäßigen Ordnung garantiert. Diese besteht aus der Gesamtheit der Normen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind. In das allgemeine Persönlichkeitsrecht kann daher insbesondere durch verfassungsgemäße Gesetze eingegriffen werden. Zu den Normen, die das Persönlichkeitsrecht einschränken können, gehören auch die von den Betriebsparteien im Rahmen ihrer Regelungskompetenz geschlossenen Betriebsvereinbarungen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 2 c der Gründe mwN).

c) Eingriffe der Betriebsparteien in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer müssen durch schutzwürdige Belange anderer Grundrechtsträger gerechtfertigt sein. Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz konkretisiert die den Betriebsparteien nach § 75 Abs. 2 BetrVG auferlegte Verpflichtung (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B 12 d der Gründe mwN). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist entgegen einer im Schrifttum an der Rechtsprechung des Senats geäußerten Kritik (vgl. Ehmann Anm. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 41) dogmatisch geboten. Er stellt einen tauglichen Maßstab zur Überprüfung von Betriebsvereinbarungen dar. Betriebsvereinbarungen sind wegen ihrer nach § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbaren und zwingenden Wirkung Akte innerbetrieblicher privater Normsetzung (BAG 12. Dezember 2006 – 1 AZR 96/06 – Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 77 Nr. 94 = EzA BetrVG 2001 § 88 Nr. 1). Beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen werden die Betriebsparteien und die – die Zustimmung einer Betriebspartei ersetzende – Einigungsstelle als Normgeber tätig. Indem § 75 Abs. 2 Satz 1 BetrVG Arbeitgeber und Betriebsrat verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen, „implantiert“ die Bestimmung die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ergebenden Bindungen der staatlichen Gewalt in das Betriebsverfassungsrecht (Bender Anm. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 2). Der Gesetzgeber genügt seiner Pflicht, die einzelnen Grundrechtsträger vor einer unverhältnismäßigen Beschränkung ihrer Grundrechte durch privatautonome Regelungen zu bewahren, indem er den Betriebsparteien eine Schutzpflicht hinsichtlich der freien Entfaltung der Persönlichkeit auferlegt (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B I 2 a der Gründe). Daher ist es gerechtfertigt und geboten, Regelungen in Betriebsvereinbarungen, welche Rechte der betroffenen Arbeitnehmer, insbesondere deren Handlungsfreiheit beschränken oder ihnen Pflichten auferlegen, an dem auch für den Gesetzgeber geltenden Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu messen. Dieser ist dementsprechend auch maßgeblich, wenn durch eine Videoüberwachung in das Recht der Arbeitnehmer am eigenen Bild und ihr informationelles Selbstbestimmungsrecht eingegriffen wird. Eine ausschließlich schuldrechtliche Betrachtung wird dem normativen Charakter von Betriebsvereinbarungen nicht gerecht.

d) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die von den Betriebsparteien bzw. der Einigungsstelle getroffene Regelung geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen ist, um den erstrebten Zweck zu erreichen (BAG 29. Juni 2004 -1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 2 d der Gründe; vgl. auch BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07 – Rn. 163, NJW 2008, 1505).

aa) Geeignet ist die Regelung, wenn mit ihrer Hilfe der erstrebte Zweck gefördert werden kann. Dabei steht den Betriebsparteien und der Einigungsstelle – ebenso wie in einer vergleichbaren Situation dem Gesetzgeber – ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 -BAGE 111, 173, zu B I 2 d aa der Gründe).

bb) Erforderlich ist die Regelung, wenn kein anderes, gleich wirksames und das Persönlichkeitsrecht weniger einschränkendes Mittel zur Verfügung steht. Auch insoweit haben Betriebsparteien und Einigungsstelle einen gewissen Beurteilungsspielraum (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 2 d bb der Gründe).

cc) Angemessen ist eine Regelung, wenn sie als im engeren Sinn verhältnismäßig erscheint. Um das festzustellen, bedarf es einer Gesamtabwägung der Intensität des Eingriffs und des Gewichts der ihn rechtfertigenden Gründe (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B I 2 dcc der Gründe mwN; vgl. auch BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 -und – 1 BvR 1254/07 – Rn. 168, NJW 2008, 1505). Diese Abwägung kann nicht abstrakt vorgenommen werden. So gehen weder das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentum oder das durch Art. 10 Abs. 1 GG gewährleistete Briefgeheimnis stets dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vor noch genießt dieses umgekehrt jederzeit Vorrang. Maßgeblich sind vielmehr die Gesamtumstände (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO). Für die Schwere des Eingriffs ist insbesondere von Bedeutung, wie viele Personen wie intensiv den Beeinträchtigungen ausgesetzt sind. Das Gewicht der Beeinträchtigung hängt ua. davon ab, ob die Betroffenen als Personen anonym bleiben, welche Umstände und Inhalte der Kommunikation erfasst werden und welche Nachteile den Grundrechtsträgern aus der Überwachungsmaßnahme drohen oder von ihnen nicht ohne Grund befürchtet werden (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO; BVerfG 3. März 2004 – 1 BvR 2378/98 – und – 1 BvR 1084/99 – BVerfGE 109, 279, 353, zu C II 3 b ee (4) (a) der Gründe; vgl. auch BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07 – Rn. 80, NJW2008, 1505). Die Intensität der Beeinträchtigung hängt ferner maßgeblich von der Dauer und Art der Überwachungsmaßnahme ab (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO). Von erheblicher Bedeutung ist, ob der Betroffene einen ihm zurechenbaren Anlass für die Datenerhebung geschaffen hat – etwa durch eine Rechtsverletzung -oder ob diese anlasslos erfolgt. Auch die „Persönlichkeitsrelevanz“ der erfassten Informationen ist zu berücksichtigen. Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden Ermittlungsmaßnahme erhöht das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung. Den Betroffenen kann hierdurch vorheriger Rechtsschutz faktisch verwehrt und nachträglicher Rechtsschutz erschwert werden (vgl. BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07 – aaO, Rn. 77 – 79).

3. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die maßgeblichen Grundsätze weitgehend zutreffend auf den Streitfall angewandt. Die Regelungen des angefochtenen Spruchs halten hinsichtlich der Videoüberwachung im Innenbereich zu erheblichen Teilen, hinsichtlich der Überwachung im Außenbereich insgesamt der Rechtmäßigkeitsprüfung stand. Unwirksam sind entgegen der Beurteilung des Landesarbeitsgerichts allerdings die Regelungen in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV und in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV. Dies führt nicht zur Gesamtnichtigkeit des Spruchs.

a) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, sind die Regelungen in § 6 Abs. 3 bis 6 BV, die für den Innenbereich unter bestimmten Umständen eine Videoüberwachung für einen räumlich beschränkten Bereich vorsehen, wirksam. Die dort eröffnete Möglichkeit der Videoüberwachung ist unter Berücksichtigung der mit ihr verfolgten Ziele und der rechtlich schützenswerten Interessen der Arbeitgeberin sowie der Postkunden geeignet, erforderlich und angemessen.

aa) Erklärter Zweck der Videoanlage ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 BV, Sendungsverluste, Sendungsbeschädigungen sowie Inhaltsschmälerungen zu vermindern und aufzuklären, das Eigentum der Arbeitgeberin, ihrer Kunden, Lieferanten und Beschäftigten zu schützen und der Wahrung des Postgeheimnisses zu dienen. Nach § 2 Abs. 2 BV wird die Videoanlage ausschließlich zur Aufklärung sowie zur Vorbeugung von weiteren Straftaten betrieben. Nach § 2 Abs. 4 BV ist jede Nutzung zu anderen Zwecken untersagt und nach § 3 Abs. 1 BV jede Leistungs- oder Verhaltenskontrolle über den Rahmen der Zweckbestimmung des § 2 hinaus ausgeschlossen. Diese mit der Videoanlage verfolgten Ziele sind rechtlich schützenswert. Das berechtigte Interesse der Arbeitgeberin daran, dass die von ihr beförderten Briefsendungen möglichst nicht abhanden kommen, beschädigt werden oder Inhaltsverluste erleiden, ergibt sich schon aus § 39 Abs. 2 Satz 1 PostG, der die Arbeitgeberin zur Wahrung des durch Art. 10 Abs. 1 GG gewährleisteten Postgeheimnisses verpflichtet (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B II 2 g aa der Gründe). Die Arbeitgeberin ist dabei gleichsam Treuhänder für die Wahrung der Grundrechte ihrer Kunden aus Art. 10 Abs. 1 GG und aus Art. 14 Abs. 1 GG (Bender Anm. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – EzA BGB 2002 § 611 Persönlichkeitsrecht Nr. 2). Zugleich hat sie ein eigennütziges rechtlich schützenswertes Interesse an der (repressiven) Aufklärung und der (präventiven) Verhinderung von weiteren Diebstählen in ihren Räumlichkeiten.

bb) Unter Berücksichtigung dieses Zwecks und dieser Interessen sind die Regelungen in § 6 Abs. 3 bis 6 BV geeignet, erforderlich und angemessen.

(1) Die vorgesehene Videoüberwachung ist zur Ergreifung und Überführung von Tätern und zur Verhinderung weiterer Diebstähle grundsätzlich geeignet. Diese Ziele können mit ihr jedenfalls gefördert werden. Sie kann die Feststellung der Täter erleichtern und dazu beitragen, sie von weiteren Übergriffen abzuhalten (vgl. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173, zu B II 2 g bb der Gründe). Der Umstand, dass Verluste von Briefsendungen möglicherweise in erheblichem oder gar überwiegendem Umfang außerhalb des Briefzentrums – sei es auf dem Weg dorthin, sei es auf dem Weg zum Empfänger – eintreten, bedeutet nicht, dass eine Videoanlage im Betrieb ungeeignet wäre, dortige Verluste zu verhindern oder aufzuklären. So wurden denn auch im Jahr 2005 in anderen Briefzentren der Arbeitgeberin mittels stationärer Videoanlagen elf Täter überführt. Dabei kann dahinstehen, ob diese Anzahl bezogen auf die bei der Arbeitgeberin bundesweit beschäftigten Arbeitnehmer als eher beträchtlich oder als eher gering zu erachten ist.
(2) Unter Berücksichtigung des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums durfte die Einigungsstelle die vorgesehene Videoüberwachung für erforderlich halten. Die Beurteilung, es gebe zur Aufklärung und Verhinderung von Diebstählen innerhalb des Briefzentrums kein anderes in gleicher Weise wirksames, das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer weniger einschränkendes Mittel, lag innerhalb ihrer tatsächlichen Einschätzungsprärogative. Taschen- und Personenkontrollen sind dazu nicht in gleicher Weise geeignet. Das gilt insbesondere, soweit Diebesgut – wie dies vor allem bei Geld, aber auch bei Gegenständen des täglichen Gebrauchs, etwa Handys, der Fall ist – nicht ohne Weiteres als solches erkennbar ist. Im Übrigen sieht die abgeschlossene Betriebsvereinbarung über Tür- und Taschenkontrollen „Leibesvisitationen“ nicht vor. Ein reines Fernsehmonitoring ist insbesondere für die Aufklärung von Diebstählen nicht in gleicher Weise effizient wie eine Aufzeichnung.

(3) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, halten die Regelungen in § 6 Abs. 3 bis 6 BV auch einer Angemessenheitsprüfung stand.

(a) Allerdings wird durch die vorgesehene Videoüberwachung in erheblicher Weise in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer eingegriffen. Zwar ist die Videoüberwachung nach § 6 Abs. 3 BV vom Vorliegen eines konkreten Verdachts abhängig und nach § 6 Abs. 5 und 6 BV räumlich und zeitlich beschränkt. Gleichwohl müssen die Arbeitnehmer, für die der jeweilige Betrieb der Videoanlage nicht erkennbar ist, immer damit rechnen, dass gerade eine Situation vorliegt, in der sie gefilmt werden. Dies begründet ständig einen Überwachungs- und Anpassungsdruck. Der Senat hat dessen mögliche Auswirkungen im Beschluss vom 29. Juni 2004 (- 1 ABR 21/03 -BAGE 111, 173, zu B II 1 der Gründe) beschrieben. Darauf nimmt er Bezug. „Überwachungs- und Anpassungsdruck“ sind keine „abgegriffenen Schlagworte“ (so aber Ehmann Anm. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 41), sondern beschreiben die möglichen, keineswegs unwahrscheinlichen Folgen von Überwachungsmaßnahmen. Auch das Bundesverfassungsgericht weist darauf hin, dass mit dem „Gefühl des Überwachtwerdens“ Einschüchterungseffekte verbunden sein können, die zu Beeinträchtigungen bei der Ausübung von Grundrechten führen (vgl. BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07 – Rn. 78, NJW 2008, 1505).

(b) Gleichwohl erweisen sich die Regelungen in § 6 Abs. 3 bis 6 BV unter Berücksichtigung aller Umstände als verhältnismäßig im engeren Sinn. Die Gesamtheit der tatbestandlichen Voraussetzungen, der materiellen Beschränkungen sowie der verfahrensrechtlichen Sicherungen lassen die verdachtsabhängige, räumlich und zeitlich beschränkte und von der Mitwirkung des Betriebsrats abhängige Möglichkeit der Videoüberwachung als angemessen erscheinen.

(aa) Anders als in den Einigungsstellensprüchen, die den Entscheidungen des Senats vom 29. Juni 2004 (- 1 ABR 21/03 – BAGE 111, 173) und vom 14. Dezember 2004 (- 1 ABR 34/03 – AP BetrVG 1972 § 87 Überwachung Nr. 42 = EzA BetrVG 2001 § 87 Überwachung Nr. 1) zugrunde lagen, lässt § 6 Abs. 3 BV die Videoüberwachung im Innenbereich nur bei Vorliegen eines auf konkrete Personen bezogenen Verdachts einer strafbaren Handlung zu. Eine verdachtsunabhängige, rein präventive Inbetriebnahme der Überwachungsanlage ist nach § 6 Abs. 3 BV im Innenbereich nicht möglich. Voraussetzung für Überwachungsmaßnahmen ist vielmehr, dass die Arbeitgeberin Feststellungen getroffen hat, die den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung gegenüber bestimmten Personen begründen. Wie das Landesarbeitsgericht unangegriffen ausgeführt hat, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 3 BV erst erfüllt, wenn der Verdacht auf Grund einer näheren Prüfung der Umstände – Ort des Auffindens, Anzahl der betroffenen Sendungen, Hinweise auf den Zeitpunkt der möglichen Eigentumsverletzung, bisherige Bearbeitungsstationen – als gerechtfertigt erscheint. Hiernach ist die Inbetriebnahme der Überwachungsanlage nicht anlasslos möglich, sondern an objektiv überprüfbare Voraussetzungen geknüpft. Damit hat die Einigungsstelle berücksichtigt, dass Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eher zulässig sind, wenn sie für den Fall eines konkreten Verdachts oder einer konkreten Gefahr vorgesehen sind (vgl. BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 21/03 – aaO, zu B II 2 g dd (2) (b) (cc) der Gründe; vgl. auch BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05 – und – 1 BvR 1254/07- Rn. 78, 82, 168, NJW 2008, 1505).

(bb) Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn dient es ferner, dass nach § 6 Abs. 5 Satz 1 BV die Überwachung zunächst auf den räumlichen Bereich zu beschränken ist, dem der konkrete Verdacht zugeordnet werden kann. Eine Überwachung des gesamten Innenbereichs ist damit ausgeschlossen. Nach dem Grundsatz der möglichst gesetzes- und verfassungskonformen Auslegung wird auch der in § 6 Abs. 5 Satz 2 BV vorgesehene Einsatz von „max. 6 Kameras“ allenfalls ausnahmsweise in Betracht kommen, kann doch mit sechs von 13 Innenkameras bereits ein Großteil des Betriebs überwacht werden.

(cc) Die Dauer der Videoaufzeichnung ist nach § 6 Abs. 6 Satz 1 BV „auf den erforderlichen Umfang“ zu beschränken. Nach § 6 Abs. 6 Satz 2 BV ist sie unverzüglich nach Ermittlung des Täters einzustellen. Ferner ergibt sich aus der – als solcher allerdings unwirksamen (vgl. dazu unten unter B II 3 b der Gründe) – Regelung in § 6 Abs. 7 Satz 1 BV mittelbar, dass eine Überwachungsmaßnahme höchstens vier Wochen dauern darf. Dabei handelt es sich nicht um die regelmäßig vorzusehende Dauer, sondern um die noch zulässige Obergrenze.

(dd) Die in § 6 Abs. 3, 4 und 6 BV vorgesehenen inhaltlichen Vorgaben und Beschränkungen des Betriebs der Überwachungsanlage werden maßgeblich ergänzt durch verfahrensrechtliche Sicherungen. Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 BV ist der Betriebsrat vor einem Einsatz der Videoanlage über die gemäß § 6 Abs. 3 BV getroffenen Feststellungen zu informieren. Dadurch wird er in die Lage versetzt, selbst zu beurteilen, ob diese Feststellungen den konkreten Verdacht einer strafbaren Handlung gegen bestimmte Personen begründen und den vorgesehenen räumlichen Bereich der Überwachungsmaßnahme sowie deren zeitliche Dauer rechtfertigen. Das Recht des Betriebsrats zur Mitbeurteilung beim konkreten Einsatz der Überwachungsanlage wird durch das in § 4 Abs. 4 BV vorgesehene Zwei-Schlüssel-System abgesichert. Danach sind die Bedienungselemente der Videoanlage in einem Schrank unterzubringen, der nur mit zwei Schlüsseln geöffnet werden kann, von denen einer dem Betriebsrat zur Verfügung steht. Auf Grund dieser Regelung ist es für die Arbeitgeberin nicht möglich, die Videoanlage ohne Mitwirkung des Betriebsrats in Betrieb zu nehmen und deren Einschaltzeit zu programmieren. Sofern der Betriebsrat die Informationen der Arbeitgeberin für die Durchführung der Videoüberwachung nicht für ausreichend erachtet, kann er die Herausgabe seines Schlüssels verweigern und ist die Arbeitgeberin gezwungen, gemäß § 12 Abs. 1 BV zur Durchsetzung der konkreten Überwachungsmaßnahme die Einigungsstelle anzurufen (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit dieser Konfliktlösungsregelung noch unten unter B II 3 c der Gründe).

(ee) Dem Persönlichkeitsschutz der Arbeitnehmer dienen schließlich auch die Regelungen in § 7 Abs. 2 BV über die nur beschränkt zulässige Auswertung der durch die Videoüberwachung gewonnenen Erkenntnisse und die in § 8 Abs. 2 und 3 BV vorgesehene Pflicht zur Löschung der aufgezeichneten Bilddaten. Dabei ist der in § 6b Abs. 5 BDSG ausdrücklich normierte, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz konkretisierende allgemeine Rechtsgedanke zu beachten, wonach die im Wege der Videoüberwachung gewonnenen Daten „unverzüglich“ gelöscht werden müssen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind. § 8 Abs. 2 BV ist deshalb wegen des Grundsatzes der möglichst gesetzes- und verfassungskonformen Auslegung dahin zu verstehen, dass aufgezeichnete Bilddaten unverzüglich nach ihrer Auswertung, spätestens jedoch 60 Tage nach ihrer Herstellung gelöscht werden, es sei denn, sie werden zur Beweissicherung benötigt. § 8 Abs. 3 Satz 2 BV ist dahin auszulegen, dass die Aufzeichnungen, wenn sie nicht mehr zur Beweissicherung benötigt werden, unverzüglich, spätestens jedoch nach 60 Tagen gelöscht werden, es sei denn, das Gesetz schreibt eine längere Aufbewahrungsdauer vor.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts sind die Regelungen in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV unwirksam. Die darin vorgesehene Ausweitung der Videoüberwachung hält einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht stand.

aa) Dabei kann zugunsten der Arbeitgeberin unterstellt werden, dass die Erstreckung der Überwachung auf weitere Bereiche oder gar das gesamte Briefzentrum auf die Dauer von vier Wochen oder – wie in § 6 Abs. 7 Satz 2 BV vorgesehen – sogar noch darüber hinaus zur Überführung von Straftätern sowohl geeignet als auch erforderlich ist. Allerdings erscheint die Erforderlichkeit der Fortführung der Überwachung in dem Bereich, in dem sie sich als erfolglos erwiesen hat, durchaus zweifelhaft. Dies kann jedoch dahinstehen.

bb) Die in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV vorgesehene Ausdehnung der Überwachung ist nicht angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinn).

(1) Während die nach § 6 Abs. 3 und 5 BV mögliche Überwachung sich auf die konkret verdächtigen Personen bezieht und allenfalls die in deren näherer Umgebung tätigen Arbeitnehmer – zwangsläufig – mit erfasst, wird durch die in § 6 Abs. 7 Satz 1 BV vorgesehene Überwachung ein weit größerer Kreis „unschuldiger“ Arbeitnehmer in die Überwachung einbezogen. Es wird in die Persönlichkeitsrechte von sehr viel mehr Arbeitnehmern eingegriffen, ohne dass diese hierzu Anlass gegeben hätten. § 6 Abs. 7 Satz 1 BV macht das auch nicht etwa vom Vorliegen zusätzlicher, die Ausweitung der Überwachung rechtfertigender Verdachtsmomente oder Indizien abhängig. Vielmehr soll es genügen, dass die Videoaufzeichnung des zuvor überwachten Bereichs zu keiner Überführung des Täters geführt hat. Damit wird allein die Erfolglosigkeit des bereits vorliegenden Eingriffs in Persönlichkeitsrechte einer geringeren Zahl von Arbeitnehmern zum Grund für weitergehende Eingriffe in die Rechte einer weit größeren Zahl von Arbeitnehmern. Bereits wegen der in § 6 Abs. 7 Satz 1 BV vorgesehenen Überwachungsmöglichkeit müssen alle Arbeitnehmer besorgen, dass ohne die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme nicht nur einzelne Bereiche des Betriebs, in denen der Verdacht einer strafbaren Handlung aufgetreten ist, sondern bis zur Dauer von jeweils einem Monat der gesamte Betrieb überwacht wird. Dies gilt in noch gesteigertem Maße für § 6 Abs. 7 Satz 2 BV. Diese Regelung ermöglicht eine räumlich und zeitlich unbeschränkte Videoüberwachung im gesamten Betrieb. Sie knüpft zwar formal noch an den „auslösenden Vorfall“ an, nähert sich aber auf Grund des Fehlens jeder räumlichen, zeitlichen oder personellen Beschränkung einer verdachtsunabhängigen unbegrenzten Videoüberwachung.

(2) Die nach § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV möglichen Eingriffe in die Personlichkeitsrechte der Arbeitnehmer sind nicht deshalb angemessen, weil sie der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen. Das Erfordernis der Zustimmung des Betriebsrats zu einer konkreten Überwachungsmaßnahme ist geeignet, eine inhaltliche Beschränkung möglicher Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer verfahrensrechtlich ergänzend zu sichern. Sie ist aber nicht geeignet, fehlende inhaltliche Beschränkungen der Videoüberwachung zu ersetzen. Es muss daher nicht entschieden werden, ob aus § 6 Abs. 7 Satz 2 BV der Umkehrschluss zu ziehen wäre, für die Ausdehnung der Überwachung nach § 6 Abs. 7 Satz 1 BV bedürfe es der Zustimmung des Betriebsrats nicht, oder ob sich das Erfordernis der Zustimmung auch in diesem Fall aus dem in § 4 Abs. 4 BV geregelten Zwei-Schlüssel-System ergäbe.

c) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist die in § 12 Abs. 1 Satz 1 BV vorgesehene Konfliktlösungsregelung wirksam. Es handelt sich um eine rechtlich nicht zu beanstandende, die Interessen der Arbeitnehmer schützende verfahrensrechtliche Sicherung. Die Regelung ist nicht deshalb unwirksam, weil die Einigungsstelle es versäumt hätte, den ihr übertragenen Gegenstand selbst zu regeln, und den Regelungsauftrag in unzulässiger Weise an die Betriebsparteien zurückgegeben hätte.

aa) Allerdings hat eine Einigungsstelle den ihr übertragenen Regelungsstreit grundsätzlich vollständig und abschließend zu lösen (vgl. BAG 22. Januar 2002 – 3 ABR 28/01 – AP BetrVG 1972 § 76 Einigungsstelle Nr. 16, zu II 2 b aa der Gründe). Sie muss den Regelungsgegenstand selbst gestalten, darf allerdings innerhalb des ihr zustehenden Ermessens dem Arbeitgeber unter bestimmten inhaltlichen Vorgaben gewisse Entscheidungsspielräume einräumen (BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 4/03 – BAGE 111, 48, zu B III 4 der Gründe mwN). Ihren Regelungsauftrag darf sie grundsätzlich nicht an die Betriebsparteien zurückgeben; andernfalls hat sie ihren Auftrag zur Herbeiführung einer abschließenden Regelung nicht erfüllt (vgl. BAG 8. Juni 2004 1 ABR 4/03 -aaO, zu B III 4 b aa (3) der Gründe). Gleichwohl sind Einigungsstellensprüche, die den Regelungsgegenstand zunächst nur abstrakt-generell regeln, Maßnahmen des Arbeitgebers im konkreten Einzelfall aber an eine weitere Zustimmung des Betriebsrats knüpfen und für den Fall der Nichterteilung der Zustimmung ein erneutes Einigungsstellenverfahren vorsehen, nicht generell ausgeschlossen (vgl. dazu BAG 18. April 1989 – 1 ABR 2/88 – BAGE 61, 305, zu B II 3 der Gründe). Sie sind jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn durch sie der Regelungsstreit grundsätzlich gelöst, aber zugleich dem Umstand Rechnung getragen wird, dass die erst künftig auftretenden Einzelfälle jeweils noch eine Würdigung der konkreten Umstände sowie eine unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorzunehmende Interessenabwägung verlangen. Normative generelle Regelungen können auf Grund ihrer Abstraktion bisweilen konkrete Konflikte, deren sachgerechte Regelung von den Einzelumständen abhängig ist, nicht abschließend lösen. Daher kann es gerechtfertigt sein, die für die Konfliktlösung maßgeblichen Grundsätze abstrakt-generell festzulegen, die unter Beachtung dieser Grundsätze vorzunehmende Regelung des konkreten Einzelfalls aber den Betriebsparteien sowie im Streitfall einer für den konkreten Konflikt erneut zu bildenden Einigungsstelle vorzubehalten. Durch eine solche Gestaltung entzieht sich die zunächst angerufene Einigungsstelle nicht in unzulässiger Weise ihrem Regelungsauftrag.

bb) Hiernach ist es nicht zu beanstanden, dass die Einigungsstelle zum einen generelle Regelungen über die Einführung der Videoanlage beschlossen sowie zugleich durch das nach § 4 Abs. 4 BV vorgesehene Zwei-Schlüssel-System bestimmt hat, der Einsatz der Videoüberwachung bedürfe im konkreten Einzelfall noch der Zustimmung des Betriebsrats und im Falle der Zustimmungsverweigerung entscheide gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 BV eine Einigungsstelle. Diese Lösung des Regelungsstreits rechtfertigt nicht den Vorwurf, die Einigungsstelle sei ihrem Auftrag nicht nachgekommen, sondern habe diesen rechtsfehlerhaft an die Betriebsparteien zurückgegeben. Der vorliegende Spruch der Einigungsstelle regelt grundsätzlich die Möglichkeit der Installation der Videoanlage, enthält Einzelheiten zu deren technischer Ausgestaltung sowie wesentliche generelle Vorgaben für ihren Einsatz. Zwar bedarf es bei einem möglichen Streit über die konkrete Inbetriebnahme ggf. nochmals des Spruchs einer Einigungsstelle. Diese muss aber nicht erneut die Einführung und Ausgestaltung der Videoanlage regeln, sondern lediglich unter Beachtung der im vorliegenden Spruch enthaltenen Vorgaben sowie unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den konkreten Konflikt lösen. Dabei hat sie die Intensität und Schwere des Verdachts zu beurteilen und hiervon ausgehend den räumlichen und zeitlichen Umfang der Videoüberwachung konkret festzulegen. Eine solche Ausgestaltung ist sachgerecht. Sie ermöglicht eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Lösung, bei der sowohl die betrieblichen Belange als auch die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer konkret abgewogen werden können und müssen.

d) Unwirksam sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts die Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV. Sie verstoßen gegen § 76 Abs. 2 Satz 1 und 2 BetrVG.

aa) Die Bildung einer Einigungsstelle richtet sich nach § 76 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Nach § 76 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist es zunächst Sache der Betriebsparteien, sich über die Person des Einigungsstellenvorsitzenden zu verständigen. Können sie sich nicht einigen, bestimmt den Einigungsstellenvorsitzenden gemäß § 76 Abs. 2 Satz 2 BetrVG, § 98 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Vorsitzende der zuständigen Kammer des Arbeitsgerichts. Diese Regelungen sind zwingend. Die Betriebsparteien können sich zwar nach § 76 Abs. 1 Satz 2 BetrVG durch freiwillige Betriebsvereinbarung auf die Errichtung einer ständigen Einigungsstelle verständigen (vgl. Kreutz GK-BetrVG 8. Aufl. § 76 Rn. 77; DKK-Berg BetrVG 11. Aufl. § 76 Rn. 7; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 76 Rn. 8; H/S/W/G/N/R-Worzalla BetrVG 7. Aufl. § 76 Rn. 23; WP/Preis BetrVG 3. Aufl. § 76 Rn. 12). Eine Einigungsstelle kann aber nicht durch einen Spruch gegen den Willen einer Betriebspartei die Besetzung einer ständigen oder einer künftig für bestimmte Gegenstände zuständigen Einigungsstelle festlegen.

bb) Hiernach sind die Regelungen in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV wegen Verstoßes gegen zwingende betriebsverfassungsrechtliche Vorgaben unwirksam. Die Einigungsstelle konnte zwar für die Lösung eines Streits über den Betrieb der Videoanlage im konkreten Einzelfall die Anrufung einer betrieblichen Einigungsstelle vorsehen. Sie konnte aber weder deren Besetzung noch deren Verfahren regeln. Insbesondere konnte sie nicht bereits den Vorsitz der etwa anzurufenden Einigungsstelle festlegen. Dabei kann dahinstehen, ob es nicht auch dem Rechtsgedanken des für das gesamte Privatrecht geltenden § 181 BGB widerspräche, wenn ein Einigungsstellenvorsitzender sich gemeinsam mit einer und gegen den Willen der anderen Seite selbst zum Vorsitzenden einer künftigen Einigungsstelle bestellt.

e) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist die Regelung in § 6 Abs. 2 BV über die Überwachung im Außenbereich wirksam. Sie hält sowohl den nach § 6b BDSG zu stellenden Anforderungen als auch denjenigen des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stand. Daher kam es nicht darauf an, ob es sich – wofür vieles spricht – vorliegend bei dem Außenbereich des Briefverteilzentrums um einen „öffentlich zugänglichen Raum“ iSv. § 6b Abs. 1 BDSG handelt (vgl. dazu etwa Gola/Schomerus BDSG 9. Aufl. § 6b Rn. 9; Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert BDSG 2. Aufl. § 6b Rn. 21 f.).

aa) Gemäß § 6b Abs. 1 BDSG ist eine Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen, zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.

(1) Diesen Erfordernissen genügt die in § 6 Abs. 2 BV vorgesehene Videoüberwachung. Sie ist sowohl zur Wahrnehmung des Hausrechts der Arbeitgeberin als auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich. Demgegenüber überwiegen die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer nicht.

(a) Die vorgesehene Videoüberwachung im Außenbereich ist zur Wahrnehmung des Hausrechts der Arbeitgeberin erforderlich. Die Wahrnehmung des Hausrechts kann sowohl präventiven Zwecken – insbesondere der Vermeidung von Diebstählen, Sachbeschädigungen oder Störungen – dienen, als auch als repressives Mittel zur Verfolgung von Straftätern eingesetzt werden (Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert § 6b Rn. 33). Dabei reicht die Beobachtungsbefugnis des Hausrechtsinhabers bis an die Grenzen des Grundstücks (vgl. BGH 25. April 1995 – VI ZR 272/94 – NJW 1995, 1955; Gola/Schomerus § 6b Rn. 16 mwN). Hier durfte die Einigungsstelle die Videoanlage im Außenbereich zum Schutz des Briefzentrums vor von außen drohenden Beschädigungen oder Beeinträchtigungen und damit zur Wahrnehmung des Hausrechts der Arbeitgeberin für erforderlich halten. Ebenso wirksame, die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer weniger belastende Maßnahmen sind nicht ersichtlich.

(b)Die Videoüberwachung ist auch zur Wahrnehmung berechtigter Interessen der Arbeitgeberin für konkret festgelegte Zwecke iSv. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG erforderlich. Als berechtigte Interessen iSv. § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG kommen sowohl wirtschaftliche als auch ideelle Interessen der verantwortlichen Stellen in Betracht. Diese müssen im Voraus konkret beschrieben sein (vgl. Wedde in Däubler/Klebe/Wedde/Weichert § 6b Rn. 36, 37). Hier verfolgt die Arbeitgeberin mit dem Schutz ihres Besitztums, des Eigentums ihrer Kunden sowie des Postgeheimnisses berechtigte Interessen. Die Zwecke sind in § 2 Abs. 1 und 2 BV hinreichend präzise angegeben. Auch im Hinblick auf diese Interessen durfte die Einigungsstelle die Videoüberwachung für erforderlich halten.

(c) Die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer überwiegen die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin nicht. Für die von der Videoüberwachung im Außenbereich betroffenen etwa 30 Kraftfahrer handelt es sich nicht um eine Dauerüberwachung. Vielmehr sind sie der Aufzeichnung durch die Videoanlage nur für die Dauer des Be- und Entladens sowie der Prüfung der Fahrzeuge und damit unstreitig allenfalls für etwa eine Viertelstunde arbeitstäglich ausgesetzt. Der Überwachungs- und Anpassungsdruck beschränkt sich damit für die Kraftfahrer – anders als derjenige im Innenbereich für die dort beschäftigten Arbeitnehmer – auf einen nur geringen, ihnen hinsichtlich der zeitlichen Lage bekannten Teil ihrer Arbeitszeit.

(2) Dem Gebot des § 6b Abs. 2 BDSG wird durch die Regelung in § 11 Abs. 3 BV Rechnung getragen. Im Zusammenhang mit § 9 Abs. 1 BV ist diese dahingehend zu verstehen, dass durch die Beschilderung nicht nur auf den Umstand der Beobachtung, sondern auch auf die verantwortliche Stelle, also die Arbeitgeberin, hinzuweisen ist.

(3) Dem Gebot des § 6b Abs. 5 BDSG ist durch ein entsprechendes gesetzeskonformes Verständnis der Bestimmungen über die Aufbewahrung und Löschung der aufgezeichneten Bilddaten in § 8 Abs. 2 und 3 BV Genüge getan (vgl. oben unter B II 3 a bb (3) (b) (ee) der Gründe).

bb) Sofern es sich bei dem Außenbereich nicht um einen öffentlich zugänglichen Raum iSv. § 6b BDSG handeln sollte, folgte daraus im Ergebnis nichts anderes. In diesem Fall richtet sich die Zulässigkeit der Videoüberwachung im Außenbereich ebenso wie diejenige im Innenbereich ausschließlich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch dann erweist sich die Regelung in § 6 Abs. 2 BV, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, als wirksam.

Eine Videoüberwachung im Außenbereich ist geeignet, Straftaten gegenüber der Arbeitgeberin, deren Kunden oder Lieferanten sowie deren Beschäftigten vorzubeugen und zu ihrer Aufklärung beizutragen. Die Einigungsstelle durfte die Videoüberwachung im Außenbereich zur Verfolgung dieser Zwecke für erforderlich halten. Eine solche Überwachung erscheint unter Berücksichtigung der mit ihr verfolgten Zwecke und unter Würdigung der mit ihr verbundenen Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer auch als angemessen. Dabei ist von maßgeblicher Bedeutung, dass die etwa 30 betroffenen Kraftfahrer der Videoüberwachung nur für eine Viertelstunde täglich ausgesetzt sind.

f) Die Unwirksamkeit der Regelungen in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV sowie in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV führt nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Spruchs. Nach der Rechtsprechung des Senats bleibt bei Teilnichtigkeit einer Betriebsvereinbarung der übrige Teil grundsätzlich wirksam, sofern er noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (vgl. BAG 22. März 2005 -1 ABR 64/03 – BAGE 114, 162, zu B II 2 c ee (4) (b) der Gründe mwN). Die Weitergeltung der von der Teilnichtigkeit nicht betroffenen Regelungen folgt aus dem Normencharakter einer Betriebsvereinbarung. Hier stellt der Spruch der Einigungsstelle auch bei einem Wegfall der in § 6 Abs. 7 Satz 1 und 2 BV sowie in § 12 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BV enthaltenen Regelungen noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung dar. Darauf, ob die Einigungsstelle den Spruch bei Kenntnis seiner Teilunwirksamkeit im Übrigen in gleicher Weise beschlossen hätte, kommt es nicht an.

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