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Anspruch Gegendarstellung – Abgrenzung Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung

LG Hamburg – Az.: 324 O 486/18 – Urteil vom 21.12.2018

1. Die einstweilige Verfügung vom 29.10.2018 wird bestätigt.

2. Die Antragsgegnerin hat auch die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand einer einstweiligen Verfügung, mit der der Antragsgegnerin bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel auferlegt wurde, auf der Titelseite der Zeitschrift „O.!“, auf der die Titelschlagzeile „G. O. – Hat er sie geschlagen?“ erschienen ist (Ausgabe vom 10.10.2018), unter Hervorhebung des Wortes „Gegendarstellung“ als Überschrift durch drucktechnische Anordnung und Schriftgröße in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen:

Gegendarstellung

In der Ausgabe der O.! vom 10. Oktober 2018 wurde in Bezug auf V. O. über mich geschrieben: “Hat er sie geschlagen?“ Dazu stelle ich fest: Ich habe Frau O. nicht geschlagen.

M., den 15.10.2018

G. O.

Die Antragsgegnerin verlegt die Zeitschrift O.!. In deren Ausgabe vom 10.10.2018 erschien ein den Antragsteller betreffender Artikel, der auf der Titelseite wie folgt angekündigt war: „Exklusiv G. O. Hat er sie geschlagen?“ Weiterhin wurde ein Bild von V. O., der Ehefrau des Antragstellers, abgedruckt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berichterstattung wird auf die Anlage A1 Bezug genommen. Am 15.10.2018 leitete der Antragsteller der Antragsgegnerin die streitgegenständlich Gegendarstellung zu und forderte deren Abdruck. Dies lehnte die Antragsgegnerin am 18.10.2018 ab. Mit einem am 23.10.2018 eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit welcher die Antragsgegnerin zum Abdruck der streitgegenständlichen Gegendarstellung verpflichtet werden sollte. Die Kammer hat diesen Beschluss am 29.10.2018 gefasst.

Dagegen richtet sich der Widerspruch der Antragsgegnerin. Diese ist der Ansicht, dass es sich bei der Äußerung „Hat er sie geschlagen?“ um eine echte Frage handele, die mit „ja“, „nein“ oder auch „vielleicht“ beantwortet werden könne. Echte Fragen stellten aber Meinungsäußerungen dar und seien insoweit nicht gegendarstellungsfähig. Zudem sei nicht gesagt, dass der Antragsteller seine Ehefrau tatsächlich nicht geschlagen habe. Für die streitgegenständliche Frage gebe es vielmehr einen Anhaltspunkt, nämlich die Erstattung einer Strafanzeige seitens der Frau O. und ein eingeleitetes Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft. Die Frage sei auch nicht durch die Unterzeilen in einem bestimmten Sinne beantwortet worden. Es bleibe völlig offen, ob der Antragsteller seine Ehefrau geschlagen habe oder nicht. Aus der echten Frage sei auch keine rhetorische geworden. Hinzu komme, dass bei der geforderten Gegendarstellung die Fundstelle nicht bezeichnet worden sei. Die Äußerung, welche gegendargestellt werden solle, befinde sich aber sowohl im Heftinnenteil aus auch auf dem Titel.

Die Antragsgegnerin beantragt, die einstweilige Verfügung der Kammer vom 29.10.2018 aufzuheben und den ihr zugrunde liegenden Antrag zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt, die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Zur Begründung ihres Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat der Antragsteller mitgeteilt, dass er seit Dezember 2017 von seiner Ehefrau, Mutter seiner beiden Kinder, getrennt lebe. Diese leide an einer bi-polaren Störung mit manischen und psychotischen Phasen und habe auch wiederholt ihn, den Antragsteller, angegriffen. Sie habe keine Krankheitseinsicht habe und inszeniere sie sich als entrechtete Mutter, der die Kinder weggenommen worden seien. Ein familienrechtliches Gutachten komme aber zu dem Ergebnis, dass die Ehefrau des Antragstellers nicht in der Lage sei, sich um die Kinder zu kümmern. Die Antragsgegnerin behaupte nun, dass er, der Antragsteller, seine Ehefrau geschlagen habe und nehme diesbezüglich auch auf eine Strafanzeige Bezug. Der Antragsgegnerin lägen aber keine Informationen vor, welche den Vorwurf der Frau O. bestätigten. Das von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Strafverfahren sei nach § 170 Abs. 2 StPO von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden. Die Antragsgegnerin bestreitet den gesamten Vortrags des Antragstellers nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Gegendarstellungsanspruch - Abgrenzung Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung
(Symbolfoto: Jorm S/Shutterstock.com)

Nach Durchführung der Widerspruchsverhandlung ist die einstweilige Verfügung zu bestätigen. Dem Antragsteller steht der Anspruch auf Veröffentlichung der Gegendarstellung zu, da die Voraussetzungen von § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes erfüllt sind. Das Gegendarstellungsverlangen ist unverzüglich zugeleitet worden. Auch inhaltlich bestehen keine Bedenken.

1.

Nach § 11 Abs. 1 Hamburgisches Pressegesetz sind nur Tatsachenbehauptungen gegendarstellungsfähig. Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, dass es sich bei der Äußerung „Hat er sie geschlagen?“ um eine nicht gegendarstellungsfähige Meinungsäußerung handele, folgt die Kammer dieser Ansicht nicht.

Für die Beurteilung der äußerungsrechtlichen Zulässigkeit der angegriffenen Passage ist zunächst deren Aussagegehalt zu ermitteln. Da es auf die Ermittlung des objektiven Sinns ankommt, ist das Verständnis entscheidend, das ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum der Passage zunächst ausgehend von dem Wortlaut, der allerdings den Sinn nicht abschließend festlegen kann, unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs und des sprachlichen Kontextes sowie der erkennbaren Begleitumstände, die den Sinn des Begriffs mitbestimmen, zumisst (vgl. BGH NJW 2008, 2110, 2112 – „Gen-Milch“). Maßgeblich für das Verständnis der Behauptung ist dabei weder die subjektive Sicht des sich Äußernden noch das subjektive Verständnis der von der Äußerung Betroffenen, sondern der Sinn, den sie nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 1 BvR 1696/98 – „IM Stolpe“, juris Rn. 31). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der von der Gegendarstellung erfasste Satz auf der Titelseite der Zeitschrift der Antragsgegnerin abgedruckt war, ist zur Ermittlung des Aussagegehalts des streitgegenständlichen Satzes allein auf die Titelseite der Zeitschrift abzustellen. Insoweit nimmt der Leser nicht nur die Frage „Hat er sie geschlagen?“ zur Kenntnis, sondern erfährt auch „Seine Ex hat Anzeige erstattet“ und „Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft“. Ausgehend von diesen Informationen wird bei dem Leser der Verdacht erweckt, dass es möglich sein könne, dass der Antragsteller seine Ehefrau geschlagen habe. Es handelt sich mithin nicht nur um eine offene Frage, sondern durch die weiteren Informationen betreffend die Anzeigeerstattung und die aufgenommenen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft erhält die Äußerung einen tatsächlichen Gehalt in der Form eines Verdachts und stellt sich mithin als Tatsachenbehauptung dar. Die Kammer geht davon aus, dass der vorliegende Fall nicht mit dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07.02.2018 – 1 BvR 442/15 – zu Grunde liegenden Sachverhalt vergleichbar ist, da es dort – anders als hier – an der Mitteilung weiterer Tatsachen, welche der Frage einen tatsächlichen Gehalt verleihen, fehlt.

Unschädlich ist, dass die Tatsachenbehauptung nur in der Form eines Verdachts daherkommt. Handelt es sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um eine gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung, ist es weiterhin keine Voraussetzung für den Gegendarstellungsanspruch, dass die Meldung als sicher dargestellt wird (vgl. Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl. <2017>, Kap. 6, Rn. 18 m.w.N.), sondern auch Verdachtsäußerungen können gegendarstellungsfähig sein (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 14.11.2017 – 7 U 62/17, BeckRS 2017, 148310; Urteil vom 25.09.2007 – 7 U 44/07, BeckRS 2007, 142927).

2.

Der Antragsteller hat auch ein berechtigtes Interesse am Abdruck der Gegendarstellung. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht nicht, wenn es am berechtigten Interesse des Betroffenen fehlt. Der wichtigste Anwendungsfall dieses Grundsatzes ist die Einschränkung des Prinzips, dass Gegendarstellungen unbeschadet der Frage nach ihrer Wahrheit abgedruckt werden müssen. Am erforderlichen berechtigten Interesse an der Durchsetzung des Gegendarstellungsanspruchs fehlt es daher, wenn sich ergibt, dass der Inhalt der Gegendarstellung offen beziehungsweise gerichtskundig unwahr oder irreführend ist. Auch wenn die Unwahrheit oder Wahrheit der Erwiderung grundsätzlich unbeachtlich ist, muss derjenige, der den Abdruck einer Gegendarstellung begehrt, auf substantiierte Behauptungen der Medien eingehen, nach denen der Inhalt der Erwiderung unwahr sei. Solche substantiierten Behauptungen liefert die Antragsgegnerin hier nicht. Weiterhin hat die Staatsanwaltschaft München das gegen den Antragsteller geführte Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Auch dies spricht dagegen, dass der Inhalt der Gegendarstellung offensichtlich unwahr ist.

3.

Schlussendlich steht dem Gegendarstellungsanspruch auch nicht entgegen, dass sich aus der Gegendarstellung die Fundstelle der Äußerung „Hat er sie geschlagen?“, welche sich sowohl auf der Titelseite als auch im Innenteil der Zeitschrift befand, nicht ergibt. Aus der Zuleitung der Gegendarstellung folgt, dass deren Abdruck auf der Titelseite begehrt wird. Daraus war für die Antragsgegnerin erkennbar, dass sich die Gegendarstellung auf die auf der Titelseite verbreitete Äußerung bezieht.

In der Gegendarstellung selbst ist es ausweislich des § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes nicht erforderlich, dass die beanstandete Stelle genannt wird. Insoweit kann die Gegendarstellung nicht deswegen zurückgewiesen werden, weil die Bezeichnung der beanstandeten Stelle fehlt (vgl. Seitz, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl. <2017>, Kap. 5, Rn. 128). Es muss nur möglich sein, die Gegendarstellung der beanstandeten Äußerung zuordnen zu können. Das ist hier ohne Zweifel aufgrund des Begleitschreibens möglich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

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