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Antrag gegen Beschränkungen nach der Corona-Kontakt-Betriebsbeschränkungsverordnung

VG Frankfurt – Az.: 5 L 623/21.F – Beschluss vom 16.03.2021

Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin einstweilen berechtigt ist, ihre Verkaufsstelle/Filiale in der X-Straße, Y, ohne die zusätzlichen Beschränkungen nach § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung des Landes Hessen vom 26. November 2020 (GVBl. S. 826) in der Fassung vom 4. März 2021 (GVBl. S. 142) zu betreiben.

Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsgegner je zur Hälfte zu tragen.

Der Streitwert wird auf 5 000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt in der X-Straße in Y eine Filiale und damit eine Verkaufsstelle zur Ausstellung und zum Vertrieb von Grills, Grillzubehör sowie Produkten im Zusammenhang mit dem Thema Grillen. An dem Standort werden Beratungen zu diesem Thema sowie Waren zum stationären Verkauf an Verbraucher angeboten. Die Verkaufsfläche beträgt ca. 280 Quadratmeter. Für den Betrieb der Filiale hat die Antragstellerin ein umfassendes Hygienekonzept erarbeitet, das das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung einschließt, die den Anforderungen an eine medizinische Maske (OP-Masken oder Schutzmasken der Standards FFP2, KN95, N95 oder vergleichbar ohne Ausatemventil) entsprechen. In unmittelbarer räumlicher Nähe zur Verkaufsstelle der Antragstellerin befindet sich ein Garten-/Bau-/Heimwerkermarkt (graphische Darstellung Bl. 33 d.A.). Die Antragstellerin sieht sich durch Sonderbeschränkungen nach § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung (im Folgenden „CoKoBeV“; auch „CoronaVKBBeschrV HE 2020b“) in einem auf Wochen oder Monate angelegten, letztlich irreversiblen Wettbewerbsnachteil gegenüber den Garten-, Bau- und Heimwerkermärkten, zu denen Kunden (mit Ausnahme der allgemeinen Beschränkungen nach § 3 CoKoBeV) barrierefrei Zutritt hätten.

Am 10. März 2021 hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Erlass einer einstweiligen Anordnung sowohl gegen den Main-Kinzig-Kreis als auch die Gemeinde Y beantragt, durch die der Betrieb ihrer Verkaufsstelle dahin geregelt werden soll, dass sie keinen besonderen Einschränkungen unterliege. Ergänzend wird zur Begründung auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. März 2021 – 2 B 58/21 – verwiesen, durch den die Antragstellerin sich bestätigt sieht.

Die Antragstellerin beantragt, festzustellen, dass die Antragstellerin einstweilen berechtigt ist, ihre Verkaufsstelle/Filiale in der X-Straße, Y, ohne die zusätzlichen Beschränkungen gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung des Landes Hessen vom 26. November 2020 i. d. F. vom 8. März 2021 zu betreiben, hilfsweise, den Antragsgegnern einstweilen zu untersagen, der Antragstellerin den Betrieb der im Hauptantrag bezeichneten Verkaufsstelle/Filiale ohne Beachtung der zusätzlichen Beschränkungen gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung des Landes Hessen vom 26. November 2020 in der Fassung vom 8. März 2021 zu untersagen.

Der Antragsgegner zu 1. beantragt, den Antrag abzulehnen.

Er hält ein Feststellungsbegehren wie das Vorliegende nicht für statthaft. Die Feststellung, dass § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV rechtswidrig sei, sei im Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO zu verfolgen. Die Antragstellerin begehre nicht nur vorläufigen, sondern auch vorbeugenden Rechtsschutz, habe dafür aber nicht das besondere Rechtsschutzbedürfnis; ihr sei zuzumuten, behördliche Maßnahmen abzuwarten. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet, da die angegriffene Regelung des § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV nicht rechtswidrig, sondern durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt und insbesondere verhältnismäßig sei. Anders als die in § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 21 CoKoBeV privilegierten Geschäfte biete die Antragstellerin keine Waren des täglichen Bedarfs an. Der Eingriff in die Berufsfreiheit sei dadurch erheblich gemildert, dass im Rahmen des „click & meet“ bereits wieder Verkäufe getätigt werden dürften. Aufgrund der Infektionslage sei eine Öffnung des Einzelhandels nur schrittweise und unter Beachtung strenger Vorsicht möglich. Die vom Land Hessen vorgenommene unterschiedliche Behandlung sei nicht evident unsachlich.

Die Antragsgegnerin zu 2. weist darauf hin, dass durch sie keine besondere Verordnung beschlossen worden sei und die aktuelle Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung der hessischen Landesregierung gelte.

II.

Das Gericht kann durch den berichterstattenden Vorsitzenden entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (Bl. 4, 57, 56 d.A.). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig (A.) und begründet (B.), weshalb die Kosten des Verfahrens beiden Antragsgegnern aufzuerlegen sind (C.) und wobei der Streitwert mit dem Auffangstreitwert festzusetzen ist (D.).

A.

Antrag gegen Beschränkungen nach der Corona-Kontakt-Betriebsbeschränkungsverordnung
(Symbolfoto: Von Athawit Ketsak/Shutterstock.com)

Der Antrag ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Gegenüber einem (negativen) Feststellungsantrag, mit dem subjektive Rechtspositionen geltend gemacht werden und der nicht auf die Feststellung der Gültigkeit oder Ungültigkeit einer Norm gerichtet ist, entfaltet insbesondere § 47 VwGO keine Sperrwirkung (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19.09 –, BVerwGE 136, 54 <57>= NVwZ 2010, 1300 <1301 f.> = juris, Rn. 24 f. m.w.N.). Notwendig, aber auch hinreichend ist ein streitiges konkretes Rechtsverhältnis, d.h. es muss in Anwendung einer Rechtsnorm auf einen bestimmten bereits überschaubaren Sachverhalt streitig sein. Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin will geklärt wissen, wie die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung den Betrieb ihrer Verkaufsstelle regelt. Die Anwendung dieser Verordnung ist Sache der unteren Gesundheits- und Ordnungsbehörden und damit der Antragsgegner. Da die Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung selbstvollziehend, also nicht darauf angelegt ist, dass ihre Geltung durch einen zwischengeschalteten Verwaltungsakt konkretisiert wird, gegen den Rechtsbehelfe gegeben wären, sondern ihre Beachtung durch Bußgelder nach § 8 Nr. 8a, 8b CoKoBeV – nicht primär im Wege des Verwaltungszwangs – erzwungen werden soll, ist der Antragstellerin eine Klärung im ansonsten verbleibenden Ordnungswidrigkeitsverfahren nicht zuzumuten (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 18. Dezember 2018 – 1 BvR 2795/09 –, BVerfGE 150, 309 <327 f.> = NJW 2019, 842 <843> Rn. 45). Wegen der Zuständigkeit des Antragsgegners zu 1. für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten aus § 5 Abs. 4 des Hessischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (HGöGD) und der Antragsgegnerin zu 2. aus § 7 CoKoBeV für den Vollzug der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung besteht hieran auch ein Feststellungsinteresse (vgl. BVerfGE a.a.O. <328> Rn. 47).

B.

Der Antrag ist begründet. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, der hier allein in Betracht kommt, kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Danach bestehen gegen die Wirksamkeit des Normbefehls aus § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV durchgreifende Bedenken (1.), die die Feststellung seiner Unanwendbarkeit sowohl im Rechtsverhältnis der Antragstellerin zum Antragsgegner zu 1. wie zur Antragsgegnerin zu 2. rechtfertigen (2.).

1. Die als Art. 3 der Zweiundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 26. November 2020 (GVBl. S. 826) verkündete Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung enthält in ihrer hier streitgegenständlichen Fassung durch Art. 3 der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus vom 4. März 2021 (GVBl. S. 142) unter anderem folgende Regelung:

§ 3 Verkaufsstätten und ähnliche Einrichtungen

Der Betrieb von Einrichtungen des Groß- und Einzelhandels, einschließlich der Wochenmärkte und Direktverkäufe vom Hersteller oder Erzeuger und der Geschäfte des Lebensmittelhandwerks, sowie von Poststellen, Banken, Sparkassen, Tankstellen, Wäschereien und ähnlichen Einrichtungen hat unter Beachtung der Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Hygiene, der Steuerung des Zutritts und der Vermeidung von Warteschlangen zu erfolgen. 2Im Publikumsbereich ist sicherzustellen, dass

1. aufgrund geeigneter Maßnahmen, insbesondere durch Steuerung der Besucherzahlen, der nach § 1 Abs. 1 Satz 2 gebotene Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann, sofern keine geeigneten Trennvorrichtungen vorhanden sind,

2. Aushänge zu den erforderlichen Abstands- und Hygienemaßnahmen gut sichtbar angebracht werden und

3. auf die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 10 Quadratmetern und auf die 800 Quadratmeter übersteigende Verkaufsfläche höchstens eine Person je angefangener 20 Quadratmeter eingelassen wird; für Einkaufszentren ist die jeweilige Gesamtverkaufsfläche maßgebend.

Der Verzehr von Speisen und Getränken in der unmittelbaren Umgebung der Verkaufsstätte ist untersagt.

§ 3a Schließung von Verkaufsstätten des Einzelhandels

(1) 1Die Verkaufsstellen des Einzelhandels sind zu schließen. 2Satz 1 gilt nicht für den Online-Handel sowie

18. Gartenmärkte, Baumschulen sowie Blumenläden,

20. Buchhandlungen,

21. Bau- und Heimwerkermärkte,

22. die Beratung und den Verkauf nach vorheriger Terminvereinbarung, sofern höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 40 Quadratmetern eingelassen wird; Name, Anschrift und Telefonnummer der Kundinnen und Kunden sind ausschließlich zur Ermöglichung der Nachverfolgung von Infektionen von der Verkaufsstelle zu erfassen; diese haben die Daten für die Dauer eines Monats nach dem Einzelkundentermin geschützt vor Einsichtnahme durch Dritte für die zuständigen Behörden vorzuhalten und auf Anforderung an diese zu übermitteln sowie unverzüglich nach Ablauf der Frist sicher und datenschutzkonform zu löschen oder zu vernichten; die Bestimmungen der Art. 13, 15, 18 und 20 der Datenschutz-Grundverordnung zur Informationspflicht und zum Recht auf Auskunft zu personenbezogenen Daten finden keine Anwendung; die Kundinnen und Kunden sind über diese Beschränkungen zu informieren.

Entscheidend ist der Schwerpunkt im Sortiment; über eine Grundversorgung hinausgehende Sortimentserweiterungen sind nicht gestattet.

(2) …

Der Normbefehl des § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV verstößt gegen Vorgaben ebenso des Europarechts (a.) wie des Gleichbehandlungsgrundsatzes (b.), wobei eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich erscheint (c.).

a. Soweit in § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 Halbsatz 3 CoKoBeV die Bestimmungen der Artt. 13, 15, 18 und 20 der Datenschutz-Grundverordnung vom 27. April 2016 (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1; im Folgenden „DSGVO“) zur Informationspflicht und zum Recht auf Auskunft zu personenbezogenen Daten pauschal für nicht anwendbar erklärt werden, ist nicht erkennbar, worauf die Befugnis dazu gestützt wird. Die allgemeine Begründung nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG enthält hierzu nichts.

Soweit nach Art. 23 DSGVO Beschränkungen von Pflichten und Rechten gemäß den Art. 12 bis 22 und Art. 34 sowie Art. 5 DSGVO, insofern dessen Bestimmungen den in den Art. 12 bis 22 DSGVO vorgesehenen Rechten und Pflichten entsprechen, im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen möglich erscheinen, bedürfte es dazu zunächst einer bereichsspezifischen Regelung für das Infektionsschutzrecht als Teil der öffentlichen Sicherheit. Datenschutzbestimmungen finden sich zwar in § 28a Abs. 1 Nr. 17, Abs. 4 IfSG, doch enthalten diese weder eine Bezugnahme auf die Datenschutz-Grundverordnung (wie etwa zu Artt. 13, 15, 18, 20 DSGVO die §§ 27 bis 29, 32, 34, 85 BDSG) noch lassen sie erkennen, warum wo inwiefern von deren Vorgaben abzuweichen sei. Die Beschränkung muss aber situationsorientiert gerechtfertigt sein, wobei eine pauschale Anknüpfung an eine bestimmte Aufgabe nicht ausreicht (vgl. Paal/Pauly/Paal, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 23 Rn. 9). Da der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 des Grundgesetzes mit § 28a Abs. 1 Nr. 17, Abs. 4 IfSG im Zweifel abschließend ausgeübt hat, kommt es insoweit auf davon unabhängiges hessisches Landesrecht nicht an.

Soweit Art. 13 Abs. 4 DSGVO zur Informationspflicht bei der Erhebung von personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person ermöglicht, von den vorangehenden Informationspflichten abzusehen, wenn und soweit die betroffene Person bereits über die Informationen verfügt, ist die Befugnis eines Hoheitsträgers, von der Informationspflicht zu entbinden, darin nicht vorgesehen. Soweit im Hinblick auf den Erwägungsgrund 62 dann, „wenn die Speicherung oder Offenlegung der personenbezogenen Daten ausdrücklich durch Rechtsvorschriften geregelt ist“, davon abgesehen werden kann, betrifft das den Verantwortlichen (hier also die Antragstellerin) und ermächtigt nicht dazu, aufgrund nationalen Rechts europarechtliche Vorgaben zu suspendieren.

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Akte der europäischen Gesetzgebung wirken einheitlich und unmittelbar. Die hessische Landesregierung ist daher nicht ermächtigt, Akte der europäischen Gesetzgebung pauschal für nicht anwendbar zu erklären. Diese Erkenntnis ist als Acte clair derart allgemein, dass es für sie – unabhängig davon, dass sie hier in einem nur vorläufigen Rechtsschutzverfahren erfolgt – nicht der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs bedarf.

b. Bei einem Vergleich der durch Art. 3 Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa und cc der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus gebildeten Gruppen von Verkaufsstellen des Einzelhandels in § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 18, 20 und 21 CoKoBeV einerseits und § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV andererseits ist die getroffene Differenzierung nicht nachvollziehbar. Die allgemeine Begründung nach § 28a Abs. 5 Satz 1 IfSG merkt hierzu an, „aufgrund der aktuellen epidemiologischen Situation“ würden – über die bisher privilegierten „Verkaufsstellen für Schnitt- und Topfblumen sowie für Blumengestecke und Grabschmuck“ hinaus – „Gartenmärkte, Baumschulen sowie Blumenläden … sowie Bau- und Heimwerkermärkte“ „nunmehr dem offenstehenden Einzelhandel zugerechnet und dien[t]en damit dem erweiterten Versorgungsbedarf der Bevölkerung angesichts der nunmehr bereits zweieinhalbmonatigen Schließung des Einzelhandels.“

Hessen verfolgt in der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung einen nicht eigentlich produkt-, sondern betriebsbezogenen Ansatz. Dem steht nicht § 3a Abs. 1 Satz 3 CoKoBEV entgegen, wenn dort auf den „Schwerpunkt im Sortiment“ abgestellt und eine über die – nicht näher definierte – Grundversorgung hinausgehende Sortimentserweiterungen nicht gestattet wird; vielmehr wird hier der betriebsbezogene Ansatz bestätigt. Entsteht, wie vorliegend nicht bestritten, durch die unterschiedlichen Regelungen nach den allgemeinen Bestimmungen des § 3 CoKoBeV (für die nach § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 18, 20 und 21 CoKoBeV Begünstigten) einerseits und den weitergehend einschränkenden des § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV andererseits eine Wettbewerbsverzerrung, da identische Produkte unter unterschiedlichen Konditionen angeboten werden, so ist eine Möglichkeit, dem mit den privatrechtlichen Mitteln des Wettbewerbsrechts erfolgreich entgegenzuwirken, im Ergebnis zu verneinen. Umso mehr kommt es auf die Rahmenbedingungen an, die der Verordnungsgeber setzt.

Die defizitäre Struktur der möglichen Rechtsfolgensetzung nach § 28a Abs. 1 Nr. 1 bis 17, Abs. 3 Satz 2, 4 bis 7 IfSG, der eine Zuordnung der einzeln benannten Maßnahmen zu den Stufen der Schwellenwerte fehlt, verlangt eine umso stimmigere Regelung beim Erlass von Rechtsverordnungen nach § 32 IfSG, um allgemein rechtsstaatlichen Anforderungen noch zu genügen. Berücksichtigungsfähig sind dabei allein infektionsschutzrechtlich relevante Tatbestände, Umstände und Gesichtspunkte am Maßstab des Ziels, mit den streitgegenständlichen – befristeten – Öffnungsverboten eine weitere Ausbreitung des Corona-Virus (SARS-CoV-2) zu verhindern (vgl. Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 9. März 2021 – 2 B 58/21 –, juris Rn. 20 = BeckRS 2021, 4001 Rn. 12). Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebietet nicht, dass der Verordnungsgeber von mehreren möglichen Lösungen die zweckmäßigste oder gar die „vernünftigste“ wählt. Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist vielmehr erst anzunehmen, wenn sich für die angegriffene normative Regelung und eine durch sie bewirkte Ungleichbehandlung kein sachlicher Grund finden lässt.

Insbesondere die Unterscheidung zwischen Gartenmärkten, Blumenläden, Bau- und Heimwerkermärkten sowie der Antragstellerin mit ihrem Grillsortiment ist nicht nachvollziehbar. Der Bezug auf die „aktuelle epidemiologische Situation“ lässt nicht einmal ansatzweise erkennen, warum bei Gartenmärkten, Blumenläden, Bau- und Heimwerkermärkten einerseits „auf die ersten 800 Quadratmeter Verkaufsfläche höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 10 Quadratmetern und auf die 800 Quadratmeter übersteigende Verkaufsfläche höchstens eine Person je angefangener 20 Quadratmeter eingelassen“ werden darf, bei der Antragstellerin andererseits dagegen „höchstens eine Person je angefangener Verkaufsfläche von 40 Quadratmetern“ Zugang zu gewähren sei. Die Anforderungen an Hygienekonzepte sind identisch. Nicht ausgeführt wird, warum die nach § 3 CoKoBeV in jedem Fall erforderlichen Hygieneregeln nicht genügen sollen. Das Abstellen auf die „bereits zweieinhalbmonatige Schließung des Einzelhandels“ hat keinen direkten infektionsschutzrechtlichen Bezug und beinhaltet damit für die hier getroffene Unterscheidung nach Quadratmetern eine sachfremde Erwägung. Die Sinnhaftigkeit des „click & meet“ erscheint zudem vor dem Hintergrund, dass eine Anmeldung vor Ort nicht ausgeschlossen ist, ebenfalls fraglich; lediglich beim Überschreiten der Höchstzahl zulässiger Kunden könnte sich auf den mit der Anmeldung verbundenen Grundsatz prior tempore potior iure berufen werden.

Ob die Grundannahme, die „aktuelle epidemiologische Situation“ rechtfertige eine Lockerung im Hinblick darauf, dass nach § 28a Abs. 3 Satz 10 IfSG unverändert „umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben“ sind, überhaupt zutrifft, ist hier nicht zu entscheiden. Die hessische Landesregierung geht in der Achtundzwanzigsten Verordnung zur Anpassung der Verordnungen zur Bekämpfung des Corona ausweislich deren Begründung jedenfalls davon aus, dass „sich der Rückgang der Fallzahlen seit einigen Tagen nicht weiter fort[setze]“ und sich „[a]ktuell … zudem ein erneuter Anstieg der Fallzahlen“ zeige, jedoch „[z]wei Faktoren … eine deutliche Veränderung des Pandemiegeschehens erwarten“ ließen, nämlich „die zunehmende Menge an Impfstoff sowie die Verfügbarkeit von Schnell- und Selbsttests“.

c. Bei einer Gesamtbetrachtung der Regelungen in § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV ist eine geltungserhaltende Reduktion nicht möglich. Selbst wenn die Anordnung der Datenerhebung für mit § 28a Abs. 1 Nr. 17, Abs. 4 IfSG und – im Hinblick auf den Erwägungsgrund 62 – auch Art. 13 DSGVO vereinbar gehalten wird, ist § 3a Abs. 1 Satz 2 Nr. 22 CoKoBeV wegen der pauschal verfügten Nichtanwendung europarechtlicher Vorgaben, die offenbar auf eine Entlastung der nach Art. 4 Nr. 7 DSGVO Verantwortlichen gerichtet ist, dergestalt unzulässig ist, da ihr eine Konzeption der Verarbeitung personenbezogener Daten zugrunde liegt, die unhaltbar ist. Dies schlägt auf die gesamte normative Konzeption durch.

2. Zutreffend nimmt die Antragstellerin über den Antragsgegner zu 1., der nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 HGöGD Träger des nach § 5 Abs. 1 HGöGD für die Durchführung des Infektionsschutzgesetzes zuständigen Gesundheitsamts ist, auch die Antragsgegnerin zu 2. in Anspruch. Dass auch insoweit ein Anordnungsgrund besteht, folgt aus § 7 CoKoBeV. Danach sind für den Vollzug der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung abweichend von § 5 Abs. 1 HGöGD neben den Gesundheitsämtern die örtlichen Ordnungsbehörden zuständig, wenn die Gesundheitsämter nicht rechtzeitig erreicht oder tätig werden können, um eine bestehende Gefahrensituation abwenden zu können. Zwar bestehen gegen die Wirksamkeit dieser Regelung ebenfalls Bedenken, da eine Rechtsverordnung nichts „abweichend“ von einem förmlichen Gesetz regeln kann, sofern dieses Gesetz das nicht ausdrücklich vorsieht. Aus § 22 Abs. 1 HGöGD folgt allein die Ermächtigung der hessischen Landesregierung, durch Rechtsverordnung die Zuständigkeiten der Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes abweichend von diesem Gesetz zu regeln. Doch kommt es hierauf nicht an, da die Ge- und Verbote der Corona-Kontakt- und Betriebsbeschränkungsverordnung Teil der objektiven Rechtsordnung und damit der öffentlichen Sicherheit sind, so dass ihre Verletzung ohnedies ein Tätigwerden der Ordnungsbehörde – unter Beachtung der Aufgabenabgrenzung nach § 2 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) – über die Generalklausel des § 11 HSOG ermöglichen würde. Daher ist für die begehrte Feststellung auch die Antragsgegnerin zu 2. passivlegitimiert.

3. C.

Als unterlegene Beteiligte haben die Antragsgegner nach § 154 Abs. 1, 159 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

D.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG. Danach ist dann, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, ein Streitwert von 5000 Euro anzunehmen. Im Hinblick darauf, dass das vorläufige Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, ist nach Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013 der Streitwert nicht zu ermäßigen.

 

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