Wegen laufender Beobachtung durch den Verfassungsschutz lehnte eine Sparkasse die Geschäftskontoeröffnung eines Verlags ab. Das Gericht musste klären, ob ein Kreditinstitut damit die Rolle einer staatlichen Verbotsbehörde einnehmen darf.
Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Darf eine Sparkasse die Kontoeröffnung verweigern, weil ihr ein Kunde politisch nicht passt?
- Wieso kam es überhaupt zum Streit vor Gericht?
- Mit welcher Begründung hat die Sparkasse die Kontoeröffnung abgelehnt?
- Warum hat das Gericht die Argumente der Sparkasse entkräftet?
- Rechtfertigt eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz eine Kontoablehnung?
- Sind alternative Zahlungsdienste ein vollwertiger Ersatz für ein Girokonto?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Darf mir die Sparkasse die Kontoeröffnung einfach verweigern?
- Rechtfertigt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eine Kontoablehnung?
- Was kann ich tun, wenn die Bank mein Geschäftskonto ablehnt?
- Muss die Sparkasse mir trotz Geldwäschegesetz-Zweifeln ein Konto eröffnen?
- Sind Kreditkarten oder ApplePay ein vollwertiger Ersatz für ein Geschäftskonto?
- Glossar
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 M 149/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen‑Anhalt
- Datum: 21. November 2024
- Aktenzeichen: 4 M 149/24
- Verfahren: Eilverfahren auf Kontoeröffnung
- Rechtsbereiche: Verfassungsrecht, Sparkassenrecht, Verwaltungsrecht
- Das Problem: Eine wirtschaftlich tätige Gesellschaft verlangte von einer Sparkasse die Eröffnung eines Firmenkontos. Die Sparkasse verweigerte die Kontoeröffnung. Sie begründete die Ablehnung mit der Beobachtung der Gesellschaft durch den Verfassungsschutz.
- Die Rechtsfrage: Darf eine Sparkasse eine Kontoeröffnung ablehnen, weil die Firma vom Verfassungsschutz beobachtet wird und ein behördliches Verbotsverfahren läuft? Ist die Ablehnung eine verbotene Ungleichbehandlung?
- Die Antwort: Ja. Die Sparkasse wurde per Eilanordnung zur vorläufigen Kontoeröffnung verpflichtet. Die bloße Beobachtung durch den Verfassungsschutz allein rechtfertigt keine Verweigerung. Die Sparkasse darf die Rolle der staatlichen Verbotsbehörde nicht vorwegnehmen.
- Die Bedeutung: Öffentliche Sparkassen sind zur flächendeckenden Versorgung verpflichtet. Sie sind an das Gleichheitsgebot gebunden. Sie dürfen Kunden nicht allein aufgrund staatlicher Beobachtung isolieren.
Der Fall vor Gericht
Darf eine Sparkasse die Kontoeröffnung verweigern, weil ihr ein Kunde politisch nicht passt?

Ein Unternehmen fand sich im Visier des Staates wieder. Während ein mögliches Verbot seiner Aktivitäten noch vor Gericht verhandelt wurde, brauchte es eine simple Grundlage für sein Geschäft: ein Girokonto. Die zuständige Sparkasse entschied sich, nicht auf ein rechtskräftiges Urteil zu warten. Sie verweigerte die Kontoeröffnung und behandelte das Unternehmen so, als sei es bereits verboten. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt musste klären, ob die Bank damit die öffentliche Ordnung schützte – oder ob sie sich zur Richterin über einen Fall machte, der ihr nicht zustand.
Wieso kam es überhaupt zum Streit vor Gericht?
Ein neu gegründetes Unternehmen, das eine Zeitschrift herausgibt und Veranstaltungen organisiert, wollte bei der örtlichen Sparkasse ein Geschäftskonto eröffnen. Ohne ein solches Konto ist eine Teilnahme am modernen Wirtschaftsleben unmöglich. Rechnungen können nicht bezahlt, Einnahmen nicht verbucht werden. Die Sparkasse lehnte den Antrag ab. Sie zählte eine ganze Reihe von Gründen auf: Zweifel am Geschäftssitz, unvollständige Angaben zu früheren Bankverbindungen und vor allem die Beobachtung des Unternehmens durch den Verfassungsschutz. Ein von der Bundesinnenministerin ausgesprochenes Vereinsverbot stand ebenfalls im Raum, auch wenn dessen sofortige Wirkung von einem anderen Gericht gerade ausgesetzt worden war. Das Unternehmen sah sich in seiner Existenz bedroht und zog im Eilverfahren vor Gericht, um die Sparkasse zur vorläufigen Kontoeröffnung zu zwingen.
Mit welcher Begründung hat die Sparkasse die Kontoeröffnung abgelehnt?
Die Sparkasse baute eine Verteidigungslinie mit mehreren Argumenten auf. Zuerst zweifelte sie an formalen Aspekten. Der Geschäftssitz sei nicht eindeutig in ihrem Zuständigkeitsbereich. Die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten seien unklar, was ihre Pflichten aus dem Geldwäschegesetz (GwG) verletze. Die entscheidenden Einwände waren aber politischer Natur. Die Erwähnung des Unternehmens im Verfassungsschutzbericht und das laufende Verbotsverfahren seien ausreichende Gründe, die Geschäftsbeziehung abzulehnen. Die Sparkasse sah sich im Recht, zum Schutz der öffentlichen Ordnung zu handeln. Sie argumentierte weiter, das Unternehmen könne auf alternative Zahlungsdienste wie ApplePay oder Kreditkarten ausweichen. Ein eigenes Girokonto sei nicht zwingend notwendig.
Warum hat das Gericht die Argumente der Sparkasse entkräftet?
Das Oberverwaltungsgericht zerlegte die Argumentation der Sparkasse Punkt für Punkt. Die Richter stellten klar, dass eine Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts eine besondere Rolle hat. Sie ist Teil der staatlichen Daseinsvorsorge und zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit Bankdienstleistungen verpflichtet (§ 2 Abs. 1 SpkG-LSA). Sie ist direkt an die Grundrechte gebunden, allen voran an den allgemeinen Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes. Das bedeutet: Sie darf niemanden ohne einen triftigen, sachlichen Grund anders behandeln als andere Kunden in einer vergleichbaren Lage.
Die formalen Einwände des Geldinstituts hielten dieser Prüfung nicht stand. Das Gericht befand, das Unternehmen habe mit dem Handelsregisterauszug seinen Geschäftssitz im Bezirk der Sparkasse ausreichend nachgewiesen. Auch die Pflichten nach dem Geldwäschegesetz sah das Gericht als erfüllt an. Das Unternehmen legte alle nötigen Unterlagen vor – vom Gesellschaftervertrag bis zum Ausweis des alleinigen Geschäftsführers und wirtschaftlich Berechtigten. Die Sparkasse konnte nicht konkret darlegen, welche Informationen ihr zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten (§ 10 GwG) noch fehlten.
Rechtfertigt eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz eine Kontoablehnung?
Hier lag der Kern der Entscheidung. Das Gericht zementierte einen wichtigen Grundsatz: Eine Bank darf nicht die Rolle der staatlichen Verbotsbehörde einnehmen. Die bloße Beobachtung durch den Verfassungsschutz oder die Erwähnung in einem Bericht ist kein rechtskräftiges Urteil. Es ist ein Verdacht, eine Einschätzung – mehr nicht. Ein laufendes Verbotsverfahren, dessen Ausgang offen ist, ändert daran nichts. Im Gegenteil hatte das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen das Verbot sogar wiederhergestellt. Im Klartext: Bis zu einer endgültigen Entscheidung darf das Unternehmen nicht so behandelt werden, als wäre es bereits verboten.
Eine Sparkasse, so die Richter, kann nicht durch die Verweigerung eines Kontos ein Faktisches Berufsverbot aussprechen und damit dem Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens vorgreifen. Das wäre nur anders, wenn konkrete Anhaltspunkte vorlägen, dass das Konto für strafbare Handlungen missbraucht werden soll. Solche Beweise legte die Sparkasse nicht vor.
Sind alternative Zahlungsdienste ein vollwertiger Ersatz für ein Girokonto?
Auch dieses Argument der Sparkasse pulverisierten die Richter. Zahlungsdienste wie ApplePay, GooglePay oder die Nutzung von Kreditkarten sind kein gleichwertiger Ersatz für ein Geschäftskonto. Sie hängen von externen Dienstleistern ab und setzen ihrerseits meist ein Referenzkonto voraus. Überweisungen an Lieferanten, der Einzug von Forderungen oder simple Bargeschäfte sind ohne ein echtes Girokonto nicht oder nur stark eingeschränkt möglich. Die Verweigerung des Kontos schnitt das Unternehmen vom grundlegenden bargeldlosen Zahlungsverkehr ab – ein Zustand, den das Gericht als unzumutbaren Nachteil wertete. Auf Basis dieser umfassenden Abwägung verpflichtete das Oberverwaltungsgericht die Sparkasse, dem Unternehmen vorläufig ein Girokonto zu eröffnen und zu führen.
Die Urteilslogik
Öffentliche Bankinstitute dürfen keine faktischen Berufsverbote aussprechen, indem sie grundlegende Bankdienstleistungen verweigern.
- Öffentliche Pflicht zur Gleichbehandlung: Als Anstalten des öffentlichen Rechts müssen Sparkassen den allgemeinen Gleichheitssatz wahren und dürfen Kunden nur aufgrund eines triftigen, sachlichen Grundes ungleich behandeln.
- Vorverurteilung ist untersagt: Die bloße Beobachtung eines Unternehmens durch den Verfassungsschutz oder ein laufendes Verbotsverfahren rechtfertigt keine Kontoablehnung und erlaubt es Banken nicht, einem rechtsstaatlichen Verfahren vorzugreifen.
- Girokonto ist alternativlos: Alternative Zahlungsdienste wie mobile Bezahldienste oder Kreditkarten ersetzen ein vollwertiges Geschäftskonto nicht, da dieses für die Teilnahme am grundlegenden bargeldlosen Zahlungsverkehr unerlässlich ist.
Der Rechtsstaat schützt die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen, solange keine konkreten Beweise für strafbare Handlungen oder rechtskräftige Verbote vorliegen.
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Experten Kommentar
Die Versuchung ist groß: Wenn der Verfassungsschutz einen Kunden beobachtet, wollen Sparkassen lieber auf Nummer sicher gehen und politischen Ärger vermeiden. Das Gericht zieht hier eine klare rote Linie: Eine Bank mit öffentlichem Auftrag ist keine politische Zensurbehörde und darf nicht vorauseilend die Rolle des Richters einnehmen, indem sie ein faktisches Berufsverbot ausspricht. Solange kein rechtskräftiges Verbot vorliegt, gilt das Gleichheitsgebot konsequent; bloße politische Bedenken oder Verdachtsmomente sind kein sachlicher Grund für eine Kontoablehnung durch die Sparkasse. Das ist eine wichtige Klarstellung: Die Pflicht zur Kontoeröffnung für Unternehmen bleibt bestehen, selbst wenn der Kunde der Institution politisch nicht passt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Darf mir die Sparkasse die Kontoeröffnung einfach verweigern?
Nein, die Sparkasse darf die Kontoeröffnung nicht willkürlich verweigern. Da sie eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist, trägt sie eine besondere Verantwortung: die Daseinsvorsorge. Diese verpflichtet sie zur flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung mit grundlegenden Bankdienstleistungen. Sie ist direkt an den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) gebunden und muss grundsätzlich jeden Antragsteller gleich behandeln.
Die Regel: Eine Ablehnung ist nur zulässig, wenn ein schwerwiegender, sachlicher Grund vorliegt. Die Ablehnungsgründe müssen über vage Zweifel hinausgehen, denn die Sparkasse kann nicht willkürlich entscheiden. Gerichte fordern, dass die Sparkasse ihre Entscheidung detailliert und nachvollziehbar belegen kann. Vorgebrachte formale Mängel oder unkonkrete Compliance-Bedenken reichen oft nicht aus. Ein triftiger Grund liegt typischerweise nur bei einem konkreten Verdacht auf strafbare Handlungen oder Geldwäsche vor.
Diese Pflicht zur Gleichbehandlung wurde etwa vom Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt in einem Fall betont. Die Sparkasse versuchte dort, die Kontoeröffnung aufgrund politischer Verdachtsmomente zu verhindern, ohne konkrete Beweise für strafbare Taten vorzulegen. Das Gericht entkräftete diese Argumentation. Es stellte fest, dass die Bank nicht die Rolle der Verbotsbehörde einnehmen darf und ihre öffentlich-rechtliche Pflicht zur Bereitstellung eines Girokontos erfüllen muss.
Fordern Sie die Sparkasse schriftlich auf, die Ablehnung unter Berufung auf ihre Pflicht zur Daseinsvorsorge (§ 2 Abs. 1 SpkG-LSA) und den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) detailliert zu widerrufen und setzen Sie dafür eine Frist von sieben bis zehn Tagen.
Rechtfertigt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz eine Kontoablehnung?
Nein, die bloße Beobachtung oder die Erwähnung in einem Bericht des Verfassungsschutzes reicht für eine Kontoablehnung nicht aus. Das Gericht hat klargestellt, dass eine Bank nicht die Rolle einer staatlichen Verbotsbehörde übernehmen darf. Politische Verdachtsmomente oder Einschätzungen dürfen niemals die Basis für ein faktisches Berufsverbot sein, indem die finanzielle Existenzgrundlage entzogen wird.
Eine Beobachtung durch staatliche Stellen ist lediglich eine politische Einschätzung oder ein Verdacht. Diese Einstufung kommt keinem rechtskräftigen Urteil gleich, das die Illegalität einer Geschäftstätigkeit rechtlich feststellt. Banken sind nicht befugt, über die Legalität eines Unternehmens zu urteilen oder dem Ergebnis eines laufenden rechtsstaatlichen Verfahrens vorzugreifen. Eine Bank muss ihre Entscheidung auf Tatsachen gründen und nicht auf offene politische Verfahren.
Eine Verweigerung der Kontoeröffnung aus politischen Gründen ist nur dann zulässig, wenn die Bank konkrete Beweise vorlegt. Diese Beweise müssen belegen, dass das Konto unmittelbar für strafbare oder kriminelle Handlungen missbraucht werden soll. Vage Hinweise oder die bloße Erwähnung in einem Bericht reichen dafür nicht aus, um die Pflicht der Sparkasse zur Daseinsvorsorge zu überstimmen.
Fordern Sie die Bank schriftlich auf, die konkreten Beweise zu benennen, die über den bloßen Verdacht des Verfassungsschutzes hinausgehen und einen Missbrauch des Kontos belegen.
Was kann ich tun, wenn die Bank mein Geschäftskonto ablehnt?
Wenn die Sparkasse die Eröffnung Ihres Geschäftskontos verweigert, müssen Sie schnell handeln, da dies eine akute Bedrohung für die Existenz Ihres Unternehmens darstellt. Der schnellste und effektivste Weg, die Kontoführung zu erzwingen, ist das Eilverfahren vor dem zuständigen Oberverwaltungsgericht. Im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes setzen Sie die Sparkasse unter Zwang, das Konto vorläufig zu eröffnen und zu führen.
Verschwenden Sie keine Zeit mit langwierigen informellen Widersprüchen oder der Nutzung von Schlichtungsstellen. Die Ablehnung eines Geschäftskontos verhindert, dass Sie Rechnungen bezahlen oder Einnahmen verbuchen können, was eine unmittelbare existenzbedrohende Gefahr bedeutet. Da Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts zur Daseinsvorsorge verpflichtet sind, müssen Sie diesen sofortigen juristischen Zwangsweg wählen, um Ihre Rechte durchzusetzen und die Kontoführung sicherzustellen.
Prüfen Sie vor dem Gang zum Gericht, ob Sie alle formalen Nachweise, wie den Handelsregisterauszug und die Identitätsnachweise der Berechtigten, lückenlos vorgelegt haben. Dokumentieren Sie die Ablehnung der Bank und die spezifischen Gründe detailliert. Das Unternehmen in unserem Fall sah sich in seiner Existenz bedroht und zog deshalb sofort ins Eilverfahren vor Gericht. Es war notwendig, die Sparkasse auf diesem Weg zur vorläufigen Kontoeröffnung zu zwingen, um die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr wiederherzustellen.
Kontaktieren Sie umgehend einen Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und übergeben Sie ihm alle Ablehnungsbegründungen, um den Eilantrag vorbereiten zu lassen.
Muss die Sparkasse mir trotz Geldwäschegesetz-Zweifeln ein Konto eröffnen?
Ja, die Sparkasse muss Ihnen das Konto eröffnen, sofern Sie alle gesetzlich geforderten Identifikationsdokumente und Nachweise vorgelegt haben. Gerichte sehen es kritisch, wenn Banken vage auf „Compliance-Zweifel“ verweisen, um eine Ablehnung zu rechtfertigen. Die Sparkasse trägt die Beweislast, wenn sie die von Ihnen erbrachten Angaben als unvollständig bewertet.
Zunächst sind Sie verpflichtet, Ihre Sorgfaltspflichten nach dem Geldwäschegesetz (GwG) vollständig zu erfüllen. Dies umfasst die lückenlose Vorlage aller Dokumente zur Identifizierung, einschließlich des Handelsregisterauszugs sowie klarer Angaben zu allen wirtschaftlich Berechtigten. Sobald Sie diese Unterlagen eingereicht haben, muss die Sparkasse ihre Ablehnung sehr konkret begründen. Sie kann die GwG-Regeln nicht missbräuchlich zur Verschleierung anderer Ablehnungsgründe nutzen.
Im konkreten Fall urteilte das Oberverwaltungsgericht, dass die Bank nicht nur allgemein auf unvollständige Angaben pochen durfte. Vielmehr musste die Sparkasse präzise benennen, welche spezifischen Informationen ihr zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten gemäß § 10 GwG noch fehlten. Kann die Bank keine konkrete Lücke nennen, entkräftet dies den Einwand der unzureichenden Geldwäsche-Prüfung.
Erstellen Sie ein Protokoll aller übermittelten Dokumente und fordern Sie die Sparkasse schriftlich zur Angabe der exakt fehlenden Information unter Nennung des entsprechenden Paragrafen auf.
Sind Kreditkarten oder ApplePay ein vollwertiger Ersatz für ein Geschäftskonto?
Nein, das Oberverwaltungsgericht hat diese Ausweichargumentation der Bank klar zurückgewiesen. Das Gericht stellte fest, dass alternative Zahlungsdienste wie Kreditkarten oder Mobile-Payment keinen gleichwertigen Ersatz für ein vollwertiges Geschäftskonto bieten. Ohne ein echtes Girokonto wird der notwendige bargeldlose Zahlungsverkehr massiv eingeschränkt. Dies führt dem betroffenen Unternehmen einen unzumutbaren Nachteil zu.
Zahlungsdienste von Drittanbietern funktionieren nicht autark, sondern benötigen in der Regel ein zugrundeliegendes Referenzkonto. Sie eignen sich daher nicht für das tägliche Liquiditätsmanagement, das für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung notwendig ist. Geschäftskritische Funktionen wie die monatlichen Gehaltszahlungen an Mitarbeiter oder die Bezahlung von Miete und Pacht sind über reine Mobile-Payment-Lösungen stark eingeschränkt oder überhaupt nicht durchführbar. Solche Alternativen bilden keine stabile Grundlage für den kontinuierlichen Geschäftsbetrieb.
Besonders problematisch wird es bei standardisierten Vorgängen, die das moderne Wirtschaftsleben zwingend erfordert. Das Gericht betonte, dass der Einzug von Forderungen per SEPA-Lastschriftverfahren ohne ein eigenes Girokonto praktisch unmöglich ist. Die Bank darf das Unternehmen nicht faktisch vom modernen Wirtschaftsleben abschneiden. Diese Verweigerung eines Kontos werteten die Richter juristisch als unzumutbaren Nachteil für die wirtschaftliche Existenz des Antragstellers.
Dokumentieren Sie genau, welche essentiellen Geschäftsvorfälle ohne das Girokonto unmöglich oder unverhältnismäßig aufwendig sind, um die Unzumutbarkeit rechtlich zu belegen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Anstalt des öffentlichen Rechts
Eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist eine vom Staat oder Land errichtete, selbstständige Organisation, die dazu bestimmt ist, bestimmte öffentliche Aufgaben zu erfüllen.
Solche Anstalten sind direkt an die Grundrechte gebunden und müssen das Gemeinwohl fördern, weshalb für sie strengere Pflichten gelten als für private Unternehmen.
Beispiel: Da die Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts der Daseinsvorsorge dient, durfte sie die Kontoeröffnung nicht willkürlich ablehnen, sondern musste sich strikt an den Gleichheitssatz halten.
Daseinsvorsorge
Daseinsvorsorge bezeichnet die gesetzliche Pflicht des Staates und seiner öffentlichen Institutionen (wie Sparkassen), die Bevölkerung flächendeckend mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen zu versorgen.
Das Gesetz stellt damit sicher, dass essenzielle Dienste wie Strom, Wasser oder im modernen Kontext auch der bargeldlose Zahlungsverkehr, jedem Bürger und Unternehmen zugänglich sind.
Beispiel: Aufgrund der Pflicht zur Daseinsvorsorge sah das Oberverwaltungsgericht die Sparkasse in der Verantwortung, dem Unternehmen den Zugang zu einem Girokonto und damit zum modernen Wirtschaftsleben zu ermöglichen.
Eilverfahren (Einstweiliger Rechtsschutz)
Das Eilverfahren ist ein schnelles gerichtliches Verfahren, mit dem Bürger und Unternehmen eine vorläufige Regelung durchsetzen können, wenn die Gefahr besteht, dass ihnen ohne sofortige Hilfe unzumutbare Nachteile entstehen.
Das Gericht gewährt diesen einstweiligen Rechtsschutz, um die wirtschaftliche Existenz von Antragstellern zu sichern, solange das langwierige Hauptsacheverfahren über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme noch nicht abgeschlossen ist.
Beispiel: Das Unternehmen zog ins Eilverfahren vor das Oberverwaltungsgericht, um die Sparkasse zur vorläufigen Kontoeröffnung zu zwingen, weil die Ablehnung die weitere Geschäftsführung unmöglich machte.
Faktisches Berufsverbot
Von einem faktischen Berufsverbot sprechen Juristen, wenn jemandem durch eine staatliche oder staatlich kontrollierte Maßnahme die wirtschaftliche Existenzgrundlage entzogen wird, ohne dass ein formelles, rechtskräftiges Verbot vorliegt.
Das Prinzip schützt die Berufsfreiheit (Art. 12 GG), da die Bank durch die Kontoverweigerung nicht selbst über die Legalität einer Tätigkeit urteilen und damit dem Ergebnis eines Verbotsverfahrens vorgreifen darf.
Beispiel: Das Oberverwaltungsgericht verhinderte ein faktisches Berufsverbot, indem es klarstellte, dass die Sparkasse die finanzielle Grundlage eines Unternehmens nicht wegen eines bloßen Verdachts entziehen darf.
Geldwäschegesetz (GwG)
Das Geldwäschegesetz (GwG) verpflichtet Finanzinstitute zu weitreichenden Sorgfaltspflichten und Kontrollen, um die Nutzung des Finanzsystems für die Verschleierung illegal erworbener Gelder zu unterbinden.
Das Gesetz dient der Kriminalitätsbekämpfung und zwingt Banken, ihre Kunden präzise zu identifizieren sowie die Angaben zu den wirtschaftlich Berechtigten lückenlos festzustellen.
Beispiel: Die Sparkasse versuchte, ihre Ablehnung mit unzureichenden Angaben zu den Berechtigten gemäß § 10 GwG zu begründen, was das Gericht jedoch entkräftete, da das Unternehmen alle geforderten Unterlagen vorgelegt hatte.
Gleichheitssatz (Allgemeiner Gleichheitssatz)
Der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) ist ein Grundrecht, das besagt, dass alle Menschen und Unternehmen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind und eine ungleiche Behandlung einen triftigen, sachlichen Grund erfordert.
Dieses grundlegende Verfassungsprinzip bindet auch Anstalten des öffentlichen Rechts, sodass die Sparkasse ihre Entscheidung nicht auf politische Einschätzungen, sondern nur auf objektive, im Gesetz verankerte Gründe stützen darf.
Beispiel: Weil die Sparkasse direkt an den Gleichheitssatz gebunden ist, musste sie die Ablehnung der Kontoeröffnung im Streitfall detailliert und anhand von Tatsachen belegen.
Das vorliegende Urteil
Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 4 M 149/24 – Beschluss vom 21.11.2024
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Ich bin seit meiner Zulassung als Rechtsanwalt im Jahr 2003 Teil der Kanzlei der Rechtsanwälte Kotz in Kreuztal bei Siegen. Als Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Versicherungsrecht, sowie als Notar setze ich mich erfolgreich für meine Mandanten ein. Weitere Tätigkeitsschwerpunkte sind Mietrecht, Strafrecht, Verbraucherrecht, Reiserecht, Medizinrecht, Internetrecht, Verwaltungsrecht und Erbrecht. Ferner bin ich Mitglied im Deutschen Anwaltverein und in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften. Als Rechtsanwalt bin ich bundesweit in allen Rechtsgebieten tätig und engagiere mich unter anderem als Vertragsanwalt für […] mehr über Dr. Christian Gerd Kotz





