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Streitigkeit nach Bundes-Bodenschutzgesetz

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung

Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein – Az.: 6 B 21/20 – Beschluss vom 17.03.2021

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29. Juni 2020 gegen die in dem Bescheid vom 27. Mai 2020 enthaltenen Ziffern 1 – 9 wird wiederhergestellt.

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die in dem Bescheid vom 27. Mai 2020 enthaltene Zwangsgeldandrohung wird angeordnet.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 35.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 29. Juni 2020 gegen die Anordnung des Antragsgegners vom 27. Mai 2020 wiederherzustellen, begehrt der Antragsteller bei sachgerechter Würdigung seines Begehrens (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 29. Juni 2020 gegen die im Bescheid vom 27. Mai 2020 in Ziffer 1 – 9 enthaltenen Verfügungen wiederherzustellen und gegen die ebenfalls im Bescheid enthaltene Zwangsgeldandrohung anzuordnen.

Der so verstandene Antrag ist zulässig.

Der Antrag ist hinsichtlich der Ziffern 1 – 9 gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthaft, weil der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung dieser Ziffern angeordnet hat. Der Antrag hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO statthaft.

Der Antrag ist auch begründet.

Die in der Ordnungsverfügung vom 27. Mai 2020 enthaltene Begründung zur sofortigen Vollziehung genügt in formeller Hinsicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Hiernach ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 – 1 DB 26.01 –, Rn. 6, juris). Der zuständige Antragsgegner ist der gesetzlichen Verpflichtung, die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu begründen, in ausreichendem Maße nachgekommen. Seine Ausführung, weshalb eine sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten ist, erschöpft sich nicht in formelhaften Ausführungen oder einem Verweis auf den Wortlaut des § 80 Abs. 3 VwGO. Ein hinreichender Einzelfallbezug sowie die Darlegung der Dringlichkeit sind gegeben, da in der Begründung konkret auf die mit der schädlichen Bodenveränderung verbundenen Gefahren für die betroffenen Schutzgüter Grundwasser und Boden abgestellt wird.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist jedoch materiell rechtswidrig.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet worden ist, ganz oder teilweise wiederherstellen. Im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, bei der das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen hat, sind die widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Wenn das private Aussetzungsinteresse das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt, kann der Antrag in der Sache Erfolg haben. Maßgeblich hierfür sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die das Gericht summarisch überprüft. Ist bei der danach gebotenen summarischen Überprüfung davon auszugehen, dass der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, überwiegt regelmäßig das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da an der Vollziehung eines offensichtlich rechtswidrigen Bescheides kein besonderes Interesse bestehen kann. Ist demgegenüber der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig, überwiegt das Vollzugsinteresse, wenn ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes besteht. Maßgebend für die Interessenabwägung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung des Gerichts (vgl. Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 5 ME 121/07 –, Rn. 19, juris).

Bei Anwendung der oben dargestellten Maßstäbe geht die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragsgegners aus. Das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers ist höher zu bewerten als das öffentliche Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung der bodenschutzrechtlichen Anordnung vom 27. Mai 2020. Diese erweist sich nach der gebotenen summarischen Prüfung jedenfalls als nicht offensichtlich rechtmäßig.

Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG. Hiernach können die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen verpflichtet werden, die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht.

Der Bescheid ist bereits formell rechtswidrig. Die in dem Bescheid enthaltene Begründung entspricht nicht den Anforderungen des § 109 Abs. 1 LVwG SH. Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.

Dies ist hier nicht der Fall.

Die Begründung der hier streitgegenständlichen bodenschutzrechtlichen Anordnung enthält lediglich Ausführungen dazu, weshalb der Antragsgegner im Rahmen der Störerauswahl allein den Antragsteller als Handlungs- und Zustandsstörer herangezogen hat. Sie lässt aber nicht im Ansatz erkennen, weshalb der Antragsgegner von einer Inanspruchnahme der Stadt … als Eigentümerin der Flurstücke … der Gemarkung … Abstand genommen hat, gleichwohl sich aus den Verwaltungsvorgängen (Vermerke vom 15. Februar 2019 (Blatt 1739 Beiakte E) und vom 8. März 2019 (Blatt 1743 Beiakte E)) ergibt, dass der Antragsgegner auch eine Heranziehung der Stadt … als Grundstückseigentümerin grundsätzlich in Betracht gezogen hat. Diese Überlegung wurde aber – so der Vermerk vom 8. März 2019 – mit der Begründung verworfen, dass grundsätzlich gegen eine Behörde nicht vollstreckt werden könne. Dies ist nicht nachvollziehbar, weil keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Stadt … sich vor Erlass der streitgegenständlichen Anordnung geweigert hätte, etwaigen bodenschutzrechtlichen Anordnungen nicht zu befolgen. Zudem hat der Antragsgegner eine Inanspruchnahme der Stadt … nur für den Fall in Erwägung gezogen, wenn diese freiwillig handelt. Weshalb eine Inanspruchnahme der Stadt … nur für diesen Fall erfolgen sollte, lässt sich den Ausführungen jedoch nicht entnehmen.

Auch der Vermerk des Antragsgegners vom 28. November 2019 (Blatt 1814 Beiakte E) weist auf die Erforderlichkeit einer Störerauswahl zwischen allen in Betracht kommenden Personen hin. Dort konstatiert der Antragsgegner unter Hinweis auf eine Entscheidung des OVG Münster, dass die Auswahlentscheidung fehlerhaft ist, wenn nicht alle in Betracht kommenden Adressaten ermittelt werden. Sodann kommt er zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller als „Eigentümer“ der defekten Grundwassermessstelle Br 3. die Kosten für die Reparatur/Ertüchtigung zu zahlen hat. Ausführungen dazu, dass grundsätzlich auch die Stadt … in Betracht käme, sind nicht erkennbar.

Streitigkeit nach Bundes-Bodenschutzgesetz
(Symbolfoto: Von NDAB Creativity /Shutterstock.com)

Eine Auseinandersetzung mit der Verantwortlichkeit der Stadt … im Bescheid wäre insbesondere auch mit Blick auf die ungeklärten Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der zu ertüchtigenden Grundwassermessstelle Br. 3 auf dem Grundstück … naheliegend gewesen. Zwar hat der Antragsteller die Errichtung der Grundwassermessstelle in Auftrag gegeben. Da er jedoch etwaige Eigentums- oder sonstige Nutzungsrechte an der Grundwassermessstelle bestreitet und auch die Stadt …x hierzu keine Stellung bezogen hat, hätte der Antragsgegner im Rahmen der Begründung des Bescheides der Frage nachgehen müssen, wie sich die ungeklärten Eigentumsverhältnisse auf die Verteilung der Verantwortlichkeit auswirken. Dass dies letztlich nicht geschehen ist, ist mit Blick auf das Schreiben des Antragsgegners vom 26. Juni 2020 (Blatt 1922 der Beiakte E) an die Stadt …, mit dem diese erfolglos aufgefordert wurde, Stellung zu den Eigentumsverhältnissen der Grundwassermessstelle Br. 3 zu nehmen, nicht nachvollziehbar.

Vor diesem Hintergrund greift auch der Einwand des Antragsgegners, er habe bereits in seiner Verfügung vom 28. April 2006 (Blatt 253 Beiakte A) umfassend dargelegt, weshalb gerade die Inanspruchnahme des Antragstellers sachgerecht sei, nicht durch. Maßgeblich sind hier allein die Ausführungen des Bescheides vom 27. Mai 2020, aus denen – wie oben aufgezeigt – gerade nicht hervorgeht, weshalb der Antragsgegner davon Abstand genommen hat, die Stadt …x in Anspruch zu nehmen.

Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die Ziffern 1 – 9 der bodenschutzrechtlichen Anordnung führt auch zum Erfolg des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, da sie an die formelle Rechtswidrigkeit der in den Ziffern 1-9 enthaltenen Verfügungen des angegriffenen Bescheides anknüpft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. Der Streitwert beträgt für das Hauptsacheverfahren 70.000,00 €. Dieser war der ständigen Rechtsprechung der Kammer folgend für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu halbieren, was einen Streitwert von 35.000,00 € ergab.

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