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Dienstfahrzeug – Arbeitnehmerhaftung bei Verkehrsunfall

Hessisches Landesarbeitsgericht

Az.: 12 Sa 1288/07

Urteil vom 27.05.2008

Vorinstanz: Arbeitsgericht Offenbach, Az.: 6 Ca 41/07


Leitsatz:

Schadensersatz für vom Arbeitnehmer schuldhaft verursachtem Verkehrsunfall mit einem Dienstfahrzeug. Schwerpunkt: Maßstab der groben Fahrlässigkeit).
Klage einer Versicherung gegen einen Arbeitnehmer am übergegangenen Recht


Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 03. Juli 2007, Az. 6 Ca 41/07, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin klagt aus übergegangenem Recht auf Ersatz des vom Beklagten bei einem Verkehrsunfall verursachten Schadens.

Der Beklagte verursachte mit einem Fahrzeug seiner Arbeitgeberin, der A, am 4.08.2006 im Rahmen einer dienstlich veranlassten Fahrt einen Autounfall. Das Fahrzeug war bei der Klägerin mit einer Selbstbeteiligung von € 300,– vollkaskoversichert. Es erlitt bei dem Unfall einen Totalschaden und musste abgeschleppt werden. Die Arbeitgeberin nahm die Versicherung in Anspruch. Die Klägerin zahlte an die Arbeitgeberin zur Regulierung des Schadens unter Berücksichtigung von Wiederbeschaffungs- und Restwert sowie Selbstbeteiligung einen Betrag von € 5.517,25 zuzüglich Abschleppkosten in Höhe von € 196,–.

Zu dem Unfall kam es, als der Beklagte die Ringstraße aus Richtung Heusenstamm kommend in Richtung Obertshausen befuhr und die Rembrücker Straße auf der Geradeausspur überqueren wollte. Da die Lichtzeichenanlage (LZA) an der Kreuzung Rot anzeigte, hielt er als erstes Fahrzeug an der Haltelinie an. Neben ihm befand sich jeweils eine Fahrspur für den links- bzw. rechtsabbiegenden Verkehr. Während er hielt, suchte er in seinem Radio einen Musiksender. Da hörte er ein Hupen und nahm wahr, dass der Verkehr in der Spur rechts neben ihm sich in Bewegung setzte. Aus den Augenwinkeln nahm er ein Grün an der LZA am rechten Fahrbahnrand wahr. Die dortige LZA ist zweigeteilt für den Geradeaus- bzw. für den Rechtsabbiegerverkehr. Darauf fuhr er ebenfalls los. Da das von ihm wahrgenommene Grünlicht nur für die Rechtsabbieger galt, fuhr er bei Rot in die Kreuzung ein und kollidierte mit einem von rechts mit etwa 50 km/h herankommenden Fahrzeug. Zu dem Zeitpunkt warteten in entgegenkommender Richtung keine Fahrzeuge an der LZA.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vorbringens beider Parteien und der gestellten Anträge in erster Instanz wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 169 – 172 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Offenbach (6 Ca 41/07) hat nach Beiziehung der Ermittlungsakte des Regierungspräsidiums Kassel (Az: 983.407075.5, Bl. 1 – 21) die Klage mit Urteil vom 3.07. 2007 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte den Unfall nicht subjektiv grob fahrlässig verursacht habe.

Die von der Klägerin gegen das ihr am 8.08.2007 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts eingelegte Berufung ist am 8.08.2007, die Berufungsbegründungsschrift am 14.09.2007 beim Landesarbeitsgericht eingegangen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist weiterhin der Ansicht, der Beklagte habe in der konkreten Unfallsituation die im Verkehr gebotene Sorgfalt in einem ungewöhnlich hohen Maß verletzt. Die Situation sei dadurch gekennzeichnet, dass der Beklagte die besonderen Gegebenheiten der Kreuzung und der Lichtzeichenanlage kannte, da sie sich auf seinem täglichen Heimweg befand. Er wusste, dass sich rechts neben ihm eine Rechtsabbiegerspur befand, dass die Ampeln getrennt für jede Spur geschaltet waren und dass die über der Fahrspur hängende Ampel nur einsehbar war, wenn er sich über das Lenkrad nach vorne beugte. Zudem hatte er seine Aufmerksamkeit mit dem Suchen eines Senders im Radio einer komplett anderen Beschäftigung als der der Beobachtung des Straßenverkehrs zugewandt. Aufgrund der Abwendung von der Verkehrssituation habe für ihn eine gesteigerte Sorgfaltspflicht bestanden, bevor er seine Fahrt fortsetzte, deren Beachtung von ihm als Ortskundigen umso eher zu erwarten gewesen wäre. Er hätte auf den flüchtigen Eindruck von Grün nicht losfahren dürfen, sondern sich noch einmal vergewissern müssen, ob für die Geradeausspur tatsächlich Grün angezeigt war.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 3.07.2007 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach, Az: 6 ca 41/07, den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.713,25 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.11.2006 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Er stellt noch einmal heraus, dass er nicht einfach aufgrund eines Hupzeichens eines anderen Verkehrsteilnehmers losgefahren sei. Vielmehr habe ihn dieses und der rechts von ihm anfahrende Verkehr zunächst dazu veranlasst, nach rechts auf die dortige LZA zu schauen. Dort habe er ein Grün wahrgenommen. Erst diese Fehlwahrnehmung habe ihn zum Fahren veranlasst.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs.6 ArbGG, 516, 519, 520 ZPO).

In der Sache selbst hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen eine Schadensersatzpflicht des Beklagten nach §§ 67 Abs. 1 S. 1 VVG, 15 Abs. 2 AKB verneint, weil der Unfall von ihm nicht subjektiv grob fahrlässig verursacht worden ist. Die erkennende Kammer folgt in vollem Umfang den überzeugenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung und macht sie sich zu Eigen. Anders war in zweiter Instanz nur, dass der vom Arbeitsgericht noch – mangels hinreichender Darlegungen der Klägerin – als wahr unterstellte, den Darlegungen des Klägers folgende Sachverhalt zum Zustandekommen des Unfalls unstreitig geworden ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Begründung des Arbeitsgerichts Bezug genommen.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin gibt lediglich noch Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen: Das Verhalten des Klägers stellt sich auch unter dem Aspekt, dass er sich vom Verkehr abgewandt und einer komplett anderen Beschäftigung, der Suche nach einem Sender im Radio, zugewandt hatte, keine grobe Pflichtverletzung dar. Sein Verhalten, ohne sorgfältige Prüfung der Verkehrssituation loszufahren, nachdem er durch ein Hupen aufgeschreckt wurde, ist subjektiv nur als einfache Fahrlässigkeit zu bewerten. Der Maßstab der groben Fahrlässigkeit, wie vom Arbeitsgericht unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts umschrieben, setzt voraus, dass sich eine schwerwiegende Zuwiderhandlung wie das Überfahren einer roten Ampel subjektiv als unentschuldbares Fehlverhalten erweist, es z.B. auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht (OLG Frankfurt 11.05.2001 – 24 U 231/99 -; BGH 29.01.2003 – IV ZR 173/01 -). Dies mag regelmäßig bei einem Rotlichtverstoß während der Teilnahme am rollenden Verkehr angenommen werden. Hier steht außer Frage, dass die gesamte Aufmerksamkeit uneingeschränkt und dauernd der Beobachtung der Verkehrssituation zu gelten hat und die gleichzeitige Ablenkung durch die Beschäftigung mit anderen Dingen als grob leichtsinnig oder nachlässig gewertet werden kann. Diese Bewertung des Pflichtverstoßes könnte auf die gegebene Situation nur dann ohne weiteres übertragen werden, wenn der Beklagte, ohne sich in irgendeiner Weise der Verkehrssituation zu vergewissern, lediglich auf ein vernommenes Hupzeichen angefahren wäre. Das war jedoch nicht der Fall. Vielmehr hat er, aufgeschreckt durch das Hupzeichen, weiter wahrgenommen, dass die Autos in der Spur rechts neben ihm losfuhren und dass, wenn auch fälschlich, die Ampelanlage am rechten Fahrbahnrand auch für den Geradeausverkehr Grün anzeigte. Der Grund für die Verursachung des Unfalls liegt also letztlich in einer Fehlwahrnehmung des Beklagten, nachdem er durch das Suchen eines Musiksenders abgelenkt war und durch ein Hupzeichen aufgeschreckt wurde. Fast jeder Autofahrer hat eine solche Situation schon einmal erlebt. Es ist ein Erfahrungswert und eine Eigenart menschlichen Verhaltens, dass in solchen Situationen, obwohl eigentlich angezeigt, nicht besonnen reagiert und vor der nächsten Handlung zunächst in Ruhe die Umgebung und die Situation geprüft werden, sondern dass das Hupen und Anfahren anderer Verkehrsteilnehmer inneren Druck und Unruhe erzeugen – wie beim Ertapptwerden bei einem Fehlverhalten -, die eher zu eingeschränkter Wahrnehmungsfähigkeit 8nd überhasteten Reaktionen (Mitzieheffekt) führen. So ist zwar zu konstatieren, dass der Beklagte sich, nachdem er durch das Suchen eines Radiosenders die Verkehrssituation an der Kreuzung nicht mehr wahrnahm, vor dem Anfahren sorgfältig die Verkehrsverhältnisse hätte prüfen müssen. Dass er dies unterlassen hat und eine überhastete Reaktion zu einer Falschwahrnehmung führte, stellt aus den ausgeführten Überlegungen nur ein einfach, aber kein grob fahrlässiges Verhalten dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 ZPO. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Für die Zulassung der Revision bestand keine gesetzlich begründbare Veran-lassung (§ 72 Abs.2 ArbGG).

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