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Aufenthaltsrecht und Einleitung eines Adoptionsverfahrens: unerlaubte Einreise

OVG Lüneburg

Az.: 11 ME 117/03

Beschluss vom 27.05.2003

Vorinstanz: VG Stade, Az.: 6 B 354/03, Urteil vom 26.03.2003


Das OVG Lüneburg hat am 27.05.2003 beschlossen:

Die Beschwerden der Antragstellerin bleiben ohne Erfolg.

Die mit ihnen vorgebrachten Einwände, die im Beschwerdeverfahren allein zu prüfen sind (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), zeigen nichts auf, was die Richtigkeit der angefochtenen Beschlüsse in Frage stellen könnte.

Tatbestand:

Die am 1. Mai 1985 geborene Antragstellerin, die chinesische Staatsangehörige ist, reiste am 21. November 2002 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie war im Besitz eines vom deutschen Generalkonsulat in Shanghai ausgestellten sog. Schengen-Visums, das vom 15. November 2002 bis zum 30. Januar 2003 befristet war und nur für Besuchszwecke galt. Seit dem 22. November 2002 wohnt sie bei ihrer Mutter (geb. 6.8.1966), die ebenfalls chinesische Staatsangehörige ist, und ihrem Stiefvater in C.. Ihre Mutter war am 18. August 2002 in das Bundesgebiet eingereist. Sie ist im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis, die ihr wegen der am 18. März 2002 in China erfolgten Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen D. (geb. am 4.12.1940) ausgestellt worden ist. Sie war in China verheiratet gewesen; ihre (erste) Ehe, aus der die Antragstellerin hervorgegangen ist, war am 29. März 1991 geschieden worden. Der leibliche Vater der Antragstellerin hat wieder geheiratet und lebt in China.

Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 6. Dezember 2002 beantragte der Stiefvater der Antragstellerin beim zuständigen Vormundschaftsgericht ihre Annahme als Kind; darin willigten sowohl die Antragstellerin als auch deren Mutter ein. Das Vormundschaftsgericht beschloss am 17. Januar 2003, mit der Entscheidung über den Adoptionsantrag im Hinblick auf § 1744 BGB ein Jahr abzuwarten, da die Antragstellerin erst seit dem 22. November 2002 in der Familie von Herrn D. wohne. Die Antragstellerin besucht seit dem 7. Januar 2003 die Hauptschule in C..

Mit Bescheid vom 21. Februar 2003 lehnte der Antragsgegner den Antrag der Antragstellerin vom 13. Januar 2002 auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung ab und forderte sie auf, spätestens bis zum 15. März 2003 auszureisen; zugleich drohte er ihr im Falle einer nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in die Volksrepublik China an.

Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 26. März 2003 – 6 B 354/03 – den Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Februar 2003 ab. Ebenfalls mit Beschluss vom 26. März 2003 – 6 B 305/03 – lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin ab, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihren Aufenthalt bis zum Abschluss des Adoptionsverfahrens zu dulden. Gegen diese beiden Beschlüsse richten sich die Beschwerden der Antragstellerin.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der vorläufige Rechtsschutzantrag im Hinblick auf die Versagung der Aufenthaltserlaubnis unzulässig, aber auch in der Sache unbegründet ist (1.). Ernstliche Zweifel bestehen auch nicht gegen die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer Duldung nicht glaubhaft gemacht hat (2.)

1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der wegen Versagung einer Aufenthaltserlaubnis von der Antragstellerin gestellte Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits unzulässig ist. Nach § 72 Abs. 1 AuslG hat der Widerspruch gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung keine aufschiebende Wirkung. Der Suspensiveffekt kann allerdings wiederhergestellt werden, wenn durch die Beantragung der Aufenthaltsgenehmigung die Fiktionswirkung des § 69 AuslG ausgelöst worden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 27.2.2002, NVwZ-Beil. 2002, 75; OVG NRW, Beschl. v. 20.2.2001, NWVBl 2001, 302; Sächs. OVG, Beschl. v. 12.12.2001 – 3 BS 159/01 -; Hamb. OVG, Beschl. v. 26.11.1996, FamRZ 1997, 1146). Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts verwiesen, die sich der Senat zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Demgegenüber kann sich die Antragstellerin nicht mit Erfolg darauf berufen, dass zu ihren Gunsten die Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2 AuslG eingetreten sei. Denn sie ist unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist (§ 69 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AuslG). Ihre Einreise war unerlaubt, weil sie nicht die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung besaß (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG). Zwar hatte ihr das deutsche Generalkonsulat in Shanghai ein sog. Schengen-Visum ausgestellt, doch vermochte dieses die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung nicht zu ersetzen (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 27.2.2002, a.a.O.). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 DVAuslG bedarf ein Visum der vorherigen Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Aufenthaltsbehörde, wenn der Ausländer sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten will. Eine solche Zustimmung hat der Antragsgegner jedoch nicht erteilt. Zwar hat er im Schreiben vom 19. Juni 2002 an das deutsche Generalkonsulat in Shanghai keine Bedenken gegen die Erteilung eines Visums für Besuchszwecke geäußert, zugleich aber ausdrücklich betont, dass er der Erteilung eines Visums zum Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland nicht zustimmen könne. Die Antragstellerin hat aber am 31. März 2002 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für „permanent“ gestellt und als Zweck des Aufenthalts „family reuniun“ angegeben. Aufgrund der fehlenden Zustimmung des Antragsgegners erteilte das deutsche Generalkonsulat in Shanghai der Antragstellerin am 23. Oktober 2002 lediglich ein Besuchsvisum für den Zeitraum vom 15. November 2002 bis zum 30. Januar 2003. Die Antragstellerin hatte deshalb schon nach ihren eigenen Angaben im Antrag vom 31. März 2002 einen Daueraufenthalt im Bundesgebiet beabsichtigt, so dass sie ohne die erforderliche Aufenthaltsgenehmigung – und daher unerlaubt – eingereist ist.

Wenn sie jetzt vorträgt, sie habe bei ihrer Einreise keinen Daueraufenthalt beabsichtigt sondern lediglich ihre Mutter und deren Mann in den Schulferien besuchen wollen, so steht dies mit ihren früheren Erklärungen und dem übrigen Akteninhalt in Widerspruch. Auch ihr leiblicher Vater hatte in einer notariell beurkundeten Erklärung vom 3. April 2002 angegeben, dass seine geschiedene Frau ihre gemeinsame Tochter nach Deutschland zum gemeinsamen Leben mitnehmen wolle, wozu er sein Einverständnis erkläre. Ebenso machte der Stiefvater der Antragstellerin im Schreiben vom 30. Mai 2002 an den Antragsgegner deutlich, dass seine Stieftochter nach Deutschland umziehen wolle, zumal es für diese keine entsprechende Betreuung in China mehr gebe, wenn seine Ehefrau zu ihm gezogen sei. Er führte weiter aus: „Die Frage einer möglichen Adoption von A. haben wir drei abgeklärt und werden diese organisieren, sobald beide in Deutschland sind.“ Ferner fügte er seinem Schreiben eine Stellungnahme des Schulleiters einer Hauptschule in E. vom 30. Mai 2002 bei, wonach dieser bereit war, die Antragstellerin „wegen ihrer besonderen persönlichen Situation in der Förderklasse für ausländische Kinder aufzunehmen“. Dass der Stiefvater der Antragstellerin an der Adoptionsabsicht auch in der Folgezeit festhielt, geht aus einem Schreiben des Notars Dr.  F. vom 24. September 2002 – also noch vor der Einreise der Antragstellerin am 21. November 2002 – hervor. Dementsprechend hat er auch am 6. Dezember 2002 einen Adoptionsantrag gestellt. Angesichts dieser aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlichen Vorgeschichte können die im Beschwerdeverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin und ihrer Mutter, die Antragstellerin habe nur zu Besuchszwecken nach Deutschland kommen wollen und erst im Laufe ihres Aufenthalts festgestellt, dass sie nicht zurück wolle, weil es ihr so gut hier gefalle, nur als Schutzbehauptung angesehen werden. Ein nach der Einreise eingetretener Sinneswandel hätte aber unter Darlegung plausibler Umstände glaubhaft gemacht werden müssen (vgl. etwa OVG NRW, Beschl. v. 20.2.2001, a.a.O.). Das Vorbringen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren, der Grund für den jetzt begehrten Daueraufenthalt habe sich erst nachträglich ergeben, erweist sich somit nach den gesamten Umständen des Falles als nicht stichhaltig.

Es sind auch keine Gründe erkennbar, die im Falle der Antragstellerin eine Ausnahme von der Einhaltung der Einreisevorschriften gebieten könnten. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 DVAuslG, der in bestimmten Ausnahmefällen die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach der Einreise ermöglicht, sind offensichtlich nicht erfüllt. Auch vermag Art. 6 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht die Freistellung von der Visumspflicht zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.6.1996, BVerwGE 101, 265).

Da nach alledem der Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkungen nach § 69 AuslG nicht ausgelöst hat, ist für die erstrebte Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs kein Raum.

Selbst wenn man den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO für zulässig halten würde, hätte das Begehren der Antragstellerin keinen Erfolg. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass ihr ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Zeitpunkt der Antragstellung am 31. März 2002, als sie noch minderjährig war, gemäß dem hier allein in Betracht kommenden § 20 Abs. 4 AuslG zugestanden hätte.

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis würde voraussichtlich bereits an dem Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG scheitern. Denn die Antragstellerin ist – wie oben dargelegt – entgegen § 11 Abs. 1 Nr. 1 DVAuslG ohne die vorherige Zustimmung des Antragsgegners und damit ohne das erforderliche Visum eingereist. Dass ihr erteilte Schengen-Visum reichte angesichts dessen, dass sie von vornherein beabsichtigte, sich länger als drei Monate im Bundesgebiet aufzuhalten, nicht aus, sondern es bedurfte der Ausstellung eines nationalen Visums gemäß § 3 AuslG (vgl. hierzu Hailbronner, AAH-SDÜ, Ausländerrecht D 8.2. Ziff. 1.3.2.). Ihr kann auch nicht ausnahmsweise eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erteilt werden, weil sie als chinesische Staatsangehörige unabhängig von Dauer und Zweck ihres Aufenthalts visumspflichtig ist. Zum anderen sind die Voraussetzungen des Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung offensichtlich nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss es sich insoweit um einen strikten Rechtsanspruch handeln; selbst eine Ermessensreduzierung auf Null im Einzelfall würde nicht ausreichen (Urt. v. 18.6.1996, DVBl. 1997, 174; vgl. auch Hailbronner, a.a.O., § 9 AuslG Rdnr. 10 a). Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20 Abs. 4 AuslG steht aber gerade im Ermessen der Ausländerbehörde, so dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG auch aus diesem Grund nicht erfüllt ist.

2. Ebenso wenig kann die Antragstellerin die einstweilige Aussetzung der Abschiebung nach § 123 Abs. 1 VwGO verlangen. Das Verwaltungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass sie einen Anordnungsanspruch auf Duldung ihres Aufenthalts bis zum Abschluss des Adoptionsverfahrens nicht glaubhaft gemacht hat. Die dagegen gerichteten Einwände der Antragstellerin, die sich im Wesentlichen auf Art. 6 Abs. 1 GG stützen, greifen nicht durch.

Nach § 55 Abs. 2 AuslG wird einem Ausländer eine Duldung erteilt, so lange seine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist oder nach § 53 Abs. 6 oder § 54 AuslG ausgesetzt werden soll. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Rechtlich unmöglich ist eine Abschiebung auch dann, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Beziehungen zu sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltenden Personen durch eine Ausreise zu unterbrechen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass auch die Adoptivfamilie vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfasst ist (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 25.10.1995, DVBl. 1996, 195; BVerwG, Beschl. v. 4.3.1993, InfAuslR 1993, 262; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 25.7.2002, VBlBW 2002, 495). Im vorliegenden Fall ist eine Adoption der Antragstellerin, die inzwischen volljährig geworden ist, aber noch nicht erfolgt. Es ist gegenwärtig auch nicht absehbar, ob und gegebenenfalls wann das Adoptionsverfahren abgeschlossen sein wird. Das zuständige Vormundschaftsgericht hat im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin erst seit dem 22. November 2002 in der Familie des Annehmenden (ihrem Stiefvater) wohnt, am 17. Januar 2003 beschlossen, dass mit der Entscheidung über den Adoptionsantrag ein Jahr abgewartet werden soll. Es hat mit Verfügung vom 12. Februar 2003 außerdem darauf hingewiesen, dass Voraussetzung für eine Volljährigenadoption nach § 1767 Abs. 1 BGB u.a. auch die sittliche Rechtfertigung sei. Diese sei nur dann zu bejahen, wenn ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden oder mit seiner Entstehung zu rechnen sei. Dies setze ebenso wie § 1744 BGB voraus, dass der Annehmende und die Anzunehmende über einen längeren Zeitraum in einem Haushalt gewohnt hätten. Auch darf das Rechtsinstitut der Volljährigenadoption nicht dazu missbraucht werden, Ausländern unter Umgehung ausländerrechtlicher Vorschriften den Verbleib in Deutschland zu ermöglichen (vgl. dazu Bay.OLG München, Beschl. v. 16.11.1999, InfAuslR 2000, 159). Erschwerend kommt im vorliegenden Fall hinzu, dass bisher offenbar die notwendige Einwilligung des leiblichen Vaters fehlt. Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Annahme als Kind demnächst zu erwarten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 25.7.1995 – 11 M
3284/95 -).

Selbst eine etwaige später zustande kommende Erwachsenenadoption hätte darüber hinaus – auch unabhängig von §§ 8 Abs. 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 1 AuslG – nicht zwangsläufig das Entstehen eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Folge. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 22 AuslG hätte die Antragstellerin nur dann die Möglichkeit, eine Aufenthaltserlaubnis zu erlangen, wenn die Versagung für sie eine „außergewöhnliche Härte“ bedeuten würde. Dies wäre der Fall, wenn unter Berücksichtigung des Schutzgebotes des Art. 6 Abs. 1 GG die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis schlechthin unvertretbar ist (vgl. Hailbronner, a.a.O., § 22 AuslG Rdnr. 4; Renner, AuslR, 7. Aufl., § 22 AuslG Rdnr. 4 ff.). Daran bestehen nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand des Senats erhebliche Zweifel. Unabhängig davon, dass die Antragstellerin inzwischen volljährig und deshalb weniger als früher auf den Beistand ihrer Mutter angewiesen ist, dürfte eine Rückkehr aus China auch aus anderen Gründen nicht unzumutbar sein. Insbesondere wäre sie – worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat – voraussichtlich nicht auf sich allein gestellt, da dort ihr leiblicher Vater lebt. Es ist nicht zu erwarten, dass dieser die erforderlicht Unterstützung verweigern würde. Dem kann die Antragstellerin nicht mit Erfolg entgegen halten, dass sie fast ihr ganzes Leben mit ihrer Mutter zusammen gelebt habe und sich in der neuen Familie ihres Vaters nicht geliebt fühle. Selbst wenn dies zutreffen sollte, was zweifelhaft erscheint (siehe unten), würden diese Gesichtspunkte voraussichtlich nicht ausreichen, um eine außergewöhnliche Härte im Sinne des § 22 AuslG anzunehmen.

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Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der familiären Bindung der Antragstellerin zu ihrer seit August 2002 in Deutschland lebenden Mutter. Der Senat vermag bereits der eidesstattlichen Versicherung der Antragstellerin (und ihrer Mutter), dass sie seit der Scheidung ihrer Eltern im März 1991 bis auf den kurzen Zeitraum zwischen der Ausreise ihrer Mutter und ihrer eigenen Einreise in das Bundesgebiet allein mit ihrer Mutter in China zusammen gelebt habe, keinen Glauben zu schenken. Diese Behauptung lässt sich weder mit den Angaben ihres Stiefvaters im Schreiben vom 30. Mai 2002 noch mit den von ihr selbst vorgelegten Urkunden aus der Volksrepublik China vereinbaren. Ihr Stiefvater hat darin ausgeführt, dass die Antragstellerin bis vor ca. einem halben Jahr bei ihrem leiblichen Vater in China gelebt habe; erst danach sei sie zu ihrer Mutter gezogen. Sie habe im gegenseitigen Einverständnis bei ihrem Vater gelebt, da ihre Mutter „durch ihre Arbeit der Betreuung ihrer Tochter nicht gerecht werden konnte“. Diese Angaben werden im Wesentlichen durch den Inhalt der von der Antragstellerin im Rahmen ihres Visumsverfahrens vorgelegten Unterlagen bestätigt. So geht aus der Ehescheidungsurkunde des Zivilamts der Provinz Zheyiang vom 29. März 1991 hervor, dass die Antragstellerin von ihrem leiblichen Vater aufgezogen werden sollte. Erst am 26. März 2002 wurde der Mutter der Antragstellerin durch Urteil des Volksgerichts der Stadt Wenzhou das Sorgerecht für die Antragstellerin übertragen. Der leibliche Vater der Antragstellerin stimmte mit Erklärung vom 3. April 2002 zu, dass seine Tochter zusammen mit ihrer Mutter in Deutschland leben kann. Hieraus hat das Verwaltungsgericht die nahe liegende Schlussfolgerung gezogen, dass sich die Antragstellerin, ihre Mutter und der leibliche Vater offensichtlich erst dann auf ein Zusammenleben der Antragstellerin mit ihrer Mutter geeinigt hätten, als sich abzeichnete, dass die Mutter einen deutschen Staatsangehörigen heiraten und nach Deutschland übersiedeln würde, wobei sich zugleich für die Antragstellerin in Deutschland eine Perspektive eröffnen würde. Die gegenteiligen eidesstattlichen Versicherungen der Antragstellerin und ihrer Mutter vom 2. April 2003 sind nach alledem nicht geeignet, diese Einschätzung des Verwaltungsgerichts zu erschüttern.

Aus den gleichen Gründen sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen der Ermessensvorschrift des § 55 Abs. 3 AuslG nicht erfüllt. Es liegen keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass zwingende humanitäre oder persönliche Gründe eine vorübergehende weitere Anwesenheit der Antragstellerin im Bundesgebiet erfordern. Dass die Antragstellerin ihren Schulbesuch in Deutschland abbrechen muss, falle nicht entscheidend ins Gewicht, da sie diesen erst am 7. Januar 2003 aufgenommen hat, zumal nicht darauf vertrauen konnte, ihn hier zu Ende führen zu können.

Schließlich steht der Antragstellerin auch nicht der erstmals im Beschwerdeverfahren geltend gemachte Duldungsgrund des § 55 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zur Seite. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass eine Abschiebung nach China im gegenwärtigen Zeitpunkt gesundheitlich nicht zu verantworten sei, da dort die Seuche SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) herrsche. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass der Antragstellerin bei einer Rückkehr nach China konkret mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine SARS-Erkrankung und damit Gefahren für Leib oder Leben landesweit droht (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1997, BVerwGE 108, 383). Vielmehr werden – wie allgemein bekannt – erhebliche Vorsorgemaßnahmen getroffen, die inzwischen nach Zeitungsmeldungen sogar dazu geführt haben, dass beispielsweise zwischenzeitlich geschlossene Schulen wieder ihren Unterricht aufgenommen haben (vgl. Süddeutsche Zeitung v. 23.5.2003, S. 12). Auch hat China die niedrigste Zahl neuer SARS-Infektionen seit fünf Wochen gemeldet (vgl. Landeszeitung für die Lüneburger Heide v. 27.5.2003, S. 31).

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