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Totenfürsorgerecht – Versagung des Zugangs naher Angehöriger zum Leichnam

Das Landgericht Bielefeld bestätigt in seinem Urteil Az.: 21 S 10/15 vom 24.02.2016, dass die Berufung des Klägers gegen ein früheres Urteil des Amtsgerichts Bielefeld abgewiesen wird. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der Versagung des Zugangs zum Leichnam seines Vaters. Die Entscheidung beruht auf dem Grundsatz, dass das Totenfürsorgerecht primär den Willen des Verstorbenen berücksichtigt und im vorliegenden Fall der Beklagten, als zweiter Ehefrau des Verstorbenen, das alleinige Recht zur Bestimmung über die Art der Bestattung und den Zugang zum Leichnam zukommt.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 S 10/15 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufung abgewiesen: Das LG Bielefeld bestätigt das Urteil des Amtsgerichts, wonach der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzensgeld hat.
  2. Totenfürsorgerecht: Dieses Recht richtet sich nach dem Willen des Verstorbenen oder, falls unbekannt, nach den nächsten Angehörigen.
  3. Beklagte als zweite Ehefrau: Sie hatte das alleinige Recht, über die Bestattung und den Zugang zum Leichnam zu entscheiden.
  4. Kein Anspruch des Klägers: Der Kläger konnte keinen ausreichenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht nachweisen.
  5. Maßgeblichkeit des Verstorbenenwillens: Der Wille des Verstorbenen ist entscheidend, sofern erkennbar.
  6. Keine Vermutung für Zugangsrecht: Es besteht keine generelle Annahme, dass nahe Angehörige ein Recht haben, den Leichnam vor der Beerdigung zu sehen.
  7. Keine unzulässige Maßnahme: Die Versagung des Zugangs zum Leichnam wurde nicht als rechtswidrig angesehen.
  8. Persönlichkeitsrechtsverletzung: Der Kläger konnte keine schwerwiegende Verletzung seines Persönlichkeitsrechts belegen.

Totenfürsorgerecht: Zugang zum Leichnam und Schmerzensgeldansprüche

Totenfürsorgerecht: Zugang zum Leichnam für Angehörige
(Symbolfoto: NKM999 /Shutterstock.com)

Das Totenfürsorgerecht ist ein sensibles Thema, das sich mit der Verantwortung und Entscheidungsbefugnis naher Angehöriger in Bezug auf die Bestattung und Behandlung eines Verstorbenen befasst. In einigen Fällen kann es jedoch vorkommen, dass nahe Angehörige keinen Zugang zum Leichnam erhalten. Das Landgericht Bielefeld hat in einem Urteil vom 24.02.2016 entschieden, dass die Versagung des Zugangs zum Leichnam nicht unbedingt als unzulässige Maßnahme zu betrachten ist.

Die Entscheidung, ob nahe Angehörige den Leichnam sehen dürfen, hängt in erster Linie vom Willen des Verstorbenen ab. Ist dieser nicht bekannt, richtet sich das Totenfürsorgerecht nach den nächsten Angehörigen. In einigen Fällen kann die Versagung des Zugangs zum Leichnam jedoch Schmerzensgeldansprüche auslösen, wenn sie als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betrachtet wird. Es ist jedoch keine generelle Vermutung dafür, dass nahe Angehörige ein Recht haben, den Leichnam vor der Beerdigung zu sehen.

Totenfürsorgerecht im Fokus: Der Streit um den Zugang zum Leichnam

Im Zentrum des Falles stand das Totenfürsorgerecht, ein juristisch komplexes und emotional aufgeladenes Thema. Der Kläger forderte Zugang zum Leichnam seines Vaters, welcher von der zweiten Ehefrau des Verstorbenen, der Beklagten, verweigert wurde. Der Kläger argumentierte, dass ihm als nahem Angehörigen dieses Recht zustehe, was zu einer rechtlichen Auseinandersetzung führte. Der Fall wurde schließlich vor dem Landgericht Bielefeld verhandelt, wo entscheidende Fragen über die Grenzen des Totenfürsorgerechts und die Rolle des persönlichen Willens des Verstorbenen diskutiert wurden.

Die rechtliche Grundlage des Totenfürsorgerechts

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall lag in der Interpretation des Totenfürsorgerechts. Nach deutschem Recht hat der nächste Angehörige das Recht und die Pflicht, über den Leichnam und die Art der Bestattung zu entscheiden. Dies schließt Entscheidungen über die Aufbahrung und den Zugang zum Leichnam mit ein. Der Kern des Problems lag in der Frage, wem dieses Recht zusteht, wenn der Wille des Verstorbenen nicht eindeutig bekannt ist. In diesem speziellen Fall argumentierte die Beklagte, als zweite Ehefrau des Verstorbenen, dass sie das alleinige Recht zur Bestimmung über diese Aspekte habe.

Die Entscheidungsfindung des Gerichts

Das Landgericht Bielefeld wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts. Es wurde festgestellt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der Verweigerung des Zugangs zum Leichnam seines Vaters hatte. Das Gericht stützte sich dabei auf die Grundsätze des Totenfürsorgerechts, insbesondere auf die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. In Ermangelung eines erkennbaren Willens des Vaters fiel dieses Recht der Beklagten zu. Zudem wurde festgestellt, dass der Kläger nicht ausreichend nachweisen konnte, dass die Verweigerung des Zugangs einen schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht darstellte.

Der Umgang mit dem Persönlichkeitsrecht und Schmerzensgeld

Ein weiterer bedeutender Aspekt des Urteils war die Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Dieses Recht umfasst den Schutz der Privatsphäre und der persönlichen Ehre. Das Gericht erkannte an, dass das Persönlichkeitsrecht durch das Totenfürsorgerecht eingeschränkt werden kann. Es wurde konstatiert, dass der Kläger nicht hinreichend darlegen konnte, inwiefern die Entscheidung der Beklagten, ihm den Zugang zum Leichnam zu verweigern, einen unzulässig schweren Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht darstellte.

Fazit: Das Urteil des Landgerichts Bielefeld im Fall Az.: 21 S 10/15 verdeutlicht die Komplexität und Sensibilität des Totenfürsorgerechts. Es stellt klar, dass in Fällen, in denen der Wille des Verstorbenen nicht bekannt ist, die Entscheidungsbefugnis den nächsten Angehörigen zufällt. Gleichzeitig zeigt es die Grenzen des Persönlichkeitsrechts im Kontext des Totenfürsorgerechts auf.

Für eine detaillierte Einsicht in den Urteilstext des Falles, siehe weiter unten.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was umfasst das Totenfürsorgerecht in Deutschland?

Das Totenfürsorgerecht in Deutschland umfasst das Verfügungsrecht über den Leichnam eines Verstorbenen und ist eng mit der Pflicht zur Bestattung des Verstorbenen verbunden. Es beinhaltet Entscheidungen über die Art und den Ort der Bestattung, eine eventuelle Umbettung, sowie die Veranlassung der dazu notwendigen Maßnahmen. Darüber hinaus können auch Anordnungen zu Obduktion und Exhumierung zur Fürsorge für den Toten gehören.

Gewohnheitsrechtlich steht das Recht zur Totenfürsorge den nächsten Angehörigen, dem Ehegatten und seinen Verwandten in gerader Linie zu. Der Erbberechtigte ist nicht der Zuständige für die Totenfürsorge. Ist der zur Totenfürsorge Berufene auch Erbe, so bleibt das Totenfürsorgerecht dennoch bestehen, auch wenn er die Erbannahme ausschlägt.

Der Wille des Verstorbenen ist für die Ausgestaltung der Totenfürsorge maßgeblich. Dieser entscheidet in erster Linie über Art und Ort der Bestattung. Der Verstorbene kann auch eine dritte Person mit der Totenfürsorge betrauen, indem er dieser eine entsprechende postmortale Vollmacht (sog. Bestattungsverfügung) ausstellt.

Die Totenfürsorge ist nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern ist lediglich gewohnheitsrechtlich anerkannt. Bei einer Rechtsverletzung kann ein Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werden.

Es ist zu beachten, dass das Totenfürsorgerecht nicht durch das Erbrecht geregelt wird. Das Recht am Leichnam geht nicht auf die Erben über. Nur wenn keine Angehörigen vorhanden sind, haben die Erben das Recht und die Pflicht zur Totenfürsorge, weil sie die Beerdigungskosten tragen müssen.

Wer ist in Deutschland berechtigt, über den Leichnam und die Art der Bestattung zu entscheiden?

In Deutschland ist das Totenfürsorgerecht das Recht und zugleich die Pflicht, sich um den Leichnam eines Verstorbenen zu kümmern und eine angemessene Bestattung zu organisieren. Dieses Recht steht nicht automatisch den Erben des Verstorbenen zu.

Der Verstorbene kann zu Lebzeiten bestimmen, wem die Totenfürsorge obliegt. Wenn der Verstorbene vor seinem Tod keinen letzten Willen geäußert hat, können in der Regel die nächsten Angehörigen über die Bestattungsart entscheiden. Gewohnheitsrechtlich steht das Recht zur Totenfürsorge den nächsten Angehörigen, dem Ehegatten und seinen Verwandten in gerader Linie zu.

Das Totenfürsorgerecht beinhaltet das Verfügungsrecht über den Leichnam und umfasst dabei auch das Recht, über Ort und Art der Bestattung zu entscheiden. Bei der Entscheidung über die Art und Weise der Bestattung ist der Wille des Verstorbenen zu wahren.

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Es ist auch möglich, zu Lebzeiten eine Person zu bestimmen, die die Totenfürsorge übernehmen soll. Man kann hierzu auch mehrere Personen benennen, allerdings kann immer nur eine Person das „Amt“ des Totenfürsorgeberechtigten bekleiden.

Es ist wichtig zu beachten, dass das Totenfürsorgerecht und die Pflicht zur Bestattung zwei verschiedene Dinge sind. Während das Totenfürsorgerecht das Recht zur Bestimmung über den Leichnam und die Art der Bestattung beinhaltet, bezieht sich die Bestattungspflicht auf die Pflicht zur Durchführung der Bestattung selbst.

In welchen Fällen hat ein naher Angehöriger ein Anrecht auf Zugang zum Leichnam?

Nahe Angehörige haben in Deutschland ein Anrecht auf Zugang zum Leichnam eines Verstorbenen, um ihre Totenfürsorgepflichten wahrzunehmen. Dieses Recht ergibt sich aus dem Familienrecht und ist in § 242 BGB verankert. Nahe Angehörige sind dabei in der Regel eng verwandte oder verschwägerte Personen gemäß §§ 1589, 1590 BGB.

Ein Anspruch auf Auskunft über den Ort der Grabstätte besteht für nahe Angehörige, damit sie ihre Rechte durchsetzen können und ein ungestörtes Totengedenken möglich ist. Dieser Anspruch ist insbesondere dann gegeben, wenn kein Wunsch nach einer anonymen Beisetzung besteht und keine schutzwürdigen Belange des Verstorbenen entgegenstehen.

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Ordnungsbehörde nach einem Leichenfund verpflichtet ist, mit Nachdruck Ermittlungen nach den Angehörigen aufzunehmen und diese zu benachrichtigen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Totenfürsorgepflichten zu erfüllen. Dies gilt auch dann, wenn eine erhebliche Gesundheitsgefahr besteht, da die sofortige Bestattung ohne Benachrichtigung der Angehörigen rechtswidrig sein kann.

Zusammenfassend haben nahe Angehörige das Recht, über den Verbleib des Leichnams informiert zu werden und diesen zu sehen, um ihre Totenfürsorgepflichten wahrnehmen zu können, es sei denn, es liegen besondere Umstände wie der Wunsch nach einer anonymen Beisetzung oder schutzwürdige Belange des Verstorbenen vor.

Wie wird der Wille des Verstorbenen bei der Bestattung berücksichtigt, wenn dieser nicht explizit bekannt ist?

Wenn der Wille des Verstorbenen bezüglich seiner Bestattung nicht explizit bekannt ist, wird sein mutmaßlicher Wille umgesetzt. In der Regel tragen die nächsten Angehörigen dafür Sorge. Die Rangfolge, wer sich kümmern und den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen umsetzen muss, ist in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer festgelegt. In der Regel ist dies der Ehepartner oder der eingetragene Lebensgefährte, gefolgt von den Kindern, Geschwistern und weiteren Verwandten.

Die Art der Bestattung (z.B. Erd-, Feuer- oder Seebestattung) richtet sich nach dem Willen der verstorbenen Person oder, falls dieser nicht bekannt ist, nach dem Willen der Angehörigen.

Es ist auch möglich, den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen aus den Umständen zu erschließen. Dies kann beispielsweise durch die Berücksichtigung von Gebräuchen und Sitten des Verstorbenen geschehen.

Es ist zu beachten, dass die Verfügungen des Verstorbenen umsetzbar sein müssen. Wenn der Verstorbene beispielsweise einen Vorsorgevertrag mit einem Bestatter gemacht hat und die Finanzierung über eine Sterbegeldversicherung, ein Treuhandkonto oder das Erbe gedeckt ist, sind die Angehörigen verpflichtet, die Wünsche des Verstorbenen umzusetzen.

Wenn der Verstorbene keine Angehörigen hat oder diese nicht auffindbar sind, ordnen die Ämter auf ihre Kosten meist eine anonyme Urnenbestattung an.

Es ist empfehlenswert, dass jeder seine Bestattungswünsche in einer Bestattungsverfügung festhält, um sicherzustellen, dass diese nach dem Tod umgesetzt werden.

Welche Rolle spielt das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Bezug auf das Totenfürsorgerecht?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht spielt eine wichtige Rolle im Kontext des Totenfürsorgerechts. Es wird argumentiert, dass das Totenfürsorgerecht als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Person angesehen werden kann, die primär für die Totenfürsorge verantwortlich ist. Dieses Recht ermöglicht es der Person, ihre eigene ungestörte Trauer wahrzunehmen und die Rechte des Verstorbenen quasi treuhänderisch wahrzunehmen.

Das Totenfürsorgerecht ist in erster Linie eine Ausprägung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes. Der Wille des Verstorbenen über die Totenfürsorgeberechtigung entscheidet. Daher dient auch § 168 StGB insbesondere dem postmortalen Persönlichkeitsschutz des Verstorbenen.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Ausübung dieses Persönlichkeitsrechts nicht dem Erben, sondern den nahen Angehörigen zusteht.

In bestimmten Fällen kann die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Kontext der Totenfürsorge zu einer Geldentschädigung führen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die zur Totenfürsorge berufene Person in ihren Rechten verletzt wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Totenfürsorgerecht eng miteinander verknüpft sind und beide dazu dienen, die Würde und die Rechte sowohl der lebenden als auch der verstorbenen Personen zu schützen.

Unter welchen Voraussetzungen kann in Deutschland Schmerzensgeld bei Verletzung des Totenfürsorgerechts gefordert werden?

Um in Deutschland Schmerzensgeld bei Verletzung des Totenfürsorgerechts fordern zu können, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine solche Forderung kann im Rahmen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend gemacht werden, wenn die Handlung des Totenfürsorgeberechtigten als missbräuchliche, spezifisch die Rechte einer anderen Person verletzende Wahrnehmung des Totenfürsorgerechts angesehen werden kann.

Ein Anspruch auf Schmerzensgeld kann beispielsweise dann bestehen, wenn die zur Totenfürsorge berechtigte Person die Rechte anderer nahestehender Personen in unzulässiger Weise beeinträchtigt, etwa indem sie ihnen die Möglichkeit des Gedenkens an den Verstorbenen entzieht oder ihnen wichtige Informationen vorenthält. Dies könnte der Fall sein, wenn eine Umbettung oder eine andere Form der Bestattung ohne die Benachrichtigung oder gegen den Willen anderer nahestehender Personen durchgeführt wird, die ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Totenfürsorge haben.

Das Amtsgericht Krefeld hat in einem Fall entschieden, dass kein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung des Totenfürsorgerechts besteht, wenn die handelnde Person totensorgeberechtigt ist und keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegt. Allerdings kann eine Schadenersatzverpflichtung in Betracht kommen, wenn das Recht einer Person auf ungestörtes Gedenken in unzulässiger Weise beeinträchtigt wird, wobei hierfür enge Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Schmerzensgeldansprüche im Kontext des Totenfürsorgerechts nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen gegeben sind und in der Regel eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Rechte der betroffenen Person vorliegen muss.


Das vorliegende Urteil

LG Bielefeld – Az.: 21 S 10/15 – Urteil vom 24.02.2016

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 11.12.2014 – AZ 406 C 126/14 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Mit zutreffenden Erwägungen gelangt das Amtsgericht zu dem Ergebnis, dass dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen der Versagung des Zugangs zum Leichnam seines Vaters zum Zwecke der persönlichen Verabschiedung am 20.05.2014 nicht zusteht.

Die Angriffe der Berufung gegen die amtsgerichtliche Entscheidung verfangen nicht.

1) Soweit die Berufung einwendet, der Beklagten stünde als zweiter Ehefrau des Verstorbenen das Totenfürsorgerecht über ihren verstorbenen Ehemann nicht allein, sondern nur gemeinsam mit den Kindern des Verstorbenen zu, trifft dies nicht zu. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist beherrschender Grundsatz des Totenfürsorgerechts die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. Wenn und soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar ist, sind nach gewohnheitsrechtlichem Grundsatz die nächsten Angehörigen des Verstorbenen berechtigt und verpflichtet, über den Leichnam zu bestimmen und über die Art der Bestattung sowie die letzte Ruhestätte zu entscheiden (BGH, MDR 1992, 588). Bereits das Reichsgericht hat insoweit den Grundsatz aufgestellt, dass beim Tode eines Ehegatten der überlebende Ehegatte vor dessen nahen Angehörigen die Art und den Ort der Beisetzung zu bestimmen hat (RGZ 154, 269-276 – Urteil vom 05. April 1937). Da ein abweichender Wille des Vaters des Klägers nicht behauptet worden ist, stand im vorliegenden Fall der Beklagten allein das Recht und die Pflicht zu, über die Art und Weise der Bestattung zu entscheiden. Davon umfasst ist auch die Frage, ob der Leichnam offen aufgebahrt wird und wer diesen betrachten darf. Darlegungs- und beweisbelastet dafür, dass ein Wille des Verstorbenen dahingehend vorlag, dass sein Sohn, der Kläger, sich im Falle des Todes von ihm von Angesicht zu Angesicht verabschieden können sollte, ist der Kläger. Hierzu trägt der Kläger jedoch nichts vor.

2) Es besteht auch keine Vermutung dafür, dass es stets dem Willen des Verstorbenen entspricht, dass nahe Angehörige den Leichnam vor der Beerdigung betrachten können. Diese Entscheidung obliegt, soweit ein Wille des Verstorbenen diesbezüglich nicht zu ermitteln ist, dem jeweils Totenfürsorgeberechtigten. Im vorliegenden Fall konnte daher die Beklagte allein entscheiden, ob der Verstorbene aufgebahrt wurde und ob und gegebenenfalls wer den Leichnam vor der Beerdigung betrachten durfte.

3) Auch handelt es sich bei der Versagung des Zugangs zum Leichnam nicht um eine unzulässige Maßnahme, wie es z.B. bei einem Pressen der Asche der Verstorbenen zu Diamanten der Fall wäre. Ebenfalls hat die Beklagte in rechtlicher Hinsicht ihr Totenfürsorgerecht auch nicht überspannt. Ob dies bei der Durchführung einer gänzlich anonymen Beerdigung der Fall gewesen wäre – wofür einiges sprechen dürfte – braucht die Kammer im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, da der Kläger an der Beerdigung seines Vaters teilgenommen hat.

4) Auch hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, dass die Entscheidung der Beklagten, ihm den Zugang zum Leichnam seines Vaters zu verwehren, einen derart schweren Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht darstellt, dass im Ergebnis die Voraussetzungen für die Ausurteilung eines Schmerzensgeldes vorliegen.

a) Es ist insoweit schon nicht hinreichend vorgetragen, worin genau der Kläger einen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht sieht. Hierzu hat die Kammer den Kläger auch in der mündlichen Verhandlung befragt, ohne dass dieser hätte erläutern können, warum er die Integrität seiner Persönlichkeit, seiner sozialen Identität oder der engeren persönlichen Lebenssphäre, also dem autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, als verletzt betrachtet.

b) Die Kammer hat insbesondere nicht übersehen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG ein Recht auf Selbstdarstellung und damit insbesondere ein Recht der persönlichen Ehre beinhaltet (sozialer Geltungsanspruch, BVerfGE 54, 208 [217]). Hierzu hat der Kläger jedoch nicht vorgetragen. Auch käme ein Eingriff in das durch Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG geschützte Recht auf Selbstbewahrung, das den Schutz der Privatheit enthält und auch die Familie umfasst, in Betracht. Jedoch auch hier ist der Vortrag des Klägers nicht geeignet, die Anspruchsvoraussetzungen darzulegen. Insbesondere auch deshalb nicht, weil die Berufung übersieht, dass das allgemeine Persönlichkeitsrechtsrecht nicht schrankenlos gewährt wird, sondern durch das vorbezeichnete Totenfürsorgerecht zulässig eingeschränkt wird.

Einen besonders schweren, ein Schmerzensgeld rechtfertigenden Eingriff, vermochte die Kammer im vorliegenden Fall nicht zu erkennen.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen hinsichtlich der Kosten aus § 91 Abs. 1 ZPO und bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

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