AG Bingen, Az.: 21 C 121/13, Urteil vom 07.11.2014
1.
Die Beklagte wird verurteilt, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und vom 21.03.2014 nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war, und zwar in Bezug auf die Auskunft über sämtliche Zuwendungen, welche sie von Seiten der am 07.03.2010 verstorbenen Erblasserin, Frau K. H., erhalten hat, und was ihr über den Wert des Erhaltenen bekannt ist, insbesondere welche Umstände ihr bekannt sind, die eine Wertberechnung ermöglichen und welche Umstände ihr bekannt sind, die für oder gegen eine Ausgleichspflicht nach den §§ 2050 ff BGB sprechen.
2.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung iHv. 300,00 Euro.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Gegenstand der Klage ist ein Auskunftsanspruch unter Miterben.
Die Parteien des Rechtsstreits sind Geschwister und gesetzliche Erben zu je ¼ neben dem im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin, Frau K. H., mit dieser in rechtsgültiger Ehe verheirateten und in Zugewinngemeinschaft lebenden Vater der Parteien, dessen Erbteil ½ beträgt. Erstmals mit Schriftsatz vom 08.10.2012 forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung zum 26.10.2012 auf, Auskunft über Schenkungen und sonstige ausgleichungs- und anrechnungspflichtige Zuwendungen der Erblasserin zu erteilen. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2012 : „Schenkungen und sonstige Ausgleichungs- und anrechnungspflichtige Zuwendungen habe ich von meiner Mutter nicht erhalten. Lediglich im Jahr 1984 habe ich zusammen mit meinem damaligen Ehemann K. P. von meinen Eltern 100.000,00 DM erhalten, also ich 50.000,00 DM und K. P. 50.000,00 DM. Das Geld stammte nach meiner Auffassung allein von meinem Vater, denn meine Mutter hatte keine eigenen Einkünfte…“ Unerwähnt ließ die Beklagte, dass sie und ihr damaliger Ehemann laut notariellem Schenkungsvertrag von 1984 (Notar W., K5) von der Erblasserin und deren Ehemann einen Bauplatz in der U. in D. geschenkt erhalten hatte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.05.2013 forderte die Klägerin die Beklagte deshalb auf, die von ihr erteilten Auskünfte im Hinblick auf Richtigkeit und Vollständigkeit eidesstattlich zu versichern. Nach anfänglicher Bereitschaft hierzu ließ die Beklagte das Ansinnen der Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.06.2013 zurückweisen. Während des Rechtsstreits hat die Beklagte am 21.03.2014 ihre Auskunft auch auf die Schenkung des Baugrundstücks erstreckt.
Die Klägerin trägt vor: Es bestehe die Vermutung, dass die Beklagte von der Erblasserin erhebliche Geldzuwendungen anlässlich der Bebauung des zuvor geschenkten Bauplatzes und der Rückführung der dies betreffenden Bankdarlehen erhalten habe.
Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und vom 21.03.2014 nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war, und zwar in Bezug auf die Auskunft über sämtliche Zuwendungen, welche sie von Seiten der 2010 verstorbenen Erblasserin, Frau K. H., erhalten hat, und was ihr über den Wert des Erhaltenen bekannt ist, insbesondere welche Umstände ihr bekannt sind, die eine Wertberechnung ermöglichen und welche Umstände ihr bekannt sind, die eine Wertberechnung ermöglichen und welche Umstände ihr bekannt sind, die für oder gegen eine Ausgleichspflicht nach den §§ 2050 ff BGB sprechen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, das Verlangen auf eidesstattliche Versicherung, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 nach bestem Gewissen vollständig erteilt habe, als sie dazu imstande gewesen sei, sei rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe ihrerseits schon mehr an ausgleichspflichtigen Zuwendungen erhalten als ihr nach ihrer Erbbeteiligung zustehen würde. Im Übrigen könne sie nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit abgegebener Auskünfte verurteilt werden, die von der Gegenseite bestritten und angezweifelt würden.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Beklagte ist nach §§ 2057Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB verpflichtet, an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und 21.03.2014 nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war. Die von ihr abzugebende eidesstattliche Versicherung bezieht sich auf sämtliche Zuwendungen, welche sie von der verstorbenen Erblasserin, Frau K. H., erhalten hat sowie auf die eine Wertberechnung und eine mögliche Ausgleichspflicht nach § 2056 BGB betreffenden Umstände.
Die Beklagte ist gemäß § 2057 Abs. 1 BGB als Miterbin gegenüber der miterbenden Klägerin auskunftspflichtig. Die Klägerin ist möglicherweise ausgleichungsberechtigt nach dem Tod der gemeinsamen Mutter, der Erblasserin K. H.. Die Auskunftspflicht umfasst alle Zuwendungen, die potentiell unter die Ausgleichungspflicht nach §§ 2050 ff BGB fallen können, nicht nur bei richtiger Anwendung der §§ 2050 bis 2053 ausgleichungspflichtig sind. Die Entscheidung, welche Zuwendungen in Frage kommen, kann nicht dem Belieben des Auskunftspflichtigen überlassen bleiben, der auf Verlangen auch bekannt zu geben hat, was ihm über den Wert des Erhaltenen und die zu seiner Berechnung vorhandenen Anhaltspunkte bekannt ist (vergl. Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auflage, § 2057, Rdnr. 1).
Die Klägerin hat entsprechende Auskunft verlangt. Die Beklagte hat am 25.10.2012 und 21.03.2014 Auskünfte verteilt. Die Klägerin hat berechtigterweise die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung von der Beklagten verlangt. Nach dem Vortrag der Klägerin besteht die Besorgnis mangelnder Sorgfalt der Beklagten bei Erteilung der Auskünfte.
Allein die Nichterwähnung des durch notariellen Vertrag des Notars W. schenkweise u.a. an die Beklagte übertragenen Grundbesitzes der Erblasserin in der Auskunft vom 25.10.2012 begründet bereits den Verdacht, dass die Beklagte die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat. Die Beklagte durfte die Schenkung nicht wegen der gleichzeitig an die Klägerin erfolgten Grundbesitzzuwendung unerwähnt lassen. Auch wenn laut Schenkungsvertrag einer Gleichstellung unter den Beschenkten vereinbart wurde, ist die juristische Bewertung, ob hier ein Ausgleich stattzufinden hat, von der Beklagten nicht vorzunehmen.
Zudem ist die Auskunft der Beklagten vom 21.03.2014, sie habe aus der Schenkung ihrer Eltern im Jahr 1984 in Höhe von 100.000,00 DM 50.000,00 DM und ihr damaliger Ehemann, Herr K. P., 50.000,00 DM erhalten, falsch. Nach der güterrechtlichen Auseinandersetzungsvereinbarung der damaligen Eheleute von 1990, des Notars V. hatte die Beklagte ihrem Ehemann allenfalls einen Betrag von 10.000,00 DM auszugleichen. Da Herr K. P. von der Erblasserin und deren Ehemann gemäß Vereinbarung vom 14.02.1990 aus der Mithaftung entlassen wurde, ist der Beklagten aus der o.g. Schenkung in Höhe von 100.000,00 DM mindestens ein Betrag von 90.000,00 DM zu Gute gekommen. Da die Beklagte diese Umstände nicht vorgetragen hat, besteht der begründete Verdacht, dass sie die Auskunft über die Schenkung in Höhe von 100.000,00 DM nicht vollständig bzw. nicht richtig erteilt hat.
Ebenso besteht die naheliegende Vermutung, dass der Beklagten der Darlehensbetrag in Höhe von 40.000,00 DM aus dem Darlehen der zwischenzeitlich verstorbenen A. M. A., deren Erbin die Mutter der Parteien ist, an die ehemaligen Eheleute P. mit der güterrechtlichen Auseinandersetzung allein zugeflossen ist. Nachdem Herr K. P. ebenfalls durch die Vereinbarung vom 14.02.1990 aus einer diesbezüglichen Mithaft entlassen worden ist, ist die Vermutung eines schenkweisen Erlasses der Darlehensschuld durch die Erblasserin K. H. gegenüber der Beklagten naheliegend.
Soweit sich die Beklagte darauf beruft, es handele sich in beiden Fällen um von ihr zwischenzeitlich zurückgezahlte Darlehen und keine ausgleichspflichtigen Zuwendungen, ist sie darlegungs- und beweispflichtig. Substantiierter und unter Beweis gestellter Vortrag zur Darlehensrückzahlung fehlt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einer Verurteilung zur Versicherung an Eides statt auch nicht entgegen, dass Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der von ihr erteilten Auskünfte vom 25.10.2012 und 21.03.2014 bestehen. Die Pflicht zur eidesstattlichen Versicherung soll gerade der Herbeiführung einer sorgfältigen Auskunftserteilung dienen. Der Auskunftspflichtige kann bei Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ggfls. erforderliche Nachbesserungen, Korrekturen und Ergänzungen zu Protokoll erklären. Sollte die von dem Verpflichteten abgegebene eidesstattliche Versicherung – etwa aufgrund von in der Erklärung enthaltenen Zusätzen – Anlass zur der Annahme geben, dass er die von ihm zuvor erteilte Auskunft nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen hat, kann das Vollstreckungsgericht gemäß § 261 Abs, 1 BGB auf Antrag des Gläubigers eine den Umständen entsprechende Änderung der eidesstattlichen Versicherung beschließen und anordnen, dass der Schuldner seine bislang unvollständige Auskunft nachbessert und die vollständige Auskunft an Eides statt versichert (vergleiche BGH Beschluss vom 12.06.2014, Az.: I ZB 37/13).
Nach alledem war die Beklagte mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 ZPO antragsgemäß zu verurteilen.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 11, 711,709 ZPO.