OLG Koblenz, Az.:1 W 517/14, Beschluss vom 12.11.2014
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 1. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin erwarb vom Beklagten mit notariellem Kaufvertrag vom 13. Oktober 2006 (Anlage K 1) ein Hausgrundstück in …[Z] (Flur 25 Nr. 40/1); unter Ziffer IV. heißt es:
1. Dem Käufer ist das Kaufobjekt eingehend bekannt, da er selber Mieter des Objekts ist. Er kauft es im gegenwärtigen gebrauchten Zustand.
Die Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes werden ausgeschlossen. Dies gilt auch für alle Ansprüche auf Schadensersatz, es sei denn der Verkäufer handelt vorsätzlich oder arglistig.
Der Verkäufer versichert, dass er keine ihm bekannten Mängel verschwiegen hat.
(…)
4. Es besteht ein Mietverhältnis mit dem heutigen Käufer über das Kaufobjekt. Dieses endet mit der vollständigen Kaufpreiszahlung.
Ferner besteht noch ein Pachtverhältnis zwischen dem heutigen Verkäufer und dem Käufer hinsichtlich des Nachbargrundstücks Flur 25 Nr. 40/2 (…). Dieses Pachtverhältnis endet, sobald das Grundstück Flur 25 Nr. 40/2 verkauft wird.
(…)
Die Klägerin hatte seit dem Jahr 1999 aufgrund eines mit den Eltern des Beklagten abgeschlossenen Mietvertrages das Hausgrundstück genutzt; sie hatte von diesen zugleich das benachbarte, als Gartenfläche genutzte Flurstück Nr. 40/2 gepachtet. Das Wohnhaus wurde von einem – oberirdisch auf einem Betonsockel – im Grenzbereich der beiden Grundstücke aufgestellten Gastank mit Flüssiggas versorgt. Der Beklagte war als Alleinerbe nach seinen Eltern Eigentümer der Grundstücke geworden.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 2. September 2011 (Auszug Bl. 44 f. GA) erwarben die Eheleute …[A] vom Beklagten das Flurstück Nr. 40/2 sowie zwei weitere daneben liegende Grundstücke. In der Folge kam es zu Nachbarstreitigkeiten, die im Aufstellen eines Grenzzauns durch die Klägerin sowie im Verlangen der Eheleute …[A] auf Beseitigung des Gastanks mündeten. Im Zuge einer Grenzfeststellung wurde sodann festgestellt, dass der Gastank mit etwa 2/3 seines Ausmaßes auf dem Flurstück 40/2 lag. Im nachfolgenden Rechtsstreit wurde die Klägerin – rechtskräftig nach Berufungsrücknahme – zur Beseitigung der Gas- wie auch der Zaunanlage verurteilt (AG Sinzig, Urteil vom 28. November 2012; Anlage K 8). Zwischenzeitlich hatte die Klägerin das Hausgrundstück (Flurstück Nr. 40/1) veräußert; eine von ihr hierbei gegenüber den Erwerberinnen übernommene Verpflichtung zur etwaigen Versetzung des Gastanks wurde später im Vergleichswege gegen Zahlung eines Betrages i.H.v. 2.200,00 € an die Erwerberinnen abgegolten (Anlage K 10).
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin – unter dem Gesichtspunkt des „aufgrund der Überbausituation mit einem Rechtsmangel behafteten [Haus-]Grundstücks“ – vom Beklagten Schadensersatz i.H.v. 7.006,31 € nebst Zinsen sowie Feststellung der weitergehenden Ersatzpflicht; die Klägerin hat zugleich um Prozesskostenhilfe angetragen. Mit Urteil vom 1. Juli 2014 (Bl. 83 ff. GA) hat das Landgericht die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen; die hiergegen eingelegte Berufung ist beim Senat anhängig. Mit Beschluss vom nämlichen Tage (Bl. 90 f. GA) hat das Landgericht – unter Bezugnahme auf die Gründe des Urteils – den Prozesskostenhilfeantrag mangels Erfolgsaussicht abgelehnt; hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 127Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig; sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Landgericht hat im Ergebnis mit Recht eine hinreichende Erfolgsaussicht des Klagebegehrens verneint (§ 114 Satz 1 ZPO).
Die Klägerin kann vom Beklagten wegen der zeitlich nach dem Erwerb des Hausgrundstücks im Jahre 2006 aufgetretenen „Überbausituation“ schon dem Grunde nach keinen Schadensersatz verlangen.
1. Ein auf das Erfüllungsinteresse gerichteter Schadensersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 437 Nr. 3 BGB) besteht nicht.
a) Die Klägerin will bei rechter Betrachtung einen vom Beklagten zu vertretenden Rechtsmangel des von ihr im Jahre 2006 erworbenen Hausgrundstücks (Flurstück Nr. 40/1) darin erkennen, dass seitens der späteren Erwerber des Nachbargrundstücks (Flurstück Nr. 40/2) in den Jahren 2012/2013 ein Überbaubeseitigungsverlangen erfolgreich durchgesetzt wurde. Dem ist das Landgericht im Ausgangspunkt gefolgt – nicht vom vertraglichen Gewährleistungsausschluss umfasster Rechtsmangel aufgrund des Beseitigungsanspruchs der Nachbarn –, hat den Schadensersatzanspruch statt der Leistung aber an einer fehlenden und auch nicht entbehrlichen Fristsetzung zur Nacherfüllung gegenüber dem Beklagten scheitern lassen. Einer Auseinandersetzung mit diesen Erwägungen bedarf es indessen nicht; im Besonderen gewinnt auch die Frage nach dem Vorliegen eines Rechtsmangels i.S.d. § 435 Satz 1 BGB beim – gleichsam aktiv – „überbauenden“ Kaufgrundstück (bejahend für den Fall der Belastung mit einer Überbaurente OLG Hamm OLGR 2001, 135 f.; OLG Koblenz MDR 2008, 69 Tz. 8; demgegenüber verneinend für den Fall des – gleichsam passiv – „überbauten“ Kaufgrundstücks BGH NJW 1981, 1362 f.; Faust in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Auflage 2012, § 435 Rn. 16; zur Abgrenzung Rechts-/Sachmangel vgl. BGH NJW 2000, 803 Tz. 6) vorliegend keine Entscheidungsrelevanz.
b) Denn das von der Klägerin erworbene Hausgrundstück war nämlich zum entscheidenden Zeitpunkt des Gefahr- respektive Eigentumsübergangs weder mit einem Sachmangel i.S.d. § 434 Abs. 1 BGB noch einem Rechtsmangel i.S.d. § 435 Satz 1 BGB behaftet.
Bei der Sachmängelgewährleistung greift der Grundsatz ein, dass nach Gefahrübergang eintretende Veränderungen der Beschaffenheit und/oder Verwendbarkeit der Sache in den Risikobereich des Käufers fallen (arg. e §§ 434Abs. 1 Satz 1, 446,447 BGB; vgl. Faust a.a.O. Rn. 10 ff.). Bei der Rechtsmängelgewährleistung ist der Zeitpunkt des Eigentumsübergangs maßgebend; es kommt hier darauf an, ob das Recht des Dritten, unabhängig von seiner Geltendmachung, seine Grundlage in Rechtsverhältnissen findet, die schon zur Zeit des Eigentumsübergangs bestehen (RGZ 111, 86, 89; BGHZ 113, 106 = NJW 1991, 915 Tz. 14; Faust a.a.O. Rn. 5; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Auflage 2014, § 435 Rn. 7; Matusche-Beckmann in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2014, § 435 Rn. 4).
Im Streitfall gründet der in seinem Bestand letztlich gerichtlich bestätigte Beseitigungsanspruch der Nachbarn aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in ihrem zum Jahreswechsel 2011/2012 vollzogenen Eigentumserwerb an der Nachbarparzelle (Flurstück Nr. 40/2). Frühestens seit diesem Zeitpunkt war somit das Hausgrundstück der Klägerin in seiner Verwendbarkeit aus rechtlichen Gründen eingeschränkt (vgl. Faust a.a.O. § 434 Rn. 31) respektive durch ein Nachbarrecht gefährdet. Zuvor waren die betreffenden Flächen – wie die Klägerin vorgetragen hat (Klageschrift Seite 4; Bl. 20 GA) – als „einheitliche Gartenfläche“ ausgestaltet; sie befanden sich in der Hand eines Eigentümers respektive (nach dem Erwerb des Hausgrundstücks durch die Klägerin zum Jahreswechsel 2006/2007) in der Hand eines Nutzers. Nach den damaligen Rechtsverhältnissen konnte mithin eine Belastung des vom Beklagten auf die Klägerin übertragenen Grundeigentums – noch – nicht eintreten (vgl. OLG Köln NJW-RR 1992, 1099 f.; Pammler in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 435 BGB Rn. 17 [Veränderung der Rechtslage]).
2. Ebenso wenig besteht ein auf das Vertrauensinteresse gerichteter Schadensersatzanspruch wegen (zumindest) fahrlässiger (vor-)vertraglicher Pflichtverletzung (§§ 280Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB; zur Anwendbarkeit Palandt/Grüneberg a.a.O. § 311 Rn. 14 ff.).
Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, sie über die „Überbausituation“ nicht informiert zu haben. Zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Grundstücksgeschäfts der Parteien bestand hierfür indessen – wie aus der dargelegten Sach- und Rechtslage ohne Weiteres folgt – kein Anlass; ein „Informationsgefälle“ zu Lasten der Klägerin lag nicht vor. Der Umfang der im August 2006 erfolgten Grenzbestimmung (Bl. 125 ff. GA) bedarf hier keiner näheren Betrachtung. Aus dem Klagevortrag und den zur Akte gelangten Unterlagen erhellt unmittelbar, dass der genaue Grenzverlauf der benachbarten Grundstücke und damit auch die genaue Lage des Gastanks erst nach dem Ankauf des (ehemaligen) Gartengrundstücks durch die Eheleute …[A] klärungs- und feststellungsbedürftig wurde; dies hat die Klägerin im vorgerichtlichen Schreiben vom 13. Februar 2012 (Anlage B 1; Bl. 68 f. GA) auch ausdrücklich so erklären lassen. Die (möglicherweise) von der Klägerin aufgestellte Behauptung, der Beklagte habe seit jeher positive Kenntnis von dem Überbau des Gastanks gehabt, setzt sich hiermit in einen unauflösbaren Widerspruch.
Für eine (nach-)vertragliche Pflichtenstellung des Beklagten gegenüber der Klägerin im Zusammenhang mit dem Grundstücksgeschäft in 2011 ist nichts ersichtlich; im Besonderen stand der Klägerin hier kein Vorkaufsrecht zu.
3. Das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin für den ersten Rechtszug entbehrte mithin von Anfang an einer hinreichenden Erfolgsaussicht; eine rückwirkende Bewilligung kommt schon deshalb nicht in Betracht (vgl. Geimer in: Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 119 Rn. 44 ff.).