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Verkehrsunfall – Radfahren eines 9-jährigen Kindes auf Parkplatz – Haftung

AG Hamburg-Altona – Az.: 316 C 19/19 – Urteil vom 28.05.2019

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, an den Kläger € 1.263,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18.10.2018 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 201,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.02.2019 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Verkehrsunfall mit der Beklagten zu 1 vom 14.05.2018 noch entstehen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Gerichtskosten haben der Kläger und die die Beklagte zu 2 jeweils die Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers hat die Beklagte zu 2 zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 1 vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert wird auf € 1.768,- festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 14.05.2018 auf dem A-Parkplatz an der O.-Straße 1a ereignete. Dabei stießen das von dem Kläger geführte Kraftfahrzeug des Klägers, ein Audi A4, Amtliches Kennzeichen XX, und die am 22.01.2009 geborene Beklagte zu 1, die auf ihrem Kinderfahrrad saß, zusammen. Die Beklagte zu 2 ist Mutter der Beklagten zu 1.

Bei dem Zusammenstoß geriet der Lenker des Kinderfahrrads hinten links oberhalb des Rücklichts gegen den Audi A4.

Am Kraftfahrzeug des Klägers entstand ausweislich des Kostenvoranschlags des Audizentrums XY GmbH vom 03.08.18 (Anlage K3, Bl. 9ff d.A.) ein Sachschaden in Höhe von € 1.243,- netto.

Der Kläger behauptet, die Beklagte zu 1 sei, gefolgt von der Beklagten zu 2, verkehrswidrig von der rechten Fahrbahnseite rechts nach links auf die Fahrbahnseite, die er befahren habe, gefahren und gegen das Auto geprallt.

Er sei mit Schrittgeschwindigkeit auf dem Hauptweg gefahren und dann nach rechts zu den Parkplätzen abgebogen. Die Beklagten hätten sich versetzt aus der Gegenrichtung genähert, wobei sich die Beklagte zu 1 über die Schulter hinweg nach hinten schauend mit der Beklagten zu 2 unterhalten habe. In Höhe seines Kraftfahrzeugs sei die Beklagte zu 1 mit ihrem Rad in seine Richtung Audi die andere Fahrbahnseite herüber gefahren und dann gegen den Audi geprallt.

Neben Ersatz der Nettoreparaturkosten begehrt der Kläger eine Kostenpauschale von € 25,-, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten und Feststellung der Ersatzpflicht künftiger Schäden.

Er meint, die Beklagte zu 2 hafte aufgrund einer Aufsichtspflichtverletzung. Die Beklagte zu 1 habe wissen müssen, dass man nicht in den Gegenverkehr fährt.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 1.268,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.05.2018 zu zahlen,

2.

die Beklagten zu verurteilen, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 201,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

3.

festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger allen weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Verkehrsunfall mit den Beklagten am 14.05.2018 noch entstehen wird.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Kläger sei zunächst links abgebogen und ihnen insofern entgegen gekommen. Dann sei er nach rechts in Richtung der Parktaschen vor der A-Filiale abgebogen und habe dabei die ihm entgegenkommenden Beklagten übersehen. Die Beklagte zu 1 habe noch versucht, ihr Fahrrad abzubremsen, habe jedoch aufgrund des unvorhergesehenen zweimaligen Abbiegens des Klägers nicht rechtzeitig zum Stillstand kommen können und sei mit dem PKW kollidiert.

Die Sicht des Klägers sei vermutlich wegen der Sonneneinstrahlung stark eingeschränkt gewesen.

Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 scheitere an § 828 Abs. 2 BGB, weil kein Vorsatz vorliege. Für eine Billigkeitshaftung nach § 829 BGB sei kein Raum.

Die Beklagte zu 2 habe keine Gelegenheit gehabt, auf die Beklagte zu 1 einzuwirken.

Für den Feststellungsantrag fehle es am Rechtsschutzbedürfnis.

Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat gemäß Verfügung vom 18.03.2019 (Bl. 49f d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W. Die Beklagten sind persönlich angehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30.04.2019 (Bl. 58ff d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Verkehrsunfall - Radfahren eines 9-jährigen Kindes auf Parkplatz - Haftung
(Symbolfoto: Von Shcherbakov Ilya/Shutterstock.com)

Die Klage ist zulässig (I.) und im tenorierten Umfang begründet (II.). Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2 ein Schadensersatzanspruch zu, während die gegen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage unbegründet ist (III.).

I.

Die Klage ist auch hinsichtlich des – geänderten – Feststellungsantrags zulässig. Das rechtliche Interesse des Klägers an einer alsbaldigen Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ergibt sich daraus, dass sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zur Zeit der Klageerhebung noch in der Entwicklung befand. Bei Klageerhebung war erst ein Teil des Schadens entstanden. Die Entstehung weiteren Schadens war nach dem Vorbringen des Klägers noch zu erwarten. In einer derartigen Fallgestaltung ist die Feststellungsklage nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insgesamt zulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 06. März 2012 – VI ZR 167/11 –, juris Rn 3).

II.

Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten zu 2 ein Schadensersatzanspruch aus § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.

Danach ist derjenige, der kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit (…) der Beaufsichtigung bedarf, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt.

II.1.

Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor.

Die zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses neun Jahre alte Beklagte zu 1) bedurfte wegen ihrer Minderjährigkeit der Beaufsichtigung. Grundsätzlich sind Minderjährige unabhängig von besonderen Gegebenheiten aufsichtsbedürftig (BGH, Urteil vom 02. Dezember 1975 – VI ZR 79/74 –, juris Rn 15).

Die Beklagte zu 2 war als Inhaberin der elterlichen Sorge auch kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über die Beklagte zu 1 verpflichtet. Ihre Aufsichtspflicht folgt aus §§ 1626 Abs. 1, 1631 Abs. 1 BGB.

Die Beklagte zu 1 hat dem Kläger widerrechtlich einen Schaden zugefügt, indem sie mit ihrem Fahrrad gegen das im Eigentum des Klägers stehende Kraftfahrzeug fuhr und es dadurch beschädigte, wodurch sie das Eigentum des Klägers an seinem Fahrzeug verletzte.

Da im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB die Rechtswidrigkeit der Rechtsverletzung durch die tatbestandsmäßige Handlung grundsätzlich indiziert wird, erfolgte die Eigentumsverletzung durch die Beklagte zu 1) auch rechtswidrig. Ein Rechtfertigungsgrund für die Verletzung des klägerischen Eigentums bestand nicht.

Die Frage der eigenen haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit der aufsichtsbedürftigen Person ist für die Vorschrift des § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne Bedeutung. Auf ein Verschulden der Beklagten zu 1 kommt es daher nicht an.

II.2.

Die Haftung der Beklagten zu 2 ist nicht gemäß § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, wonach die Ersatzpflicht des Aufsichtspflichtigen für den vom Aufsichtsbedürftigen verursachten Schaden nicht eintritt, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

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Die Beklagte zu 2 hat den ihr nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbracht. Sie hat weder dargetan, ihrer Aufsichtspflicht am Tage des Verkehrsunfalls genügt zu haben, noch dass der Verkehrsunfall sich auch bei Erfüllung ihrer Aufsichtspflicht ereignet hätte.

Gerade im Straßenverkehr richtet sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach der konkreten Gefahrensituation, wie sie sich aus dem Straßenverlauf, der Verkehrsdichte und etwaig gefahrener hoher Geschwindigkeit sowie der Verkehrssituation ergibt. Das Gleiche gilt für die Belehrung des Kindes für das Verhalten im Straßenverkehr. Der Aufsichtspflichtige muss in der konkreten Gefahrensituation die richtigen Anweisungen gegeben haben, die ihm zumutbar sind und nach der Lebenserfahrung geeignet, einen Schaden hinsichtlich dritter Personen zu verhindern (LG Köln, Urteil vom 11. Februar 2014 – 11 S 462/12 –, juris Rn 8; vgl. auch BGH, Urteil vom 07. Juli 1987 – VI ZR 176/86 –, juris Rn 12 m. w. Nachw).

Dementsprechend kommt es für die Frage der Erfüllung der Aufsichtspflicht nicht darauf an, ob die Beklagte zu 2 ganz generell ihrer Aufsichtspflicht genügt hatte. Es kann deshalb dahinstehen, ob sie der Beklagten zu 1 die Gefahren des Straßenverkehrs im Allgemeinen erklärt hatte.

Entscheidend ist, ob die Beklagte zu 2) die ihr obliegende Aufsicht im konkreten Fall und in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszuführung führenden Umstände wahrgenommen hat. Das ist im Ergebnis zu verneinen.

II.3.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass jedenfalls die Beklagte zu 1 tatsächlich auf der Hauptfahrspur des Parkplatzgeländes links fuhr. Sie hat damit gegen das sich aus § 2 Abs. 2 StVO ergebende Rechtsfahrgebot verstoßen, das auch auf öffentlich zugänglichen Parkplätzen gilt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 15. Juni 2010 – I-1 U 186/09 –, juris Rn 16). Die Vorschrift richtet sich an Führer von Fahrzeugen aller Art, somit auch an Radfahrer. Die Beklagte zu 1) musste möglichst weit rechts fahren. Sie durfte lediglich einen angemessenen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand einhalten.

Die Beklagte zu 2 duldete, dass die Beklagte zu 1 auf der Hauptfahrspur links fuhr. Sie reagierte nicht auf das Fehlverhalten der Beklagten zu 1 im Straßenverkehr. Insoweit ist der Beklagten zu 2 vorzuwerfen, dass sie in der konkreten Verkehrssituation der Beklagten zu 1 nicht die richtigen Anweisungen gab. Die Beklagte zu 2 ermahnte und belehrte die Beklagte zu 1 nicht darüber, dass auf der Hauptfahrspur nicht links gefahren werden darf.

Die Überzeugung des Gerichts beruht auf der Aussage des Zeugen W in Verbindung mit den eigenen Angaben der Beklagten zu 2 und den objektiv feststehenden Umständen.

II.3.1.

Der Zeuge W hat bekundet, der Kläger und er seien über den F-Platz in Richtung A-Parkplatz gefahren, und zwar im Schritttempo. Der Kläger sei langsam gefahren, weil sie auf Parkplatzsuche gewesen seien. Zwar habe der Zeuge nicht auf den Tacho geachtet, dies sei aber sein Eindruck gewesen. Dann seien sie abgebogen. Auch nach dem Abbiegen sei der Kläger noch im Schritttempo gefahren. Als sie rum gewesen seien, habe es „Bumm“ gemacht und die Beklagte zu 1 sei hinten am Wagen gelandet.

Der Zeuge hat ferner erklärt, als sie Richtung Parkplatz gefahren seien, sei ihnen die Beklagte zu 1 entgegengekommen. Sie sei vom A-Parkplatz gekommen und habe den Weg mittig befahren. Die Beklagte zu 2 sei parallel schräg dahinter gefahren. Die Beklagte zu 1 sei relativ zügig gefahren und habe sich dabei mehrfach nach hinten umgedreht. Sie sei im Zickzack gefahren. Der Zeuge hat erklärt, er meine damit ein Verhalten, wie man Fahrrad fahre, wenn man sich nach hinten umdrehe. Da fahre man schon mal Schlangenlinien. Dadurch sei die Beklagte zu 1 immer weiter auf die Seite des klägerischen Fahrzeugs gefahren.

II.3.2.

Die Äußerungen der Beklagten stehen dem im Kern nicht entgegen.

II.3.2.1.

Die Beklagte zu 1 hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, ihre Mutter und sie seien auf dem Parkplatz des A-Markts gefahren. Dabei sei die Beklagte zu 2 hinter ihr gefahren, mit einem Abstand von ungefähr zwei Metern. Sie, die Beklagte zu 1, sei geradeaus gefahren. Zunächst sei der Kläger links abgebogen und auf sie zugefahren. Dann sei der Kläger rechts abgebogen. Das entspricht dem vom Zeugen beschriebenen Fahrweg.

Soweit sie dann bekundet hat, er sei „jedenfalls in mich rein gefahren“, ist dies offensichtlich falsch. Denn schon der Umstand, dass die Beschädigungen hinten links am Audi aufgetreten sind, widerspricht der Angabe der Beklagten zu 1. Der PKW kann allenfalls vor sie, aber nicht in sie reingefahren sein.

II.3.2.2.

Die Beklagte zu 2 hat ihrerseits im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, die Beklagte zu 1 und sie seien auf dem Hauptweg gewesen und geradeaus gefahren. Der Kläger sei nacheinander zweimal abgebogen. Dies sei beide Male unvorhersehbar gewesen. Der Kläger sei ziemlich zügig gefahren und habe nicht gebremst und nicht geblinkt. Die Beklagte zu 1 sei nicht in der Lage gewesen, herauszukriegen, wie der Kläger als nächstes fahren werde. Sie habe daher nicht mehr rechtzeitig reagieren können. Die Beklagte zu 2 hat weiter erklärt, die Beklagte zu 1 und sie seien vielleicht auch nicht gut sichtbar gewesen. Es sei tief stehende Sonne gewesen und sie seien aus Westen gekommen, während der Kläger eher aus Richtung Osten gekommen sei. Dies sei aber nur eine Vermutung.

Insgesamt sind die Aussagen der Beklagten zu 2 zum Unfallhergang auffallend karg und abstrakt. Soweit sich aus ihnen ein Fahrtweg des Audi entnehmen lässt, decken sie sich allerdings mit den Angaben des Zeugen. Danach bog der Kläger nach links in den Hauptfahrweg ab und sodann wieder nach rechts in eine Parkgasse. Warum diese Manöver – auf einem Parkplatz – unvorhersehbar gewesen sein sollten, ist nicht ersichtlich. Warum der Kläger hätte bremsen sollen, ist ebenso wenig nachvollziehbar wie der Sinn der Bemerkung, er habe nicht geblinkt.

Zudem hat die Beklagte zu 2 die Angaben, die sie im Rahmen ihrer schriftlichen Zeugenaussage gegenüber der Polizei (Anlage B2, Bl. 47 f. d.A.) gemacht hat, gleichlautend wiederholt. Ihre Aussagen enthalten überhaupt keine Variationen. Auffällig ist dabei insbesondere, dass aus ihren Angaben nicht hervorgeht, warum die Beklagte zu 1 hinten links gegen das Kraftfahrzeug des Klägers gestoßen ist. Dabei ist offensichtlich, dass schon ein geringes Vermindern der Geschwindigkeit durch die Beklagte zu 1 den Unfall vermieden hätte. Denn dann wäre der Audi bereits aus der Fahrtstrecke der Beklagten zu 1 verschwunden.

Der Unfall wäre aber umso eher und zuverlässig vermieden worden, wenn die Beklagte zu 1 das Rechtsfahrgebot eingehalten hätte. Dass die dies nicht getan hat, wird durch die Angaben der Beklagten zu 2 selbst bestätigt.

Auf Vorhalt der polizeilichen Skizze aus der Anlage B1 (Bl. 39 d.A.) hat diese zunächst einschränkungslos erklärt, die Skizze sei insgesamt von den Örtlichkeiten her zutreffend. Sie hat weiter erklärt, sie sei allerdings ein Stück hinter ihrer Tochter gefahren. Außerdem habe der Kläger die Kurve nicht so eng genommen, wie das in der Skizze eingezeichnet ist, sondern in einem etwas weiteren Bogen. Ganz sicher sei sie sich da aber nach so langer Zeit nicht mehr.

In der polizeilichen Skizze sind die Positionen des Klägers und der Beklagten eingezeichnet. Danach führte der Kläger den Abbiegevorgang nach rechts aus und die Beklagten befanden sich auf der Hauptfahrspur links. Gerade weil die Beklagte zu 2 Ungenauigkeiten hinsichtlich ihrer Position und der Position des Klägers beschrieben hat, während die Position der Beklagten zu 1 im Verhältnis zur Hauptfahrspur nicht beanstandet wurde, ist davon auszugehen, dass die Beklagte zu 2 nicht etwa versehentlich angegeben hat, dass ihr Tochter links fuhr.

Das wird dadurch bestätigt, dass die Position zur Hauptfahrspur auch der Skizze (Anlage B2, Bl. 47 d.A.) entspricht, die die Beklagte zu 2 selbst im Rahmen ihrer schriftlichen Zeugenaussage gegenüber der Polizei gefertigt hat. Hiernach befanden sich die Beklagten direkt gegenüber vom dem klägerischen Fahrzeug und damit auf der Hauptfahrspur links.

Erst nachdem das Gericht mit den Parteien das Ergebnis der Beweisaufnahme kurz erörtert hat, hat die Beklagte zu 2 erklärt, sie seien nicht links gefahren. Sie sei rechts und die Beklagte zu 1 rechts mittig gefahren. Dies ist ein klarer Widerspruch zu den Angaben, die die Beklagte zu 2 auf Vorhalt der polizeilichen Skizze aus der Anlage B1 (Bl. 39 d.A.) gemacht hat. Die neuen Angaben der Beklagten zu 2 enthalten überdies einen Denkfehler. Wenn die Beklagte zu 1 rechts mittig gefahren wäre, dann hätte sich der Verkehrsunfall überhaupt nicht ereignen können. Zumindest wäre dann zu erwarten gewesen, dass die Beklagte zu 2 den dann vorliegenden Verstoß des Klägers gegen das Rechtfahrgebot irgendwann erwähnt hätte, anstatt ihm überhöhte Geschwindigkeit, fehlendes Bremsen und Blinken vorzuwerfen.

II.4.

Ein verkehrswidriges Verhalten des Klägers ist nicht bewiesen, sodass ihm ein Mitverschulden nach § 254 BGB nicht angelastet werden kann. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit seinem Fahrzeug mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Die Behauptung der Beklagten zu 2 ist nicht hinreichend glaubhaft, um das Gericht davon zu überzeugen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den Unfall hätte vermeiden können, indem er sein Fahrzeug früher angehalten hätte. Denn das Verschulden insoweit fiele angesichts des groben Verstoßes der Beklagten zu 2 gegen ihre Aufsichtspflicht nicht erheblich ins Gewicht.

II.5.

Der Schaden des Klägers beläuft sich derzeit auf € 1.263,00, wobei das Gericht, wie in Hamburg üblich, von einer Kostenpauschale in Höhe von € 20,00 ausgeht (§ 287 ZPO). Hinsichtlich der weiteren € 5,- ist die Klage daher abzuweisen.

II.6.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB. Soweit der Kläger Zinsen seit dem Unfalltag begehrt, leitet er diese offenbar aus § 849 BGB her. Das aber würde voraussetzen, dass wegen der Entziehung einer Sache deren Wert oder wegen der Beschädigung einer Sache die dadurch verursachte Wertminderung zu ersetzen ist. Beides ist indes nicht Gegenstand des Klagebegehrens, das stattdessen auf Ersatz notwendiger Reparaturkosten und sonstiger (Folge-) Schäden abzielt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28. Mai 2010 – I-11 U 304/0911 U 304/09 –, juris Rn 38). Hinsichtlich des weiteren Zinsanspruchs ist die Klage daher abzuweisen.

II.7.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2 aus § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB erfasst auch die – zutreffend errechneten – Rechtsanwaltskosten.

Der Zinsanspruch insoweit folgt aus den §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

II.8.

Weiter ist die Verpflichtung der Beklagten zu 2) festzustellen, dem Kläger im Falle der Reparatur seines Kraftfahrzeugs weiteren materiellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Verkehrsunfall vom 14.05.2018 noch entstehen wird.

III.

Gegen die Beklagte zu 1 steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch zu.

III.1.

Ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 2 Abs. 2 StVO kommt nicht in Betracht.

Eine Haftung der Beklagten zu 1) scheitert gemäß § 828 Abs. 2 Satz 1 BGB.

Danach ist derjenige, wer das siebte, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.

Hintergrund dieser Vorschrift ist, dass Kinder in diesem Altern in der Regel noch nicht in der Lage sind, die spezifischen Gefahren des motorisierten Straßen- und Bahnverkehrs zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten (Palandt/Sprau, 78. Aufl. 2019, Rn 3 zu § 828 BGB).

Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls hatte die Beklagte zu 1 zwar das siebte, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet.

Dafür, dass die Beklagte zu 1 den Unfall vorsätzlich herbeigeführt hätte, hat der Kläger schon nichts Hinreichendes vorgetragen. Der Geschädigte, der sich darauf beruft, hat jedoch darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen, dass sich nach den Umständen des Falles die typische Überforderungssituation des Kindes durch die spezifischen Gefahren des motorisierten Verkehrs bei einem Unfall nicht realisiert hat (BGH, Urteil vom 30. Juni 2009 – VI ZR 310/08 –, BGHZ 181, 368-373, juris Rn 11).

III.2.

Eine Haftung der Beklagten zu 1) ergibt sich auch nicht aus § 829 BGB.

Danach hat derjenige, wer in einem der in den §§ 823 bis 826 bezeichneten Fälle für einen von ihm verursachten Schaden auf Grund der §§ 827, 828 BGB nicht verantwortlich ist, gleichwohl, sofern der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten erlangt werden kann, den Schaden insoweit zu ersetzen, als die Billigkeit nach den Umständen, insbesondere nach den Verhältnissen der Beteiligten, eine Schadloshaltung erfordert und ihm nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

Bereits nach dem Wortlaut der Regelung des § 829 BGB besteht die Ersatzpflicht des Unzurechnungsfähigen nur hilfsweise zu § 832 BGB. Die Ersatzpflicht aus Billigkeitsgründen gemäß § 829 BGB ist subsidiär zur Haftung des Aufsichtspflichtigen nach § 832 BGB (Palandt/Sprau, 77. Aufl. 2018, Rn 3 zu § 829 BGB).

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

V.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48, 43 GKG. Das Gericht schätzt den Wert des Feststellungsantrags auf € 500,-.

 

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