Oberlandesgericht Düsseldorf
Az.: I-3 Wx 123/08
Beschluss vom 05.09.2008
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde und hat den Beteiligten zu 2 die ihnen im Verfahren der weiteren Beschwerde notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 100.000,- Euro
Gründe:
I.
Die Erblasserin war die Witwe des am 23. Dezember 1999 verstorbenen W. Einziger Abkömmling der Erblasserin ist der Beteiligte zu 1. Dieser lebt in Bayern.
Der vorverstorbene Ehemann setzte in dem handschriftlichen Testament vom 19. November 1999 seinen Sohn, den Beteiligten zu 1, zum Alleinerben ein.
Am 09. Mai 2007 wurde die Erblasserin tot aufgefunden.
Der Kriminalbeamte I. informierte nach seiner dem Amtsgericht gegenüber abgegebenen schriftlichen Erklärung den Antragsteller wie folgt:
„Soweit ich mich erinnere, habe ich mit dem Sohn gegenüber angedeutet, dass sich ein größerer Geldbetrag auf einem Girokonto der Mutter befindet.
Da er sich um den Nachlass kümmern wollte, wurde über das Ausmaß des Nachlasses nicht weiter gesprochen. Absprachegemäß wurde dem Bestatter der Wohnungsschlüssel gegen Quittung übergeben.
Wenige Tage später brachte der Bestatter in meiner Abwesenheit den Schlüssel mit der Bemerkung zurück, dass der Sohn sich nun doch nicht um die Nachlassregelung kümmern wolle. Außerdem sei dieser bereits in den Urlaub gefahren.
Tatsächlich konnte ich später den Sohn fernmündlich nicht mehr erreichen.
Ansonsten hätte ich die Situation mit ihm nochmals besprochen.“
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2007, eingegangen am 22. Mai 2007, übermittelte Notar H. aus T. die notarielle Erklärung des Beteiligten zu 1 mit dem Inhalt der Ausschlagung der Erbschaft nach seiner Mutter gleich aus welchem Rechtsgrunde.
Unter dem 22. Mai 2007 ordnete das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft an und bestellte Rechtsanwalt Jung zum Nachlasspfleger. Er zeigte durch Schriftsatz vom 24. Mai 2007 gegenüber dem Antragsteller seine Bestellung an und führte aus, die Nachlasspflegschaft sei eingerichtet worden, da der Antragsteller gegenüber der Vermieterin der Erblasserin geäußert habe, er werde das Erbe ausschlagen und der Kriminalpolizei gegenüber erklärt habe, sich um die Nachlassregelung nicht kümmern zu wollen. Nach ersten Ermittlungen betrage der Nachlass jedoch mindestens 20.000,- Euro.
Der Antragsteller rief daraufhin den Nachasspfleger an und erklärte, er könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass seine Mutter größere Vermögenswerte besessen habe, da sie ihm gegenüber ständig über Geldmangel geklagt habe; er sei deshalb davon ausgegangen, dass ein etwa vorhandener Nachlass noch nicht einmal ausreiche, um die Räumung und Renovierung der Wohnung seiner Mutter zu bezahlen.
Unter dem 11. Juni 2007 übermittelte Notar L. aus Tr. die u. A. wie folgt lautende Erklärung des Beteiligten zu 1 vom selben Tage, wonach er die Ausschlagung der Erbschaft anfechte:
„…Ich bin davon ausgegangen, dass ich als Sohn der Erblasserin als Erbe in Betracht komme.
Da meine Mutter bereits zu Lebzeiten mir gegenüber mehrmals geklagt hat, dass sie kein Vermögen besitzt, bin ich davon ausgegangen, dass im Nachlass keine besonderen Wertgegenstände vorhanden sein werden und der Nachlass wohl eher überschuldet sein wird.
Da es mir in letzter Zeit auch gesundheitlich nicht besonders gut ging und ich keinesfalls die Abwicklung des Nachlasses übernehmen hätte können und wollen, habe ich bereits am 15.05.2007 zu Urkunde des Notars H. in T. URNr. 0591/2007 die Ausschlagung der Erbschaft nach meiner Mutter, Frau W., erklärt.
Erst aufgrund eines Schreibens des vom Gericht bestellten Nachlasspflegers, Herrn Rechtsanwalt Thomas Jung, das mir am 25. Mai 2007 zugegangen ist, wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass nach seinen Ermittlungen die Erblasserin einen Nachlass von mindestens EUR 20.000,00 hinterlassen hat.
Auch hat Herr Jung erklärt, dass die Abwicklung des Nachlasses durch ihn als bestellten Nachlasspfleger erfolgen wird.
Die Ausschlagung der Erbschaft nach meiner verstorbenen Mutter fechte ich hiermit an, da ich über die Erfordernisse zur Abwicklung des Nachlasses und die Zusammensetzung des Nachlasses, insbesondere bezüglich der Annahme, dass keine Vermögensgegenstände vorhanden sind bzw. sein werden, offensichtlich im Irrtum war.“
Die vorläufige Nachlasswertaufstellung des Nachlasspflegers vom 13. Juni 2007 endet mit einem Nettonachlass von 128.691,92 Euro.
Unter dem 08. August 2007 hat der Beteiligte zu 1 die Erteilung eines Erbscheins, der ihn als Alleinerben der Erblasserin ausweist, beantragt.
Das Amtsgericht hat am 02. Januar 2007 den Erbscheinsantrag zurückgewiesen, weil der Antragsteller die Ausschlagung nicht wirksam angefochten habe. Nach Angaben des Kriminalbeamten I. sei dem Beteiligten zu 1 noch vor der Ausschlagung mitgeteilt worden, dass sich jedenfalls größere Guthaben auf dem Girokonto befinden. Ob insoweit bereits der Betrag von 20.000,- Euro genannt worden sei, sei Herrn I. nicht mehr erinnerlich gewesen, erscheine jedoch im Hinblick auf die zeitnahe Mitteilung als nahe liegend. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass dem Antragsteller schon vor seiner Ausschlagung bekannt gewesen sei, dass sich mehr als nur unerhebliche Summen auf Nachlasskonten befinden. Schon allein aufgrund der Information über größere Geldguthaben, habe der Antragsteller davon ausgehen dürfen, dass Vermögen in einer Größenordnung von mindestens 20.000,-Euro vorhanden sei.
Hiergegen hat der Antragsteller sich beschwert und hat vorgetragen, er habe keinesfalls auf einen Betrag in einer Größenordnung von 20.000,- Euro geschlossen, sondern allenfalls auf einen solchen in Höhe von 5.000,- Euro.
Gegenüber ihm habe die Erblasserin immer über ihre schwierigen finanziellen Verhältnisse geklagt. Sein Informationsstand habe sich zwischen dem 15. Mai 2007 und dem 11. Juni 2007 verändert. Im Zeitpunkt der Ausschlagung habe er nach der telefonischen Mitteilung des Polizeibeamten davon ausgehen müssen, dass aufgrund der Zusammensetzung des Nachlasses wohl eine Überschuldung vorliege, zum Zeitpunkt der Anfechtung aber, dass ein deutlich positiver Nachlass vorlag.
Das Landgericht hat, nachdem das Amtsgericht nicht abgeholfen hatte, am 15. April 2008 die Beschwerde zurückgewiesen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner weiteren Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die gemäß §§ 20, 27, 29 FGG zulässige weitere Beschwerde ist nicht begründet, denn die Entscheidung des Landgerichts beruht nicht auf einer Rechtsverletzung, §§ 27 FGG, 550 ZPO.
1.
Das Landgericht hat ausgeführt, entscheidend sei, dass der Beteiligte zu 1 bereits nach dem Telefonat mit dem Polizeibeamten I. und dessen Hinweis auf einen größeren Geldbetrag davon habe ausgehen müssen, dass eine Überschuldung des Nachlasses nicht vorliegt. Auch wenn konkrete Geldsummen eventuell noch nicht genannt worden seien, sei aufgrund der Erklärungen des Polizeibeamten I. sowie der vorgefundenen Kontoauszüge wahrscheinlich, dass bereits über eine Größenordnung gesprochen worden ist. Unter einer erheblichen Geldsumme oder Nachlasssumme sei keineswegs ein Betrag von nur 5.000,– Euro zu verstehen, sondern jedenfalls ein Betrag deutlich jenseits der 10.000,- Euro-Marke. Bezogen auf eine solche Mindestsumme habe der Beteiligte zu 1 nicht substantiiert vorgetragen, dass ein überschuldeter Nachlass vorgelegen habe. Die Erklärung des Beteiligten zu 1, er sei davon ausgegangen, dass der Nachlass wohl eher überschuldet sei, lasse vielmehr darauf schließen, dass der Beteiligte zu 1 aufgrund der Angaben des Polizeibeamten I. auch mit einem positiven Nachlass gerechnet hat, jedoch nicht mit einem derart beträchtlichen.
Insoweit sei dann jedoch kein beachtlicher Eigenschaftsirrtum anzunehmen. Zudem wäre ein eventueller Irrtum nicht ursächlich für die Ausschlagung des Beteiligten zu 1 gewesen. Der Wortlaut der Anfechtungserklärung spreche vielmehr dafür, dass der Beteiligte zu 1 sich in keiner Weise um die Abwicklung des Nachlasses – sprich die Räumung der Wohnung nebst Renovierung etc. – habe kümmern wollen. Diese Aufgaben gehörten jedoch nicht zu dem Aufgabenbereich des Nachlasspflegers, worauf bereits der Amtsrichter hingewiesen habe.
2.
Diese Erwägungen des Landgerichts halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Die Begründung des Landgerichts ist – was der Beschwerdeführer zu Recht rügt – zum Teil fehlerhaft.
So geht die Kammer z. B. ohne ausreichende konkrete Anhaltspunkte davon aus, es sei aufgrund der Erklärungen des Polizeibeamten I. sowie der vorgefundenen Kontoauszüge wahrscheinlich, dass bereits über eine Größenordnung gesprochen worden ist, wobei unter einem größeren Geldbetrag jedenfalls ein Betrag deutlich jenseits der 10.000 – Euro-Marke zu verstehen sei.
Diese nicht objektivierte Bewertung hat sich jedoch auf das Ergebnis nicht ausgewirkt.
b) Die nach §§ 1954, 1955, 1945 BGB form- und fristgerecht erklärte Anfechtung der Ausschlagungserklärung greift nicht durch, da ein Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) nicht zu erkennen ist.
aa) Bei der Erklärung einer Erbausschlagung handelt es sich um eine amtsempfangsbedürftige Willenserklärung, für deren Auslegung es auf den für die Nachlassbeteiligten erkennbaren Sinn der Erklärung ankommt (BayObLG FamRZ 2003, 121; KG Rpfleger 1996, 456). Den Nachlassbeteiligten ist regelmäßig nur der Inhalt der Ausschlagungserklärung als solcher zugänglich. Umstände, die nicht aus der Urkunde ersichtlich und nicht allgemein bekannt sind, dürften daher zur Auslegung nicht herangezogen werden (BayObLG a.a.O.). Der Antragsteller macht einen Irrtum hinsichtlich der Überschuldung des Nachlasses geltend, von der er bei der Ausschlagung ausgegangen sei. Die Überschuldung des Nachlasses kann eine verkehrswesentliche Eigenschaft im Sinne des § 119 Abs. 2 BGB sein, so dass der Irrtum hierüber zur Anfechtung einer Annahme- oder Ausschlagungserklärung nach dieser Vorschrift berechtigen kann (BayObLG a.a.O.). Ein Anfechtungsgrund ist aber nur dann gegeben, wenn der Irrtum bezüglich der Überschuldung des Nachlasses auf unrichtigen Vorstellungen hinsichtlich der Zusammensetzung des Nachlasses, hinsichtlich des Bestandes an Aktiva und Passiva beruht (BayObLG a.a.O.). Hält demnach der Ausschlagende die nicht überschuldete Erbschaft für überschuldet, besteht, sofern der Irrtum kausal war, ein Anfechtungsgrund (Staudinger-Otte, a.a.O. Rdz. 15). Der Irrtum muss nach § 119 BGB subjektiv und, anders als nach § 2078 BGB, auch objektiv erheblich gewesen sein.
Ergibt die Auslegung der Ausschlagungserklärung, dass dem Erben die etwaige Höhe seines erbrechtlichen Erwerbs gleichgültig war, kann er nicht wegen irrtümlich angenommener Überschuldung anfechten (Senat ZEV 2005, 255; Staudinger-Otte a.a.O. Rdz. 17).
Ein Irrtum über die Größe des Nachlasses berechtigt dagegen grundsätzlich nicht zur Anfechtung (BayObLG NJW-RR 1995, 904= FamRZ 1996, 59; Erman/Schlüter Rn 5; Soergel/Stein Rn 5; MünchKomm/Leipold Rn 11 (Staudinger-Otte BGB 2008 § 1954 Rdz. 14). Wer eine Erbschaft für finanziell uninteressant gehalten und daher ausgeschlagen hat, kann dies nicht anfechten, wenn sich später das Vorhandensein eines wertvollen Nachlassgegenstandes herausstellt oder sich ein Nachlassgegenstand als wertvoller erweist, als bei der Ausschlagung angenommen wurde (Staudinger-Otte, a.a.O.; BayObLG NJW-RR 1995, 904 (Ackerland/ Bauland).
bb) Dies vorausgeschickt hat das Landgericht die Wirksamkeit der Anfechtung der Erbausschlagung zu Recht mangels Irrtums (§ 119 Abs. 2 BGB) nicht als durchgreifend angesehen.
Der Antragsteller hatte zum Zeitpunkt der Abgabe seiner notariellen Erklärung der Erbschaftsausschlagung vom 15. Mai 2007 die Information des Kriminalbeamten I. in Gestalt einer Andeutung, dass sich „ein größerer Geldbetrag auf dem Girokonto der Mutter“ befinde. Abgesehen von der Frage, ob und unter welchen Umständen unter den Begriff des „größeren Geldbetrages“ eine Summe von 5.000, 10.000, 20.000,- Euro oder ein anderer Betrag zu verstehen ist, hatte der Antragsteller jedenfalls aufgrund dieser Information Anlass, sich zu informieren, um welche Größenordnung es sich denn tatsächlich handelte, um sodann zu entscheiden, ob er die Erbschaft annehmen oder ausschlagen sollte.
Dass er dies nicht getan hat, lässt in Verbindung mit seiner zur Begründung der Anfechtung gegebenen Erklärung, da seine Mutter bereits zu Lebzeiten ihm gegenüber mehrmals geklagt habe, sie besitze kein Vermögen, sei er davon ausgegangen, dass im Nachlass „keine besonderen Wertgegenstände vorhanden“ sein würden und der Nachlass „wohl eher überschuldet “ sein werde; da es ihm in letzter Zeit auch gesundheitlich nicht besonders gut gegangen sei, hätte er „keinesfalls die Abwicklung des Nachlasses übernehmen … können und wollen“, nur den Schluss zu, dass der Antragsteller seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, anhand von Spekulationen darüber getroffen hat, ob der Antritt der Erbschaft sich wohl „lohne“. Er hat die Erbschaft für nicht besonders werthaltig („keine besonderen Wertgegenstände“) und womöglich („wohl eher“) überschuldet und damit für wirtschaftlich uninteressant, möglicherweise wertlos, jedenfalls aber lästig bzw. beschwerlich gehalten. Nicht indes folgt hieraus, dass der Antragsteller aufgrund der Bewertung ihm bekannter bzw. zugänglicher Fakten zu dem Entschluss gelangt ist, die Erbschaft sei überschuldet und es sei deshalb tunlich, dieselbe auszuschlagen. Seine Einschätzung, der Nachlass sei („wohl eher“) überschuldet, schließt vielmehr die Variante eines nicht überschuldeten jedoch nicht besonders lukrativen Nachlasses gerade ein.
Hiernach kann – weitere Aufklärungsansätze mit Blick auf § 12 FGG sind insoweit nicht erkennbar – nicht als festgestellt gelten, dass der Antragsteller sich bei seiner mit Hilfe des Notars abgegebenen Erklärung der Ausschlagung des Nachlasses von der –irrtümlichen – Annahme einer Überschuldung hat leiten lassen. Die Feststellungslast trifft den Antragsteller, weil er mit der Anfechtung der Ausschlagung die günstige Folge einer Erbenstellung erstrebt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.