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Unterhalt: Kann Erbe die Unterhaltsverwirkung wg eheähnl. Verhältnisses geltend machen?

 BUNDESGERICHTSHOF

Az.: XII ZR 259/01

BESCHLUSSvom 06.11.2002


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2002 beschlossen:

Der Antrag der Beklagten auf Prozeßkostenhilfe wird abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Gründe:

1. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Abänderung eines Unterhaltsvergleichs in Anspruch. Sie ist die Tochter der Beklagten und deren geschiedenen und inzwischen verstorbenen Ehemannes. Dieser zahlte bis zu seinem Tod aufgrund eines 1989 abgeschlossenen Unterhaltsvergleichs einen nachehelichen Unterhalt von monatlich 500 DM an die Beklagte. Er ist von der Klägerin allein beerbt worden. Die Beklagte nimmt nun die Klägerin gemäß § 1586 b BGB als Erbin des Unterhaltsverpflichteten aus dem Prozeßvergleich in Anspruch. Die Klägerin will mit der Abänderungsklage erreichen, daß sie nicht mehr verpflichtet ist, Unterhalt an die Beklagte zu zahlen, da diese unstreitig seit vielen Jahren mit einem neuen Partner in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenlebt.

Die Abänderungsklage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen wegen der seiner Ansicht nach grundsätzlichen Frage, „ob der Erbe eines zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt Verpflichteten erstmals Verwirkung wegen eines verfestigten eheähnlichen Verhältnisses geltend machen kann (§1579 Nr. 7 BGB), obwohl der Erblasser hiervon wußte und sich hierauf nicht berufen hat“. Der Fall wirft indessen keine für die Entscheidung erheblichen, schwierigen und bisher ungeklärten Rechtsfragen auf, die einer Erörterung in der mündlichen Verhandlung bedürften (vgl. BGH, Beschluß vom 11. September 2002 – VIII ZR 235/02 -zur Veröffentlichung bestimmt).

2. In der Literatur ist unbestritten, daß sich auch der nach § 1586 b BGB haftende Erbe des Unterhaltsverpflichteten grundsätzlich auf § 1579 Nr. 7 BGB berufen kann (vgl. Staudinger/Baumann, BGB 12. Aufl. -1999- §1586 b Rdn. 41; Erman/Dieckmann, BGB 10. Aufl. §1586b Rdn. 3; Soergel/Häberle, BGB 12. Aufl. §1586b Rdn. 4; Rolland/Hülsmann Familienrecht/Kommentar, § 1586 b BGB Rdn. 2). Die Unterhaltspflicht geht auf den Erben – von dessen Haftungsbeschränkung abgesehen – unverändert über, und zwar auch mit der Belastung eines Einwands aus § 1579 Nr. 7 BGB. Eine Ausnahme gilt lediglich insofern, als die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten nach dessen Tod nicht mehr geprüft werden kann und muß. Auf die Leistungsfähigkeit seines Erben kommt es nicht an, weil es sich um eine Nachlaßverbindlichkeit handelt und die Haftung des Erben deshalb schon nach allgemeinen Regeln auf den Nachlaß beschränkt ist, nach § 1586b BGB sogar begrenzt auf den fiktiven Pflichtteil des Unterhaltsberechtigten (sog. kleiner Pflichtteil bei gesetzlichem Erbrecht nach § 1931 Abs. 1 und 2 BGB).

Bei der im Rahmen des § 1579 Nr. 7 BGB vorzunehmenden Billigkeitsabwägung mögen nach dem Tod des Unterhaltsverpflichteten Gesichtspunkteeine Rolle spielen können, die ausschließlich das Verhältnis zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Erben betreffen, nicht das Verhältnis zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem verstorbenen Unterhaltsverpflichteten. Anhaltspunkte für solche Gesichtspunkte sind im vorliegenden Fall aber weder festgestellt noch von den Parteien vorgetragen. Die Klägerin kann sich jedenfalls dann darauf berufen, daß die Beklagte seit inzwischen mehr als zehn Jahren in einem eheähnlichen Verhältnis mit einem anderen Mann in dessen Haus zusammenlebt und daß deshalb die Unterhaltsverpflichtung nach § 1579 Nr. 7 BGB entfallen ist, wenn der verstorbene Unterhaltsverpflichtete, würde er noch leben, sich heute noch darauf berufen könnte.

Die Annahme des Berufungsgerichts, die Voraussetzung des § 1579 Nr. 7 BGB für einen Wegfall der Unterhaltspflicht seien erfüllt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ebensowenig ist die Auffassung zu beanstanden, der Unterhaltsverpflichtete – und damit auch seine Erbin – habe das Recht, sich auf einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach § 1579 Nr. 7 BGB zu berufen, nicht schon zu Lebzeiten deshalb verloren, weil er den Unterhalt über Jahre in Kenntnis des Umstandes, daß die Beklagte mit einem anderen Mann zusammenlebe, weitergezahlt habe.

Allerdings wird in Literatur und Rechtsprechung grundsätzlich vertreten, daß eine ausdrückliche oder konkludente „Verzeihung“ der die Verwirkung begründenden Umstände daraus hergeleitet werden kann, daß der Unterhaltsverpflichtete trotz Kenntnis dieser Umstände den Unterhalt weiterbezahlt (so grundsätzlich OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1159; OLG Hamm FamRZ 1997, 1485, 1486; OLG Hamm FamRZ 1994, 704, 705; MünchKomm./Maurer, BGB 4. Aufl. § 1579 Rdn. 70; Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht 3. Aufl. § 1579 BGB Rdn. 45; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts 4. Aufl. IV Rdn. 398; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht 4. Aufl. § 30 VII 9 [S. 432];Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht 19 Rdnr. 382). Unterschiedliche Auffassungen bestehen lediglich im Anwendungsbereich und in den Auswirkungen dieser Verzeihung. So ist streitig, ob sie auch dort eingreift, wo die Verwirkungstatbestän-de des § 1579 BGB nicht an ein persönliches Fehlverhalten des unterhaltsberechtigten Ehegatten anknüpfen, sondern an objektive Umstände wie bei §1579 Nr. 1 und Nr. 7 BGB (für generelle Anwendbarkeit wohl Johannsen/Henrich/Büttner aaO; einschränkend insoweit MünchKomm./Maurer aaO; wohl auch Göppinger/Bäumel Unterhaltsrecht 7. Aufl. Rdnr. 1106). Schwierigkeiten für die Annahme einer Verzeihung können sich auch dort ergeben, wo etwa der Unterhaltsschuldner nur mit Rücksicht auf die Betreuungsbedürftigkeit eines gemeinsamen Kindes den Unterhalt ungeschmälert weitergezahlt hat, ohne von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, den Unterhaltsberechtigten auf den Mindestbedarf herabzusetzen (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. Januar 1997 – XII ZR 257/95, FamRZ 1997, 483, 484). Nicht einheitlich beantwortet wird schließlich auch die Frage, ob die Verzeihung ein selbständiger Gegeneinwand ist, der bereits den Tatbestand der Unterhaltsverwirkung entfallen läßt (so etwa Johannsen/Henrich/Büttner aaO m.w.N. oder ob sie lediglich im Rahmen der Billigkeitsabwägung des § 1579 BGB zu berücksichtigen ist (so wohl die überwiegende Meinung vgl. OLG’e Düsseldorf, Hamm jeweils aaO; MünchKomm./Maurer aaO; Gernhuber/Coester-Waltjen aaO und Schwab/Borth aaO).

Diese Fragen bedürfen hier indes keiner Klärung, so daß die Prozeßkostenhilfe für das Revisionsverfahren nicht bewilligt zu werden braucht (vgl. BGH, Beschluß vom 11. September 2002 aaO). Denn nach den insoweit maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts kann von einer Verzeihung nicht ausgegangen werden. Der Erblasser zahlte den Unterhalt in Höhe von 500 DM monatlich an seine geschiedene Ehefrau nämlich deshalb weiter, weil er dadurch seinerseits in den Genuß der Auswirkungen des § 5 VAHRG und damit des temporären Wegfalls der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung seiner Rente kam, die andernfalls insgesamt rund 759 DM monatlich weniger betragen hätte. Er hätte also, wenn er den Unterhalt an die geschiedene Ehefrau nicht weitergezahlt hätte, von vornherein weniger für sich zur Verfügung gehabt als bei Weiterzahlung. Diese Verhaltensweise des Erblassers war wirtschaftlich nachvollziehbar und vernünftig. Aus ihr kann die Unterhaltsberechtigte im vorliegenden Fall keinen Vertrauensschutz dafür herleiten, daß der Erblasser auch künftig auf Dauer auf die Geltendmachung seines Verwirkungseinwands aus § 1579 Nr. 7 BGB verzichten würde. Denn mit dem Eintritt der Rentenvoraussetzungen beim Unterhaltsberechtigten entfallen die Wirkungen des § 5 VAHRG und der Unterhaltsverpflichtete unterliegt der vollen Kürzung seiner Versorgungsbezüge, so daß für ihn kein Grund mehr vorhanden ist, die Unterhaltszahlungen fortzusetzen.

Über diese Zusammenhänge war die Beklagte von vornherein informiert. Die BfA hat ihr nämlich mit Schreiben vom 23. Februar 1995 einen Fragebogen zugesandt, den sie ausgefüllt zurückgeschickt hat. Das Anschreiben der BfA enthält eine Belehrung zu § 5 VAHRG. Außerdem hat die BfA der Beklagten nach § 6 VAHRG die Hälfte des angefallenen Nachzahlungsbetrages ausgezahlt.

Im vorliegenden Fall konnte – wie das Oberlandesgericht richtig sieht -die Beklagte nur darauf vertrauen, daß ihr geschiedener Ehemann den Unterhalt so lange weiterzahlt, wie er deshalb den Vorteil aus § 5 VAHRG hat. Sie konnte nicht darauf vertrauen, daß er, wenn dieser Vorteil entfallen sollte, sich monatlich weiter um 500 DM einschränkt, obwohl sie schon langjährig mit einem anderen Mann zusammenlebt und er deshalb nach § 1579 Nr. 7 BGB keinen Unterhalt mehr zahlen müßte.

 

 

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