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Feuerversicherung – Ausschlußfrist zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung der durch Brand zerstörten Sachen

BGH, Az.: IV ZR 129/77, Urteil vom 06.12.1978

Tatbestand

Feuerversicherung
Symbolfoto: RaZZeRs/Bigstock

Der Kläger war bis Anfang Januar 1971 Inhaber einer Diskothek in K., L.-Straße. Er schloß im Dezember 1970 bei der Beklagten eine Feuerversicherung, Einbruchsversicherung, Diebstahlversicherung und Leitungswasserversicherung mit einer Versicherungssumme von 100.000,– DM ab. Dem Vertrag lagen außer den Allgemeinen Feuerversicherungsbedingungen (AFB) besondere Bedingungen für die Feuerversicherung, Einbruchsversicherung und Leitungswasserversicherung von Geschäftsbetrieben zugrunde, in denen es ua heißt:

㤠1 РVersicherungswert

(1) Versicherungswert eines Gebäudes ist der ortsübliche Neubauwert; Versicherungswert der beweglichen Sachen ist der Wiederbeschaffungspreis (Neuwert).

§ 2 – Entschädigungsberechnung, Unterversicherung

(1) Ersetzt werden

a) bei zerstörten oder abhanden gekommenen Sachen ihr Versicherungswert (§ 1) zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles,

b) bei beschädigten Sachen die Reparaturkosten zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles zuzüglich eines Betrages für eine durch das Schadensereignis entstandene und durch die Reparatur nicht ausgeglichene Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert (§ 1). Ergibt sich durch die Reparatur eine Wertsteigerung gegenüber dem Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles, werden die Reparaturkosten um diesen Betrag gekürzt.

(2) a) Der nach Absatz 1 errechnete Schaden wird nur dann voll ersetzt, wenn die Versicherungssumme mindestens dem Versicherungswert (§ 1) entspricht. Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert zur Zeit des Eintritts des Versicherungsfalles (Unterversicherung), so wird nur derjenige Teil des Schadens ersetzt, der sich zum ganzen Schaden verhält wie die Versicherungssumme zum Versicherungswert.

§ 3 – Zahlung der Entschädigung

(1) Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf den Teil der nach § 2 Abs 2 errechneten Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt, nur, wenn und soweit er Gebäude an der bisherigen Stelle wiederhergestellt, sonstige Sachen wiederbeschafft oder die Verwendung der Entschädigung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung sichergestellt hat. … . Unterbleibt, gleichviel aus welchem Grunde die Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Versicherungsfall, oder erklärt vor Ablauf der Frist der Versicherungsnehmer dem Versicherer schriftlich, daß er nicht wieder herstellen oder beschaffen wolle, so beschränkt sich der Anspruch auf den Teil der Entschädigung, der dem Zeitwertschaden entspricht“.

Am 4. Januar 1971 brannte das Lokal aus.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangte der Kläger zunächst Entschädigung zum Neuwert in einer Höhe von 97.179,01 DM. Die Beklagte bestritt diesen Anspruch auch dem Grunde nach. Im Laufe des Rechtsstreits wurde von den Parteien eine Sachverständigenkommission gemäß § 15 AFB ernannt. Diese errechnete den entstandenen Schaden an der Gaststätteneinrichtung unter Zugrundelegung des Neuwerts auf 68.326,– DM, bei Zugrundelegung des Zeitwerts auf 38.690,– DM, den Schaden an den Vorräten auf 552,27 DM. In der mündlichen Verhandlung vom 24. Oktober 1973 überreichte der Anwalt der Beklagten das Sachverständigengutachten, beantragte aber nach wie vor vollständige Klageabweisung. Nachdem das Gericht einen Vergleichsvorschlag gemacht hatte, wonach die Beklagte den von den Sachverständigen ermittelten Neuwert von 68.878,27 DM an den Kläger zahlen sollte, erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Dezember 1973, daß sie ihre Verpflichtung zum Ersatz des von den Sachverständigen festgestellten Zeitwertschadens nicht mehr bestreite und den Betrag von 39.242,27 DM „in nächster Zeit“ überweisen werde. Der Anspruch auf Neuwertentschädigung werde dem Grunde nach zwar nicht bestritten; dieser Anspruch entstehe jedoch erst, wenn der Kläger die Gaststätte innerhalb einer Frist von drei Jahren neu errichte. Da der Kläger die Gaststätte nicht neu errichtet habe und auch die Voraussetzungen für eine Klage auf künftige Leistungen nicht gegeben seien, müsse der Kläger mit seinem den Zeitwertschaden übersteigenden Klageanspruch abgewiesen werden. In der Zeit zwischen dem 9. und 22. Januar 1974 zahlte die Beklagte daraufhin teils an den Kläger, teils an dessen Pfändungsgläubiger den von den Sachverständigen festgestellten Betrag von 39.242,– DM nebst den inzwischen aufgelaufenen Zinsen sowie irrtümlicherweise einen weiteren Betrag von 753,11 DM. Am 5. Februar 1974 erklärte die Beklagte die Hauptsache in Höhe der gezahlten Beträge für erledigt. Im übrigen kündigte sie den Antrag auf Klageabweisung an. Sie machte geltend, daß ein Anspruch auf Neuwertentschädigung nicht mehr bestehe, da inzwischen die in den besonderen Versicherungsbedingungen festgesetzte Wiederbeschaffungsfrist von drei Jahren abgelaufen sei.

Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Beklagte könne sich auf die dreijährige Wiederbeschaffungsfrist nicht berufen, weil sie sich jahrelang geweigert habe, die Entschädigung zu leisten, und dadurch eine Wiedereröffnung unmöglich gemacht habe. Das Gutachten der Sachverständigenkommission sei nicht für ihn verbindlich. Die Sachverständigen hätten ihm bei der Besichtigung erklärt, sie würden ihre Feststellungen anhand der vom Kläger übergebenen Belege ergänzen. Gleichzeitig sei mit ihm vereinbart worden, daß nach dieser Ergänzung eine Schlußbesprechung mit ihm stattfinden solle, in der er weitere Hinweise und Erläuterungen geben könne. Diese Zusage sei nicht eingehalten worden. Infolgedessen weise das Gutachten eine Reihe von offensichtlichen Fehlern auf.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 68.878,27 DM nebst Zinsen abzüglich der geleisteten Zahlungen verurteilt. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 103.809,69 DM nebst 9,75% Zinsen seit dem 19. Januar 1972 zu zahlen, abzüglich der im angefochtenen Urteil abgesetzten gezahlten Beträge, hilfsweise festzustellen, daß die Beklagte über die Erstattung des Zeitwerts hinaus verpflichtet ist, dem Kläger die Differenz zum Neuwert zu ersetzen, wenn der Kläger innerhalb dreier Jahre nach Rechtskraft des Urteils eine vergleichbare Gaststätteneinrichtung wiederbeschafft oder die Wiederbeschaffung sichergestellt hat.

Die Beklagte hat beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Das Berufungsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger 50.564,35 DM nebst Zinsen abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen zu zahlen. Es hat weiterhin festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, über diesen Betrag hinaus dem Kläger weitere 40.115,60 DM zu zahlen, sofern er innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft des Urteils „eine Gaststätteneinrichtung wiederbeschafft oder die Wiederbeschaffung sichergestellt hat, welche der am 5. Januar 1971 durch Brand zerstörten vergleichbar ist“. Im übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen.

Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, daß die Mitglieder der Sachverständigenkommission dem Kläger zugesagt haben, ihn vor Erstattung des Gutachtens in einer Schlußbesprechung nochmals anzuhören. Da diese Besprechung nicht stattgefunden habe, sei dem Kläger im Sachverständigenverfahren das rechtliche Gehör verweigert worden. Hierin sei ein wesentlicher, die Verbindlichkeit des Gutachtens ausschließender Verfahrensmangel zu sehen. Das Berufungsgericht war sich darüber im klaren, daß nach der herrschenden Lehre Schiedsgutachter rechtliches Gehör nicht zu gewähren brauchen; es hielt die herrschende Meinung jedoch jedenfalls für Schiedsgutachten nach § 15 AFB für unzutreffend.

Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer Entscheidung der Frage, ob für den rechtlichen Bestand eines Schiedsgutachtens nach § 15 AFB die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs jedenfalls dann wesentlich ist, wenn, wie hier, die Mitglieder der Sachverständigenkommission eine Anhörung ausdrücklich zugesagt haben. Der Senat hatte bereits in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß das von den Sachverständigen Ka. und F. erstattete Gutachten möglicherweise bereits deshalb unverbindlich sein könne, weil diese zu einem Ergebnis gelangt sind, das offenbar erheblich von der wirklichen Sachlage abweicht. Dies ist auch – entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht – der Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist der Zeitwertschaden um 12.052,08 DM höher als der von den Sachverständigen ermittelte Betrag von 39.242,57 DM; die Differenz zwischen dem Zeitwertschaden und dem Neuwert ist nach der Überzeugung des Berufungsgerichts um 10.479,60 DM höher als der von den Sachverständigen ermittelte Betrag von 29.636,– DM. Eine solche Abweichung von rd 30% ist zweifellos als erheblich zu bezeichnen. Ob im Einzelfall eine erhebliche Abweichung vorliegt, ist zwar grundsätzlich eine nicht revisible Tatfrage (RG Juristische Rundschau für die Privatversicherung 1928, 369; Prölss/Martin VVG 21. Aufl § 64 Anm 7). Der Beurteilung durch den Tatrichter sind jedoch rechtliche Grenzen gesetzt. Eine Abweichung, die, wie hier, in die Zehntausende geht und 30% des von den Sachverständigen ermittelten Betrages ausmacht, könnte der Tatrichter nicht ohne Rechtsverstoß als unerheblich bezeichnen. Da somit aus Rechtsgründen keine andere tatrichterliche Entscheidung als die Bejahung der Erheblichkeit in Frage kommt, ist es unschädlich, daß sich das Berufungsgericht über die Erheblichkeit der im Umfang festgestellten Abweichung nicht ausdrücklich ausgesprochen hat.

„Offenbar“ im Sinne des § 64 VVG ist eine solche Unrichtigkeit, die sich dem Sachkundigen aufdrängt. Dabei ist es nicht erforderlich, daß der Fehler in die Augen springt; es genügt vielmehr, daß er sich bei einer Prüfung durch Sachkundige mit Deutlichkeit ergibt (BGHZ 9, 195; BGH VersR 1957, 122). Diese Voraussetzungen sind nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts bei der weitaus überwiegenden Zahl der Schadensposten, hinsichtlich der das Kommissionsgutachten von der wirklichen Sachlage abweicht gegeben:

1. Bei der Bewertung der Trennwand haben die Sachverständigen ihrer Wertermittlung allein die vorgewiesenen Materialrechnungen zugrunde gelegt und die Lohnkosten ebenso wie die in der Zeit bis zum Brand eingetretene Preiserhöhung unberücksichtigt gelassen. Daß der Kläger nur Belege über Materialkosten vorweisen konnte, berechtigte die Sachverständigenkommission nicht, die Lohnkosten außer Betracht zu lassen; die Aufgabe des Sachverständigen nach § 15 AFB besteht nicht darin, anhand von Belegen die Gestehungskosten des Versicherungsnehmers zu errechnen, sondern aufgrund ihrer Sachkunde den Wert der zerstörten Sache zu schätzen.

2. Bei den Polsterbänken hat die Sachverständigenkommission nicht nur die in der Zeit zwischen der Anschaffung und dem Brand eingetretene Teuerung unberücksichtigt gelassen; sie hat sogar den Neuwert auf einen Betrag festgesetzt, der geringer ist als die nachgewiesenen Anschaffungskosten des Klägers.

3. Was die gepolsterten Hocker betrifft, so hatte bereits das Landgericht festgestellt, daß die Sachverständigenkommission lediglich sechs Hocker berücksichtigt hatte, obwohl ausweislich der Fotos neun bis zehn Hocker vorhanden waren. Dieser Beurteilung hat sich das Berufungsgericht angeschlossen.

4. Bei der Bewertung der Theke hat die Sachverständigenkommission die in der Zeit zwischen der Anschaffung und dem Brand eingetretene Teuerung unberücksichtigt gelassen.

5. Bei der Bewertung der Schallplatten fehlt im Kommissionsgutachten jede Begründung für den nach Auffassung des Berufungsgerichts erstaunlich geringen Wertansatz.

6. Für die zerstörte Verstärkeranlage haben die Sachverständigen F. und Ka. nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht den nach § 3 AFB maßgeblichen üblichen Wiederbeschaffungswert eingesetzt, sondern den Preis, der sich bei Ausnutzung besonders günstiger Bezugsquellen ergibt. Bereits dies war fehlerhaft. Im übrigen ist die Abweichung des im Kommissionsgutachten genannten Betrages von 1.300,– DM von dem vom Berufungsgericht festgestellten wirklichen Wert von 10.511,– DM so groß, daß sie schon aus diesem Grunde für jeden Sachkundigen offen zutage lag.

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7. Da in dem Lokal des Klägers Filme vorgeführt wurden und auch ein Filmprojektor vorhanden war, war es offenbar fehlerhaft, daß weder Filme noch Filmleinwand bei der Schadensberechnung berücksichtigt wurden.

Ob auch bei den übrigen Schadensposten die Unrichtigkeit der Schadensschätzung durch die Sachverständigenkommission offenbar war, kann dahingestellt bleiben. Die Abweichung macht bei dem Flachtransparenten 96,– DM, bei den Beleuchtungskörpern 35,80 DM und bei den im Berufungsurteil auf Seite 19 unter Ziff 12 behandelten sonstigen Gegenständen 1.586,98 DM aus. Selbst wenn diese Beträge unberücksichtigt bleiben, ist die Abweichung zwischen dem wirklichen und dem von den Sachverständigen ermittelten Wert erheblich.

II.

Auch die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Anspruch des Klägers auf Erstattung der Differenz zwischen dem Neuwert und dem Zeitwert der beschädigten Einrichtungsgegenstände ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil der Beklagten.

Nach § 3 Abs 1 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Besonderen Bedingungen für die Feuerversicherung, Einbruchsversicherung, Diebstahlversicherung und Leitungswasserversicherung von Geschäftsbetrieben erwirbt der Versicherungsnehmer den Anspruch auf den dem Zeitwertschaden übersteigenden Teil der Entschädigung nur, wenn er Gebäude wiederhergestellt, sonstige Sachen wiederbeschafft oder die Wiederbeschaffung sichergestellt hat. Unterbleibt die Wiederherstellung oder die Wiederbeschaffung, „gleichviel aus welchem Grund“ innerhalb einer Frist von drei Jahren nach dem Versicherungsfall, so beschränkt sich der Entschädigungsanspruch auf den Zeitwertschaden (§ 3 Abs 1 der genannten Bedingungen). Nach der Auffassung des Berufungsgerichts sind die bedingungsmäßigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Neuwertentschädigung jetzt nicht mehr gegeben, weil inzwischen seit dem Versicherungsfall mehr als drei Jahre verstrichen sind. Die Beklagte könne sich jedoch im vorliegenden Fall auf den Ablauf der Dreijahresfrist nicht berufen, weil sie selbst den Kläger durch ihr eigenes Verhalten an der Einhaltung der vereinbarten Frist gehindert habe. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen.

Der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung ist auf allen Rechtsgebieten, demnach auch gegenüber der Berufung auf Klauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen zulässig. Er kann noch nicht einmal durch Individualvereinbarungen, geschweige denn durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ausgeschlossen werden (Staudinger/Weber, BGB 11. Aufl § 242 Rdn A 141; Alff in BGB-RGRK 12. Aufl § 242 Rdn 3; Palandt/Heinrichs, BGB 37. Aufl § 242 Anm 1b). Wenn der Ausdruck „gleichviel aus welchem Grund“ dahin zu verstehen wäre, daß damit dem Versicherungsnehmer auch die Berufung auf den das ganze Rechtsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt sein soll, wäre die Klausel insoweit nichtig.

Als unzulässige Rechtsausübung kann sich die Berufung auf Ausschlußfristen insbesondere dann darstellen, wenn der Berechtigte durch das Verhalten des Verpflichteten an der Fristwahrung gehindert worden ist (Staudinger/Weber, BGB 11. Aufl § 242 Rdn D 502 – 519; Soergel/Siebert/Knopp, BGB 10. Aufl § 242 Anm 275ff; BGHZ 31, 77, 84; BFH Betrieb 1955, 184). So war es hier. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, hat die Beklagte bis zum 3. Dezember 1973 jegliche Ersatzpflicht geleugnet. Sie hat dann zwar schriftsätzlich erklärt, daß sie auch den Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens dem Grunde nach nicht mehr bestreite. Bereits zwei Monate später hat sie jedoch die Ersatzpflicht hinsichtlich der Differenz zwischen Zeitwert und Neuwert erneut in Abrede gestellt, diesmal mit der Begründung, die Dreijahresfrist sei verstrichen. Wie das Berufungsgericht weiterhin in tatsächlicher Hinsicht feststellt, war es dem Kläger bei seiner finanziellen Lage nicht möglich, ohne sichere Aussicht auf eine ausreichende Brandentschädigung die abgebrannte Gaststätte oder ein vergleichbares Lokal neu zu errichten. Die Beklagte kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß sie, solange die strafrechtliche Untersuchung gegen den Kläger lief, gemäß § 17 Abs 2b AFB zur Aufschiebung der Zahlung berechtigt war. Die Berufung auf eine Ausschlußfrist kann auch dann gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Berechtigte durch ein Verhalten des Verpflichteten, das diesem nicht zum Vorwurf gereicht, an der rechtzeitigen Wahrnehmung seiner Rechte gehindert war (vgl für den analogen Fall der Verwirkung: RGZ 134, 357, 358; Soergel/Siebert/Knopp, BGB 10. Aufl § 242 Rdn 300; Staudinger/Weber, BGB 11. Aufl § 242 Rdn D 617, 611 mwN). Das Berufungsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß das für den Kläger durch das Verhalten der Beklagten gesetzte Hindernis erst in dem Augenblick wegfällt, in dem die Entschädigungspflicht zum Neuwert rechtskräftig festgestellt wird; denn erst damit erlangt der Kläger die sichere Aussicht auf eine ausreichende Brandentschädigung. Ihm mußte daher eine angemessene, vom Zeitpunkt der Rechtskraft des Feststellungsausspruchs an laufende Nachfrist zur Wiederbeschaffung der Gaststätteneinrichtung (oder Sicherstellung der Wiederbeschaffung) eingeräumt werden. Fehlerhaft war es jedoch, wenn das Berufungsgericht geglaubt hat, es müsse die Nachfrist auf den gleichen Zeitraum wie die Frist selbst, also auf drei Jahre erstrecken. Kann sich der Verpflichtete nach Treu und Glauben auf den Ablauf einer Ausschlußfrist nicht berufen, weil der Berechtigte an der Wahrung der Frist gehindert war, so beginnt mit dem Wegfall des Hindernisses die Frist nicht erneut zu laufen (vgl für den analogen Fall der Versäumung der Klagefrist gemäß § 12 Abs 3 VVG: RG LZ 1909, 695; 1914, 485; BGH VersR 1958, 862; 1962, 372; 1962, 715). Dem Berechtigten muß vielmehr lediglich ausreichend Zeit zur Nachholung der versäumten Handlung gegeben werden. Wenn es um die Wiederherstellung einer zerstörten Gaststätte geht, muß allerdings eine geräumigere Nachfrist gewährt werden als in den Fällen, in denen lediglich die rechtzeitige Klageerhebung versäumt wurde. Keinesfalls benötigt aber der Kläger eine Nachfrist von drei Jahren; seinen Interessen ist ausreichend Genüge getan, wenn ihm zur Erfüllung der in § 3 Abs 1 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Besonderen Bedingungen eineinhalb Jahre zugebilligt werden.

Die Revision meint, es sei auf jeden Fall fehlerhaft gewesen, daß das Berufungsgericht die Zusatzentschädigung schon jetzt auf 40.115,60 DM festgesetzt habe. Es habe verkannt, daß der Versicherungsnehmer den Anspruch auf Neuwertentschädigung nur erwerbe, wenn und soweit er wiederbeschaffe. Hierbei übersieht die Beklagte, daß nach dem im Berufungsurteil enthaltenen Feststellungsausspruch die Beklagte nur dann zur Zahlung von 40.115,60 DM verpflichtet ist, wenn der Kläger innerhalb von drei Jahren nach Rechtskraft des Urteils eine Gaststätteneinrichtung wiederbeschafft oder die Wiederbeschaffung sicherstellt, welche der am 5. Januar 1971 durch Brand zerstörten vergleichbar ist.

Da auch sonst keine Rechtsfehler zu Lasten der Beklagten ersichtlich sind, ist die Revision zurückzuweisen.

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