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Beweislast Bankkunde für Höhe des eingezahlten Betrages am Geldautomaten

Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 4 U 217/21 – Urteil vom 19.10.2022

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 07.10.2021, Az. 19 O 33/17, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 9.475,00 € festgesetzt.

Zusammenfassung

Ein Kläger fordert die beklagte Sparkasse auf, einen Geldbetrag zu zahlen, den er in einen Geldautomaten eingezahlt haben will. Am 28.09.2016 zahlte der Kläger eine Summe an einem Geldautomaten der Beklagten in der Filiale in W. ein, aber der Vorgang wurde kurz nach dem Beginn des Verarbeitungsvorgangs abgebrochen und es erschien auf dem Display des Automaten der Wortlaut „Außer Betrieb“. Am Folgetag fanden die Mitarbeiter der für die Bestückung und Wartung des Einzahlungsautomaten beauftragten GmbH 300 € in der Retract-Kassette und 3.850 € auf dem Transportweg des Automaten. Die auf dem Transportweg vorgefundene Summe wurde dem Einzahlungsvorgang des Klägers zugeordnet und dessen Konto gutgeschrieben. Der Kläger hat behauptet, er habe insgesamt 13.325 € in den Geldautomaten eingelegt, aber die Beklagte hat bestritten, dass er mehr als den ihm gutgeschriebenen Betrag eingezahlt habe. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, da die Beklagte pflichtwidrig das Konto des Klägers lediglich mit 3.850 € statt der eingezahlten 13.325 € gutgeschrieben habe. Die Beklagte hat Berufung eingelegt und kritisiert die Beweiswürdigung. Der Fall wurde vom Senat erneut untersucht, einschließlich der Vernehmung von Zeugen und des Sachverständigen.

Das Gericht entschied, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung hat, da er nicht beweisen konnte, dass er mehr Geld in den Automaten eingezahlt hat, als ihm gutgeschrieben wurde. Das Gericht argumentierte, dass der Kläger die Beweislast trage, da er als Zahler die Aufgabe hat, den Zahlungsvorgang zu beweisen. Es wurde auch festgestellt, dass die Mitarbeiter der Beklagten den Betrag, den der Kläger behauptete, nicht aufgefunden haben und dass der Kläger nicht in der Lage war, seinen Anspruch durch andere Beweismittel zu belegen. Infolgedessen wurde die Klage abgewiesen, und der Kläger hatte keinen Anspruch auf Erstattung des Geldbetrags.

Gründe

I.

Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse auf Zahlung eines Geldbetrages in Anspruch, den er in einen Geldautomaten der Beklagten eingezahlt haben will.

Beweislast Bankkunde für Höhe des eingezahlten Betrages am Geldautomaten
(Symbolfoto: Capricorn Studio/Shutterstock.com)

Am 28.09.2016, 18.10 Uhr zahlte der Kläger Bargeld an einem Geldautomaten der Beklagten in der Filiale in W. ein, wobei streitig ist, um welchen Geldbetrag es sich insgesamt handelte. Der Vorgang wurde kurze Zeit, nachdem der Automat die Geldnoten aufgenommen, den Einzahlungsbehälter geschlossen und mit dem Verarbeitungsvorgang begonnen hatte, abgebrochen und es erschien auf dem Display des Automaten der Wortlaut „Außer Betrieb“. Der Kläger wandte sich telefonisch an die in den Räumlichkeiten der Filiale angeschlagene Service-Telefonnummer, welche Summe er als eingezahlt angab, ist streitig; unstreitig ist allerdings, dass der Kläger nicht den nunmehr mit der Klage behaupteten Einzahlungsbetrag genannt hat.

Am Folgetag erschienen die Mitarbeiter E. und B. der von der Beklagten für die Bestückung und Wartung des Einzahlungsautomaten beauftragten … GmbH zur Entstörung des Automaten in der Filiale der Beklagten in W. Diese fanden 300 € in der Retract-Kassette und 3.850 € auf dem Transportweg des Automaten. Die in der Retract-Kassette vorgefundenen 300 € wurden später einem weiteren abgebrochenen Einzahlungsvorgang einer anderen Kundin der Beklagten zugeordnet, zu dem es am 28.09.2016, 9.45 Uhr, gekommen war; in dessen Folge konnte sich der Geldautomat selbst entstören und war anschließend wieder für nachfolgende Ein- und Auszahlungen betriebsbereit. Die auf dem Transportweg vorgefundene Summe in Höhe von 3.850 €, die sich aus 28 Geldscheinen zu je 100 € und 27 Geldscheinen zu je 50 € zusammensetzte, wurde dem Einzahlungsvorgang des Klägers zugeordnet und dessen Konto bei der Beklagten gutgeschrieben.

Der Kläger hat behauptet, er habe am 28.09.2016 Bargeld in Höhe von insgesamt 13.325 € in den streitgegenständlichen Geldautomaten eingelegt. Dieser Betrag stamme aus dem Verkauf eines Motorrades der Marke … an den Zeugen S. Er hat geltend gemacht, es könne nicht zu seinen Lasten gehen, dass nur insgesamt 4.150 € entdeckt worden sein, denn wer sich – wie die Beklagte – technischer Geräte bediene, habe letztlich für deren Fehlerhaftigkeit einzustehen.

Die Beklagte hat bestritten, dass der Verkauf des Motorrades so wie behauptet abgewickelt worden sei und der Kläger mehr als den ihm gutgeschriebenen Betrag eingezahlt habe. Der Kläger habe, als er im Rahmen des Telefonats im Anschluss an den abgebrochenen Einzahlungsvorgang nach der Höhe des eingezahlten Geldbetrages gefragt worden sei, 10.000 € angegeben. Es sei bei dem streitgegenständlichen Geldautomaten technisch ausgeschlossen, dass sich Geldbeträge außerhalb der Kassetten zur planmäßigen Ablage, des Retract-Fachs oder des Geldtransportwegs im Gerät eingelagert oder verborgen haben könnten. Dass irgendwo im vorliegenden Gerät Geld verschwunden sei, sei bei millionenfachem Einsatz des Geräts noch nie aufgetreten.

Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme mit Urteil vom 07.10.2021, auf das wegen der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit einem Geschäftsbesorgungsvertrag zur Erbringung von Zahlungsdiensten (§§ 675 c ff. BGB) zu. Die Beklagte habe pflichtwidrig dessen Konto lediglich 3.850 € statt eingezahlter 13.325 € gutgeschrieben und zudem nicht gewährleistet, dass der Geldautomat nach dem ersten Störungsfall noch eingezahlte Beträge so geschützt aufbewahre, dass diese mit der gebotenen Sicherheit tatsächlich dem Einzahler zugeordnet werden können. Der Sachverständige habe bestätigt, dass der Geldautomat nicht mehr habe betrieben werden dürfen, nachdem das Retractfach mit den Banknoten aus dem ersten Störfall belegt gewesen sei. Denn danach hätten bei einer zweiten Einzahlungsstörung die Geldscheine nur noch in der – nicht durch einen Tresorbereich gesicherten – Geldscheintransporteinrichtung des Geldautomaten verbleiben können und seien daher nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter gesichert gewesen. Die Transporteinrichtung unterliege nach den in sich stimmigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen laufenden manuellen Eingriffen, weil dort etwa auch der Papierwechsel des Quittungsdruckers oder die Entnahme eingezogener Scheckkarten erfolge, Banknoten könnten während des Geldscheintransportes aus der Transporteinrichtung herausfallen oder ausgeworfen werden und übersehen werden. Dass der Geldautomat im Rahmen bloßer Wartungszugriffe der Drittfirma außerhalb des Tresorbereiches hinreichend vor Missbrauch gesichert sei, sei nicht schlüssig.

Das Landgericht hat es ferner als erwiesen erachtet, dass der Kläger am 28.09.2016 insgesamt 13.325 € in den Geldautomaten der Beklagten eingezahlt habe. Dass der Kläger am 28.09.2016 13.325 € aus dem Verkauf eines Motorrades erlangt habe, sei durch die Vorlage des Kaufvertrages und den hiermit korrespondierenden Angaben der Zeugin W. hinreichend bestätigt. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kaufvertrag gefälscht sei, was in dieser Form auch nicht von der Beklagten eingewandt werde. Gegen eine Vortäuschung des Verkaufsgeschäfts spreche, dass das vom Kläger vorgelegte Exemplar nicht von ihm zum Nachweis der Kaufpreiszahlung unterschrieben sei; einer Vernehmung des Zeugen S. habe es daher nicht bedurft. Die Schilderungen der Zeugin W., wonach der Umschlag mit den „vielen bunten Scheinen“ bei Rückkehr des Klägers leer gewesen sei und die eine deutlich wahrnehmbare Erregung des Klägers nach dem fehlgeschlagenen Einzahlungsvorgang bezeugt habe, bestätige die Sichtweise des Landgerichts. Dass der Kläger im Rahmen seiner Anhörung eingeräumt habe, gegebenenfalls gegenüber der Hotline die Einzahlungssumme nicht korrekt wiedergegeben zu haben, sei mit der verständlichen Aufregung des Klägers zu erklären. Für die Wahrheit seiner Behauptung spreche, dass er noch in der Klageschrift zum Beweis des Umfangs seiner Einzahlung die Herausgabe der Videoaufzeichnung vom Einzahlungsvorgang beantragt habe. Denn er habe vor Einsichtnahme in die Aufnahmen gar nicht wissen können, ob sich nicht im Rahmen der Kamerasichtung des Geldautomaten sein Einzahlungsvorgang umfangmäßig nachvollziehen lasse.

Die Vernehmung der Mitarbeiter der … GmbH E. und B. zu der Behauptung, der Kläger habe lediglich 3.850 € eingezahlt, sei nicht angezeigt. Der Kläger habe schon nicht in Abrede gestellt, dass diese lediglich 4.150 € als Einzahlungssummen der beiden Störfälle vom 28.09.2016 entnommen hätten. Hieraus lasse sich aber nicht darauf schließen, dass der Kläger nicht den von ihm behaupteten Betrag eingezahlt habe, denn nach den Feststellungen des Sachverständigen „X“ sei es möglich gewesen, dass Banknoten während des Geldscheintransportes aus der Transporteinrichtung herausfallen oder ausgeworfen werden, solche herausgefallenen Geldscheine übersehen werden, bei Öffnung des Geldautomaten von Bankkundenseite aus Scheine aus dem Fach der Transporteinrichtung entnommen werden oder durch eine gezielte Manipulation des Automaten Geldscheine hinter der Klappe liegen bleiben. Der Einvernahme der von der Beklagten des Weiteren angebotenen Zeugen, die Mitarbeiter M. und P. der Herstellerfirma, zu der Frage, an welchen Stellen im Automaten bei technischen Störungen Geldscheine verbleiben können, habe es nicht bedurft, denn dies sei eine technische Frage, welche dem Zeugenbeweis nicht zugänglich und vom Sachverständigen geklärt worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Sie rügt eine unzureichende und fehlerhafte Beweiswürdigung. Bei der Äußerung des Sachverständigen, er halte es für möglich, dass Geldscheine aus der Transporteinrichtung herausfallen oder ausgeworfen werden können und solche herausgefallenen Geldscheine in der Transporteinrichtung übersehen werden können, handele es sich um eine bloße Vermutung. Die Darstellung des Landgerichts, dass Geldscheine im Bereich der Transporteinrichtung des Geldautomaten, in welchem das vom Kläger eingezahlte Geld wegen der Störung verblieben sei, laufend manuellen Eingriffen (etwa Papierwechsel, Entnahme von Scheckkarten) ausgesetzt seien, beruhe auf der falschen Schlussfolgerung, dass der weniger sichere Transportbereich bedeutet, dass Geldscheine einfach entnommen werden könnten, und sei daher ebenfalls unzutreffend. Die Aussage der Zeugin W. sei unergiebig gewesen, vielmehr hätte der Zeuge S. zu der Behauptung des Klägers, durch den Verkauf des Motorrades 13.325 € in bar erhalten zu haben, vernommen werden müssen. Es hätten auch die von ihr angebotenen Zeugen E. und B. vernommen werden müssen, denn das Auffinden von lediglich 4.150 € sei ein Indiz dafür, dass eine Einzahlung in der behaupteten Höhe nicht erfolgt sein könne.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 07.10.2021 (Az. 19 O 33/17) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen S., E., K. und P. sowie mündliche Anhörung des Sachverständigen B.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14.09.2022 (Bl. 459 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Auch in der Sache hat die Berufung Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Erstattungsanspruch nach § 675 y Abs. 1 Satz 1 BGB; eine andere Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch kommt nicht in Betracht.

a) Bei dem Einzahlen von Bargeld in den Geldautomaten der Beklagten handelt es sich um einen Zahlungsvorgang des Klägers im Sinne von § 675 f Abs. 4 Satz 1 BGB in Form der Bereitstellung eines Geldbetrages. Dieser Zahlungsvorgang war auch durch den Kläger autorisiert, so dass § 675 u Satz 2 BGB (in der vom 31.10.2009 bis 12.01.2018 geltenden Fassung) als Anspruchsgrundlage für den mit der Klage geltend gemachten Anspruch ausscheidet. Autorisierung bedeutet gemäß § 675 j Abs. 1 Satz 1 BGB Zustimmung des Zahlers zum Zahlungsvorgang, die hier konkludent damit erklärt wurde, dass der Kläger auf eigene Initiative das Bargeld in den Geldautomaten der Beklagten zur Gutschrift auf sein bei der Beklagten geführtes Konto eingezahlt hat.

Damit steht allein – die §§ 675 u und 675 y BGB a.F. sind abschließend (§ 675 z Satz 1 BGB) – § 675 y Abs. 1 Satz 1 BGB als Anspruchsgrundlage zur Verfügung. Nach dieser Norm kann der Zahler, wenn er einen Zahlungsvorgang auslöst, im Fall einer nicht erfolgten oder fehlerhaften Ausführung des Zahlungsauftrags die unverzügliche und ungekürzte Erstattung des Zahlungsbetrags von seinem Zahlungsdienstleister verlangen. Der Kläger macht vorliegend eine teilweise nicht erfolgte Ausführung seines Zahlungsauftrages gemäß § 675 y Abs. 1 Satz 1 1. Var. BGB geltend. Zahlungsauftrag ist nach § 675 f Abs. 4 Satz 2 BGB jeder Auftrag, den ein Zahler seinem Zahlungsdienstleister zur Ausführung eines Zahlungsvorgangs entweder unmittelbar oder mittelbar über einen Zahlungsauslösedienstleister oder den Zahlungsempfänger erteilt. Nicht erfolgt ist eine Zahlung, wenn mit der Ausführung des Zahlungsauftrages nicht begonnen wird oder der Zahlungsbetrag innerhalb der Zahlungskette verloren geht (Zetzsche, in: MüKo zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 675 y Rdn. 11). Der Kläger hat, indem er Bargeld in das Geldeingabefach des Geldautomaten gelegt und den Beginn des Einzahlungsvorgangs durch Betätigung der entsprechenden Taste bestätigt hat, der Beklagten einen Zahlungsauftrag gerichtet auf Gutschrift des eingezahlten Betrages auf sein Konto erteilt. Er behauptet allerdings, mehr Geld in den Geldautomaten gegeben zu haben als seinem Konto durch die Beklagte gutgeschrieben wurde.

b) Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme allerdings nicht davon überzeugt, dass der Kläger in das Geldeingabefach des Geldautomaten 13.325 € eingelegt und sodann einen Zahlungsvorgang in dieser Höhe ausgelöst hat. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger 3.850 € in das Geldeingabefach des Geldautomaten eingelegt und sodann einen Zahlungsvorgang in dieser Höhe ausgelöst hat, mit der Folge, dass ein teilweise nicht ausgeführter Zahlungsvorgang im Sinne des § 675 y Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. nicht vorliegt.

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aa) Hier ist zwar unstreitig, dass der Einzahlungsvorgang seitens des Automaten abgebrochen wurde, dies führt jedoch auch unter Berücksichtigung des § 676 BGB nicht dazu, dass die Beklagte den Nachweis führen muss, dass der Kläger lediglich 3.850 € in den Automaten eingeführt hat. Die Darlegungs- und Beweislast für den Umstand, dass er den Zahlungsvorgang in der von ihm behaupteten Höhe überhaupt – durch Bareinzahlung von 13.325 € – ausgelöst bzw. den Zahlungsauftrag mit dem von ihm behaupteten Inhalt erteilt hat, trägt – entsprechend den allgemeinen Regeln – der Kläger als Zahler (so auch Sprau, a.a.O., § 675 y Rdn. 6a; Schmalenbach, in: BeckOK BGB, Hau/Proseck, 63. Edition Stand 01.08.2022, § 675 y Rdn. 10; AG Dortmund, Urteil vom 29.09.2020, Az. 425 C 3996/20, BeckRS 2020, 27668 Rdn. 11; wohl auch Köndgen, a.a.O., § 675 y Rdn. 50 und Zetzsche, a.a.O., § 675 y Rdn. 25, da sie davon ausgehen, dass der Zahlungsdienstleister nach §§ 675 y Abs. 1 Satz 5, 676 BGB Erfüllung beweisen muss). Hierfür spricht zum einen der Wortlaut des § 676 BGB, der nur die streitige Tatsache der ordnungsgemäßen Ausführung des Zahlungsvorgangs in Bezug nimmt, und zum anderen der Wortlaut des § 675 y Abs. 1 Satz 5 BGB a.F., der auf den Erfolg der Auftragsausführung abstellt. Dies ist auch sachgerecht, da der Zahlungsdienstleister bei streitigen Barein- und -auszahlungsfällen an Kassenautomaten nicht in der Lage ist, über den Nachweis des ordnungsgemäßen Ablaufs gemäß § 676 BGB hinaus die tatsächlich erfolgte Zahlung nachzuweisen (so auch Schmalenbach, a.a.O., § 675 y Rdn. 10).

bb) Der Kläger vermochte den Beweis darüber, dass er über die im Geldautomaten gefundene Summe von 3.850 € hinaus weitere 9.475 € in den Geldautomaten eingelegt hat, nicht zu führen.

Für den unmittelbaren Einzahlungsvorgang gibt es keine Zeugen. Wie der Kläger bei seiner Anhörung durch den Senat selbst mitteilte, könne die Zeugin W. keine Angaben zur Höhe des Geldbetrages machen, sie sei auch beim Einzahlungsvorgang selbst nicht zugegen gewesen; einer nochmaligen Einvernahme der Zeugin bedurfte es daher auch nicht. Weitere Zeugen für den unmittelbaren Einzahlungsvorgang hat der Kläger nicht benannt.

Der Kläger selbst hat zwar bei seiner Anhörung angegeben, am 28.09.2016 aus dem Verkauf des Motorrades von dem Zeugen S. 13.235,00 € erhalten zu haben und diesen Betrag sogleich zum Zwecke der Einzahlung auf sein Konto in den Geldautomaten der Beklagten eingezahlt zu haben. Der Zeuge S. hat bei seiner Vernehmung durch den Senat auch den Abschluss des Kaufvertrages, insbesondere den in dem schriftlichen Vertrag (Anl. K2, Bl. 40 der Akte) dokumentierten Kaufpreis von 13.235 € bestätigt.

Gleichwohl führt dies nicht zur Überzeugung des Senats, nicht einmal zu einem Anbewiesensein im Sinne des § 448 ZPO, dass der Kläger diesen Betrag tatsächlich in den Geldautomaten eingezahlt hat. Dabei ist nicht von entscheidender Bedeutung, dass der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Landgericht und in der Klageschrift noch einen Einzahlungsbetrag in Höhe von 13.325 € angegeben hat, auch wenn dieser Widerspruch bereits seltsam anmutet. Nicht plausibel erscheint dem Senat aber bereits, dass der Kläger – insoweit unstreitig – in dem unmittelbar nach dem Vorfall mit der Service-Hotline geführten Telefonat nicht den vermeintlich aus dem Kaufvertrag erhaltenen und eingelegten Geldbetrag korrekt genannt hat. Der Kläger mag wegen des befürchteten Verlustes der für seine Verhältnisse sehr hohen Geldsumme – er gab sein Netto-Einkommen seinerzeit mit 2.000,00 € Euro an – im Automaten sehr aufgeregt gewesen sein, dies erklärt aber nicht, dass er sich bereits unmittelbar nach dem Einzahlungsvorgang an den Betrag nicht mehr erinnern konnte. Dies gilt umso mehr, als er vor dem Senat dartat, es sei bei den Kaufvertragsverhandlungen mit dem Zeugen S. um „jeden Cent“ gegangen, er habe letztlich einen Abschlag von 265,00 € akzeptiert, und er habe mit dem Verkaufserlös ein bei der Beklagten noch in Höhe von 12.000-13.000 € valutierendes Darlehen ablösen wollen. Die vom Kläger selbst geschilderte Erregung ist vor dem Hintergrund verständlich, dass er – unstreitig – Bargeld in nicht unerheblicher Höhe in den Automaten gegeben hat, der dann „außer Betrieb“ ging und zwar ohne Ausgabe einer Quittung für den eingezahlten Betrag; eine indizielle Bedeutung für die vom Kläger behauptete Geldbetragshöhe kommt diesem Umstand nicht zu.

Ein hinreichendes – wenigstens für ein die Parteivernehmung rechtfertigendes Anbewiesensein im Sinne des § 448 ZPO – Indiz dafür, dass der Kläger tatsächlich die behauptete Summe eingelegt hat, ist auch nicht darin zu sehen, dass er noch in der Klageschrift zum Beweis des Umfangs seiner Einzahlung die Herausgabe der Videoaufzeichnung vom Einzahlungsvorgang beantragt hat, weil er – wie das Landgericht meinte – nicht habe wissen können, ob sich nicht im Rahmen der Kamerasichtung des Geldautomaten sein Einzahlungsvorgang umfangmäßig nachvollziehen lasse. Die Unwissenheit des Klägers ist angesichts des allgemein bekannten Umstandes, dass Bilder von den an Geldautomaten angebrachten Überwachungskameras nicht hoch auflösend sind – in den Medien sieht man diese etwa im Rahmen öffentlicher Fahndungen häufiger – mehr als fraglich und angesichts des Umstandes, dass der Kläger nach seinen eigenen Angaben den Geldbetrag als „Packen“ in das Ein-/Ausgabefach des Automaten eingelegt hat, war auch nicht zu befürchten, dass die Überwachungskameras mehr als den Einzahlungsvorgang als solchen wiedergeben könnten.

Vielmehr steht auf Grundlage des weiteren Beweisergebnisses zur Überzeugung des Senates nicht nur fest, dass bei der Öffnung und Durchsuchung des Automaten am Folgetag nur insgesamt 4.150 € in dem Automaten gefunden wurden; es ist auch ausgeschlossen, dass weitere Geldbeträge als diese vorgefundenen am 28.09.2016 vom Kläger eingezahlt worden sind.

Der Zeuge E. sagte aus, gemeinsam mit dem Zeugen B. im Rahmen der Entstörung nur einen Betrag in Höhe von 4.150 € gefunden zu haben. Der Zeuge P. bekundete darüber hinaus, circa ein bis zwei Wochen nach dem streitgegenständlichen Einzahlungsvorgang noch einmal zu einer Revision vor Ort gewesen zu sein, bei welcher er den Automaten zusammen mit zwei Mitarbeitern des Wachdienstes und einem Mitarbeiter der Beklagten überprüft habe. Dabei hätten sie überall nachgeschaut, wo etwas hingefallen oder hineingerutscht sein könnte. Sie hätten alles aufgemacht, was man aufmachen und wo man nachgucken könne, sowohl im Tresor- als auch im Übergabe- und in dem Transportbereich. Nirgendwo habe der vom Kläger behauptete Differenzbetrag gefunden werden können.

Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugen E. und B. den vom Kläger behaupteten Differenzbetrag aufgefunden und unter Ausnutzung der Tatsache, dass der Tresorraum nicht videoüberwacht ist, in konspirativer Absprache für sich behalten hätten. Der Zeuge E. hat betont, dass er seit 30 Jahren dieser Tätigkeit nachgehe und sie genauso ehrlich wie andere Menschen auch verrichte. Hieran hat der Senat aufgrund des persönlichen Eindrucks, den er im Termin vom Zeugen erlangen konnte, keinen Zweifel. Der Zeuge E. wirkte rechtschaffen; es gab keinerlei Anlass, am Wahrheitsgehalt seiner Aussage zu zweifeln. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass während der Entstörung Mitarbeiter der Beklagten den vom Kläger behaupteten Differenzbetrag aufgefunden und für sich behalten hätten, da Mitarbeiter der Beklagten während der Geldentnahme und Entstörung nach der Aussage des Zeugen keinen Zutritt zum Tresorraum haben.

Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass die vermeintlich fehlenden Banknoten in dem Einschub-Fach, in das die Transporteinrichtung eingeschoben wird, „herumgelegen“ haben und übersehen worden sind. Zwar variieren die Angaben des Klägers – was als solches angesichts des zwischenzeitlichen Zeitablaufs ohne weiteres nachvollziehbar ist – zu der Anzahl und Stückelung der Banknoten; ausgehend von seiner durchgängig gemachten Angabe, dass alle Scheinarten von 5 € bis 500 € enthalten waren, hätten – neben den vorgefundenen 50 Scheinen (27 x 100 €, 23 x 50 €) – mindestens weitere 28 Scheine in dem Einschubfach der Transporteinrichtung des Geldautomaten liegen müssen (16 x 500 €, 1 x 200 €, 8 x 20 €, 2 x 10 €, 1 x 5 €). Es ist realitätsfern, anzunehmen, dass eine derartige Anzahl an – auch größeren – Geldscheinen hätte übersehen werden können; davon ging auch der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung durch den Senat nicht (mehr) aus. Wird die Transporteinrichtung des Geldautomaten rückwärtig (siehe Bild Nr. 15 zum Sachverständigengutachten vom 19.01.2020, Bl. 261 der Akte) herausgezogen, entsteht nämlich – was anhand des Bildes Nr. 12 zum Gutachten vom 19.01.2020 (Bl. 254 der Akte) ohne weiteres einleuchtet – ein großer, von der Rückseite des Geldautomaten unschwer einsehbarer Leerraum, und eine dort herumliegende Anzahl Geldscheine in der hier in Rede stehenden Größenordnung wäre den beiden mit der Suche nach Banknoten betrauten Mitarbeitern E. und B. aufgefallen.

Auch eine Zugriffsmöglichkeit durch Dritte im Kundenbereich, wie sie noch vom Sachverständigen B. in dem Ausgangsgutachten vom 19.01.2020 für möglich gehalten wurde, bestand nicht. Während der Öffnung des Geldautomaten auf dessen Rückseite durch die Mitarbeiter der … GmbH E. und B. entstand nicht – wie der Sachverständige in seinem Gutachten vom 19.01.2020 noch angenommen hatte – ein „Loch“. Wird die Transporteinrichtung nach hinten herausgezogen, ist nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen E. und B. sowohl das Geldein-/-ausgabefach als auch der durch Herausziehen der Transporteinrichtung entstehende Leerraum vor dem Zugriff vom Kundenbereich aus durch je eine „Tür“ – der Zeuge P. sprach von zwei „Shuttern“ – gesichert. Hiervon abgesehen wäre ein derartiger Zugriff vom Kundenbereich aus von den Mitarbeitern der … GmbH auch nicht unbemerkt geblieben.

Ein gewaltsamer Zugriff Dritter auf etwaig noch in dem Geldeingabefach befindlichen Geldscheine hat nicht stattgefunden. Ein solcher hätte Spuren am Geldautomaten hinterlassen, für die es keinerlei Hinweise gab. Der Zeuge E. sagte aus, bevor er einen Geldautomaten entstöre, untersuche er zuvor vom Kundenbereich aus den Geldautomaten auf Zerstörungen und Manipulationen, er hätte sich daran erinnert, wenn dies hier der Fall gewesen wäre, weil dann die Polizei gerufen worden wäre. Auch der Kläger selbst behauptet nicht, der Geldautomat sei gewaltsam nach seiner Einzahlung geöffnet worden.

Es ist außerdem ausgeschlossen, dass sich Mitarbeiter der Beklagten Zugriff auf möglicherweise noch in der Transporteinrichtung feststeckende Geldscheine hätten verschaffen können. Abgesehen davon, dass die Filiale der Beklagten bei der Einzahlung um 18.10 Uhr nicht mehr besetzt war und die Entstörung am Folgetag noch vor Öffnung der Filiale erfolgte, hatten die Bankmitarbeiter auch keinerlei Zugriff auf den Geldautomaten. Der Sachverständige hat zwar in seinem Gutachten vom 19.01.2020 ausgeführt, dass der obere Bereich des Geldautomaten mit der Transporteinrichtung laufenden manuellen Eingriffen unterliege, weil dort etwa auch der Papierwechsel des Quittungsdruckers oder die Entnahme eingezogener Scheckkarten erfolge. Dies beruhte allerdings, wie bereits den Ausführungen in dem Gutachten, wonach ihm nicht bekannt sei, wer zum oberen Bereich des Geldautomaten Zugang habe und wie der Zugang geregelt sei, zu entnehmen ist, auf Mutmaßungen, die der Sachverständige zudem nach der in seiner Anwesenheit vom Senat durchgeführten Vernehmung der Zeugen E. und K. nicht mehr wiederholt hat. Nach der widerspruchsfreien und glaubhaften Aussage des Zeugen E., die auch durch die Bekundungen des Zeugen K. bekräftigt wird, hatten die Bankmitarbeiter zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Einzahlungsvorgangs keinerlei Zugriff auf den Geldautomaten; sowohl die Entnahme eingezogener Karten als auch der Wechsel von Bonrollen werden von der Sicherheitsfirma vorgenommen, die Mitarbeiter der Filiale verfügten auch nicht über den zur Öffnung des Automaten erforderlichen Schlüssel.

Für eine gezielte Manipulation des Automaten mit dem Ziel, dass Geldscheine hinter der Klappe liegen bleiben, bestehen schließlich ebenfalls keine Anhaltspunkte. Zwar mag eine derartige Manipulation möglich sein, dann hätte es aber nahegelegen, dass der gesamte eingezahlte Betrag hinter der Einlegeklappe liegen bleibt und nicht – wie es hier der Fall war – ein nicht unerheblicher Anteil der Geldscheine in dem Automaten weitertransportiert wird. Es haben sich – wie vom Zeugen E. bekundet – bei der Untersuchung am 29.09.2016 auch keine Anhaltspunkte für eine Manipulation gefunden, sodass es sich ebenso wie das Szenario, dass sich das Ein-/Ausgabefach bei dem „außer Betrieb“ gegangenen Automaten von selbst wieder öffnet – was nicht einmal der Sachverständige in Betracht gezogen hat -, um eine bloße theoretische, außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende Möglichkeit handelt.

2. Mangels Hauptanspruchs kann der Kläger auch nicht den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten beanspruchen.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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