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Hemmung der Verjährung durch eine unbestimmte Klage

AG Halle (Saale) – Az.: 93 C 119/10 – Urteil vom 05.05.2011

1.) Die Klage wird abgewiesen.

2.) Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks R…straße … in D…. Die Beklagten sind Eigentümer des benachbarten Grundstücks B…straße … in D…. Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Nutzungsentschädigung für eine von ihm behauptete Mitbenutzung des Grundstücks des Klägers durch eine von den Beklagten errichtete Terrasse und eine von ihm behauptete von den Beklagten vorgenommene Einfriedung und Auffüllung eines Teils seines Grundstücks durch die Beklagten für die Jahre 2004 bis 2006.

Der Kläger hatte bereits im Jahr 2007 gegen die Beklagten wegen des gleichen Sachverhalts eine Klage gegen die Beklagten eingereicht mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung für die durch die Errichtung einer Terrasse und Nebengebäuden entstandene unerlaubte Benutzung des in D…, R…straße … gelegenen Grundstücks, Gemeinde D…, Gemarkung D…, Flur 9, Flurstück 71 in einer noch festzusetzenden Höhe für den Zeitraum ab 1. Januar 2004 zu zahlen, hinsichtlich der Terrasse jedoch nur bis zu deren Rückbau, und die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Kosten zu erstatten, die zur Ermittlung der Höhe der nach dem vorgenannten Antrag festzusetzenden Entschädigung entstehen. Das Amtsgericht Halle (Saale) wies mit Urteil vom 16. April 2009 (Az. 96 C 5149/07) die Klage als unbegründet ab. Die Berufung des Klägers gegen dieses Urteil wies das Landgericht Halle mit Beschluss vom 2. Oktober 2009 (Az. 2 S 116/09) mit der Begründung zurück, dass die Klage unzulässig sei, da der Kläger keinen bestimmten Antrag gestellt habe.

Der Kläger rügt die Vorlage der Kostenfestsetzungsbeschlüsse durch die Beklagten als verspätet.

Der Kläger beantragt, die Beklagten zu verpflichten, an den Kläger für die unerlaubte Benutzung des in D…, R…straße …, gelegenen Grundstücks (Gemeinde D…, Gemarkung D…, Flur 9, Flurstück 71) für den Zeitraum vom 1. Januar 2004 bis 31. Dezember 2006 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 981,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % über dem Basiszinssatz aus 981,00 € ab 21. Dezember 2007 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung und bestreiten, dass die von den Beklagten errichteten Baulichkeiten auf das Grundstück des Klägers herüberreichen.

Die Beklagten rechnen gegen die Klageforderung hilfsweise auf mit Forderungen gegen den Kläger aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Verwaltungsgerichts Halle vom 1. Juni 2010 (Az. 2 A 159/08 HAL) in Höhe von 1.038,73 €, des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 2. März 2010 vom 2. März 2010 (Az. 104 C 6654/04) in Höhe von 1.044,33 €, des Amtsgericht Halle (Saale) vom 19. Mai 2009 (Az. 96 C 5149/08) in Höhe von 560,25 € und des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 23. November 2009 (Az. 96 C 5149/07) über 387,82 €.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die mit der Klage geltend gemachten Forderungen sind verjährt. Die Ansprüche für das Jahr 2006 sind gemäß § 195 BGB am 31. Dezember 2009 verjährt, die Ansprüche für die vorangegangenen Jahre entsprechend früher. Der erst am 7. Januar 2010 und damit nach Eintritt der Verjährung bei Gericht eingegangene Prozesskostenhilfeantrag konnte die Verjährung nicht mehr hemmen.

Die Verjährung wurde auch nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB durch die unzulässige Klage in der Sache 96 C 5149/07 gehemmt. Zwar hemmt auch eine unzulässige Klage grundsätzlich die Verjährung (Palandt-Henrichs, BGB, 67. Auflage, § 204 Rn 4 m. w. N.) Dies gilt aber nicht, wenn die Klage gerade wegen Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist. Zwar soll nach der Literatur (Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2009, § 204 Rn 30) auch ein wegen Verstoß gegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässiger Klageantrag zur Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch genügen, wenn er nur Richtung und Umfang des klägerischen Begehrens erkennen lässt. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall bei dem Klageantrag auf Zahlung eines Geldbetrages „in einer noch festzusetzenden Höhe“ im vorangegangenen Verfahren 96 C 5149/07 äußerst zweifelhaft erscheint, ob ein solcher Antrag den Umfang des klägerischen Begehrens überhaupt erkennen lässt, ist diese Ansicht nach Auffassung des Gerichts auch zu weitgehend.

Im Fall des entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässigen Klageantrages ist für den Schuldner nicht ausreichend klar, was der Gläubiger von ihm will. Sonst wäre die Klage ja zulässig. Die Verjährung dient dem Schutz des Schuldners vor Beweisnot und dem Schutz seines Vertrauens darauf, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Peters/Jacoby, a. a. O., Vorbem. zu §§ 194 – 225 Rn 5 und 6). Außerdem dient die Verjährung der Sicherheit des Verkehrs und dem Rechtsfrieden (BGH, Entscheidung vom 16. Juni 1972, Az. I ZR 154/70, zitiert nach juris). Zur Erreichung dieser Zwecke ist es erforderlich, dass eine Klage, die die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen soll, bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist. Nur in diesem Fall kann der Schuldner sich darauf einstellen, bezüglich welcher Ansprüche er auch nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist noch damit rechnen muss, in Anspruch genommen zu werden. Es ist ein unauflösbarer Wertungswiderspruch, dass eine Klage einerseits wegen Unbestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig sein kann, andererseits aber in der Lage sein soll, die Verjährung zu hemmen. Entweder der Antrag ist bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dann ist die Klage zulässig. Oder der Antrag ist nicht bestimmt genug im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, dann ist die Klage unzulässig, und dann ist zugleich auch „Richtung und Umfang des klägerischen Begehrens“ nicht zu erkennen. Eine Klage, die einerseits wegen mangelnder Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO unzulässig ist, aber andererseits „Richtung und Umfang des klägerischen Begehrens erkennen lässt“ im Sinne von Peters/Jacoby a. a. O., kann es nach Ansicht des Gerichts nicht geben.

Im übrigen ist die Klage auch der Sache nach unbegründet. Das Gericht hat in dem Urteil vom 16. April 2009 (Az. 96 C 5149/07) folgendes entschieden:

„Der Kläger begehrt (…) die Zahlung einer Entschädigung, die das Gesetz in der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage als Überbaurente bezeichnet, §§ 912, 913 BGB.

Der Kläger hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung einer Überbaurente gemäß § 912 BGB. Nach dieser Vorschrift gilt, wenn der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes über die Grenze gebaut hat, ohne dass ihm Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt, so hat der Nachbar den Überbau zu dulden, es sei denn, dass er vor oder sofort nach der Grenzüberschreitung Widerspruch erhoben hat. Der Nachbar ist durch eine Geldrente zu entschädigen. Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs ist, dass der Überbau des Nachbargrundstücks durch ein Gebäude erfolgt. Ein Gebäude ist ein Bauwerk, das durch räumliche Umfriedung gegen äußere Einflüsse Schutz gewährt und den Eintritt von Menschen gestattet.

Diese Voraussetzung liegt bei der Terrasse bereits nicht vor. Es kommt daher auf die streitige Tatsache der Inanspruchnahme des klägerischen Grundstücks nicht an. Die Terrasse ist offen errichtet, was sich aus den vorliegenden Lichtbildern ergibt. Zudem hat der Kläger hinsichtlich der Terrasse bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldrente. In dem Verfahren 104 C 2206/07 begehrt der Kläger von den Beklagten den Rückbau der Terrasse. Die Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs schließt die Zahlung einer jährlichen Geldrente bereits aus. Das gilt auch für die Zeit der streitgegenständlichen Errichtung vom 01.01.2004 bis zur Entscheidung des vorgenannten Verfahrens. Eine Entschädigung ist für diesen Zeitraum nicht zu gewähren. Ein messbarer Schaden ist für das klägerische Grundstück nicht entstanden. Dieses liegt brach und wird derzeit keiner Nutzung zugeführt. Die darauf befindlichen Gebäude sind zerfallen. Das ergibt sich aus den Lichtbildern Bl. 23 bis 33 der beigezogenen Akte des Verwaltungsgerichts Halle. Eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks liegt daher nicht vor.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Geldrente wegen des Überbaus des Nebengebäudes. Dieser kann selbst nach dem klägerischen Vortrag nur in dem Umfang der Anlage Bz vorliegen. Auf den unteren beiden abgebildeten Lichtbildern ist erkennbar, dass ein Überbau nur hinsichtlich eines ganz geringen Teils des oberen Steins vorliegt. Dafür lässt sich eine messbare Entschädigung nicht bestimmen. Zudem ist die Geltendmachung dieses Anspruchs durch den Kläger treuwidrig. Der Kläger, der unstreitig, eine Grundstücksvertiefung in diesem Bereich vorgenommen hat, wäre gemäß § 909 BGB verpflichtet gewesen, Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. Diese haben die Beklagten einleiten müssen, um ein Abrutschen ihres Grundstücks zu verhindern. Wenn die Beklagten dabei, einen Stein der angebrachten Stützmauer überbaut haben sollten, kann der die Ursache setzende Kläger jedenfalls für diesen marginalen Teil keine Rentenzahlung verlangen.“

Diese zutreffenden Erwägungen, zu denen der Kläger rechtliches Gehör hatte, gelten im Ergebnis der mündlichen Verhandlung in der vorliegenden Sache weiterhin. Auch die Ausführungen des Klägers im vorliegenden Verfahren einschließlich des vom Gericht zur Kenntnis genommenen und berücksichtigten Schriftsatzes vom 21. April 2011 rechtfertigen keine andere Entscheidung.

Da die Klage bereits hinsichtlich der Klageforderung unbegründet ist, kommt es auf die zur Aufrechung gestellten Gegenansprüche nicht mehr an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss: Der Streitwert wird auf 981,00 € festgesetzt.

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