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Internet-System-Vertrags – Bestellerkündigung – ersparte Aufwendungen

AG Düsseldorf, Az.: 11c C 43/15, Urteil vom 03.11.2015

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 489,95 Euro nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2015 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 88% und die Beklagte zu 12%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweiligen Partei wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Forderungen aus einem Internet-System-Vertrag. Die Beklagte ist unter der Bezeichnung „Heilpraktikerin H“ selbstständig tätig. Am 03.07.2014 unterzeichnete sie ein mit der Bezeichnung „Internet-System-Vereinbarung“ überschriebenes Dokument, das weiter von einem Mitarbeiter der Klägerin gezeichnet ist. Nach dieser Vereinbarung hat die Beklagte für den Leistungsumfang „Premium“ eines Webpaketes einen monatlichen Betrag von 200 Euro zu leisten. Zugleich wurden eine Einrichtungsgebühr in Höhe von 199 Euro und eine Laufzeit von 4 Jahren gemäß AGB der Klägerin vereinbart. Für die Einzelheiten wird auf Anlage K1 zur Klageschrift Bezug genommen.

Am 08.07.2014 kündigte die Beklagte die Vereinbarung vom 03.07.2014. Leistungen auf die Vereinbarung hatte die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht erbracht.

Die Klägerin behauptet, projektbezogen keine freien Mitarbeiter einzusetzen. Zudem seien festangestellte Mitarbeiter in einem Umfang vorhanden gewesen, der stets und unabhängig von der Kündigung einzelner Verträge den Abschluss neuer Vertragsverhältnisse und die Erbringung hieraus geschuldeter Leistungen zulasse.

Die Klägerin beantragt, im Wege der Teilklage die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.000 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sei Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Klage ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagte am 21.05.2015 zugestellt worden.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise aus §§ 631 Abs. 1, 649 BGB in Verbindung mit dem Vertrag vom 03.07.2014 begründet.

Die Parteien schlossen am 03.07.2014 den Internet-System-Vertrag mit vierjähriger Laufzeit. Dieser ist als Werkvertrag zu qualifizieren (BGH NJW 2011, 915). Einschließlich der einmaligen Einrichtungskosten ergibt sich eine Gesamtvergütung gemäß § 631 Abs. 1 BGB in Höhe von 9.799 Euro netto.

Diesen Vertrag kündigte die Beklagte als Bestellerin am 03.07.2014. Dies ist als freie Kündigung gemäß § 649 S. 1 BGB anzusehen, die auch durch eine vereinbarte feste Laufzeit nicht ausgeschlossen ist. Soweit die Beklagte anführt, ihr sei entgegen des schriftlichen Vertrages ein jederzeitiges außerordentliches Kündigungsrecht und ein Widerrufsrecht eingeräumt worden, ist dies durch die Klägerseite bestritten und seitens der Beklagten nicht unter Beweis gestellt.

Internet-System-Vertrags - Bestellerkündigung – ersparte Aufwendungen
Symbolfoto: Phonlamaiphoto/Bigstock

Folge der freien Kündigung ist, dass dem Werkunternehmer weiter die vereinbarte Vergütung zusteht, er sich aber das anrechnen lassen muss, was er in Folge Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt (§ 649 S. 2 BGB). Der Auffassung des Bundesgerichtshofs, der Besteller trage die volle Darlegungs- und Beweislast für ersparte Aufwendungen und für das Vorliegen von Ersatzaufträgen (BGH NJW-RR 2015, 469) überzeugt nach Einführung des § 649 S. 3 BGB nicht mehr. Diese Regelung greift gemäß Art. 229 § 19 Abs. 1 EGBGB erst für Verträge, die nach dem 01.01.2009 geschlossen worden sind, der vorstehend zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs lag aber ein Sachverhalt mit Vertragsschluss im September 2008 zu Grunde. § 649 S. 3 BGB enthält eine Vermutung, dass dem Unternehmer 5% der auf den noch nicht erbrachten Teil des Werks entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen. Auch wenn die Regelung auch zu dem Zweck eingeführt worden sein mag, die Rechtsstellung des Werkunternehmers zu verbessern, ändert dies nichts daran, dass dem Wortlaut der Vorschrift eine Wirkung allein zu Gunsten des Werkunternehmers nicht zu entnehmen ist, denn in diesem Fall hätte die Formulierung, dass dem Werkunternehmer mindestens 5% der Vergütung zustehen, nahegelegen. Die Regelung ist daher so zu verstehen, dass für Werkverträge ab dem 01.01.2009 der Werkunternehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trifft, dass der in § 649 S. 2 BGB genannte Weg der Ermittlung der ihm nach freier Kündigung zustehenden Vergütung zu einem höheren Betrag als 5% der der vereinbarten Vergütung führt (so auch MüKo-Busche BGB § 649 Rn. 29: „Dies schließt nicht aus, dass der Unternehmer im Einzelfall darlegt und beweist, dass er mehr als 5% der vereinbarten Vergütung beanspruchen kann.“; Staudinger-Martinek BGB § 649 Rn. 45). Die Klägerin konnte hier nicht beweisen, dass ihr nach Anrechnung anderweitiger Verwendung der Arbeitskraft mehr als 5% der vereinbarten Vergütung zustehen. Die Klägerin hätte hierzu ergänzend darzulegen und zu beweisen gehabt, dass auch ihre festangestellten Mitarbeiter trotz der vorzeitigen Kündigung nicht in der Lage waren, ihre hier ersparte Arbeitskraft für andere Internet-System-Verträge zu verwenden. In diesem Zusammenhang hätte es der Klägerin – auch angesichts der gerichtsbekannt immer wieder auftretenden sehr frühzeitigen Kündigungen und ihres Preisgefüges – auch oblegen, näher dazu vorzutragen, in wie viel Prozent der abgeschlossenen Verträge es zu sehr frühzeitigen Kündigungen vor Erledigung der eigentlichen Arbeiten kommt und wie der Auslastungsgrad der fest angestellten Mitarbeiter ist, insbesondere ob nicht bereits bei der Anzahl der eingesetzten Mitarbeiter eingeplant ist, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Werkverträge durch freie Kündigungen frühzeitig beendet wird. Angesichts der der Klägerin obliegenden Beweislast genügt insoweit die nicht näher unter Beweis gestellte Behauptung, ihre fest angestellten Mitarbeiter seien nicht ausgelastet gewesen, es gebe daher keine in einem Alternativverhältnis zum hier gekündigten Auftrag stehende Füllaufträge, nicht.

Soweit die Beklagte der Ansicht ist, sie schulde auch nicht 5% der vereinbarten Vergütung, so ist sie der insoweit angesichts der Vermutung in § 649 S. 3 BGB ihr nun erst recht obliegenden Beweislast nicht nachgekommen. Insoweit gilt das bei BGH NJW-RR 2015, 469 zur alten Rechtslage Gesagte fort. Die Klägerin trifft zwar eine sekundäre Darlegungslast, näher zu den Möglichkeiten ersparter Aufwendungen und sonstigen Erwerbs vorzutragen, diese sekundäre Darlegungslast ist von ihrem Umfang aber vom Vortrag der Beklagten abhängig. Ist die Beklagte der Ansicht, der sekundären Darlegungslast sei nicht hinreichend nachgekommen, so obliegt es zunächst ihr, näher dazu vorzutragen, welche Angaben, die in der Sphäre der Klägerin liegen, ihr noch fehlen, um in die Lage versetzt zu werden, den ihr obliegenden Beweis zu führen (vgl. BGH aaO). Begnügt die Beklagte sich – wie hier – mit lediglich einfachem Bestreiten, dann genügt der bisherige Umfang des Vortrags der Klägerin ihrer sekundären Darlegungslast, da nicht ersichtlich ist, was aus Sicht der Beklagten noch fehlen soll.

Grundlage für die Berechnung der geschuldeten 5% gemäß § 649 S.3 BGB ist die volle Nettovergütung von 9.799 Euro, da Leistungen der Klägerin bislang noch nicht erbracht sind. Da die Internetseite noch nicht erstellt und veröffentlicht war, ist auch der mit 199 Euro berechnete einmalige Anschluss noch nicht als erbracht anzusehen. Hieraus ergibt sich der tenorierte Betrag.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 2 BGB in analoger Anwendung von § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Zustellung der Klage.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 ZPO entsprechend der Gewinn- und Verlustquote an der Hauptforderung.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

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