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Wohngebäudeversicherung – Brandschaden – Neuwertentschädigung

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Az: 16 U 67/05

Urteil vom 06.07.2006


In dem Rechtsstreit hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 12. Juni 2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 04. Oktober 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 146.205,87 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03. April 2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des 1. Rechtszuges tragen die Klägerin 32 % und die Beklagte 68 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.
Im Berufungsrechtszug streiten die Parteien jetzt nur noch um die Frage, ob die Beklagte aufgrund des Wohngebäudeversicherungsvertrages der Parteien an die Klägerin wegen eines Brandschadensfalls vom 19. August 2002 auch Mietausfall im Umfang von 4.050,00 EUR, wie das Landgericht angenommen hat, zu zahlen verpflichtet ist.

Die Klägerin hat beim Landgericht Neuwertentschädigung für den genannten Brandschadensfall an ihrem Haus in der Straße im Umfang von 215.687,88 EUR nebst Zinsen verlangt. Das Landgericht hat der Klägerin durch das angefochtene Urteil 150.255,87 EUR nebst Zinsen zuerkannt, die Klage aber im Übrigen, also im Umfang von 65.432,01 EUR abgewiesen. Der ausgeurteilte Betrag umfasst auch einen Mietausfallschaden im Umfang von 4.050,00 EUR. Die Berufung der Beklagten beschränkt sich auf ihre Verurteilung zur Zahlung dieses Mietausfallschadens, weil das Haus zum Zeitpunkt des Brandschadens unstreitig leer und zum Verkauf gestanden habe. Die Klägerin hat ihre unbeschränkt eingelegte Berufung vor ihrer Begründung zurückgenommen.

Die Parteien vereinbarten aus Anlass des Brandfalles am 21. August 2002 ein förmliches Sachverständigenverfahren, wobei jede Partei einen Sachverständigen benannte. Die beiden Sachverständigen einigten sich auf einen Obmann. Beide Sachverständige legten unter dem 26. September 2002 ein gemeinsames Schadensgutachten vor. In dem Schadengutachten heißt es, der Mietausfall sei gemäß Vertrag längstens für 24 Monate versichert. Da das Gebäude zum Verkauf gestanden habe, sei es jedoch nicht bewohnt gewesen.

Auf S. 6 des gemeinsamen Gutachtens ist der Mietausfall für die Wohnräume für einen Zeitraum von neun Monaten mit 4.050,00 EUR angegeben und mit dieser Summe auch in das Ergebnis der Schadensberechnung eingeflossen. Für den Mietausfallschaden heißt es im angefochtenen Urteil, der im Sachverständigenverfahren mit 4.050,00 EUR bezifferte Mietausfall sei von keiner Seite angesprochen worden. Deswegen seien hier keine weiteren Ausführungen veranlasst.

Das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts vom 23. August 2005 weist auf S. 7 unten aus, dass der Beklagtenvertreter zu der Position „Mietausfall“ darauf hingewiesen hat, dass Mietausfall nicht versichert sei, weil das Gebäude vor dem Schadensfall für längere Zeit nicht bewohnt gewesen sei.

Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, die Bemerkung des Landgerichts im angefochtenen Urteil sei, wie durch das Protokoll bewiesen, unrichtig. Weil das Haus unstreitig vor dem Schadensfall längere Zeit nicht bewohnt gewesen sei, könne die Klägerin gem. § 3 Nr. 1 lit. b VGB 88 keine Mietausfallentschädigung verlangen. Diese Position sei vielmehr ersatzlos zu streichen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage im Umfang weiterer 4.050,00 EUR nebst darauf entfallender Zinsen abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin ist der Ansicht:

Der Mietausfallschaden sei im Rahmen eines verbindlichen Sachverständigengutachtens gem. § 22 VGB 88 festgestellt worden. Es sei nicht nur Aufgabe der Sachverständigen gewesen, Feststellungen zur reinen Höhe des Schadens zu treffen, sondern auch verbindliche Feststellungen für die einzelnen Voraussetzungen des Anspruchs der Klägerin. Deshalb habe zum Aufgabenbereich der Sachverständigen auch die Frage gehört, ob überhaupt ein Schaden entstanden sei. Da die Feststellungen somit für beide Parteien verbindlich seien, sei das angefochtene Urteil zutreffend.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Mietausfallentschädigung gem. § 3 Nr. 1 lit. b VGB 88 in Verbindung mit dem Wohngebäudeversicherungsvertrag der Parteien.

1. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift der VGB 88, wonach der Versicherer den ortsüblichen Mietwert von Wohnräumen, die der Versicherungsnehmer selbst bewohnt und die infolge eines Versicherungsfalls unbenutzbar geworden ist, ersetzt, falls dem Versicherungsnehmer die Beschränkung auf einen etwa benutzbar gebliebenen Teil der Wohnung nicht zugemutet werden kann, liegen nicht vor. Das Haus war unstreitig zum Zeitpunkt des Versicherungsfalles von niemand bewohnt. Es stand leer und zum Verkauf. Folglich kann auch kein Mietausfall entstanden sein. Die vertraglichen Voraussetzungen für die Zahlung einer Mietausfallentschädigung liegen nicht vor.

2. Die Klägerin beruft sich zu Unrecht darauf, ohne Rücksicht auf einen materiell gegebenen Anspruch stehe jedenfalls durch die Feststellung der Sachverständigen die Entschädigungspflicht der Beklagten bindend fest.

a) Nach § 22 Nr. 1 S. 1 VGB 88 können Versicherungsnehmer und Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls vereinbaren, dass die Höhe des Schadens durch Sachverständige festgestellt wird. Nach S. 2 der genannten Vorschrift kann das Sachverständigenverfahren durch Vereinbarung auf sonstige tatsächliche Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs sowie der Höhe der Entschädigung ausgedehnt werden.

b) Im vorliegenden Falle ergibt sich aus der schriftlichen Vereinbarung über die Durchführung eines förmlichen Sachverständigenverfahrens, dass die Sachverständigen den Schaden zum Neuwert und Zeitwert gemäß den dem Vertrag zugrunde liegenden allgemeinen Versicherungsbedingungen ermitteln sollten. Demgemäß haben beide Sachverständige erklärt, sie übernähmen den Auftrag und seien bereit, die Höhe des Schadens gemäß der genannten Ziff. 1 c der Schiedsgutachterbestellung nach den ihnen bekannt gegebenen und dem Vertrag zugrunde liegenden Bestimmungen der allgemeinen und besonderen Versicherungsbedingungen nach bestem Wissen und Gewissen unparteiisch zu berechnen.

Es fehlt also schon im Ausgangspunkt an einer Vereinbarung, die über die reine Feststellung des objektiven Schadens gem. § 22 Nr. 1 S. 1 VGB 88 hinausginge.

c) Folglich bleibt es hinsichtlich der Verbindlichkeit des erstellten Gutachtens gem. § 64 VVG bei der Regel, dass verbindliche Feststellungen der Sachverständigen nur innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit getroffen werden und dass dies grundsätzlich nur die Höhe des Schadens ist, nicht aber die Höhe der Entschädigung, schon gar nicht die Entscheidung von Rechtsfragen (Prölss/Voit/Knappmann, VVG, 27. Aufl., § 64 Rdnr. 23 + 24).

Soweit Sachverständige ihrer Zuständigkeit überschreiten, ist ihr Gutachten ohne die Voraussetzungen des § 64 VVG unverbindlich (a. a. O., Rdnr. 25).

Selbst wenn die Sachverständigen folglich der Klägerin einen Entschädigung hätten zuerkennen wollen, wäre eine entsprechende Feststellung in ihrem Gutachten unverbindlich, da sie sich nur zur reinen Berechnung des Schadens hatten äußern sollen.

3. Indes liegt schon keine Überschreitung der Zuständigkeit durch die Sachverständigen vor, weil sie durch den Hinweis auf den Leerstand des Hauses klargemacht haben, dass ihre Mietausfallberechnung als abstrakte Berechnung unter dem Vorbehalt erfolgt ist, dass Mietausfall im konkreten Falle überhaupt verlangt werden könne.

Als „Schaden“ haben sie den Betrag konsequenterweise dann auch in ihre Gesamtberechnung aufgenommen, ohne dass sie sich ersichtlich dazu äußern wollten, ob insoweit auch eine Entschädigung verlangt werden kann. Es ist nicht ersichtlich, dass sie diese Rechtsfrage auch nur haben entscheiden wollen. Auch aus diesem Grunde beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf das Sachverständigengutachten.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 und 516 Abs. 3 S. 1 ZPO.

Die Klägerin hat die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil die Beklagte mit ihrer Berufung voll durchdringt und die Klägerin ihre eigene Berufung zurückgenommen hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO. Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO.

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