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Krankheit und Dienstwagennutzungsanspruch

ArbG Stuttgart

Az: 20 Ca 1933/08

Urteil vom 25.02.2009


1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 327,60 EUR festgesetzt.

4. Die Berufung wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Schadenersatz wegen Vorenthaltung der Privatnutzung an einem Dienstfahrzeug.

Der 55-jährige Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt seit 01.08.1990 als Bauleiter. Er ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Außerdem hat der zuständige Rentenversicherungsträger dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt, die der Kläger aber nicht in Anspruch nimmt.

Grundlage des Anstellungsverhältnisses ist ein Angestelltenvertrag vom 24.10.1994. In dessen Anlage 3 wird dem Kläger das Privatnutzungsrecht an einem Dienstfahrzeug eingeräumt. Auf den Inhalt dieser Anlage 3 zum Anstellungsvertrag wird Bezug genommen. Dem Kläger wurde bislang ein VW Passat Kombi überlassen. Der Sachbezug wurde entsprechend der 1-Prozentregelung mit EUR 284,65 versteuert.

Der Kläger ist/war seit 03.03.2008 durchgehend arbeitsunfähig krank, zumindest bis 15.12.2008. Der nicht gesetzlich krankenversicherte Kläger bezog nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums Krankentagegeld von seiner privaten Krankenversicherung.

Wegen Ablaufs der Vertragsdauer des Leasingvertrages forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 07.11.2008 auf, das Fahrzeug an die Beklagte zurückzugeben bis spätestens 13.11.2008. Diesem Verlangen kam der Kläger am 13.11.2008 unter dem Vorbehalt der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen nach.

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten ab 16.12.2008 wieder arbeitsfähig. Für den 17.12.2008 wurde dem Kläger von der Beklagten gestattet, einen Smart aus dem Fahrzeugpool zu nutzen, was der Kläger ablehnte. Seit 18.12.2008 wird dem Kläger ein Ford Focus Kombi zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt.

Der Kläger ist der Ansicht, ihm habe auch für Arbeitsunfähigkeitszeiten nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ein Anspruch auf Privatnutzungsüberlassung zugestanden. Er sei für seine private Lebensführung, vor allem zur Wahrnehmung von Arztterminen, auf einen Pkw angewiesen gewesen. Die Nutzungsüberlassung des Dienstwagens sei so zu behandeln wie die Überlassung von Werkmiet- oder Werkdienstwohnungen, aus denen man nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums auch nicht ausziehen müsse.

Ausgehend von dem monatlich für die Privatnutzung versteuerten Betrag von EUR 287,65 errechnet der Kläger einen täglichen Nutzungsausfallschaden i.H.v. EUR 9,36. Für den Zeitraum 13.11.2008 bis 17.12.2008 macht er daher Schadenersatz i.H.v. insgesamt EUR 327,60 geltend.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 327,60 brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 168,48 seit dem 01. Dezember 2008 sowie aus EUR 159,12 seit dem 01. Januar 2009 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass dem Kläger nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums auch keine Ansprüche auf Naturalvergütungen zustehen.

Das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien war Gegenstand der Erörterung der Sach- und Rechtslage. Hierauf, und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2009 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadenersatz wegen Entzugs der privaten Nutzungsmöglichkeit an dem Dienstfahrzeug. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus §§ 280 Abs. 1, 283 BGB.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch wäre nämlich, dass die Beklagte eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis (hier dem Arbeitsvertrag) verletzt hätte. Eine solche Pflichtverletzung liegt aber nicht vor. Die Beklagte war nämlich schon gar nicht verpflichtet gewesen, dem Kläger im streitigen Zeitraum die Privatnutzung an einem Dienstfahrzeug zur Verfügung zu stellen.

1. Die Privatnutzungsbefugnis stellte als Sachbezug nämlich eine zusätzliche synallagmatische Gegenleistung zur vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung dar (BAG, Urteil vom 16.11.1995, 8 AZR 240/95, NZA 1996, S. 415; BAG, Urteil vom 27.05.1999, 8 AZR 415/98, NZA 1999, S. 1038). Der Kläger hat aber im streitigen Zeitraum seine geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht. Der Kläger ist von seiner Arbeitspflicht gem. § 275 Abs. 1 BGB deshalb frei geworden. Damit einhergehend ist aber zugleich die Beklagte von der Verpflichtung zur Erbringung der Gegenleistung freigeworden gem. § 326 Abs. 1 BGB („ohne Arbeit kein Lohn“).

2. Eine Fortgewährung der Nutzungsbefugnis hat der Kläger somit allenfalls als Entgeltfortzahlungsanspruch aus § 3 Abs. 1 EFZG beanspruchen können. Der Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall besteht aber für dieselbe Krankheit nur für maximal 6 Wochen. Dieser Zeitraum war aber zum Zeitpunkt der Nutzungsentziehung schon lange abgelaufen. Mit dem Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums endete somit auch der Anspruch auf die Naturalvergütung der privaten Nutzungsüberlassung des Dienstfahrzeugs (ebenso: LAG Köln, Urteil vom 29.11.1995, 2 Sa 843/95, NZA 1996, S. 986; LAG Köln, Urteil vom 22.06.2001, 11 (6) Sa 191/01, NZA-RR 2001, S. 523).

3. Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Weitergewährung der privaten Nutzungsbefugnis sind nicht erkennbar. Sie wurden vom Kläger auch nicht benannt.

a) Auch aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des BAG zur Fortgewährung der Privatnutzungsbefugnis während der gesetzlichen Mutterschutzfristen (BAG, Urteil vom 11.10.2000, 5 AZR 240/99, NZA 2001, S. 364) ergibt sich nichts anderes. Dieser vom BAG entschiedene Fall ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Das BAG hat nämlich in dieser Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass die Gebrauchsüberlassung als Arbeitsvergütung nur so lange geschuldet ist, wie der Arbeitgeber überhaupt Arbeitsentgelt schuldet, und sei es wie in Fällen der Krankheit oder von Beschäftigungsverboten auch ohne Erhalt einer Gegenleistung. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Sobald ein Entgeltanspruch (überhaupt) entfällt, entfällt auch die Verpflichtung zur Gebrauchsüberlassung. Das BAG urteilte in dieser Entscheidung lediglich, dass der für die Mutterschutzfristen zu zahlende Zuschuss zum Mutterschaftsgeld auch als Sachbezug verlangt werden könne. In diesem Falle gab es aber wenigstens noch eine Anspruchsgrundlage auf eine Leistungsgewährung (nämlich § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG) gegen den Arbeitgeber. Im Krankheitsfalle gibt es eine entsprechende Anspruchsgrundlage gegen den Arbeitgeber nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums aber gerade nicht mehr.

b) Dem kann auch nicht mit allgemeinen Billigkeitserwägungen begegnet werden, weil der Kläger in seiner privaten Lebensführung auf einen Pkw angewiesen sei. Soweit auch das LAG Berlin-Brandenburg (LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.02.2007, 10 Sa 2171/06, juris) mit einen nicht entscheidungserheblichen orbiter dictum entsprechende Erwägungen anstellte, sind diese falsch und mit gesetzlichen Anspruchsgrundlagen nicht in Einklang zu bringen.

c) Auch der Vergleich des Klägers mit der Überlassung von Werkmiet- oder Werkdienstwohnungen (entsprechend: Fischer FA 2003, 105) verfängt nicht. Zum Einen werden Werkmiet- oder Werkdienstwohnungen in der Regel gegen Bezahlung eines Mietzinses überlassen (Koch in Schaub Arbeitsrechtshandbuch § 84 Rn. 7) und nicht unentgeltlich. Zum Anderen kann deren Nutzung auch von Gesetzes wegen nicht ohne Weiteres entzogen werden. Selbst bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses bedarf es einer gesonderten Wohnungskündigung gem. §§ 576, 576 b BGB (Palandt-Weidenkaff § 576 BGB Rn. 3). Vor allem aber steht die Nutzungsüberlassung einer Werkwohnung, anders als die Nutzungsüberlassung an einem Dienstwagen, nicht im Synallagma zur Arbeitsleistung.

d) Dass dieses Ergebnis so richtig ist, ergibt sich auch aus folgender Überlegung. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums steht einem arbeitsunfähigen Arbeitnehmern gem. § 44 Abs. 1 SGB V ein Krankengeldanspruch gegen seine Krankenkasse zu. Dieser Krankengeldanspruch errechnet sich gem. § 47 Abs. 1 SGB V anhand des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist wiederum definiert in § 14 SGB IV und meint alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Auch Sachbezüge wie die private Nutzungsüberlassung eines Dienstfahrzeuges gehören zum laufenden Arbeitsentgelt (Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching Sozialrecht § 14 SGB IV Rn. 12; Arbeitsentgeltkatalog der Deutschen Rentenversicherung Bund in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching Sozialrecht § 14 SGB IV Rn. 26.1). Erhöht aber der Sachleistungsbezug bereits die Bemessungsgrundlage für die Krankengeldberechnung, wird dem arbeitsunfähigen Arbeitnehmer die Privatnutzung bereits mit dem Krankengeldsatz von 70 % lohnersetzend gewährt. Dann aber ist kein Grund dafür ersichtlich, dem betreffenden Arbeitnehmer die Privatnutzung (gewissermaßen doppelt) auch noch in Natur zu gewähren. Die Einheit der Rechtsordnung verbietet dies vielmehr. An dieser gesetzgeberischen Wertung ändert sich auch nichts deswegen, weil der Kläger wegen Übersteigens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei ist in der gesetzlichen Krankenversicherung gem. § 6 Abs. 1 Ziff. 1 SGB V.

4. Ein Anspruch des Klägers auf Fortgewährung der Privatnutzungsbefugnis auch in Arbeitsunfähigkeitszeiten außerhalb des Entgeltfortzahlungszeitraums ergibt sich auch nicht aus einer (konkludenten) vertraglichen Abrede. Eine solche (konkludente) vertragliche Abrede kann auch nicht in der tatsächlichen Nutzungsüberlassung bis zum Ablauf der Laufzeit des Leasingvertrages gesehen werden. Zum Einen ist nämlich nicht einmal ersichtlich, dass sich die Beklagte ihrer Rechte, das Fahrzeug schon vorher herausverlangen zu können, überhaupt bewusst war. Jedenfalls aber ist die Überlassung eines bereits vorhandenen Fahrzeuges bis zum Ablauf der Leasinglaufzeit für den Arbeitgeber ein deutlich geringeres Opfer als eine Verpflichtung zur Neuanschaffung eines Fahrzeuges zur Nutzungsüberlassung nach Ablauf einer Leasinglaufzeit. Es ist unzulässig, von der Bereitschaft zu einem kleineren Übel auf den Willen zu größeren Opfern zu schließen (LAG Köln, Urteil vom 22.06.2001, 11 (6) Sa 391/01, NZA-RR 2001, S. 523).

II.

Nebenentscheidungen

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO. Der Kläger ist vollständig unterlegen.

2. Der Streitwert entspricht der Höhe des eingeklagten Betrages.

3. Die Berufung war für den Kläger gem. § 64 Abs. 3 Ziff. 1 ArbGG zuzulassen. Dem Rechtsstreit wird grundsätzliche Bedeutung beigemessen, zumal das BAG über die Frage der Fortgewährung der Pkw-Nutzungsüberlassung in Krankheitsfällen sich noch nicht geäußert hat und eine einheitliche LAG-Rechtsprechung hierzu nicht (mehr) erkennbar ist.

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