Arbeitsgericht Hamburg
Az.: 27 Ca 21/06
Urteil vom 08.12.2006
Leitsätze:
Eine mit dem Zusatz i.A. unterschriebene Kündigung ist formunwirksam, weil sie nicht vom Aussteller unterschrieben wurde.Eine Unterschrift mit dem Zusatz i.A. wahrt nicht das Schriftformerfordernis.
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch das Schreiben der Beklagten vom 15. Dezember 2005 beendet worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Februar 2006 nicht aufgelöst wurde.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.000,00 EUR festgesetzt.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers beendet wurde.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. August 2000 als Koch zu einer monatlichen Bruttovergütung von 1.200,00 EUR angestellt.
Am 15. Dezember 2005 erhielt der Kläger ein Schreiben vom 9. Dezember 2005 mit folgendem Inhalt: „hiermit verkürzen wir gem. § 2 des Arbeitsvertrages vom 1. August 2000 die monatliche Arbeitszeit des mit ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses aus betrieblicher Notwendigkeit auf 86,5 Stunden mit Wirksamkeit ab dem 15.12.2005.“
Am 20. Februar 2006 erhielt der Kläger eine fristlose Kündigung der Beklagten. Zu den näheren Einzelheiten wird auf Anlage K 3 (Bl. 42 d.A.) verwiesen. Jedenfalls wurde das Schreiben durch den Assistenten der Geschäftsführung und Betriebsleiter Herrn K. unterschrieben. Unstreitig war jener nicht der über seiner Unterschrift bezeichnete „Geschäftsführer“. Zudem unterschrieb Herr K. mit dem Zusatz „i.A.“.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Rechtsverhältnis streitig. Unter einem Rechtsverhältnis ist die rechtliche Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache zu verstehen. Gegenstand der Feststellungsklage können dabei auch einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen eines Rechtsverhältnisses sein (Zöller/Greger ZPO, 25. Aufl., 2005 § 256 Rdnr. 3). Ein Rechtsverhältnis in diesem Sinne stellt das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien dar. Vorliegend geht es darum, ob das Arbeitsverhältnis durch das Schreiben vom 9. Dezember 2005 sowie die Kündigung der Beklagten vom 20. Februar 2006 beendet worden ist. Damit streiten die Parteien unmittelbar um den Bestand des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist und außerdem die Berechtigung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Dieses ergibt sich bereits aus §§ 4, 7 KSchG, nach denen eine sozial ungerechtfertigte Kündigung als von Anfang an wirksam gilt, wenn dagegen nicht fristgerecht eine Feststellungsklage erhoben wird.
Danach ist vorliegend ein Feststellungsinteresse anzunehmen. Umstände, aufgrund derer ausnahmsweise dieses Feststellungsinteresse entfallen könnte (BAG, Urteil v. 01. August 1968 – 2 AZR 390/67, AP Nr. 35 zu § 3 KSchG), sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt vorliegend ein Feststellungsinteresse hinsichtlich der Wirkung des Schreibens vom 9. Dezember 2005 vor, da der Kläger nach dem Wortlaut des Schreibens nicht sicher davon ausgehen konnte, dass das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden soll. Es ist nicht hinreichend deutlich, ob das Schreiben eine Teilkündigung, eine Änderungskündigung oder aber nur die Ausübung des Direktionsrechts bedeuten soll.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1.
Das Schreiben vom 9. Dezember 2006 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet. Es mangelt an einem entsprechenden Erklärungsinhalt einer Kündigung. Es lässt sich der Willenserklärung nicht zweifelsfrei der Wille entnehmen, das Arbeitsverhältnis der Parteien im Wege der Kündigung zu beenden. Eine solche Kündigung muss deutlich und zweifelsfrei erklärt werden. Um seinen Beendigungswillen auszudrücken, muss der Kündigende zwar nicht unbedingt das Wort „Kündigung“ verwenden. Es muss sich aber aus dem Gesamtzusammenhang im Wege der Auslegung ergeben, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses gewollt ist. Gemäß § 133 BGB ist die Erklärung so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger unter Würdigung der ihm bekannten Umstände nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen konnte (vgl. BAG Urteil v. 15.03.1991 – 2 AZR 516/90 – AP Nr. 2 zu § 47 BBiG). Ein solcher Wille ist der Erklärung aber nicht zu entnehmen.
2.
Das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht durch die Kündigung vom 20. März 2006 beendet. Die Kündigungserklärung ist nach §§ 125 S. 1, 623 BGB nichtig.
Aus Sicht eines Dritten in der Person des Klägers konnte die Kündigung, welche Herr K. „i.A.“, also im Auftrag erklärte, nur so verstanden werden, dass nicht Herr K. selbst, sondern der lediglich maschinenschriftlich angeführte Geschäftsführer die Kündigungserklärung abgeben wollte.
Versteht man das Zeichnen „im Auftrag“ als Kennzeichnung nicht einer Vertreter-, sondern einer Botenhandlung, so genügt eine solche Unterzeichnung nicht für die Erfüllung der Schriftform. Der Bote übermittelt nur als Werkzeug seines Geschäftsherrn dessen Willenserklärung (Klein NZA 2004, S. 1198 ff; Soergel / Leptien , Vorb. § 164 Rdnr. 49.). Er gibt im Gegensatz zum Vertreter nicht eine eigene, sondern eine fremde Willenserklärung im fremden Namen ab. Da er keine eigene Erklärung in eigener Verantwortung abgibt, kann sein Handeln die Schriftform nicht erfüllen. Denn er ist nicht Aussteller der Urkunde. Aussteller ist weder derjenige, der nur als Schreibgehilfe die Erklärung mechanisch herstellt, noch ihr Überbringer. Ist die Erklärung nicht schon durch das Handeln des Geschäftsherrn oder seines Vertreters formwirksam erfolgt, kann die Unterschrift des Boten diesen Mangel nicht mehr heilen. Die allein vom Boten unterzeichnete Kündigung ist von vornherein nichtig.
Im Zivilprozessrecht gilt die Vorgabe, dass vorbereitende Schriftsätze die Unterschrift der Person enthalten müssen, die den Schriftsatz verantwortet, § 130 Nr. 6 ZPO. Dieses Schriftformerfordernis gilt insbesondere auch für bestimmende Schriftsätze wie die Klageschrift (§ 253 IV, V ZPO), die Einspruchsschrift (§ 340 I ZPO) oder die Berufungsschrift (§ 519 I ZPO). Die Anforderungen sind im Wesentlichen die gleichen wie bei der Schriftform im materiellen Recht. Derjenige, der den Schriftsatz und die dort enthaltenen Erklärungen verantwortet, muss ihn unterzeichnen. Das ist entweder die Partei selbst oder ihr Vertreter, nicht aber der Bote. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG gibt die Verwendung des Kürzels „i.A.“ im Zusammenhang mit der Unterzeichnung einer Berufungsschrift, also das Zeichnen „im Auftrag“ statt „in Vertretung“, zu erkennen, dass für den Inhalt der Berufungsschrift keine Verantwortung übernommen werden soll. Der mit „i.A.“ Unterzeichnende trete dem Gericht gegenüber nicht als Vertreter, sondern als Erklärungsbote auf (B AG , Urteil v. 26.07.1967 – 4 AZR 172/66 – AP Nr. 11 zu § 518 ZPO ; So auch BGH Beschluss v. 05. 11. 1987 – V ZR 139/87- NJW 1988, 210; im Grundsatz ebenso BGH Beschluss v. 27.05.1993 – III ZB 9/93 – NJW 1993, 2056 = BB 1993, 1324, wo allerdings im Wege der Auslegung für den Einzelfall eines „i.A.“ unterzeichnenden Rechtsanwalts, der zum Kreis der beim Berufungsgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten des Berufungsklägers zählt und unmittelbar in Ausführung des ihm selbst erteilten Mandates tätig wird, eine Ausnahme gemacht wird; ferner LAG Düsseldorf , Beschl. v. 8. 3. 2004 – 16 Ta 113/04 – unveröff.; ArbG Krefeld , Urt. v. 21. 5. 2002 – 5 Ca 3458/01 – unveröff.; vgl. auch Zöller/Greger , § 130 Rdnr. 14 m.w. Nachw.).
Auch außerhalb des Verfahrensrechts, und zwar speziell für das materielle Recht bei Ausspruch einer Kündigung hat das BAG in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 zu erkennen gegeben, dass es im Grundsatz die „i.A.“ im Gegensatz zu der „i.V.“ unterzeichneten Erklärung nicht als Vertreterhandeln interpretiert, weil durch die Verwendung des Kürzels „i.A.“ indiziert werde, dass der Unterzeichnende nicht die Verantwortung für den Inhalt des von ihm unterzeichneten Kündigungsschreibens übernehmen will (BAG Urteil v. 20. 8. 1997 – 2 AZR 518/96 – NJW 1998, 1093 L = NZA 1997, 1343 (1345 u. II 3b aa)).
Die Verwendung des Kürzels „i.A.“ muss nach Auffassung der Kammer hingegen nicht ausnahmslos und zwingend zur Annahme einer die Schriftform nicht erfüllenden Botenhandlung führen. Maßgeblich für die Unterscheidung des Boten vom Vertreter ist vielmehr eine Auslegung nach dem Empfängerhorizont. Die Kündigung ist als empfangsbedürftige Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB so auszulegen, wie der Erklärungsempfänger sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Begleitumstände und der Verkehrssitte verstehen musste. Nicht entscheidend ist demnach, ob der Handelnde als Bote oder Stellvertreter handeln wollte und/oder sollte. Der Bote kann nach außen sehr wohl als Vertreter (ohne Vertretungsmacht) auftreten. Die Schriftform wird dann gewahrt, denn es wird nach außen eine eigene Willenserklärung abgegeben. Bei der Auslegung ist einerseits zu berücksichtigen, dass im Allgemeinen, nichtjuristischen Sprachgebrauch möglicherweise nicht immer hinreichend zwischen „Auftrag“ und „Vertretung“ unterschieden wird. Andererseits ist auch dem Nichtjuristen schon wegen des klaren Wortlauts bewusst, dass das Handeln „in Vertretung“ allein den Stellvertreter kennzeichnet. Wird demgegenüber ein Handeln als „im Auftrag“ gekennzeichnet, kommt dem auch in der Laiensphäre regelmäßig eine Abstufung und Distanzierung zu. Der „i.A.“ Unterzeichnende tut kund, dass gerade nicht er selbst die Erklärung verfasst hat, sondern diese von seinem Geschäftsherrn stammt, in dessen „Auftrag“ er handelt und sie übermittelt. Die Unterzeichnung „i.A.“ ist in großen Betrieben zudem oft kennzeichnend für niedrigere Hierarchieebenen. Nach außen wird dementsprechend regelmäßig die Fremdbestimmung gerade in der Verwendung des Kürzels „i.A.“ zum Ausdruck gebracht. Daher ist es folgerichtig, in der Verwendung dieses Kürzels ein Indiz für Botenhandeln zu sehen. Der Vertreter hätte ein anderes Kürzel, nämlich „i.V.“ verwendet. Jener Indizwirkung stehen vorliegend auch keine anderen Umstände entgegen. Insbesondere für die bloße Botenstellung von Herrn K. spricht, dass er unterhalb des Unterschriftenfeldes, welches mit „Geschäftsführer“ unterschrieben war, gezeichnet hat. Dies ließ für Dritte den Schluss zu, dass nicht der überbringende Herr K., sondern der Geschäftsführer Aussteller der Kündigung war. Dessen Unterschrift fehlt aber.
Dass Herr K. nach dem nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Sachvortrag bevollmächtigt war, lässt die Bewertung unberührt, da jene Bevollmächtigung nicht nach außen hin deutlich wurde. Daher wurde auch von einer Wiedereröffnung des Verfahrens nach § 156 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
Der gemäß § 61 ArbGG festzusetzende Wert des Streitgegenstandes beträgt nach den im maßgebenden Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 4 Abs. 1 ZPO) gestellten Anträgen für den Antrag hinsichtlich des Schreibens vom 9. Dezember 2005 drei Monatsgehälter (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG) von jeweils 1.200,00 EUR und für den Kündigungsschutzantrag weitere drei Monatsgehälter (§ 42 Abs. 4 Satz 1 GKG) von jeweils 1.200,00 EUR.
Die Berufung war nicht gemäß § 64 Abs. 2 lit. a) ArbGG gesondert zuzulassen, weil keiner der in § 64 Abs. 3 ArbGG genannten Gründe, insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG), vorlag.