AG Halle (Saale)
Az.: 93 C 2078/09
Urteil vom 03.12.2009
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin macht einen Schadensersatzanspruch aus einem beendeten Wohnraummietverhältnis geltend.
Die Beklagte hatte von der Klägerin eine Wohnung im Haus R…-P…-Straße … im 4. Obergeschoss links in H… gemietet. Zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt vor Rückgabe der Wohnung wollte die Tochter der Beklagten die Beklagte in ihrer Wohnung besuchen. Da die Beklagte schlief und auf das Klingeln ihrer Tochter nicht reagierte, rief die Tochter der Beklagten die Feuerwehr, welche die Tür gewaltsam aufbrach. Hierbei wurde die Tür beschädigt. Die Erneuerung der Wohnungstür, die die Klägerin durchführen ließ, kostete 1.186,14 €. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 17 d. A. verwiesen.
Die Beklagte, vertreten durch ihre Betreuerin, kündigte das Mietverhältnis zum 31. August 2008. Am 3. September 2008 nahm die Klägerin die Wohnung zurück.
Mit der vorliegenden Klage verlangt die Klägerin von der Beklagten die Kosten für die Erneuerung der beschädigten Tür, abzüglich eines Betriebskostenguthabens der Beklagten in Höhe von 326,62 €.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 859,52 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2009 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält das Aufbrechen der Tür für unverhältnismäßig und das Austauschen der kompletten Tür für nicht erforderlich.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass keine Anspruchsgrundlage für die Forderung der Klägerin zu erkennen ist und insbesondere keine Pflichtverletzung der Beklagten vorgetragen ist.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Eine Anspruchsgrundlage für die Forderung der Klägerin ist nicht zu erkennen.
Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat keine Pflichtverletzung begangen. Unstreitig ist die Tür von ihr nicht aufgebrochen worden. Die Beklagte hat das Aufbrechen der Tür auch nicht zurechenbar veranlasst. Insbesondere stellt es keine Pflichtverletzung der Beklagten dar, dass sie sich schlafen gelegt hat und das Klingeln ihrer Tochter nicht gehört hat.
Die Beklagte hat auch nicht für ein etwaiges Verschulden ihrer Tochter gemäß § 278 BGB einzustehen. Die Klägerin hat sich ihrer Tochter nicht zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten bedient. Der Mieter haftet für seine Familienangehörigen nur insoweit, als diese die Mietsache mit Wissen und Wollen des Mieters benutzen (Palandt-Heinrichs, BGB, 67. Auflage, § 278 Rn 18; AG Frankfurt am Main, Urteil vom 24. September 1987, Az. 33 C 1885/87 – 29, zitiert nach juris). Die Tochter der Beklagten zählt als bloße Besucherin nicht zu den Nutzern der Wohnung, die gemäß § 278 BGB Hilfspersonen des Mieters bei der Erfüllung der Schutz- und Obhutspflichten sind. Im übrigen ist im vorliegenden Fall die Tür nicht von der Tochter der Beklagten, sondern von der Feuerwehr aufgebrochen worden. Daher ist nicht erkennbar, worin ein der Klägerin gemäß § 278 BGB zuzurechnendes Verschulden ihrer Tochter überhaupt liegen soll, zumal die Klägerin ausdrücklich vorträgt, dass die Entscheidung, die Tür aufzubrechen, von der Feuerwehr getroffen worden ist. Die Feuerwehr zu rufen stellt kein Verschulden der Tochter der Beklagten dar, das gemäß § 278 BGB der Beklagten zuzurechnen sein könnte.
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Beklagte auch nicht ihre Pflicht, die Wohnung in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben, verletzt. Der Mieter ist nach § 546 Abs. 1 BGB lediglich verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Bei Rückgabe der Mietsache in nicht vertragsgemäßem Zustand entsteht die Schadensersatzverpflichtung – entgegen der ungenauen Ausdrucksweise von Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Auflage, § 546 Rn. 5 – nicht bereits durch die Schlechterfüllung der Räumungspflicht, sondern durch das pflichtwidrige Versetzen der Mietsache in einen nicht vertragsgemäßen Zustand (sei es durch aktives Handeln wie etwa Beschädigungen der Mietsache, sei es durch Unterlassen wie bei nicht vorgenommenen Schönheitsreparaturen). Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Mietsache ist daher die vom Mieter zu vertretende Verletzung einer Nebenpflicht, die zu einer Schadensverursachung führt (Gather in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 9. Auflage, § 546 Rn. 71). Eine solche Pflichtverletzung kann zwar auch in einem Verstoß gegen die Obhutspflicht liegen (Gather a. a. O.), die Beklagte hat aber gegen ihre Obhutspflicht nicht verstoßen.
Insoweit liegt der Fall nicht anders als der Fall, dass dem Wohnungsmieter unverschuldet ein Schlüssel abbricht. Auch in diesem Fall muss der Mieter dem Vermieter keinen Schadensersatz leisten (Urteil des Gerichts vom 17. März 2009, Az. 93 C 4044/08, veröffentlicht bei juris). Das Gesetz kennt keine verschuldenunabhängige Gefährdungshaftung oder gar eine Zufallshaftung des Wohnraummieters.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 904 Satz 2 BGB. Ersatzpflichtig nach § 904 Satz 2 BGB ist nicht der Begünstigte – das wäre hier die Beklagte -, sondern der Einwirkende (RGZ 113, 301ff., 303; 156, 187ff., 190; BGHZ 6, 102ff., 105; LM § 904 BGB Nr. 2; BayObLGZ 2002, 35-46; Palandt-Bassenge Rn. 5; Soergel/Baur BGB 12. Aufl. Rn. 23; Erman/Hagen/Lorenz Rn. 8 jeweils zu § 904; a.A. LG Essen NZM 1999, 95; Staudinger/Seiler Rn. 34 ff.; MünchKomm/Säcker Rn. 17 jeweils zu § 904). Da die Duldungspflicht des beeinträchtigten Eigentümers dem Einwirkenden gegenüber besteht, soll er auch von diesem den Ausgleich erhalten; Einwirkungsrecht und Schadensersatzpflicht fallen in der Regel in ein- und derselben Person zusammen (Baur/Stürner Sachenrecht 17. Aufl. § 25.C.I.2b, Rn. 8).
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte ergibt sich auch nicht aus § 683 BGB in Verbindung mit § 677 BGB. Die Reparatur der Wohnungstür war kein Geschäft der Beklagten, sondern ein eigenes Geschäft der Klägerin. Dies folgt daraus, dass das Haus der Klägerin gehört und die Beklagte auch nicht zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 859,52 € festgesetzt.