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Mieterhöhungsverlangen – Berechtigung aufgrund Modernisierungsmaßnahme

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VIII ZR 285/06

Urteil vom 18.07.2007

Vorinstanzen:

AG Görlitz, Az.: 1 C 784/04, Entscheidung vom 30.08.2005

LG Görlitz, Az.: 2 S 110/05, Entscheidung vom 13.10.2006


Leitsätze:

Bei der Berechnung der Jahresfrist nach § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB bleiben nach Satz 3 auch solche Mieterhöhungen unberücksichtigt, die auf den in § 559 BGB genannten Gründen beruhen, jedoch einvernehmlich von den Parteien vereinbart worden sind (im Anschluss an BGH, Urteil vom 28. April 2004 – VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088).


In dem Rechtsstreit hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2007 für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Görlitz – 2. Zivilkammer – vom 13. Oktober 2006 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Berechtigung eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558 BGB.

Die Beklagten haben von der Klägerin eine 58,97 qm große Wohnung in G. gemietet. Die Miete betrug zuletzt 252,29 € zuzüglich Nebenkosten.

Mit Schreiben vom 25. März 2003 machte die Klägerin wegen im Einzelnen dargelegter Modernisierungsmaßnahmen eine auf § 559 BGB gestützte Mieterhöhung um monatlich 51,30 € mit Wirkung ab 1. Juni 2003 geltend. Die Beklagten zahlten am 21. Juli 2003 einen Betrag von 49,54 € mit der Tilgungsbestimmung „Modernisierungszuschlag Ju“ sowie ab August 2003 eine um 24,77 € monatlich erhöhte Miete. Auf schriftliche Aufforderungen der Klägerin, die Zuordnung der Zahlung näher zu erläutern oder aufzuschlüsseln, reagierten die Beklagten nicht. Sie entrichteten jedoch weiterhin monatliche Mietzahlungen von 277,06 €, also jeweils zusätzlich 24,77 € über die bisherige Miete hinaus.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 teilte die Klägerin den Beklagten mit, dass die von ihnen gezahlte Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete von 5,13 € je qm liege und forderte sie gemäß § 558 BGB auf, einer Erhöhung der Nettomiete um 25,47 € auf nunmehr 302,52 € zuzustimmen. Dabei legte sie – unter Hinweis darauf, dass die Beklagten die vorangegangene Mieterhöhung wegen der durchgeführten Modernisierung durch Zahlung teilweise (in Höhe von 24,77 €) anerkannt hätten – eine bisherige Nettomiete von 277,06 € (4,70 € je qm) zugrunde. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.

Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung zur Mieterhöhung scheitere bereits daran, dass im Zeitpunkt der Geltendmachung des Mieterhöhungsverlangens die letzte Mieterhöhung noch kein Jahr zurückgelegen habe und das Mieterhöhungsverlangen deshalb unwirksam sei. Denn die Klägerin habe erst durch das Mieterhöhungsverlangen vom 25. Mai 2004 das in der Zahlung einer um 24,77 € erhöhten Miete liegende Angebot der Beklagten auf Erhöhung der Grundmiete um diesen Betrag angenommen; dadurch sei eine übereinstimmende Änderung der Miethöhe im Sinne von § 557 Abs. 1 BGB eingetreten.

Diese Anhebung der Miete durch Änderungsvertrag sei nicht als Mieterhöhung gemäß §§ 559 bis 560 BGB anzusehen und falle deshalb nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB.

Die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. April 2004 – VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088 aufgestellten Rechtsgrundsätze seien wegen der vom Gesetzgeber bei der Neufassung des Mietrechts vorgenommenen redaktionellen Änderungen nicht mehr anwendbar. Durch den Wortlaut des § 557 Abs. 3 BGB und die systematische Stellung des § 557 Abs. 1 BGB im Verhältnis zu § 557 Abs. 3 BGB werde klargestellt, dass eine einvernehmliche Änderung der Miete etwas grundsätzlich anderes sei als die im Grunde einseitig durchsetzbare Mieterhöhung nach §§ 558 bis 560 BGB. Dies gelte insbesondere für die Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 BGB; insoweit habe der Gesetzgeber im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes die Befugnis des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung sprachlich klargestellt. Der Gesetzgeber habe mithin die einvernehmliche Regelung bei Vergleichsmietenerhöhungen durch die Formulierung des § 558 BGB unter voller Beachtung der Schutzwürdigkeit des Vermieters befördern wollen, während er eine solche Vorgehensweise bei Mieterhöhungen nach § 559 BGB nicht für angebracht erachtet habe.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten zu der mit Schreiben vom 25. Mai 2004 verlangten Mieterhöhung kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

1.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten eine Mieterhöhung um 24,77 € durch schlüssiges Verhalten vertraglich vereinbart. Die Auslegung des Berufungsgerichts, in den Teilzahlungen der Beklagten im Anschluss an das Mieterhöhungsschreiben der Klägerin vom 25. März 2003 liege ein Angebot auf Anhebung der Miete um diesen Betrag, das die Klägerin durch ihr Schreiben vom 25. Mai 2004 angenommen habe, ist als tatrichterliche Würdigung einer Individualvereinbarung in der Revisionsinstanz nur beschränkt überprüfbar. Sie kann nur insoweit nachgeprüft werden, als gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 – IX ZR 33/90, WM 1991, 495, unter I 3 a; BGHZ 135, 269, 273; 154, 132, 133). Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene Ergebnis ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 – X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, unter II 3 a).

2.

Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist jedoch davon auszugehen, dass die Parteien mit dieser vertraglichen Regelung Modernisierungsaufwendungen der Klägerin auf die Beklagten umgelegt haben, die auch eine entsprechende förmliche Mieterhöhung nach § 559 BGB gerechtfertigt hätten. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gilt die in § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgesehene Ausnahme für Mieterhöhungen nach §§ 559 bis 560 BGB auch für eine einvernehmliche Mieterhöhung wegen vom Vermieter durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen.

a) Der Wortlaut des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB, der nicht allgemein auf eine Anhebung der Miete wegen umlegbarer Modernisierungsmaßnahmen, sondern auf Erhöhungen nach §§ 559 bis 560 BGB Bezug nimmt, könnte zwar dafür sprechen, dass auf eine Erhöhung aufgrund eines einseitigen Mieterhöhungsverlangens abzustellen ist. Eine solche allein am Wortlaut orientierte Auslegung würde aber dem Sinn und Zweck des § 559 BGB nicht gerecht. Diese Vorschrift verfolgt – ebenso wie die frühere entsprechende Regelung in § 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHRG) – aus wohnungs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Gründen den Zweck, die Modernisierung vorhandenen alten Wohnbestandes zu fördern. Deshalb wird dem Vermieter ein Anreiz zur Vornahme von wünschenswerten Modernisierungsmaßnahmen durch die Privilegierung der damit zusammenhängenden Kosten gegeben (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2004 – VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088, unter II 2 c, zu § 3 MHRG). Mit der im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes erfolgten Eingliederung der Bestimmungen des MHG in das Bürgerliche Gesetzbuch war eine Änderung der mit § 3 MHRG verfolgten gesetzgeberischen Zielsetzung nicht verbunden (vgl. BT-Drs. 14/4553 S. 58). Die Privilegierung dieser Kosten hat ihren sachlichen Grund in der erwünschten Modernisierung des Wohnungsbestandes, nicht in der Art und Weise der rechtlichen Umsetzung – einseitiges Mieterhöhungsverlangen oder vertragliche Regelung – einer hierauf gestützten Mieterhöhung.

Die vom Gesetzgeber als privilegiertes Merkmal für die Bemessung der Miete ausgestatteten Modernisierungskosten sollen deshalb nicht durch die Jahresfrist (§ 558 Abs. 1 Satz 2) oder die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) teilweise wieder „neutralisiert“ werden (Senatsurteil vom 28. April 2004, aaO, zu §§ 2, 3 MHRG).

b) Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe durch die im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vorgenommenen Änderungen die Frage, ob auch eine vertragliche Mieterhöhung wegen umlagefähiger Modernisierungskosten die Jahressperrfrist auslöse, im Sinne der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung geregelt, findet im Gesetzgebungsverfahren keine Stütze und lässt sich auch nicht mit der Systematik des Gesetzes begründen.

aa) Wie auch das Berufungsgericht im Ansatz nicht verkennt, handelt es sich bei den geringfügigen sprachlichen Anpassungen, die in §§ 558 bis 560 BGB gegenüber den entsprechenden Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe vorgenommen wurden, um redaktionelle Änderungen, mit denen eine inhaltliche Umgestaltung nicht beabsichtigt war. Die Gesetzesmaterialien beschäftigen sich auch nicht mit der Frage, ob eine einvernehmliche Mieterhöhung wegen Modernisierung im Rahmen der Jahressperrfrist oder der Kappungsgrenze zu berücksichtigen ist (vgl. BT-Drs. 14/4553 S. 54 und 87 f.).

bb) Mit der Voranstellung der Mieterhöhungen kraft Parteivereinbarung in § 557 Abs. 1 und Abs. 2 BGB soll nach der Intention des Gesetzgebers das grundsätzlich auch für Mieterhöhungen geltende Prinzip der Vertragsfreiheit und Privatautonomie im Interesse der Streitvermeidung hervorgehoben und einvernehmlichen Vertragsänderungen grundsätzlich der Vorzug eingeräumt werden (BT-Drs. 14/4553 S. 52). Mit dieser Zielrichtung des Gesetzgebers ist die Auffassung des Berufungsgerichts, auch eine wegen umlagefähiger Modernisierungsmaßnahmen des Vermieters einvernehmlich herbeigeführte Mieterhöhung löse die Jahressperrfrist aus, nicht zu vereinbaren. Sie würde den Vermieter im Ergebnis dazu zwingen, Mieterhöhungen wegen Modernisierung ausschließlich auf förmlichem Weg und notfalls gerichtlich durchzusetzen, nur um sich die Möglichkeit einer Anpassung der Miete nach § 558 BGB zu erhalten (vgl. Senatsurteil vom 28. April 2004, aaO).

3.

Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es für die Frage, ob eine nicht unter die Jahressperrfrist des § 558 Abs. 1 Satz 2 BGB fallende Vereinbarung einer Mieterhöhung wegen Modernisierung vorliegt, nicht darauf an, ob der Vereinbarung ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen gemäß § 559 BGB vorausgegangen ist und ob die Parteien geregelt haben, wie sich der letztlich vereinbarte Erhöhungsbetrag, der hinter dem ursprünglichen Mieterhöhungsverlangen des Vermieters zurückbleibt, auf die einzelnen von der Klägerin durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen verteilt.

Erforderlich ist lediglich, dass der Vermieter die wegen der Modernisierung vereinbarte Mieterhöhung in dieser Höhe auch einseitig nach § 559 BGB hätte durchsetzen können. Das ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin hier der Fall. Dass die einvernehmliche Anhebung der Miete wegen der vom Vermieter zuvor durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen erfolgt ist, wird im Übrigen regelmäßig anzunehmen sein, wenn sich die Parteien – wie hier – im Anschluss an ein Mieterhöhungsbegehren nach § 559 BGB auf einen Teilbetrag der zunächst vom Vermieter verlangten Mietsteigerung geeinigt haben.

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III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht – auf der Grundlage der von ihm vertretenen Auffassung folgerichtig – keine Feststellungen zu der einseitigen Durchsetzbarkeit einer Mieterhöhung in Höhe des vereinbarten Betrags nach § 559 BGB und zu den weiteren Voraussetzungen des § 558 BGB getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

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