Bundesgerichtshof
Aktenzeichen: VIII ZR 287/06
Urteil vom 09.04.2008
Leitsatz:
Bei der Berechnung der Wartefrist des § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB bleiben nach Satz 3 auch solche Mieterhöhungen unberücksichtigt, die auf den in § 559 BGB genannten Gründen beruhen, jedoch einvernehmlich von den Parteien vereinbart worden sind (Ergänzung zu BGH, Urteil vom 18. Juli 2007 – VIII ZR 285/06, NJW 2007, 3122).
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. April 2008 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Görlitz – 2. Zivilkammer – vom 13. Oktober 2006 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Berechtigung eines Mieterhöhungsverlangens nach § 558 BGB.
Die Beklagten haben von der Klägerin eine 58,97 qm große Wohnung in G. gemietet. Die Miete betrug 250,28 EUR zuzüglich Nebenkosten. Mit Schreiben vom 25. März 2003 machte die Klägerin zunächst eine Mieterhöhung wegen Modernisierung (§ 559 BGB) um 24,77 EUR monatlich mit Wirkung ab 1. Juni 2003 geltend. Gleichzeitig verringerten sich die monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen, weil die den Beklagten erteilte Abrechnung ein Guthaben auswies. In der Folgezeit kam es zu einem Schriftwechsel zwischen den Parteien über die Zuordnung der von den Beklagten erbrachten Zahlungen. Mit Schreiben vom 13. Februar 2004 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass sie nur eine Mieterhöhung in Höhe von 17,85 EUR akzeptieren würden, denn der Mieterverein habe sie beraten, die Mieterhöhung belaufe sich nur auf diesen Betrag. In der Folgezeit zahlten die Beklagten eine jeweils um diesen Betrag erhöhte Miete.
Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 wies die Klägerin darauf hin, dass die von den Beklagten gezahlte Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete von 5,13 EUR je qm liege und forderte sie gemäß § 558 BGB auf, einer Erhöhung der Nettomiete um 32,02 EUR auf nunmehr 300,16 EUR zuzustimmen. Dabei legte sie – unter Hinweis darauf, dass die Beklagten die vorangegangene Mieterhöhung wegen der durchgeführten Modernisierung durch Zahlung teilweise (in Höhe von 17,85 EUR monatlich) anerkannt hätten – eine bisherige Nettomiete von 268,13 EUR zugrunde. Die Beklagten stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
Das Amtsgericht hat die auf Zustimmung zur Mieterhöhung gerichtete Klage abgewiesen, das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, ausgeführt:
Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung schon deswegen nicht zu, weil die 15-monatige Wartefrist des § 558 Abs. 1 BGB nicht eingehalten sei. Denn erst durch das Mieterhöhungsverlangen vom 25. Mai 2004 habe die Klägerin das im Schreiben der Beklagten vom 13. Februar 2004 liegende Angebot auf einvernehmliche Erhöhung der Grundmiete um 17,85 EUR angenommen, wodurch eine übereinstimmende Änderung der Miethöhe gemäß § 557 Abs. 1 BGB eingetreten sei. Diese Anhebung der Miete durch Änderungsvertrag sei nicht als Mieterhöhung gemäß §§ 559 bis 560 BGB anzusehen und falle deshalb nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB.
Die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28. April 2004 – VIII ZR 185/03, NJW 2004, 2088 aufgestellten Rechtsgrundsätze seien wegen der vom Gesetzgeber bei der Neufassung des Mietrechts vorgenommenen redaktionellen Änderungen nicht mehr anwendbar. Durch den Wortlaut des § 557 Abs. 3 BGB und die systematische Stellung des § 557 Abs. 1 BGB im Verhältnis zu § 557 Abs. 3 BGB werde klargestellt, dass eine einvernehmliche Änderung der Miete etwas grundsätzlich anderes sei als die im Grunde einseitig durchsetzbare Mieterhöhung nach §§ 558 bis 560 BGB. Dies gelte insbesondere für die Mieterhöhung wegen Modernisierung nach § 559 BGB; insoweit habe der Gesetzgeber im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes die Befugnis des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung sprachlich klargestellt. Der Gesetzgeber habe mithin die einvernehmliche Regelung bei Vergleichsmietenerhöhungen durch die Formulierung des § 558 BGB unter voller Beachtung der Schutzwürdigkeit des Vermieters befördern wollen, während er eine solche Vorgehensweise bei Mieterhöhungen nach § 559 BGB nicht für angebracht erachtet habe.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Anspruch der Klägerin auf Zustimmung der Beklagten zu der mit Schreiben vom 25. Mai 2004 verlangten Mieterhöhung kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.
1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten eine Mieterhöhung um 17,85 EUR durch schlüssiges Verhalten vertraglich vereinbart. Die Auslegung des Berufungsgerichts, im Schreiben der Beklagten vom 13. Februar 2004, dem entsprechend erhöhte Mietzahlungen folgten, liege ein Angebot auf einvernehmliche Erhöhung der Grundmiete um 17,85 EUR, das die Klägerin durch ihr Schreiben vom 25. Mai 2004 angenommen habe, ist als tatrichterliche Würdigung einer Individualvereinbarung in der Revisionsinstanz nur beschränkt darauf überprüfbar, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind (BGHZ 135, 269, 273; 154, 132, 133). Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf. Das vom Tatrichter gefundene Ergebnis ist möglich und daher für die Revisionsinstanz bindend (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1992 – X ZR 88/90, NJW 1992, 1967, unter II 3 a).
2. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin ist jedoch davon auszugehen, dass die Parteien mit dieser vertraglichen Regelung Modernisierungsaufwendungen der Klägerin auf die Beklagten umgelegt haben, die auch eine entsprechende förmliche Mieterhöhung nach § 559 BGB gerechtfertigt hätten. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils in einem dieselbe Wohnanlage der Klägerin betreffenden, im Wesentlichen gleich gelagerten Rechtsstreit entschieden hat (Senatsurteil vom 18. Juli 2007 – VIII ZR 285/06, NJW 2007, 3122, Tz. 12 ff.), gilt die in § 558 Abs. 1 Satz 3 BGB vorgesehene Ausnahme für Mieterhöhungen nach §§ 559 bis 560 BGB auch für eine einvernehmliche Mieterhöhung wegen vom Vermieter durchgeführter Modernisierungsmaßnahmen.
§ 559 BGB verfolgt – ebenso wie die frühere entsprechende Regelung in § 3 des Gesetzes zur Regelung der Miethöhe (MHRG) – aus wohnungs-, wirtschafts- und umweltpolitischen Gründen den Zweck, die Modernisierung vorhandenen alten Wohnbestandes zu fördern. Die Privilegierung dieser Kosten hat ihren sachlichen Grund in der erwünschten Modernisierung des Wohnungsbestandes, nicht in der Art und Weise der rechtlichen Umsetzung – einseitiges Mieterhöhungsverlangen oder vertragliche Regelung – einer hierauf gestützten Mieterhöhung. Die vom Gesetzgeber als privilegiertes Merkmal für die Bemessung der Miete ausgestalteten Modernisierungskosten sollen deshalb nicht durch die Jahresfrist (§ 558 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) teilweise wieder „neutralisiert“ werden (Senatsurteil vom 18. Juli 2007, aaO); dies gilt auch für die so genannte Wartefrist des § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe durch die im Rahmen des Mietrechtsreformgesetzes vorgenommenen Änderungen die Frage, ob auch eine vertragliche Mieterhöhung wegen umlagefähiger Modernisierungskosten die Jahressperrfrist auslöse, im Sinne der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung geregelt, findet im Gesetzgebungsverfahren keine Stütze und lässt sich auch nicht mit der Systematik des Gesetzes begründen (vgl. Senatsurteil vom 18. Juli 2007, aaO, Tz. 13).
3. Das Urteil des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kommt es für die Frage, ob eine nicht unter die Wartefrist des § 558 Abs. 1 Satz 1 BGB fallende Vereinbarung einer Mieterhöhung wegen Modernisierung vorliegt, nicht darauf an, ob der Vereinbarung ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen gemäß § 559 BGB vorausgegangen ist.
Erforderlich ist lediglich, dass der Vermieter die wegen der Modernisierung vereinbarte Mieterhöhung in dieser Höhe auch einseitig nach § 559 BGB hätte durchsetzen können. Das ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachvortrag der Klägerin hier der Fall. Dem steht, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht entgegen, dass die Klägerin weder in ihrem Mieterhöhungsverlangen vom 25. Mai 2004 noch im Prozess näher dargelegt hat, aufgrund welcher Modernisierungsmaßnahmen sie eine Mieterhöhung nach § 559 BGB in Höhe des von den Beklagten bislang schon gezahlten Mehrbetrags von 17,85 EUR hätte einseitig durchsetzen können. Denn die Beklagten hatten der Klägerin mit Schreiben vom 13. Februar 2004 mitgeteilt, dass sie nur diesen Betrag nach einer Beratung durch den Mieterverein für berechtigt hielten. Unter diesen Umständen oblag es zunächst den Beklagten, näher darzulegen, weshalb entgegen ihrer Auffassung im Schreiben von 13. Februar 2004 der von ihnen – nach rechtlicher Prüfung der auf § 559 BGB gestützten Mieterhöhung der Klägerin laut Schreiben vom 25. März 2003 – zunächst akzeptierte Teilbetrag von 17,85 EUR monatlich nicht durch die von der Klägerin zuvor durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen gerechtfertigt war. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, dass die Beklagten in den Tatsacheninstanzen die Nichtberücksichtigung einer Zinsvergünstigung beanstandet hätten, so wird in dem von ihr zitierten Vorbringen eine Zinsverbilligung von 0,08 EUR je qm angeführt; daraus ergibt sich bei einer Wohnfläche von 58,97 qm lediglich ein Betrag von 4,71 EUR; selbst wenn die Klägerin die von ihr im Schreiben vom 25. März 2003 verlangte Mieterhöhung von 24,77 EUR in Höhe eines Betrages von 4,71 EUR nicht hätte einseitig durchsetzen können, verbleibt noch ein auf Modernisierung gestützter Erhöhungsbetrag, der die von den Beklagten akzeptierten 17,85 EUR übersteigt.
III.
Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen des § 558 BGB getroffen hat und den Parteien Gelegenheit zu geben ist, ihren Sachvortrag dazu, ob die Klägerin eine Mieterhöhung in Höhe von 17,85 EUR nach § 559 BGB einseitig hätte durchsetzen können, zu ergänzen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).