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Rechtsbeschwerdebegründung – Wiedereinsetzung

Kammergericht Berlin

Az: 2 Ss 138/09 – 3 Ws (B) 283/09

Beschluss vom 10.07.2009


In der Bußgeldsache wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts in Berlin am 10. Juli 2009 beschlossen:

1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 4. Februar 2009 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsmittels trägt die Landeskasse Berlin.

2. Der Antrag des Betroffenen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 12. September 2008 wird als unzulässig verworfen.

3. Dem Betroffenen wird von Amts wegen auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der zuvor genannten Frist gewährt.

4. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das genannte Urteil wird verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

G r ü n d e :

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 2 (zu ergänzen: Nr. 7 Zeichen 275), 49 (zu ergänzen: Abs. 3 Nr. 4) StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 100,00 Euro verurteilt, nach § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat gegen ihn verhängt und gemäß § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG eine Bestimmung über dessen Wirksamwerden getroffen. Die Hauptverhandlung wurde in Anwesenheit des Betroffenen und in Abwesenheit seines Wahlverteidigers durchgeführt. Mit am selben Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 19. September 2008 hat der Verteidiger des Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt. Das Urteil ist ihm am 9. Dezember 2008 zugestellt worden. Mit per Fax übersandtem Schriftsatz vom 9. Januar 2009, bei Gericht eingegangen am 10. Januar 2009 um 00.05 Uhr hat der Verteidiger die Rechtsbeschwerde begründet. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 13. Januar 2009 die Rechtsbeschwerde mit der Begründung als unzulässig verworfen, die Beschwerdeanträge seien verspätet angebracht worden. Gegen diesen Beschluss hat der Verteidiger mit am selben Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 16. Januar 2009 Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gestellt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist gestellt, ohne diesen Antrag näher zu begründen. Mit Beschluss vom 4. Februar 2009 hat das Amtsgericht den Wiedereinsetzungsantrag als unbegründet verworfen. Gegen diesen dem Verteidiger des Betroffenen am 16. Februar 2009 zugestellten Beschluss hat dieser im Namen des Betroffenen mit am selben Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 16. Februar 2009 sofortige Beschwerde eingelegt und diese sowie den Wiedereinsetzungsantrag mit am 15. April 2009 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. April l2009 begründet.

1. Die nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 46 Abs. 3 StPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung des Wiedereinsetzungsantrages ist begründet. Denn für die Entscheidung über diesen Antrag war nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 46 Abs. 1 StPO nicht das Amtsgericht, sondern der Senat als Rechtsbeschwerdegericht zuständig, der daher als das in der Sache selbst berufene Gericht auch für die Bescheidung der sofortigen Beschwerde zuständig war (vgl. Senat VRS 65, 31; Seitz in Göhler, OWiG 15. Aufl., § 79 Rn. 34 d).

2. Der vom Betroffenen am 16. Januar 2009 gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde war nach den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 1 Satz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, da er keine Begründung enthielt. Denn zur Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages gehört es, dass dieser innerhalb der Wochenfrist gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO umfassend die Gründe darlegt, aus denen der Antragsteller ohne Verschulden verhindert war, die versäumte Frist einzuhalten (vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl., § 45 Rn. 5 m.w.N.). Der Wiedereinsetzungsantrag vom 16. Januar 2009 enthält eine solche Begründung nicht. Diese ist vielmehr erst mit Schriftsatz vom 14. April 2009 und damit verspätet nachgeholt worden.

Zwar hat der Betroffene die gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO einen Monat betragende Frist zur Anbringung der Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung versäumt, da diese Frist gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 2 StPO mit der am 9. Dezember 2008 erfolgten Zustellung des Urteils an den Verteidiger des Betroffenen begann und bis zum Ablauf des 9. Januar 2009 keine Begründung bei Gericht eingegangen war. Denn für den rechtzeitigen Eingang einer solchen Begründung per – wie vorliegend – Telefax ist es erforderlich, dass die gesamte Urschrift einschließlich der Unterschrift ihres Verfassers bei Gericht eingegangen ist (vgl. Senat NJW 1997, 1864; OLG Hamburg NStZ 1989, 587). Dem Betroffenen war jedoch gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 45 Abs. 3 StPO von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren, weil der Betroffene die von seinem Verteidiger verspätet veranlasste Übermittlung der Rechtsbeschwerdebegründung durch Telefax nicht zu vertreten hat, so dass sein Verschulden an der Fristversäumung ausgeschlossen ist (vgl. Senat a.a.O.).

4. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch nach §§ 79 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Insoweit merkt der Senat lediglich an, dass die mit der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verfahrensrüge, die Hauptverhandlung gegen den Betroffenen sei trotz Vorliegens des Falls einer notwendigen Verteidigung nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 140 Abs. 2 StPO ohne einen Verteidiger durchgeführt worden, nicht in einer den Anforderungen nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise begründet worden ist. Die den geltend gemachten Verfahrensverstoß enthaltenden Tatsachen müssen danach so vollständig und genau dargelegt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund dieser Darlegung das Vorhandensein eines Verfahrensmangels feststellen kann, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden, wobei dies auch für die Geltendmachung von – wie hier – (§ 338 Nr. 5 StPO) – absoluten Revisionsgründen gilt (vgl. Kuckein in KK, StPO 6. Aufl., § 338 Rn. 4 und § 344 Rn. 38). Die Rechtsbeschwerde macht geltend, die notwendige Verteidigung habe sich vorliegend aus der Verhängung des Fahrverbots ergeben, da dieses dem Betroffenen und seiner Fa-milie die Existenzgrundlage entzogen habe. Zwar kann die Schwere der Tat im Sinne von § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO sich auch aus dem Gewicht einer zu erwartenden Nebenfolge ergeben, wobei allein die Möglichkeit, dass ein Fahrverbot verhängt werden kann, für sich allein jedoch keinen Grund bildet, wegen der Bedeutung dieser eventuellen Nebenfolge einen Pflichtverteidiger beizuordnen (vgl. Hannich in Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG 3. Aufl., Rn. 5; Wieser, OWiG Rn. 3.1; Seitz in Göhler, a.a.O., Rn. 25; jeweils zu § 60 OWiG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Fahrverbot etwa zu einer erheblichen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen führen würde. Solches macht die Rechtsbeschwerde zwar geltend, wobei dahingestellt sein kann, ob die von ihr vorgetragenen Umstände über die verschiedenen Einkunftsarten des Betroffenen und seine Belastung durch einen über mehrere Jahre abgeschlossenen Fahrzeug-Leasingvertrag eine existenzbedrohende Situation belegen. Denn die Entscheidung über die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach § 140 Abs. 2 StPO liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden (vgl. Laufhütte in KK, a.a.O., § 140 Rn. 20). Die vom Betroffenen mit der Rechtsbeschwerde vorgetragenen Umstände könnten daher nur dann für das Erfordernis einer Pflichtverteidigerbestellung von Bedeutung sein, wenn sie sich entweder bereits aus dem Urteil selbst ergäben oder die Rechtsbeschwerde im Rahmen der Begründung der Verfahrensrüge dargelegt hätte, dass und weshalb diese Tatsachen dem Gericht zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bekannt waren. Entsprechender Vortrag fehlt jedoch in der Rechtsbeschwerde völlig. Dem Urteil selbst ist lediglich zu entnehmen, dass der Betroffene als selbständiger Taxiunternehmer tätig ist. Dann ist jedoch davon auszugehen, dass er die Zeit eines Fahrverbotes für ihn selbst durch Einstellung eines Fahrers überbrücken kann, wobei es ihm zuzumuten ist, zur Finanzierung dieses Fahrers auch auf Ersparnisse zurückzugreifen oder gegebenenfalls einen Kredit aufzunehmen (vgl. Senat VRS 108, 288 (289); OLG Frankfurt DAR 2002, 82). Eine Aufklärungsrüge, das Amtsgericht habe die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen besser aufklären müssen, ist nicht erhoben worden.

5. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der sofortigen Beschwerde auf § 46 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung, hinsichtlich der gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 7 StPO und hinsichtlich der Verwerfung der Rechtsbeschwerde auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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