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Rückabwicklung Eigentumswohnungskauf – notarielles Kaufvertragsangebot mit Fortgeltungsklausel

OLG Dresden – Az.: 14 U 1259/11 – Urteil vom 20.12.2011

1. Auf die Berufung der Beklagten und der Streitverkündeten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 19.07.2011 – Az. 4 O 3884/10 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streitverkündeten tragen die Kläger.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 40.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Beklagten oder die Streitverkündeten Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Streitwert: 159.688,23 EUR

Gründe

I.

Die Kläger verlangen Schadensersatz und Rückabwicklung eines notariellen Kaufvertrages über eine Eigentumswohnung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Am 21.09.2007 ließen die Kläger ein Angebot zum Abschluss eines Wohnungskaufvertrages gegenüber der Beklagten notariell beurkunden (Anlage K 1).

Ziffer II. des Kaufvertrages lautet:

„An das Angebot hält sich der Käufer bis zum 30.11.2007 unwiderruflich gebunden.

Nach Ablauf der Frist erlischt lediglich die Bindung an das Angebot, nicht jedoch das Angebot, das in stets widerruflicher Weise fortbesteht.

Der Widerruf ist schriftlich gegenüber dem Verkäufer zu erklären. Bis zum Zugang der Widerrufserklärung beim Verkäufer kann das Angebot noch angenommen werden.“

Das Landgericht hat die Beklagten zur Rückabwicklung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständlichen Eigentumswohnung verurteilt, da kein wirksamer Kaufvertrag vorliege. Zwar liege ein Angebot der Kläger vor (vom 21.09.2007). Die Beklagten hätten dieses Angebot auch angenommen. Die Klauseln, nachdem die Käufer gebunden seien und das Angebot fortbestehe, seien jedoch nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam, mit Hinweis auf die Entscheidung BGH vom 11.06.2010, Az. V ZR 85/09.

Die Beklagten und die Streitverkündeten sind der Ansicht, die streitigen Klauseln seien nicht nach §§ 306 ff. BGB nichtig, die Beklagten hätten das notarielle Angebot der Kläger rechtzeitig und ordnungsgemäß angenommen.

Sie beantragen, das Urteil des Landgerichts Leipzig aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Berufungsbeklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

II.

Rückabwicklung Eigentumswohnungskauf - notarielles Kaufvertragsangebot mit Fortgeltungsklausel
Symbolfoto: Von Andy Dean Photography/Shutterstock.com

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages nach § 812 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB. Die Kläger haben ein wirksames Kaufvertragsangebot abgegeben (Anlage K 1), das die Beklagten am 27.12.2007 (Anlage K 2) wirksam angenommen haben. Das Angebot bestand nach II. Abs. 2 des notariellen Kaufangebotes fort. Diese Klausel hält der Inhaltskontrolle stand (1), sie entfällt auch nicht, weil II. Abs. 1 des Angebotes (wohl) unwirksam ist (2).

1. II. Abs. 2 des notariellen Kaufangebotes vom 21.09.2007, das von den Beklagten als Allgemeine Geschäftsbedingung gestellt worden ist, § 310 Abs. 3 Ziff. 1 BGB, hält einer Inhaltskontrolle stand. Diese Klausel belastet die Käufer nicht unangemessen.

a) Es liegt keine überraschende Klausel vor, § 305c BGB, die Kläger wurden vom Notar auf diese Klausel hingewiesen (vgl. auch ausführlich dazu Herler/Suttmann, DNot 2010, 883, 890).

b) Die Klausel über die Fortgeltung des Angebots ist nicht nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam; es wird keine Annahmefrist vorbehalten. Der Käufer wird nicht gebunden. Vielmehr ist ausdrücklich geregelt, dass die Bindung an das Angebot nach Ablauf der Frist erlischt, so dass das Angebot sodann stets widerrufen werden kann.

c) Die beanstandete Fortgeltungsklausel unterliegt nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB der Inhaltskontrolle und hält ihr stand. Der Käufer wird durch die in der Klausel vorgesehene bindungsfreie Fortgeltung des Angebots nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB benachteiligt.

aa) Die Fortgeltungsklausel weicht nicht im Sinne des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von wesentlichen Grundgedanken des dispositiven Rechts ab. Insbesondere gerät sie nicht mit §§ 145 ff. BGB in Konflikt. Diese Vorschriften enthalten kein gesetzliches Leitbild, das die Möglichkeit einer Vereinbarung über eine die Bindungsdauer übersteigende Geltungsdauer des Angebots einschränkt.

Ein Angebot erlischt nach § 146 BGB, wenn es (u.a.) nicht nach §§ 147 bis 149 BGB rechtzeitig angenommen wird. Nach § 148 BGB hängt die Dauer der Bindung an ein Angebot von der gesetzten Annahmefrist und damit vom Willen des Anbietenden ab. Er kann nach § 145 Halbsatz 2 BGB sogar die Bindung an das – bestehende – Angebot ausschließen. §§ 145 ff. BGB stehen demnach Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer eines Angebots nicht entgegen. So kann der Ablauf einer in das Angebot aufgenommenen Frist dazu führen, dass nur die Unwiderruflichkeit des Angebots endet, ohne dass es erlischt (BGH DNotZ 2004, 846 Tz 21). Die Unterscheidung zwischen kurzer Bindungsfrist und fortbestehender Annahmefähigkeit ist im Gesetz selbst angelegt (Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 890). Wesentliche Grundgedanken des dispositiven Rechts hindern also nicht die Wirksamkeit einer Bestimmung, wonach das Angebot länger gilt, als es bindet.

bb) Die Angemessenheit der Fortgeltungsklausel ist demnach anhand einer Interessenabwägung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ermitteln. Hier ergibt die Gesamtabwägung aller für und gegen eine bindungsfreie Fortgeltung des Angebots sprechenden Umstände keine unangemessene Benachteiligung des Käufers.

Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist unangemessen, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Die Anwendung dieses Maßstabs setzt eine Ermittlung und Abwägung der wechselseitigen Interessen voraus (BGH NJW-RR 2008, 818 Tz. 17 m.w.N.).

Aufgrund der Fortgeltungsklausel will die Beklagte das Angebot noch annehmen können, wenn die gesetzte Annahmefrist bereits verstrichen ist. Diese Annahmefrist von einem Monat unterschreitet den regelmäßig zu erwartenden Annahmezeitraum von vier Wochen (BGH NJW 2010, 2873 Tz 12) nicht. Damit hält sich die Beklagte eine Annahme des Antrags auch dann noch ohne zeitliche Begrenzung offen, wenn sie im Regelfall bereits abgeklärt haben müsste, ob sie den Kaufvertrag erfüllen kann und will. Sie kann dadurch für die Bearbeitung, Überlegung und Übermittlung beim Abschluss der finanzierten und beurkundungsbedürftigen Verträge einen längeren Zeitraum als vier Wochen in Anspruch nehmen, etwa wenn sich Verzögerungen bei der Bonitätsprüfung oder bei der Abklärung der baurechtlichen Zulässigkeit etc. ergeben haben. Dieses wirtschaftliche Interesse an der Aufrechterhaltung der (latenten) Kundenbeziehung ist schutzwürdig.

Die Belange des Käufers werden dabei ausreichend gewahrt. Denn nach Ablauf von einem Monat kann er jederzeit widerrufen. Die Fortgeltungsklausel bindet den Käufer nach einem Monat nicht mehr an sein Angebot. Seinem schutzwürdigen Interesse an einem baldigen Wegfall seiner Bindung ist also Genüge getan. Geht sein Widerruf vor einer Annahme zu, ist er frei, günstigere Verträge abzuschließen. Zwar ist ein Zugang der Annahmeerklärung nach § 152 S. 1 BGB entbehrlich, so dass sich für den Käufer eine Phase der Ungewissheit darüber ergibt, ob der Widerruf, für dessen Zugang er darlegungs- und beweisbelastet ist, vor der Annahmeerklärung zuging (Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 890). Die Gefahr sich kreuzender Erklärungen ist jedoch gering und erstreckt sich nur auf einen kurzen Zeitraum, so dass das Dispositionsinteresse des Käufers ausreichend geschützt ist.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist eine Unangemessenheit der Klausel nicht daraus abzuleiten, dass sie von dem Käufer Initiative verlange, wo das Gesetz seine Untätigkeit ausreichen lasse (a. A. LG Berlin Urt. v. 10.2.2011 – 23 O 6/10).

Ein gesetzliches Leitbild, das Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer eines Angebots entgegenstünde, besteht nicht (s.o.). Auch erstreckt sich der Schutz vor unangemessener Benachteiligung nicht auf jede Mühewaltung. Ein aktives Verhalten des Verbrauchers zur Beseitigung eines nicht mehr gewünschten Vertrages ist vielmehr grundsätzlich zumutbar, wie etwa die Widerrufsrechte aus §§ 312, 312 d, 495 BGB bei Verträgen zeigen, die sogar von einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers ausgehen (Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 894). Gleiches gilt beispielsweise für Verlängerungsklauseln, die daran anknüpfen, dass der Kunde nicht rechtzeitig kündigt (z.B. BGH NJW 2010, 3431 Tz 28).

Im Übrigen ist eine Initiative des Käufers nicht erforderlich, wenn er auch nach Ablauf der Annahmefrist so disponieren will, wie es sein Angebot vorsieht. Um sein Angebot weiterhin annahmefähig zu erhalten, braucht er nicht erneut aktiv zu werden. Er muss nicht zur Neuabgabe wieder zum Notar. Vor allem hat er dann nicht die Kosten, die er nach Teil C der Angebotsurkunde für das Angebot zu tragen hat, vergeblich aufgewendet. Dieses Interesse kompensiert den Benachteiligungseffekt, der mit der Initiativlast eines Widerrufs verbunden ist. Denn der Käufer will sich im Angebot beide Wege für oder gegen einen Widerruf für den Fall des Ablaufs der Annahmefrist offenhalten und weitere Kosten vermeiden.

Auch die – in den Grenzen von § 242 BGB – zeitlich unbeschränkte Annahmefähigkeit des Angebots führt nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung des Verbrauchers. Unbefristete Schwebezustände sind dem Gesetz nicht fremd, z.B. nach § 108 Abs. 1, 2 BGB (BGHZ 81, 93 Tz 16), § 177 Abs.1, 2 BGB (BGHZ 145, 45 Tz 11), § 1366 Abs. 1, 2 BGB.

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So kann der Unternehmer auch bei der alternativen Gestaltung der Beurkundung mit dem Verbraucher als Vertreter ohne Vertretungsmacht zeitlich grundsätzlich unbeschränkt genehmigen, § 177 Abs. 1 BGB. Auch bei diesem Regelungsmodell fordert das Gesetz vom Verbraucher ein aktives Verhalten, um den Schwebezustand zu beenden, § 177 Abs. 2 BGB. Gemessen an dieser gesetzgeberischen Wertung, stellt die in den Grenzen von § 242 BGB zeitlich unbeschränkte Annahmefähigkeit eines Angebots, das nach kurzer Bindungsfrist frei widerrufen werden kann, den Verbraucher nicht schlechter (Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 892 ff.). Eine bindungsfreie Fortgeltungsklausel benachteiligt ihn nicht unangemessen und ist deshalb wirksam.

2.   Die Fortgeltungsklausel (II. Abs. 2) bleibt bestehen, obwohl die Bindungsfrist bis 31.11.2007 (Kaufvertragsangebot vom 21.09.2007) wohl nicht den Vorgaben des Bundesgerichtshofs aus der Entscheidung vom 11.06.2010, Az. V ZR 85/09, entspricht.

Als sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestimmung bleibt diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachverhaltskomplex trifft, § 306 Abs. 1 BGB. Selbst im Falle einer einheitlichen Klausel geht die ständige Rechtsprechung von der Weitergeltung des wirksamen Teils aus (BGH NJW 1984, 2816; 2001, 292, 294; 2006, 1059, 1060).

Die Annahmefähigkeit kann unabhängig von der Bindungsfrist beurteilt werden. Ob ein Angebot erloschen ist, ob es rechtlich noch existent, aber widerruflich ist, sind zwei rechtliche Fragestellungen, die losgelöst voneinander zu beantworten sind. Sie unterliegen zudem unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben, da die Interessen der Beteiligten unterschiedlich berührt sind.

Hier spricht auch der Parteiwillen dafür, dass die Parteien das Angebot unabhängig von der Bindungsfrist aufrechterhalten wollen. Was sie ja letzten Endes auch getan haben. Denn die Bindungsfrist lief am 30.11.2007 ab, ein Widerruf der Kläger erfolgte nicht, die Annahme der Beklagten erfolgte erst vier Wochen später, am 27.12.2007.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 ZPO. Anlass, nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, bestand nicht. Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Rechtsgrundsätze auf einen Einzelfall. Die entscheidungserheblichen rechtlichen Probleme haben mit den zitierten höchstrichterlichen Entscheidungen eine Klärung gefunden, so dass der Sache weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof erfordert.

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