Skip to content

Stillschweigender Haftungsausschluss bei Gefälligkeitsverhältnis

Schmerzensgeld und Schadensersatz: Unfall im Gefälligkeitsverhältnis – Urteil des LG Nürnberg-Fürth

Das LG Nürnberg-Fürth hat in seinem Urteil vom 21.11.2014 entschieden, dass der Beklagte an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 12.000,00 € zuzüglich Zinsen zu zahlen hat. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Beklagte auch für zukünftige, aus dem Unfall resultierende Schäden aufkommen muss. Das Gericht erkannte ein Mitverschulden der Klägerin an, wies jedoch die Argumentation des Beklagten bezüglich eines stillschweigenden Haftungsausschlusses zurück.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 10 O 552/13 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Der Beklagte wird zur Zahlung von 12.000,00 € Schmerzensgeld plus Zinsen an die Klägerin verurteilt.
  • Das Gericht stellt fest, dass der Beklagte auch für zukünftige Schäden verantwortlich ist.
  • Ein Mitverschulden der Klägerin wird anerkannt, reduziert aber nicht die grundsätzliche Haftung des Beklagten.
  • Ein stillschweigender Haftungsausschluss im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses wird vom Gericht nicht anerkannt.
  • Die Haftpflichtversicherung des Beklagten hatte bereits einen Teilbetrag gezahlt, was auf den Gesamtbetrag angerechnet wird.
  • Der Beklagte muss die Kosten des Rechtsstreits tragen.
  • Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
  • Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten der Klägerin werden nicht erstattet, da ein direkter Anspruch nicht geltend gemacht wurde.

Gefälligkeitsverhältnisse und Haftungsausschluss: Eine Ausnahme im Schadensfall

Gefälligkeitsverhältnisse sind in unserem Alltag weit verbreitet und beinhalten kleine Hilfestellungen, die wir einander erweisen. Doch was passiert, wenn bei einer solchen Gefälligkeit ein Schaden entsteht? In der Regel haftet derjenige, der den Schaden verursacht hat. Allerdings gibt es auch Ausnahmen, wie den stillschweigenden Haftungsausschluss. Dieser kommt jedoch nur unter sehr engen Voraussetzungen in Betracht, wie beispielsweise bei Gefälligkeiten.

Ein stillschweigender Haftungsausschluss sollte jedoch nicht als selbstverständlich angesehen werden, da er in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten entspricht. Vielmehr soll der Geschädigte den ihm entstandenen Schaden ersetzt bekommen. In einem Urteil des BGH wurde festgestellt, dass eine stillschweigende Abrede nur in Ausnahmefällen angewendet wird, wie beispielsweise bei Gefälligkeitsverhältnissen.

In einem konkreten Fall, der vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth verhandelt wurde, ging es um einen Unfall, der sich bei einem Gefälligkeitsverhältnis ereignete. Der Beklagte wurde zur Zahlung von Schmerzensgeld verurteilt, da er fahrlässig gehandelt hatte. Ein stillschweigender Haftungsausschluss wurde vom Gericht nicht anerkannt, da der Beklagte über eine Haftpflichtversicherung verfügte.

Die rechtlichen Herausforderungen bei Gefälligkeitsverhältnissen und Haftungsausschlüssen sind komplex und erfordern eine individuelle Betrachtung jedes Einzelfalls. In diesem Zusammenhang ist es ratsam, sich im Bedarfsfall an einen erfahrenen Rechtsanwalt zu wenden, um die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, bei dem es um Gefälligkeitsverhältnisse und Haftungsausschlüsse geht, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Ein Unfall und seine Folgen: Die rechtliche Auseinandersetzung um Schadensersatz und Schmerzensgeld

Am 07. Mai 2010 ereignete sich ein Vorfall, der zwei Personen von einem geplanten gemeinsamen Lebensabschnitt in ein rechtliches Geflecht aus Ansprüchen und Verpflichtungen stürzte. Die Klägerin, eine junge Frau geboren am 03. Dezember 1987, und der Beklagte planten, zusammen eine Wohnung zu beziehen und eine Wohngemeinschaft zu gründen. Während der Umzugsarbeiten, bei denen der Beklagte der Klägerin behilflich war, kam es zu einem Unfall. Eine Waschmaschine sollte von der alten in die neue Wohnung transportiert werden. Der Beklagte sicherte das Gerät mit einem etwa 60 cm langen Expander, der an beiden Enden Metallhaken aufwies, auf einer Sackkarre. Beim Transport löste sich der Expander plötzlich, schnellte zurück und traf die Klägerin am linken Auge. Die Folge war eine schwere Augapfelprellung und eine Impressionsfraktur mit Einblutung, die eine stationäre Behandlung vom 07. bis 17. Mai 2010 sowie mehrere nachfolgende ambulante Behandlungen erforderte. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin wurde infolgedessen um 25 % gemindert.

Rechtliche Bewertung eines Gefälligkeitsverhältnisses und die Frage der Haftung

Die rechtliche Auseinandersetzung drehte sich primär um die Frage, inwiefern ein stillschweigender Haftungsausschluss bei einem Gefälligkeitsverhältnis angenommen werden kann und welche Verantwortung der Beklagte für den entstandenen Schaden trägt. Der Beklagte argumentierte, dass das Lösen des Expanders nicht vorhersehbar gewesen sei und berief sich auf ein Gefälligkeitsverhältnis, das seiner Ansicht nach eine Haftungsbeschränkung impliziere. Die Klägerin hingegen forderte Schadensersatz und ein angemessenes Schmerzensgeld, da sie auf dem linken Auge dauerhaft geschädigt und annähernd erblindet sei.

Gerichtliche Entscheidung: Schmerzensgeld und Schadensersatz

Das LG Nürnberg-Fürth entschied am 21. November 2014 zugunsten der Klägerin. Der Beklagte wurde zur Zahlung von 12.000,00 € nebst Zinsen verurteilt. Zusätzlich wurde festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle der Klägerin aus dem Schadensfall erwachsenen und zukünftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils der Klägerin in Höhe von einem Viertel. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Haftungsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB gegeben waren und der Beklagte fahrlässig gehandelt hatte. Eine stillschweigende Haftungsbeschränkung wurde nicht angenommen, insbesondere da der Beklagte über eine Haftpflichtversicherung verfügte, die gerade den Schutz des Unfallopfers bezwecken sollte.

Das Mitverschulden der Klägerin und die Rolle der Haftpflichtversicherung

Interessant in diesem Fall ist die Anrechnung eines Mitverschuldens der Klägerin. Das Gericht schätzte diesen Anteil auf ein Viertel, da die Klägerin sich in den Gefahrenbereich begeben hatte. Diese Bewertung zeigt, dass auch bei Gefälligkeitsverhältnissen die Umstände des Einzelfalls genau betrachtet werden und eine differenzierte Betrachtung des Sachverhalts erfolgt. Zudem unterstreicht der Fall die Bedeutung der Haftpflichtversicherung, die eine wesentliche Rolle bei der Frage der Haftungsbeschränkung spielte.

Fazit: Das Urteil des LG Nürnberg-Fürth verdeutlicht die rechtlichen Risiken, die selbst in scheinbar informellen und freundschaftlichen Hilfeleistungen liegen können. Es zeigt, dass bei Unfällen im Rahmen von Gefälligkeitsverhältnissen komplexe rechtliche Fragen der Haftung und des Schadensersatzes aufgeworfen werden können, die eine genaue juristische Prüfung erfordern.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was versteht man unter einem stillschweigenden Haftungsausschluss?

Ein stillschweigender Haftungsausschluss ist eine besondere Form des Haftungsausschlusses, die nicht explizit, sondern durch das Verhalten und die Umstände der Beteiligten zum Ausdruck kommt. Dieser tritt in bestimmten Situationen in Kraft, in denen zwei Parteien implizit vereinbaren, dass eine der Parteien für bestimmte Handlungen oder Unterlassungen nicht haftbar gemacht wird.

Ein typisches Beispiel für einen stillschweigenden Haftungsausschluss ist die Situation, in der jemand bei einer Gefälligkeit, wie zum Beispiel der Hilfe bei einem Umzug, leicht fahrlässig einen Schaden verursacht. In solchen Fällen greift der stillschweigende Haftungsausschluss und der Verursacher muss nicht für die Schadenskosten aufkommen.

Es ist jedoch zu erwähnen, dass der Bundesgerichtshof in Deutschland entschieden hat, dass wenn jemand eine private Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, er auf diesen stillschweigenden Haftungsausschluss verzichtet. In diesem Fall würde die Versicherung für den Schaden aufkommen.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass ein stillschweigender Haftungsausschluss nicht in allen Situationen greift. Beispielsweise ist ein Haftungsausschluss oder eine Begrenzung der Haftung bei grober Fahrlässigkeit oder bei Schäden aus der Verletzung von Pflichten bei Vertragsverhandlungen unwirksam.

Was beinhaltet der Begriff Gefälligkeitsverhältnis im rechtlichen Sinne?

Unter einem Gefälligkeitsverhältnis im rechtlichen Sinne versteht man eine unverbindliche, fremdnützige Abrede, die auf einem außerrechtlichen Geltungsgrund wie Verwandtschaft, Freundschaft, Kollegialität oder Nachbarschaft beruht. Ein Rechtsbindungswille ist bei einem Gefälligkeitsverhältnis nicht vorhanden, was bedeutet, dass die beteiligten Personen keine rechtliche Verpflichtung eingehen und somit auch keine rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisse entstehen.

Benötigen Sie eine Beratung in einer ähnlichen Angelegenheit? Vereinbaren Sie einen Termin: 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Die Abgrenzung zwischen einem Gefälligkeitsverhältnis und einem bindenden Rechtsverhältnis ist oft umstritten und erfolgt maßgeblich über den Rechtsbindungswillen der Parteien. Ein Gefälligkeitsverhältnis liegt vor, wenn das objektive bzw. äußere Verhalten einer Person darauf schließen lässt, dass sie keinen Rechtsbindungswillen hat und somit nicht rechtlich für die Erbringung der Leistung verantwortlich ist.

Es gibt jedoch auch Gefälligkeitsverträge, bei denen trotz der Unentgeltlichkeit ein Rechtsbindungswille vorliegt und somit rechtliche Verpflichtungen entstehen können. Beispiele für solche Gefälligkeitsverträge sind die Leihe nach § 598 BGB und der Auftrag nach § 662 BGB. Im Gegensatz zu reinen Gefälligkeitsverhältnissen können bei Gefälligkeitsverträgen vertragliche Erfüllungs- und Schadensersatzansprüche entstehen.

Die Haftung bei reinen Gefälligkeitsverhältnissen ist grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, es liegt ein besonderer Haftungsgrund vor, wie beispielsweise Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit.


Das vorliegende Urteil

LG Nürnberg-Fürth – Az.: 10 O 552/13 – Urteil vom 21.11.2014

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin noch 12.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2012 zu bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, alle der Klägerin aus dem Schadensfall vom 07.05.2010 erwachsenen und zukünftig noch entstehenden Schäden, unter Berücksichtigung eines von der Klägerin zu tragenden Mitverschuldensanteils in Höhe von ¼, zu ersetzen, soweit kein Forderungsübergang auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte stattfindet oder stattgefunden hat.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Unfalls vom 07.05.2010, bei dem sich die Klägerin schwer am Auge verletzte.

Die am 03.12.1987 geborene Klägerin und der Beklagte wollten gemeinsam eine Wohnung beziehen, um eine Wohngemeinschaft zu gründen. Aus diesem Grund war die Klägerin am Schadenstag mit Umzugsarbeiten beschäftigt. Der Beklagte war ihr dabei behilflich. Hierzu musste u.a. eine Waschmaschine aus der alten Wohnung der Klägerin in die neue Wohnung transportiert werden. Der Beklagte hatte die Waschmaschine im Beisein der Klägerin mithilfe eines ca. 60 cm langen Expanders, der an beiden Enden Metallhaken aufweist, gegen Verrutschen auf einer Sackkarre befestigt. Sowohl die Sackkarre, als auch der Expander wurden vom Beklagten zur Verfügung gestellt. Beim Transport in die gemeinsame Wohnung musste die Sackkarre über eine Stufe transportiert werden. Zu diesem Zweck drehte sich der Beklagte um, um die Karre rückwärts über die Stufe zu ziehen. Die Klägerin bückte sich, um ihm zu helfen. Während der Beklagte die Waschmaschine bewegte, löste sich der Expander aus der Befestigung und schnellte zurück. Die Metallöse des Gurtes traf die Klägerin hierbei am linken Auge. Die Klägerin erlitt infolgedessen eine Verletzung am linken Auge in Form einer schweren Augapfelprellung und einer Impressionsfraktur verbunden mit einer Einblutung.Sie war vom 07. bis 17.05.2010 in stationärer Behandlung der Augenklinik im Klinikum Nürnberg-Nord und zunächst bis 18.06.2010 arbeitsunfähig krank geschrieben. In der Folgezeit musste sich die Klägerin bis Juli 2011 insgesamt neun weiteren ambulanten Behandlungen unterziehen. Die Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit (MdE) beträgt 25 %.

Der Klägervertreter setzte dem Beklagten mit Schreiben vom 04.06.2012 eine Frist zum 15.06.2012 zur Zahlung eines Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 15.000,00 €.Die Haftpflichtversicherung des Beklagten zahlte der Klägerin zwischenzeitlich einen Betrag in Höhe von 3.000,00 € aus.

Die Klägerin behauptet, dass sie auf dem linken Auge dauerhaft geschädigt und annähernd erblindet sei. Für die Rechtsverfolgung seien ihr vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.034,11 € entstanden.

Die Klägerin beantragt daher:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf Grund des Schadensfalls vom 07.05.2010 in Nürnberg (Augenverletzung) ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, für den Fall der Säumnis jedoch einen Betrag von mindestens € 15.000 sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.06.2012 abzüglich bereits bezahlter 3.000,00 €.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Schadensfalls vom 07.05.2010 in Nürnberg (Augenverletzung) noch entstehen werden, sofern diese nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen oder bereits übergegangen sind.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin außergerichtlich entstandene, nicht festsetzbare Kosten der Rechtsverfolgung in Höhe von € 1.034,11 zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagezustellung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass das Lösen des Expanders für ihn nicht vorhersehbar gewesen sei, da er in der Vergangenheit bereits mehrmals Transporte auf diese Weise durchgeführt habe und immer alles gut gegangen sei. Zudem liege ein stillschweigender Haftungsausschluss aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses vor. Im Übrigen bestreitet der Beklagte mit Nichtwissen, dass die Erwerbsminderung der Klägerin in Höhe von 25 % maßgeblich auf der Augenverletzung beruhen würde, da bei dieser ausweislich des ärztlichen Attestes des Klinikums Nürnberg vom 07.05.2010 auch ein Borderline-Syndrom vorliegen würde.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 05.07.2013 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Michelson vom 03.07.2014 (Bl. 56 bis 70 d.A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und weitgehend begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Das angegangene Gericht ist sowohl sachlich gemäß §§ 71 Abs.1, 23 Nr.1 GVG als auch örtlich gem. §§ 12, 13 ZPO zuständig.

2.

Im Hinblick auf die Feststellung, dass der Klägerin alle noch zukünftigen Schäden zu ersetzen sind, liegt das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 I ZPO vor. Ein Feststellungsinteresse besteht stets dann, wenn bei der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts künftige Schadensfolgen möglich, ihre Art und ihr Umfang, sogar ihr Eintritt aber noch ungewiss sind. Auf die Wahrscheinlichkeit weiterer Schäden kommt es hier nicht an (vgl. BGH MDR 2007, 792; BGH NJW 2001, 1432).

II.

Die objektive Klagenhäufung ist zulässig. Die Verbindungsvoraussetzungen aus § 260 ZPO liegen vor, insbesondere ist für alle Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig.

III.

Die Klage ist überwiegend begründet.

1.

Der Klägerin war ein Schmerzensgeld in Höhe von noch 12.000,00 € zuzusprechen. Ein solcher Anspruch ergibt sich aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 1, Abs. 2 BGB.

a)

Die Haftungsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB sind gegeben.

aa)

Der von dem Beklagten zum Zwecke des Transports der Waschmaschine an der Sackkarre befestigte Spanngurt hat sich von dieser gelöst und hat die Klägerin am linken Auge getroffen, wodurch dieses erheblich verletzt worden ist.

Dies steht zur Überzeugung der Kammer (§ 286 ZPO) durch das erholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. med. Michelson fest. Dieser führt aus, dass es aufgrund des Unfalls zu einer massiven und irreversiblen Schädigung der Netzhaut im Makulabereich und des Kammerwinkels gekommen ist sowie ein deutlich verminderten Visus von 1/20 Lesetafel besteht. Das Gutachten beruht auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen, ist nachvollziehbar und widerspruchsfrei, weshalb sich die Kammer diesem aus eigener Überzeugung anschließt.

bb)

Der Beklagte handelte auch fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB.

Es mag zwar sein, dass der Beklagte in der Vergangenheit schon des Öfteren sperrige Gegenstände wie eine Waschmaschine auf gleiche Art und Weise transportiert hat, ohne dass es zu Komplikationen gekommen ist. Dies führt aber nicht dazu, dass er davon ausgehen konnte und durfte, dass die von ihm gewählte Befestigungsart auch als sicher anzusehen ist. Vielmehr hätte der Beklagte bei der ihm gebotenen Sorgfalt erkennen können und erkennen müssen, dass sich die Befestigungshaken des Expanders, welche sich nicht fest verschließen lassen, von der Sackkarre lösen können und beim Zurückschnellen zu erheblichen Verletzungen im Gesichtsbereich in der Nähe befindlicher Personen führen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Expander – wie hier – unter hohem Zug steht und an der Sackkarre ruckartig gezogen oder geschoben wird, um diese über eine Stufe zu ziehen, so wie dies der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung (§ 141 Abs. 3 ZPO) geschildert hat.

cc)

Der Beklagte kann sich auch nicht auf eine Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit berufen.

Ausdrücklich ist über eine Haftungsbeschränkung zwischen den Parteien nicht gesprochen worden. Der Beklagte ist für die Klägerin jedoch aufgrund eines Gefälligkeitsverhältnisses als Umzugshelfer tätig geworden, so dass grundsätzlich eine stillschweigende Haftungsbeschränkung in Betracht kommt. Eine derartige Haftungsbeschränkung kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung auf der Grundlage des § 242 BGB jedoch nur ganz ausnahmsweise angenommen werden; sie stellt eine künstliche Rechtskonstruktion aufgrund einer Willensfiktion dar, da sie von einem Haftungsverzicht ausgeht, an den beim Abschluss der Vereinbarung niemand gedacht hat. Allein daraus, dass jemand aus Gefälligkeit für einen anderen tätig wird, kann die Vereinbarung des Ausschlusses einer deliktischen Haftung keineswegs gefolgert werden. Gerade dort, wo der Schädiger gegen Haftpflicht versichert ist, die dem Schutz des Unfallopfers dienen soll, entspricht es grundsätzlich nicht dem Willen der Beteiligten, durch letztlich fingierte Verzichtsabreden den Haftpflichtversicherer zu entlasten. Deshalb spricht das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für den Schädiger in aller Regel gegen eine stillschweigende Haftungsbeschränkung. Diese setzt vielmehr grundsätzlich voraus, dass für den Schädiger, der gerade keinen Versicherungsschutz genießt, ein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko gegeben wäre und darüber hinaus besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht des Geschädigten als besonders naheliegend erscheinen lassen (BGH NJW 1992, 3067).

Dies ist hier gerade nicht der Fall. Für den Beklagten besteht kein nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko, da er für den durch ihn verursachten Unfall Versicherungsschutz durch eine Haftpflichtversicherung genießt. Die Klägerin hätte sich für diesen Fall nicht billigerweise auf eine Haftungsbeschränkung einlassen müssen, da diese letztlich nur die Haftpflichtversicherung des Beklagten privilegiert hätte.

dd)

Die Klägerin muss sich aber ein Mitverschulden bei der Entstehung des Schadens gemäß § 254 Abs. 1 BGB anrechnen lassen. Ihren Anteil der Mitverantwortlichkeit schätzt die Kammer (§ 287 ZPO – vgl. BGH NJW 1968, 985) auf 1/4.

Den Geschädigten trifft ein Mitverschulden, wenn er diejenige Aufmerksamkeit und Sorgfalt außer Acht lässt, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu bewahren (Palandt, § 254 Rn 8 m.w.N.).Zu Lasten der Klägerin war zu berücksichtigen, dass sie sich bei dem Hochheben der Waschmaschine über die Stufe, herunterbeugte und somit direkt in den Gefahrenbereich begab. Hierbei hätte auch sie die Gefahr eines abrutschenden Expanders erkennen können. Da der höhere Verursachungsbeitrag, nämlich das gefährdende Verhalten des Beklagten, von diesem ausging, hat dieser auch den mit 3/4 anzusetzenden höheren Anteil zu tragen. Der Beklagte hat nämlich das Transportwerkzeug zur Verfügung gestellt und die konkrete Art der Befestigung gewählt. Zudem hatte er bereits in der Vergangenheit mehrfach Transporte auf ähnliche Weise bewerkstelligt, so dass die Klägerin grundsätzlich davon ausgehen konnte, dass der Beklagte schon weiß, was er tut.

ee)

Es entspricht der Billigkeit, ein Schmerzensgeld (§ 253 BGB) von 15.000,00 € zuzuerkennen.

Einzustellen in die Gesamtabwägung sind vor allem der Grad des Verschuldens des Schädigers, die Schwere der Verletzung, die die Geschädigte erlitten hat und die Folgen, die sie hieraus zu tragen hat (Palandt, § 253 Rn 15 ff. m.w.N.). Das Verschulden des Beklagten ist nicht von hohem Gewicht; er hat (leicht) fahrlässig gehandelt. Demgegenüber sind die Verletzung und die Folgen erheblich. Die Klägerin ist auf einem Auge nahezu erblindet. Sie war vom 07 bis 17.05.2010 in stationärer Behandlung der Augenklinik im Klinikum Nürnberg-Nord und zunächst bis 18.06.2010 arbeitsunfähig krank geschrieben. In der Folgezeit musste sich die Klägerin bis Juli 2011 insgesamt neun weiteren ambulanten Behandlungen unterziehen. Zudem muss sie eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit (MdE) in Höhe von 25 % hinnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass diese – wie der Beklagte meint – auch auf eine Borderline-Symptomatik zurückzuführen ist, sind nicht ersichtlich.

In vergleichbaren Fällen hat die Rechtsprechung Schmerzensgeldbeträge von 12.500,00 € bis etwa 20.000,00 € und in Einzelfällen darüber hinausgehend zuerkannt (vgl. Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 31. Aufl., Nr. 2701 bis Nr. 2715). Auch bei Mitberücksichtigung des Eigenverantwortlichkeitsanteiles der Klägerin von 1/4 erscheint ein Schmerzensgeld des haftpflichtversicherten Beklagten in Höhe von 15.000,00 € angemessen. Dabei steht die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes im Vordergrund, während der Genugtuungsfunktion angesichts dieses unglücklichen Unfalls im Rahmen eines Gefälligkeitsverhältnisses nur untergeordnete Bedeutung zukommt.

ff)

Da auf den zuzusprechenden Schmerzensgeldanspruch die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits einen Betrag in Höhe 3000,00 € bezahlt hat, ist insoweit Erfüllung gem. § 362 BGB eingetreten. Dies gilt selbst für den Fall, dass die Leistung nur unter Vorbehalt und nicht zum Zwecke der abschließenden Regulierung des Unfalls erbracht worden sein sollte (vgl. Palandt § 362 Rn 14 m.w.N.). Die Klägerin kann daher noch einen Betrag in Höhe von 12.000,00 € beanspruchen.

2.

Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB i.V.m. §§ 187, 188 BGB analog. Der Beklagte befand sich aufgrund des klägerischen Schreibens vom 04.06.2012, in welchem er unter Fristsetzung bis 15.06.2012 zur Zahlung aufgefordert worden ist ab 16.06.2012 in Verzug.

3.

Ausweislich des erholten Sachverständigengutachtens muss die Klägerin mit dem Auftreten unfallbedingter Spätkomplikationen wie einem sekundären Glaukom, einer sekundären Linsentrübung und einer Netzhautablösung rechnen.Aus diesem Grunde war dem Feststellungsbegehren der Klägerin in dem durch das Eigenverschulden eingeschränkten Umfang stattzugeben.

4.

Die Schadensersatzpflicht des Beklagten erstreckt sich grundsätzlich auch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, da die Klägerin die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts als erforderlich und zweckmäßig ansehen durfte (vgl. BGH NJW 2004, 444; BGH NJW 2006,1065). Allerdings hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass diese tatsächlich bereits gezahlt worden sind, so dass ihr nur ein Freistellungsanspruch zusteht, der auf Zahlung an ihren Prozessbevollmächtigten gerichtet wäre. Diesen Anspruch hat die Klägerin aber nicht geltend gemacht. Der Freistellungsanspruch hat sich auch nicht gemäß § 250 BGB wegen einer Zahlungsverweigerung des Beklagten in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, dass sie den Beklagten bereits vorgerichtlich auf Freistellung von ihren Rechtsanwaltskosten in Anspruch genommen hat.

IV.

1.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Zum einen liegen die Voraussetzungen von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vor, da die Zuvielforderung geringfügig war und keinen Gebührensprung ausgelöst hat. Ziffer 1 des klägerischen Antrags legt die Kammer dahingehend aus (§§ 133, 157 BGB), dass nicht ein Betrag in höhe von 15.000,00 € sondern in Höhe von 12.000,00 € beansprucht werden sollte.

Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen von § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor.

2.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S.1, S.2 ZPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos