OVG Sachsen, Az.: 3 B 174/16
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 21. Juni 2016 – 4 L 368/16 – wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragsgegnerin mit der Beschwerde vorgebrachten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO beschränkt ist, ergeben nicht, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2016 wiederhergestellt hat.
Mit Verfügung vom 19. Mai 2016 widerrief die Antragsgegnerin die dem Antragsteller erteilte Erlaubnis zur Ausübung des Makler-, Bauträger- und Baubetreuergewerbes (Nr. 1). Sie ordnete an, dass die weitere Ausübung des erlaubnispflichtigen Makler-, Bauträger- und Baubetreuergewerbes ohne gültige Makler-, Bauträger- und Baubetreuererlaubnis nach Zustellung dieser Verfügung zu unterlassen ist (Nr. 2). Zudem ordnete sie die Rückgabe der Erlaubnisurkunde (Nr. 3) sowie die sofortige Vollziehung von Nr. 1, 2 und 3 der Verfügung an (Nr. 4). In Nr. 5 drohte sie die Festsetzung von Zwangsgeldern an und verpflichtete den Antragsteller in Nr. 6 zur Kostentragung. Anlass für diesen Bescheid war ein Strafverfahren vor dem Amtsgericht Chemnitz, in welchem dem Antragsteller von der Staatsanwaltschaft u. a. gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Betrug in 28 Fällen im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Betätigung vorgeworfen wurde. Das Strafverfahren wurde im Rahmen der Hauptverhandlung mit Beschluss des Amtsgerichts Chemnitz vom 23. April 2015 gemäß § 153a Abs. 2 StPO unter Auferlegung einer Zahlung von 5.000,- € an einen gemeinnützigen Verein vorläufig und mit Beschluss vom 19. Juni 2015 endgültig eingestellt.
Das Verwaltungsgericht hat auf den Antrag des Antragstellers die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den vorgenannten Bescheid der Antragsgegnerin wiederhergestellt. Die dort getroffenen Anordnungen begegneten erheblichen rechtlichen Bedenken. Der Antragsteller sei durch das Amtsgericht Chemnitz nicht strafrechtlich verurteilt worden. Die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO stehe einem strafrechtlichen Schuldspruch nicht gleich. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin lasse die Zustimmung des Antragstellers zur Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldauflage nach § 153a StPO auch nicht indirekt den Rückschluss auf ein Eingeständnis des Anklagevorwurfs zu. Zudem sei hier darauf hinzuweisen, dass nach dem Protokoll der fortgesetzten Hauptverhandlung vom 23. April 2015 der Vorsitzende die Einstellung des Verfahrens angeregt habe. Die Zulassung der Anklageschrift und die Eröffnung des Hauptverfahrens könne nicht als Nachweis des erhobenen Anklagevorwurfs genommen werden. Aus diesem Grunde stelle § 34c Abs. 2 Nr. 1 Hs. 2 GewO auf die rechtskräftige Verurteilung des Betroffenen ab. Ohne ein verwertbares Ergebnis des gerichtlichen Strafverfahrens wäre es damit Aufgabe der Antragsgegnerin gewesen, eine eigenständige Ermittlung und rechtliche Bewertung des Sachverhalts vorzunehmen. Eine solche eigenständige Ermittlung und Prüfung lasse die angegriffene Entscheidung der Antragsgegnerin jedoch nicht hinreichend erkennen. Hierbei wäre insbesondere das im Ermittlungsverfahren eingereichte umfassende Geständnis des später mitangeklagten Prokuristen zu berücksichtigen gewesen. Jener führe dort aus, dass er als Vermittler eigenständig gearbeitet habe und die streitgegenständlichen Kreditgeschäfte allein und ohne Unterstützung des Antragstellers abgewickelt habe. Dieser sei in Einzelheiten nicht eingeweiht gewesen und habe keine Kenntnis von den gefälschten Eigenkapitalnachweisen gehabt. Weiterhin wäre in rechtlicher Hinsicht für die vorgeworfenen Betrugstaten zu klären gewesen, ob überhaupt ein strafrechtlich vorwerfbarer Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB eingetreten sei. Auf die Frage einer Betrugsschadenfeststellung habe auch das Amtsgericht unmittelbar vor der Anregung zur Einstellung des Strafverfahrens hingewiesen. Die eingehende tatsächliche und rechtliche Prüfung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Ohne Erfolg trägt die Antragsgegnerin dagegen mit ihrer Beschwerde vor, dass mit der Anklageerhebung der Sachverhalt als Ergebnis der Ermittlungen der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft feststehe. Dieser beinhalte vorliegend keine ernsthaften Zweifel daran, dass der den Antragsteller betreffende Tatvorwurf beweisbar gewesen und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Verurteilung anzunehmen gewesen sei. Da die Anklageerhebung im Jahr 2014 ungeachtet des Geständnisses des Prokuristen vom 18. April 2011 erfolgt wäre, sei davon auszugehen, dass das Geständnis nicht glaubhaft sei. Aufgrund dessen bilde der Sachverhalt aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 11. März 2014 die Grundlage für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Antragstellers hinsichtlich des Makler-, Bauträger- und Baubetreuergewerbes. Das hiernach festgestellte Geschäftsmodell rechtfertige die Prognose, dass beim Antragsteller bei Bedarf oder Gelegenheit die Bereitschaft bestehe, entsprechende oder ähnliche Geschäftsmodelle aufzubauen oder sich an ihnen zu beteiligen. Soweit das Verwaltungsgericht auf eine unterbliebene Berücksichtigung des Geständnisses des mitangeklagten Prokuristen verweise, habe es übersehen, dass nach diesem Geständnis vom 18. April 2011 weitere Straftaten begangen worden seien, nämlich am 9. September und 23. November 2011. Diese Tatsachen habe die Antragsgegnerin im gewerberechtlichen Verfahren ver- und bewertet. Auf die Frage, ob und in welchem Umfang Schäden eingetreten seien, komme es im gewerberechtlichen Verfahren nicht an. Vielmehr sei auf das Verhalten des Antragstellers abzustellen. Dieser habe sich im Geschäftsverkehr jahrelang an einem auf Täuschung beruhenden Geschäftsmodell zum eigenen finanziellen Vorteil beteiligt, dieses gebilligt und mitgetragen und müsse sich diese Umstände bei der Bewertung seiner Zuverlässigkeit entgegen halten lassen. Das Verwaltungsgericht habe nicht beachtet, dass vorliegend die Annahme einer Unzuverlässigkeit in Bezug auf das Makler-, Bauträger- und Baubetreuergewerbe auch ohne weitere, die strafrechtlichen Ermittlungen überschreitende Feststellungen gerechtfertigt sei.
Die so begründete Beschwerde rechtfertigt keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Es bestehen auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens durchgreifende Zweifel, ob die Antragsgegnerin die ihr obliegende eigenständige Prüfung und Bewertung der gewerberechtlich relevanten Tatsachen mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid unter Berücksichtigung zutreffender Maßstäbe tatsächlich vorgenommen hat. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Mit der Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO wird keine Entscheidung darüber getroffen, ob der Angeklagte die ihm durch die Anklage vorgeworfene Tat begangen hat oder nicht. Eine Einstellung nach § 153a Abs. 2 StPO setzt in Übereinstimmung mit dem Gebot der Unschuldsvermutung keinen Nachweis der Tat des Angeklagten voraus. Folglich ist davon auszugehen, dass allein aus einem Einstellungsbeschluss nach § 153a Abs. 2 StPO und einer dabei abgegebenen Zustimmungserklärung des Angeklagten nicht geschlossen werden darf, die dem Angeklagten in der Anklageschrift zur Last gelegten Taten sei ihm in tatbestandlicher Hinsicht nachgewiesen (BVerfG, Kammerbeschl. v. 16. Januar 1991 – 1 BvR 1326/90 -, juris Rn. 19f.). Allerdings wird die Richtigkeit der auf der Grundlage der Ermittlungsergebnisse der Strafverfolgungsorgane getroffenen Bewertung nicht allein dadurch in Frage gestellt, dass das Strafverfahren nach § 153a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist (OVG Lüneburg, Beschl. v. 17. Februar 2016 – 8 ME 213/15 -, juris Rn. 23). Vielmehr darf uns muss die Behörde im Fall einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 Abs. 2 StPO eine eigenständige Würdigung und Bewertung der strafgerichtlichen Verfahrensakten in einem Verwaltungsverfahren vornehmen und auf dieser Grundlage eine berufsbezogene Zuverlässigkeitsprognose treffen (BVerfG, a. a. O. Rn. 21; OVG Lüneburg, a. a. O.; VG Würzburg, Urt. v. 19. August 2015 – W 6 K 15.466 -, juris Rn. 18). Die Behörde hat im Rahmen einer eigenständigen Überprüfung der im strafgerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel zu beurteilen, ob aufgrund der vorliegenden Tatsachen auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Zukunft in Bezug auf sein in Rede stehendes Gewerbe geschlossen werden kann.
Der streitgegenständliche Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2016 lässt in seiner derzeitigen Fassung nicht hinreichend erkennen, dass die Antragsgegnerin die erforderliche eigenständige Würdigung und Bewertung der strafrechtlichen Ermittlungsergebnisse vorgenommen hat und auf der Grundlage dieser Überprüfung zu einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers gelangt ist. Die Begründung des Bescheides lässt nicht erkennen, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin davon ausgegangen ist, die zur Anklageerhebung führenden Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und deren strafrechtliche Würdigung seien zutreffend. Die Begründung des Bescheids unter Ziffer I. 1 vermittelt den Eindruck, dass lediglich der Inhalt der Anklageschrift referiert wird. Jedenfalls ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Antragsgegnerin aufgrund einer eigenständigen Bewertung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsergebnisses der Einschätzung der Staatsanwaltschaft folgt. Ohne nähere Begründung wird dann unter Ziffer I Nr. 3 die Behauptung aufgestellt, dass aufgrund der Ermittlungsergebnisse davon auszugehen sei, dass Tatsachen die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers und damit auch den Widerruf der ihm erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis rechtfertigten. Im weiteren wird dann unter Ziffer II. 2. angenommen, dass sich der Antragsteller über Jahre hinweg an Betrugsdelikten beteiligt habe, obwohl die Frage, ob das Verhalten des Antragstellers den Tatbestand des Betrugs nach § 263 StGB erfüllt hat, im Rahmen des Strafverfahrens offen und ungeklärt geblieben ist. Geht die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Entscheidung von einer Erfüllung des Betrugstatbestands über Jahre hinweg aus, wäre das Vorliegen dieses Tatbestands in den Bescheidgründen darzulegen gewesen. Insoweit ist es ohne Belang, dass es für die Entziehung der Gewerbeerlaubnis nicht notwendig auf eine strafrechtliche Verfolgung oder Verurteilung ankommt. Maßgeblich ist vielmehr das Verhalten des Gewerbetreibenden. Bei der Frage, ob ein Gewerbetreibender unzuverlässig ist, sind Straftaten unabhängig davon zu beurteilen, ob sie von der Staatsanwaltschaft tatsächlich verfolgt werden (VG Würzburg, a. a. O. Rn. 19 m. w. N.).
Der Bescheid der Antragsgegnerin lässt auch nicht erkennen, aus welchen Gründen sie dem Geständnis des mitangeklagten Prokuristen keine Bedeutung beimisst, obwohl hiernach der Antragsteller nie in Einzelheiten eingeweiht gewesen sei und keinerlei Kenntnis über die gefälschten Eigenkapitalnachweise gehabt habe. Infolge der Verpflichtung der Antragsgegnerin zu einer eigenständigen Bewertung des Ermittlungsergebnisses und Verfahrensstandes kann sie nicht mit Erfolg darauf hinweisen, dass die Staatsanwaltschaft ungeachtet dieser Einlassung Anklage erhoben habe und es auch noch nach Erlöschen der Prokura zu zwei strafrechtlich relevanten Verstößen gekommen sei. Die Bescheidbegründung lässt nicht erkennen, dass die Antragsgegnerin das Geständnis überhaupt in ihre eigene Betrachtung eingestellt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG unter Anlehnung an Nr. 54.2.1 und Nr. 1. 5 Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG.