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Vater lehnt den Umgang mit seinem Kind ab – kann er dazu gezwungen werden?

OLG Celle

Az.: 19 UF 253/00

Beschluss vom 21.11.2000


Der 19. Zivilsenat -Senat für Familiensachen- des Oberlandesgerichts Celle hat am 21. November 2000 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – vom 8. August 2000 geändert.

Der Antragsteller hat das Recht zum Umgang mit dem Antragsgegner, seinem Vater, an jedem ersten Sonntag im März, Juni, September und Dezember eines jeden Jahres jeweils von 9 bis 13 Uhr, ferner jeweils am 27. Dezember und am Osterdienstag eines jeden Jahres – erstmals am 27. Dezember 2000 – sowie am Samstag nach seinem Geburtstag (21. Mai), jeweils zur vorgenannten Zeit.

Der Antragsgegner hat den Antragsteller zum vorbestimmten Zeitpunkt selbst oder durch eine Person seines Vertrauens von der Wohnung der Kindesmutter abzuholen-und ihn – nach persönlicher Durchführung des Umgangs von mindestens 3 Stunden – zum vorbestimmten Zeitpunkt auf dieselbe Weise dorthin zurückzubringen.

Dem Antragsgegner wird für den Fall des Verstoßes gegen die vorstehenden Anordnungen die Verhängung eines Zwangsgeldes bis zu 50.000 DM angedroht.

Gerichtsgebühren für das Beschwerdeverfahren.werden nicht erhoben; die übrigen gerichtlichen wie außergerichtlichen Kosten des Verfahrens fallen dem Antragsgegner zur Last.

Beschwerdewert: 1.500. DM.

G r ü n d e

Der jetzt vier Jahre alte Antragsteller ist der nichteheliche Sohn des Antragsgegners, der in familiärer Gemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinen drei Töchtern im Alter von drei bis neun Jahren lebt. Der Antragsteller kennt den Antragsgegner bisher nicht, möchte aber mit ihm Umgang haben, was dieser wiederum ablehnt.

Das Amtsgericht hat den Antrag durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen und dazu ausgeführt, angesichts der ablehnenden Haltung des Antragsgegners diene ein Umgang des Antragstellers mit ihm nicht dem Kindeswohl. Erzwungene Kontakte seien nicht nur wertlos, sondern sogar schädlich, weil das Kind bei erzwungenen Kontakten merken werde, dass der Vater kein Interesse an ihm habe.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers ist nach § 621 e ZPO zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und führt in der Sache zum Erfolg.

Nach § 1684 Abs. 1 BGB hat der Antragsteller ein Recht auf Umgang mit seinem Vater, dem Antragsgegner, der nach derselben Vorschrift seinerseits dazu verpflichtet ist. Diese Verpflichtung ist, wie sich nicht nur aus dem Wortlaut, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift unzweifelhaft ergibt (vgl. Rauscher, FamRZ 1998, 329, 332), nach § 33 FGG vollstreckbar (so auch Palandt-Diederichsen, BGB, § 1684 RN 67). Die Auffassung des Amtsgerichts, erzwungene Kontakte seien – allgemein – nicht nur wertlos, sondern sogar schädlich für das Kindeswohl, widerspricht danach der Rechtslage. Denn nach Auffassung des Gesetzgebers wird das Kindeswohl nicht schlechthin durch erzwungene Kontakte beeinträchtigt, was daraus folgt, dass die Verletzung der Umgangspflicht der Eltern bewusst mit einer Sanktionsmöglichkeit versehen worden ist.

Soweit der Antragsgegner mit der Beschwerdebegründung die Vollstreckbarkeit der hiermit vom Senat getroffenen Anordnung unter Hinweis auf die vermeintlich vergleichbare Situation im Falle der ehelichen Lebensgemeinschaft in Abrede nimmt, ist er darauf hinzuweisen, dass in jenem Fall sowohl

die materielle (§ 1352 Abs. 2 BGB) als auch die prozessuale Rechtslage (§ 888 Abs. 3 ZPO) ausdrücklich abweichend geregelt sind.

Eine Beeinträchtigung des Kindeswohls kann danach nur im Einzelfall in Frage kommen, wenn anhand der besonderen Umstände des konkreten Falles Anhaltspunkte dafür vorliegen. Derartige Umstände sind weder ersichtlich noch vorgetragen; insbesondere ist das Erreichen des „Kindergartenalters“ zur Überzeugung des Senates genau der richtige Zeitpunkt für eine Anbahnung des Kontaktes zwischen Sohn und Vater.

Die übrigen Einwendungen des Antragsgegners liegen sämtlich neben der Sache. Dass – derzeit – nicht der Antragsteller selbst, sondern seine allein sorgeberechtigte Mutter dieses Verfahren betreibt (und sich dabei möglicherweise noch von anderen Motiven leiten lässt), stellt sich nicht als rechtlich relevanter Umstand, sondern als typischer Fall der Interessenwahrnehmung des Kindes durch den Sorgeberechtigten dar. Sollte die Kindesmutter wirklich, wie der Antragsgegner behauptet, den gewünschten Umgang ihres Sohnes mit dem Vater nur oder jedenfalls auch dazu benutzen wollen, ihrerseits wieder mit dem Antragsgegner in Kontakt zu kommen, steht es ihm nach Maßgabe der Entscheidungsformel frei, derartigen Annäherungsversuchen aus dem Wege zu gehen.

Der Antragsgegner beruft sich für seine Weigerung, Umgang mit seinem Sohn zu pflegen, auch zu Unrecht auf Art. 2 GG, wonach keinem Raucher das Rauchen, keinem Alkoholiker das Trinken und keinem Genusssüchtigen das Essen verboten und ebenso wenig einem umgangsunwilligen Vater der Verkehr mit seinem nichtehelichen Sohn aufgezwungen werden könne. Der Antragsgegner übersieht dabei, dass die allgemeine Handlungsfreiheit unter Gesetzesvorbehalt steht (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG); von diesem Vorbehalt hat der Gesetzgeber auch reichlich Gebrauch gemacht, indem er zum Beispiel sowohl Rauchen wie auch Trinken bestimmten Personengruppen völlig oder an bestimmten Orten und der übrigen Bevölkerung jedenfalls das Trinken zu bestimmten Gelegenheiten, etwa am Lenkrad eines in Betrieb befindlichen Kraftfahrzeuges, verboten hat. Derartige Einschränkungen, die im überwiegenden Allgemeininteresse oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter

unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen werden, hat der Einzelne hinzunehmen, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird (BVerfGE 65, 1, 44).

Nichts anderes gilt für die Verpflichtung jedes Elternteils, den Umgang mit seinem Kind zu pflegen. Ein Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung liegt hier schon deshalb nicht vor, weil aus dem „rein sexuellen Verhältnis“ des Antragsgegners zur Kindesmutter der Antragsteller hervorgegangen ist, dessen Persönlichkeitssphäre erheblich berührt ist (vgl. BVerfGE 96, 56, 61).

Ein Verfassungsverstoß könnte sich danach allenfalls dann ergeben, wenn das Tätigwerden des zur Ausübung des „Wächteramtes“ berufenen Staates (Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG) nicht durch das Interesse an einer störungsfreien Entwicklung des Kindes veranlasst ist, und die dem nicht sorgeberechtigten Vater auferlegten Handlungs- und Duldungspflichten über das hinausgehen, was zur Wahrung und Konkretisierung des Umgangsrechts erforderlich ist, also in unverhältnismäßiger Weise in seine insbesondere auch durch das Leben im Familienverband verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition eingreifen (vgl. BVerfGE 31, 194, 208).

Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich. Insbesondere gebietet nicht der Schutz der Familie des Antragsgegners den vollständigen Ausschluss seines Umgangs mit dem Antragsteller. Dessen Existenz ist der Familie ohnehin bekannt bzw. kann ihr nicht verborgen bleiben. Auch bleibt der räumliche Bereich des Familienlebens unangetastet, da es dem Antragsgegner überlassen ist, an welchem – kindgerechten – Ort er den Umgang ausübt. Auch dass der Antragsgegner künftig für die Ausübung des Umganges eine gewisse Zeit aufwenden muss, während der er seiner Familie nicht zur Verfügung steht, sieht der Senat nicht als verfassungsrechtlich relevanten Eingriff. Der Bestand der Familie wird dadurch ebenso wenig gefährdet wie er durch das Verhältnis zur Kindesmutter gefährdet worden ist oder durch die finanzielle Einbuße, welche die Familie fortlaufend durch die dem Antragsgegner obliegende und von ihm verursachte Unterhaltspflicht erleidet.

Dem Antragsgegner, der sich schließlich auch noch auf Mephistopheles persönlich („Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage…“) beruft, muss vielmehr gesagt werden:

„Es irrt der Mensch, solang er strebt.

Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange

Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.“

In diesem Sinne geht der Senat davon aus, dass der Antragsgegner bei ruhigem Besinnen seine Verantwortung auch gegenüber seinem Sohn wahrnehmen wird.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 13 a Abs. 1 FGG, 30 Abs. 3, 94 Abs. 3, 131 Abs. 1 S. 2 KostO.

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