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Umgehen des Kopierschutzes bei Computerprogrammen kann legal sein

EuGH

Az.: C-355/12

Beschluss vom 23.01.2014

 „Richtlinie 2001/29/EG – Urheberrecht und verwandte Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – Begriff ‚technische Maßnahmen‘ – Schutzvorrichtung – Gerät und geschützte ergänzende Erzeugnisse – Von anderen Unternehmen stammende ergänzende ähnliche Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile – Ausschluss jeder Interoperabilität zwischen ihnen – Tragweite dieser technischen Maßnahmen – Relevanz“

In der Rechtssache C‑355/12 betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale di Milano (Italien) mit Entscheidung vom 22. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Juli 2012, in dem Verfahren erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer) aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2013, unter Berücksichtigung der Erklärungen ……….nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. September 2013 folgendes Urteil

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10).

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Nintendo Co. Ltd, der Nintendo of America Inc. und der Nintendo of Europe GmbH (im Folgenden zusammen: Nintendo-Unternehmen) einerseits und der PC Box Srl (im Folgenden: PC Box) und der 9Net Srl (im Folgenden: 9Net) andererseits über den Vertrieb von „mod chips“ und „game copiers“ (im Folgenden: Geräte von PC Box) durch PC Box über deren von 9Net betriebene Website.

Rechtlicher Rahmen Völkerrecht

Art. 2 Abs. 1 der am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der am 28. September 1979 geänderten Fassung bestimmt:

 „Die Bezeichnung ‚Werke der Literatur und Kunst‘ umfasst alle Erzeugnisse auf dem Gebiet der Literatur, Wissenschaft und Kunst, ohne Rücksicht auf die Art und Form des Ausdrucks …“

Unionsrecht Richtlinie 2001/29

In den Erwägungsgründen 9 und 47 bis 50 der Richtlinie 2001/29 heißt es:

 „(9)      Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. …

 (47)      Im Zuge der technischen Entwicklung werden Rechtsinhaber von technischen Maßnahmen Gebrauch machen können, die dazu bestimmt sind, die Verhinderung oder Einschränkung von Handlungen zu erreichen, die von den Inhabern von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten oder des Sui-generis-Rechts an Datenbanken nicht genehmigt worden sind. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Umgehung des durch diese Vorrichtungen geschaffenen technischen Schutzes durch rechtswidrige Handlungen ermöglicht oder erleichtert wird. Um ein uneinheitliches rechtliches Vorgehen zu vermeiden, das den Binnenmarkt in seiner Funktion beeinträchtigen könnte, muss der rechtliche Schutz vor der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen und vor der Bereitstellung entsprechender Vorrichtungen und Produkte bzw. der Erbringung entsprechender Dienstleistungen harmonisiert werden.

 (48)      Dieser Rechtsschutz sollte für technische Maßnahmen gelten, die wirksam Handlungen beschränken, die von den Inhabern von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten oder des Sui-generis-Rechts an Datenbanken nicht genehmigt worden sind, ohne jedoch den normalen Betrieb elektronischer Geräte und deren technische Entwicklung zu behindern. Dieser Rechtsschutz verpflichtet nicht dazu, Vorrichtungen, Produkte, Komponenten oder Dienstleistungen zu entwerfen, die den technischen Maßnahmen entsprechen, solange diese Vorrichtungen, Produkte, Komponenten oder Dienstleistungen nicht in anderer Weise unter das Verbot des Artikels 6 fallen. Dieser Rechtsschutz sollte auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip berücksichtigen, und es sollten nicht jene Vorrichtungen oder Handlungen untersagt werden, deren wirtschaftlicher Zweck und Nutzen nicht in der Umgehung technischer Schutzvorkehrungen besteht. Insbesondere dürfen die Forschungsarbeiten im Bereich der Verschlüsselungstechniken dadurch nicht behindert werden.

 (49)      Der Rechtsschutz technischer Maßnahmen lässt einzelstaatliche Rechtsvorschriften unberührt, die den privaten Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen zur Umgehung technischer Maßnahmen untersagen.

 (50)      Ein solcher harmonisierter Rechtsschutz lässt die speziellen Schutzbestimmungen gemäß der Richtlinie [2009/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (ABl. L 111, S. 16)] unberührt. Er sollte insbesondere nicht auf den Schutz der in Verbindung mit Computerprogrammen verwendeten technischen Maßnahmen Anwendung finden, der ausschließlich in jener Richtlinie behandelt wird. Er sollte die Entwicklung oder Verwendung anderer Mittel zur Umgehung technischer Maßnahmen, die erforderlich sind, um Handlungen nach Artikel 5 Absatz 3 oder Artikel 6 der Richtlinie [2009/24] zu ermöglichen, nicht aufhalten oder verhindern. Artikel 5 und 6 jener Richtlinie sehen ausschließlich Ausnahmen von den auf Computerprogramme anwendbaren ausschließlichen Rechten vor.“

Art. 1 der Richtlinie 2001/29 bestimmt:

 „(1)      Gegenstand dieser Richtlinie ist der rechtliche Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte im Rahmen des Binnenmarkts, insbesondere in Bezug auf die Informationsgesellschaft.

 (2)      Außer in den in Artikel 11 genannten Fällen lässt diese Richtlinie die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen über folgende Bereiche unberührt und beeinträchtigt sie in keiner Weise:

a)      über den rechtlichen Schutz von Computerprogrammen;

…“

Art. 6 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie lautet:

 „(1)      Die Mitgliedstaaten sehen einen angemessenen Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen durch eine Person vor, der bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass sie dieses Ziel verfolgt.

 (2)      Die Mitgliedstaaten sehen einen angemessenen Rechtsschutz gegen die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, den Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und den Besitz zu kommerziellen Zwecken von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen vor,

a)      die Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder

b)      die, abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen, nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder

c)      die hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

 (3)      Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck ‚technische Maßnahmen‘ alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheberrechte oder der dem Urheberrecht verwandten gesetzlich geschützten Schutzrechte oder des in Kapitel III der Richtlinie 96/9/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20)] verankerten Sui-generis-Rechts ist. Technische Maßnahmen sind als ‚wirksam‘ anzusehen, soweit die Nutzung eines geschützten Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstands von den Rechtsinhabern durch eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.“

Richtlinie 2009/24 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 lautet:

 „Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff ,Computerprogrammʻ auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.“

Italienisches Recht

Art. 102quater der Legge n. 633 – Protezione del diritto dʼautore e di altri diritti connessi al suo esercizio (Gesetz Nr. 633 über den Schutz des Urheberrechts und mit dessen Ausübung verbundener weiterer Rechte) vom 22. April 1941 (GURI Nr. 166 vom 16. Juli 1941) in der Fassung des Decreto legislativo n. 68 – Attuazione della direttiva 2001/29/CE sullʼarmonizzazione di taluni aspetti del diritto dʼautore e dei diritti connessi nella società dellʼinformazione (Gesetzesdekret Nr. 68 zur Umsetzung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft) vom 9. April 2003 (GURI Nr. 87 vom 14. April 2003, Supplemento ordinario) bestimmt:

 „(1)      Die Inhaber von Urheberrechten und verwandten Rechten sowie des Rechts aus Art. 102bis Abs. 3 [über Datenbanken] können auf Werke oder Schutzgegenstände wirksame technische Schutzmaßnahmen anwenden, die alle Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile umfassen, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die von den Inhabern der Rechte nicht genehmigt worden sind.

 (2)      Technische Maßnahmen sind als wirksam anzusehen, soweit die Nutzung des Werks oder des Schutzgegenstands von den Rechtsinhabern durch eine Zugangsvorrichtung oder einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder Schutzgegenstands unter Kontrolle gehalten oder durch einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, der die Erreichung des Schutzziels sicherstellt, eingeschränkt wird.

 (3)      Die Anwendung der Bestimmungen über Computerprogramme nach Titel I Kapitel IV Abschnitt VI bleibt unberührt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Die Nintendo-Unternehmen, die zu einer Unternehmensgruppe gehören, die Videospiele entwickelt und produziert, vertreiben zwei Arten von Videospielprodukten, nämlich tragbare Spielsysteme, die „DS“‑Konsolen, und Spielsysteme mit stationären Konsolen, die „Wii“‑Konsolen.

Die Nintendo-Unternehmen haben technische Maßnahmen getroffen, und zwar in Form eines in den Konsolen eingebauten Erkennungssystems und eines verschlüsselten Codes für den physischen Träger, auf dem die urheberrechtlich geschützten Videospiele aufgezeichnet sind. Diese Maßnahmen verhindern die Benutzung illegaler Kopien von Videospielen. Die nicht mit einem Code versehenen Spiele können auf keinem der beiden von den Nintendo-Unternehmen vertriebenen Gerätetypen gestartet werden.

Aus der Vorlageentscheidung geht weiter hervor, dass durch diese technischen Maßnahmen die Verwendung von nicht von Nintendo stammenden Programmen, Spielen und generell Multimedia-Inhalten auf den genannten Konsolen verhindert wird.

Die Nintendo-Unternehmen erfuhren von der Existenz der Geräte von PC Box, die nach ihrer Installation auf der Konsole das auf der Hardware vorhandene Schutzsystem umgehen und die Verwendung nachgeahmter Videospiele ermöglichen.

Da die Nintendo-Unternehmen der Auffassung waren, dass der Hauptzweck der Geräte von PC Box darin bestehe, die technischen Schutzmaßnahmen der Nintendo-Spiele zu umgehen oder auszuschalten, verklagten sie PC Box und 9Net vor dem Tribunale di Milano.

PC Box vertreibt Original-Nintendo-Konsolen in Verbindung mit zusätzlicher Software, die aus bestimmten Anwendungen unabhängiger Hersteller – „homebrews“ – besteht, die speziell zur Verwendung auf diesen Konsolen entwickelt wurden und deren Verwendung die vorherige Installation der Geräte von PC Box erfordert, durch die die installierte Vorrichtung, welche die technische Schutzmaßnahme darstellt, deaktiviert wird.

Nach Ansicht von PC Box besteht das von den Nintendo-Unternehmen verfolgte Ziel in Wirklichkeit darin, die Verwendung unabhängiger Software zu verhindern, die keine illegale Kopie eines Videospiels sei, sondern es ermöglichen solle, MP3-Dateien, Filme und Videos auf den Konsolen abzuspielen, um diese in vollem Umfang nutzen zu können.

Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts kann der Schutz von Videospielen nicht auf den für Computerprogramme vorgesehenen Schutz beschränkt werden. Zwar bezögen Videospiele ihre Funktionsfähigkeit aus einem Computerprogramm, jedoch starteten und liefen sie nach Maßgabe einer von den Urhebern dieser Spiele vorherbestimmten Erzählstrecke, bei der eine Gesamtheit von Bildern und Klängen mit gewisser konzeptioneller Eigenständigkeit zutage trete.

Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob der Einsatz technischer Schutzmaßnahmen wie der im Ausgangsverfahren fraglichen durch Nintendo nicht über das hinausgehe, was Art. 6 der Richtlinie 2001/29, wie er im Licht des 48. Erwägungsgrundes dieser Richtlinie auszulegen sei, zu diesem Zweck vorsehe.

Unter diesen Umständen hat das Tribunale di Milano das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Ist Art. 6 der Richtlinie 2001/29, auch im Licht ihres 48. Erwägungsgrundes, dahin auszulegen, dass der Schutz der technischen Schutzmaßnahmen hinsichtlich vom Urheberrecht geschützter Werke oder Materialien sich auch auf ein von demselben Unternehmen hergestelltes und vertriebenes System erstrecken kann, bei dem in der Hardware eine Vorrichtung installiert ist, die fähig ist, auf einem separaten Träger, der das geschützte Werk enthält (von demselben Unternehmen und auch von Dritten, den Inhabern der geschützten Werke, hergestelltes Videospiel), einen Erkennungscode zu erkennen, ohne den das besagte Werk im Rahmen dieses Systems nicht sichtbar gemacht und benutzt werden kann, wodurch dieses Gerät mit einem System versehen ist, das die Interoperabilität mit Geräten und ergänzenden Produkten, die nicht von dem Unternehmen stammen, das dieses System hergestellt hat, ausschließt?

2.      Kann Art. 6 der Richtlinie 2001/29, auch im Licht ihres 48. Erwägungsgrundes, dahin ausgelegt werden, dass, wenn beurteilt werden muss, ob der Gebrauch eines Produkts oder einer Komponente mit dem Ziel der Umgehung einer technischen Schutzmaßnahme gegenüber einem anderen wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen überwiegt oder nicht, das nationale Gericht Bewertungskriterien anwenden muss, die die besondere Bestimmung hervorheben, die dem Produkt, in das der geschützte Inhalt eingeführt wird, vom Rechtsinhaber zugeschrieben wurde, oder, alternativ oder zusätzlich, quantitative Kriterien hinsichtlich des Umfangs der verglichenen Verwendungen oder qualitative Kriterien, d. h. hinsichtlich der Art und der Bedeutung der Verwendungen selbst?

Zu den Vorlagefragen

Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob erstens die Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die hauptsächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Videospiel, enthält, mit einer Erkennungsvorrichtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber eines Urheberrechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicherstellen sollen.

Zweitens fragt das vorlegende Gericht den Gerichtshof im Kern, nach welchen Kriterien der Umfang des rechtlichen Schutzes gegen eine Umgehung der wirksamen technischen Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/29 zu beurteilen ist. Insbesondere möchte es wissen, ob es insoweit zum einen auf den besonderen Verwendungszweck ankommt, der dem Erzeugnis mit dem geschützten Inhalt – wie den Nintendo-Konsolen – vom Rechtsinhaber zugeschrieben wurde, und zum anderen auf Umfang, Art und Bedeutung der Verwendungen der Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile, die zur Umgehung dieser wirksamen technischen Maßnahmen geeignet sind – wie der Geräte von PC Box.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass Gegenstand der Richtlinie 2001/29, wie insbesondere aus ihrem Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, der rechtliche Schutz des Urheberrechts und der verwandten Rechte ist, die die ausschließlichen Rechte der Urheber an ihren Werken umfassen. Werke wie Computerprogramme sind urheberrechtlich geschützt, sofern sie Originale sind, d. h. eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers darstellen (vgl. Urteil vom 16. Juli 2009, Infopaq International, C‑5/08, Slg. 2009, I‑6569, Rn. 35).

Nichts in der Richtlinie 2001/29 deutet darauf hin, dass die Teile eines Werks einer anderen Regelung unterliegen als das Gesamtwerk. Folglich sind sie urheberrechtlich geschützt, da sie als solche an der Originalität des Gesamtwerks teilhaben (vgl. Urteil Infopaq International, Rn. 38).

Dieser Feststellung steht nicht entgegen, dass die Richtlinie 2009/24 im Verhältnis zur Richtlinie 2001/29 lex specialis ist (vgl. Urteil vom 3. Juli 2012, UsedSoft, C‑128/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Rn. 56). Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24 beschränkt sich nämlich der durch sie gewährte Schutz auf Computerprogramme. Wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt, stellen jedoch Videospiele wie die im Ausgangsverfahren fraglichen komplexe Gegenstände dar, die nicht nur Computerprogramme, sondern auch grafische und klangliche Bestandteile umfassen, die, auch wenn sie in einer Computersprache kodiert sind, eigenen schöpferischen Wert besitzen, der nicht auf diese Kodierung beschränkt ist. Da die Teile eines Videospiels, im vorliegenden Fall die grafischen und klanglichen Bestandteile, an der Originalität des Werks teilhaben, sind sie zusammen mit dem Gesamtwerk durch das Urheberrecht im Rahmen der mit der Richtlinie 2001/29 eingeführten Regelung geschützt.

Nach Art. 6 der Richtlinie 2001/29 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen angemessenen Rechtsschutz gegen die Umgehung wirksamer „technischer Maßnahmen“ vorzusehen, die in Abs. 3 definiert werden als alle Technologien, Vorrichtungen oder Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, Werke oder sonstige Schutzgegenstände betreffende Handlungen zu verhindern oder einzuschränken, die nicht von der Person genehmigt worden sind, die Inhaber der Urheberrechte oder der dem Urheberrecht verwandten gesetzlich geschützten Schutzrechte oder des in Kapitel III der Richtlinie 96/9 verankerten Sui-generis-Rechts ist.

Solche Handlungen sind, wie sich aus den Art. 2 bis 4 der Richtlinie 2001/29 ergibt, die Vervielfältigungen, die öffentliche Wiedergabe und die öffentliche Zugänglichmachung von Werken sowie die Verbreitung des Originals eines Werks und seiner Vervielfältigungsstücke. Der in Art. 6 genannte Rechtsschutz wird nur gewährt, um den Rechtsinhaber vor Handlungen zu schützen, für die seine Genehmigung erforderlich ist.

Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass diese Richtlinie keinen Anhaltspunkt für die Annahme enthält, dass sich ihr Art. 6 Abs. 3 nicht auf technische Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen beziehe, die zum Teil in die physischen Träger der Spiele und zum Teil in die Konsolen integriert sind und eine Interaktion zwischen beiden Teilen erfordern.

Wie die Generalanwältin in Nr. 43 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, ist dieser Bestimmung nämlich zu entnehmen, dass die Definition des Begriffs „wirksame technische Maßnahmen“ weit ist und eine Zugangskontrolle oder einen Schutzmechanismus wie eine Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung des Werks oder sonstigen Schutzgegenstands oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung einschließt. Diese Definition steht auch mit dem Hauptzweck der Richtlinie 2001/29 in Einklang, der, wie aus deren neuntem Erwägungsgrund folgt, darin besteht, zugunsten namentlich der Urheber ein hohes Schutzniveau einzuführen, das für das geistige Schaffen wesentlich ist.

Somit fallen die technischen Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen, die zum Teil in die physischen Träger der Videospiele und zum Teil in die Konsolen integriert sind und eine Interaktion zwischen beiden Teilen erfordern, unter den Begriff der „wirksamen technischen Maßnahmen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29, wenn sie bezwecken, Handlungen zu verhindern oder zu beschränken, die die durch die Richtlinie geschützten Rechte des Betroffenen verletzen.

Als Zweites ist zu prüfen, nach welchen Kriterien der Umfang des Rechtsschutzes gegen die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen im Sinne von Art. 6 der Richtlinie 2001/29 zu beurteilen ist.

Wie die Generalanwältin in den Nrn. 53 bis 63 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, ist bei der Prüfung dieser Frage zu berücksichtigen, dass der Rechtsschutz gegen vom Inhaber der Urheberrechte nicht genehmigte Handlungen gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 in dessen Auslegung im Licht des 48. Erwägungsgrundes der Richtlinie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahren muss und keine Vorrichtungen oder Handlungen untersagen darf, die einen anderen wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben als die Erleichterung dieser Handlungen durch Umgehung der technischen Schutzvorkehrungen.

Demnach wird dieser Rechtsschutz nur für technische Maßnahmen gewährt, die das Ziel verfolgen, die in Rn. 25 des vorliegenden Urteils genannten, vom Inhaber eines Urheberrechts nicht genehmigten Handlungen in Bezug auf Werke zu verhindern oder zu unterbinden. Die Maßnahmen müssen zur Verwirklichung dieses Ziels geeignet sein und dürfen nicht über das hierzu Erforderliche hinausgehen.

In diesem Zusammenhang muss geprüft werden, ob andere Vorkehrungen oder nicht in die Konsolen eingebaute Vorkehrungen zu geringeren Beeinträchtigungen oder Beschränkungen der Handlungen Dritter, für die es keiner Genehmigung des Inhabers der Urheberrechte bedarf, hätten führen können, dabei aber einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen geboten hätten.

Hierbei sollten insbesondere die Kosten für die verschiedenen Arten technischer Maßnahmen, die technischen und praktischen Aspekte ihrer Durchführung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschiedenen Arten technischer Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betroffenen berücksichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss.

Bei der Beurteilung des Umfangs des fraglichen Rechtsschutzes sollte, wie die Generalanwältin in Nr. 67 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, nicht auf den speziellen Verwendungszweck der Konsolen, wie er diesen vom Inhaber der Urheberrechte zugeschrieben worden ist, abgestellt werden. Vielmehr sind bei dieser Beurteilung die Kriterien heranzuziehen, die in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29 hinsichtlich derjenigen Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile vorgesehen sind, die zur Umgehung des Schutzes der wirksamen technischen Maßnahmen geeignet sind.

Nach dieser Bestimmung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen angemessenen Rechtsschutz gegen diese Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile vorzusehen, die auf die Umgehung des Schutzes der wirksamen technischen Maßnahmen abzielen oder die, abgesehen von der Umgehung dieses Schutzes, nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder die hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um diese Umgehung zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Insoweit wird es bei der Prüfung des Zwecks dieser Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise diese von Dritten tatsächlich verwendet werden. Das vorlegende Gericht kann u. a prüfen, wie oft die Geräte von PC Box tatsächlich verwendet werden, um nicht genehmigte Kopien von Nintendo-Spielen und von durch Nintendo lizenzierten Spielen auf Nintendo-Konsolen benutzen zu können, und wie oft diese Geräte zu Zwecken verwendet werden, die das Urheberrecht an Nintendo-Spielen und an von Nintendo lizenzierten Spielen nicht verletzen.

 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die hauptsächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Videospiel, enthält, mit einer Erkennungsvorrichtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber eines Urheberrechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicherstellen sollen.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob andere Vorkehrungen oder nicht in die Konsolen eingebaute Vorkehrungen zu geringeren Beeinträchtigungen oder Beschränkungen der Handlungen Dritter führen könnten, dabei aber einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen bieten könnten. Dazu sollten insbesondere die Kosten für die verschiedenen Arten technischer Maßnahmen, die technischen und praktischen Aspekte ihrer Durchführung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschiedenen Arten technischer Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betroffenen berücksichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss. Außerdem wird das nationale Gericht den Zweck der Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile, die zur Umgehung der genannten technischen Maßnahmen geeignet sind, zu prüfen haben. Dabei wird es je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise Dritte diese Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile tatsächlich verwenden. Das nationale Gericht kann u. a prüfen, wie oft diese Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile unter Verletzung des Urheberrechts tatsächlich verwendet werden und wie oft sie zu Zwecken verwendet werden, die dieses Recht nicht verletzen.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass der Begriff „wirksame technische Maßnahme“ im Sinne des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie auch technische Maßnahmen umfassen kann, die hauptsächlich darin bestehen, nicht nur den Träger, der das geschützte Werk, wie das Videospiel, enthält, mit einer Erkennungsvorrichtung zu versehen, um das Werk gegen Handlungen zu schützen, die vom Inhaber des Urheberrechts nicht genehmigt worden sind, sondern auch die tragbaren Geräte oder die Konsolen, die den Zugang zu diesen Spielen und deren Benutzung sicherstellen sollen.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob andere Vorkehrungen oder nicht in die Konsolen eingebaute Vorkehrungen zu geringeren Beeinträchtigungen oder Beschränkungen der Handlungen Dritter führen könnten, dabei aber einen vergleichbaren Schutz für die Rechte des Betroffenen bieten könnten. Dazu sollten insbesondere die Kosten für die verschiedenen Arten technischer Maßnahmen, die technischen und praktischen Aspekte ihrer Durchführung und ein Vergleich der Wirksamkeit dieser verschiedenen Arten technischer Maßnahmen in Bezug auf den Schutz der Rechte des Betroffenen berücksichtigt werden, wobei diese Wirksamkeit jedoch nicht absolut sein muss. Außerdem wird das nationale Gericht den Zweck der Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile, die zur Umgehung der genannten technischen Maßnahmen geeignet sind, zu prüfen haben. Dabei wird es je nach den gegebenen Umständen besonders auf den Nachweis ankommen, in welcher Weise Dritte diese Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile tatsächlich verwenden. Das nationale Gericht kann u. a prüfen, wie oft diese Vorrichtungen, Erzeugnisse oder Bestandteile unter Verletzung des Urheberrechts tatsächlich verwendet werden und wie oft sie zu Zwecken verwendet werden, die dieses Recht nicht verletzen.

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