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Unrechtmäßiges Einkürzen von Bäumen auf Nachbargrundstück – Berechnung Schadenersatz

Baumschnitt auf Nachbargrundstück: OLG Frankfurt ordnet erneute Prüfung an

Bei der unrechtmäßigen Einkürzung von Bäumen auf einem Nachbargrundstück entschied das OLG Frankfurt, dass der Geschädigte Anspruch auf Anpflanzung eines jungen Baumes und einen Ausgleich für die Wertminderung des Grundstücks hat, wobei die Berechnung nach der Methode von Koch erfolgt und das Landgericht Frankfurt zur erneuten Entscheidung angewiesen wurde. Der Fall betrifft einen langwierigen Rechtsstreit um erhebliche Schäden durch den Radikalschnitt von Bäumen, bei dem neben den Pflanzkosten auch die langfristige Wertminderung und die angemessene Wiederherstellung des Zustands vor der Schädigung berücksichtigt werden müssen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 9 U 35/23 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der unrechtmäßigen Beschädigung von Bäumen ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten; stattdessen besteht Anspruch auf Anpflanzung eines jungen Baumes sowie einen Ausgleich für die Wertminderung des Grundstücks.
  • Die Höhe des Schadensersatzes wird nach der Methode von Koch geschätzt, welche Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berücksichtigt und für die Berechnung der Wertminderung herangezogen wird.
  • Das Landgericht Frankfurt muss den Fall erneut verhandeln, um über die Höhe des Schadensersatzes zu entscheiden, wobei die früheren Bemühungen des Beklagten, größere Rückschnitte zu erreichen, und die Absichten hinter dem Radikalschnitt zu berücksichtigen sind.
  • Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde auf 30.675,85 € festgesetzt; die Revision wurde nicht zugelassen.
  • Die Entscheidung hebt die Bedeutung der sachgerechten Bewertung von Baumverlusten und die Notwendigkeit einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls hervor.

Streitigkeiten um Baumschäden

Bäume sind nicht nur eine Zierde für Gärten und Grundstücke, sondern erfüllen wichtige ökologische Funktionen. Wenn Nachbarn unrechtmäßig in den Baumbestand eingreifen, kann dies zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen. Häufig geht es dabei um die Frage des angemessenen Schadensersatzes für den Wertverlust und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.

Derartige Fälle sind komplex, da neben den reinen Anschaffungskosten für Jungpflanzen auch andere Faktoren wie Anwachsrisiken, Wertverlust des Grundstücks und der ideelle Wert der Bäume eine Rolle spielen. Für die Schadensberechnung gibt es anerkannte Methoden, die jedoch eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung erfordern.

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➜ Der Fall im Detail


Der Streit um die Bäume und das Recht auf Licht

In einem bemerkenswerten Fall, der vor dem OLG Frankfurt verhandelt wurde, ging es um die Frage, inwieweit das Zurückschneiden von Bäumen auf einem Nachbargrundstück gerechtfertigt ist und wie der entstandene Schaden zu bewerten und zu kompensieren ist.

Baum beschneiden
Zurückgeschnittene Bäume: Gericht verhandelt über Schadenersatz (Symbolfoto: ungvar /Shutterstock.com)

Die Klägerin, Besitzerin eines mit altem Baumbestand versehenen Grundstücks, sah sich durch das eigenmächtige Handeln ihres Nachbarn, des Beklagten, geschädigt. Dieser hatte mehrere Bäume auf ihrem Grundstück erheblich zurückgeschnitten. Besonders betroffen waren eine Birke und ein Kirschbaum, die nahezu vollständig ihrer Äste beraubt wurden. Der Vorfall führte zu einer rechtlichen Auseinandersetzung um die angemessene Höhe des Schadenersatzes.

Die gerichtliche Bewertung des Sachverhalts

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte in erster Instanz entschieden und der Klägerin lediglich einen Teil des geforderten Schadenersatzes zugesprochen. Dabei stützte sich das Gericht auf die sogenannte Methode von Koch zur Berechnung der Wertminderung, die durch den Verlust der Bäume entstanden war. Diese Methode berücksichtigt Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Risiko des Nichtanwachsens neuer Bäume. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein, da sie mit der Höhe des zugesprochenen Schadenersatzes nicht einverstanden war und Fehler im gerichtlichen Verfahren sowie in der sachverständigen Bewertung sah.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt

Das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Klägerin in wesentlichen Punkten Recht. Die Berufung führte dazu, dass das Urteil des Landgerichts aufgehoben und der Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wurde. Das OLG betonte, dass die Klägerin grundsätzlich Anspruch auf einen Ausgleich für die Wertminderung ihres Grundstücks habe, der durch die Anpflanzung eines jungen Baumes und einen zusätzlichen Ausgleich für die verbleibende Werteinbuße zu leisten sei. Zudem hob das Gericht hervor, dass die Bewertungsmethode von Koch in der Regel zur Anwendung komme, jedoch das Landgericht wesentliche Verfahrensfehler begangen habe. Insbesondere wurde das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt, da ihre Einwände und Beweisanträge nicht hinreichend berücksichtigt wurden.

Rückverweisung und offene Fragen

Die Entscheidung des OLG Frankfurt eröffnete die Möglichkeit, die strittigen Punkte erneut zu verhandeln. Das Landgericht muss nun insbesondere die vom Sachverständigen vorgenommene Bewertung kritisch überprüfen und dabei die Einwände der Klägerin berücksichtigen. Es gilt, die Funktion der beschädigten Bäume für das Grundstück und die angemessene Größe der Neupflanzungen zu bewerten sowie die Methode von Koch und deren Anwendung auf den konkreten Fall neu zu beleuchten.

Juristische und gesellschaftliche Relevanz

Der Fall verdeutlicht die Komplexität rechtlicher Auseinandersetzungen, die sich aus dem Zusammenleben in einer Gemeinschaft ergeben. Er zeigt auf, wie wichtig eine präzise juristische Bewertung und die Wahrung des rechtlichen Gehörs im Prozess sind. Darüber hinaus wirft der Fall Fragen nach dem richtigen Umgang mit Natur und Umwelt im urbanen Raum auf und unterstreicht die Bedeutung des Baumbestands für die Lebensqualität und das ökologische Gleichgewicht in Wohngebieten.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Was sind die rechtlichen Grundlagen für das Zurückschneiden von Bäumen auf dem Nachbargrundstück?

Die rechtlichen Grundlagen für das Zurückschneiden von Bäumen auf dem Nachbargrundstück sind im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert, insbesondere in den §§ 910 und 1004 BGB. Diese Regelungen sind Teil des Nachbarrechts, das die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Grundstücksnachbarn festlegt.

Nach § 910 Abs. 1 BGB hat der Eigentümer eines Grundstücks das Recht, herüberragende Zweige eines Baumes, die von einem Nachbargrundstück auf sein Grundstück hinüberwachsen, abzuschneiden und zu behalten, wenn der Nachbar nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist die Zweige selbst beseitigt. Dieses Recht besteht jedoch nicht, wenn die herüberragenden Zweige die Benutzung des Grundstücks nicht beeinträchtigen (§ 910 Abs. 2 BGB).

§ 1004 BGB gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, wenn sein Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Dies bedeutet, dass der Eigentümer eines Grundstücks verlangen kann, dass der Nachbar die über die Grenze wachsenden Äste beschneidet, wenn diese eine Beeinträchtigung darstellen.

Es ist jedoch zu beachten, dass Ansprüche aus § 1004 BGB verjähren können. Wurde zu lange mit einer Aufforderung an den Nachbarn gewartet, kann es sein, dass die Ansprüche wegen Verjährung nicht mehr durchsetzbar sind. In einem solchen Fall bleibt dem Eigentümer nur noch das Selbsthilferecht nach § 910 BGB, das er auf eigene Kosten ausüben kann.

Zudem müssen bei einem Rückschnitt naturschutzrechtliche Beschränkungen berücksichtigt werden, wie beispielsweise Baumschutzsatzungen oder die jährliche Schonzeit vom 1. März bis 30. September. Auch die Verkehrssicherungspflicht des Baumeigentümers spielt eine Rolle, da dieser dafür verantwortlich ist, dass von seinem Baum keine Gefahr ausgeht.

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In einigen Fällen kann es auch zu einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch kommen, wenn beispielsweise Äste auf das Nachbargrundstück fallen und dort Schäden verursachen. Hier haftet der Baumeigentümer verschuldensunabhängig.

Die konkreten Abstände, die beim Pflanzen von Bäumen zum Nachbargrundstück einzuhalten sind, werden in den Nachbarrechtsgesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt. Diese Abstandsregelungen dienen dem nachbarlichen Interessenausgleich und sollen Beeinträchtigungen durch Verschattung oder Überwachsen von Pflanzen verhindern.

Zusammenfassend bilden die §§ 910 und 1004 BGB sowie die landesspezifischen Nachbarrechtsgesetze die rechtliche Grundlage für das Zurückschneiden von Bäumen auf dem Nachbargrundstück. Sie definieren die Bedingungen, unter denen das Zurückschneiden erlaubt ist, und schützen die Rechte der Grundstückseigentümer vor unzulässigen Beeinträchtigungen durch Nachbarpflanzen.

Wie wird der Schadenersatz bei unrechtmäßigem Einkürzen von Bäumen berechnet?

Der Schadenersatz bei unrechtmäßigem Einkürzen oder Fällen von Bäumen wird häufig nach der sogenannten „Methode Koch“ berechnet. Diese Methode ist nach Werner Koch, einem Sachverständigen für die Bewertung von Bäumen, benannt und hat sich in der Rechtsprechung als Standardverfahren zur Ermittlung des Schadenswertes bei der Beschädigung oder Zerstörung von Bäumen etabliert.

Die Methode Koch basiert auf dem Sachwertverfahren und berücksichtigt verschiedene Faktoren, um den Wert eines Baumes und damit den Schadenersatz zu bestimmen. Zu diesen Faktoren gehören unter anderem die Anschaffungs- und Pflanzungskosten des Baumes, die Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko. Der Wertverlust eines Baumes wird dabei durch die Berechnung der erforderlichen Kosten für Anschaffung, Pflanzung und Pflege sowie durch die Kapitalisierung des Anwachsrisikos ermittelt.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat die Anwendung der Methode Koch zur Ermittlung und Bemessung des Schadens bei der Zerstörung oder Beschädigung eines Baumes bestätigt. In einem konkreten Fall wurde ein Grundstückseigentümer zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt, weil er eine auf dem Nachbargrundstück stehende Birke gefällt hatte. Die Höhe des Schadenersatzes wurde nach der Methode Koch berechnet, wobei die Klägerin in diesem Fall allerdings keinen Schadenersatz erhielt, da sie ihren Anspruch nicht schlüssig darlegen konnte.

Die Methode Koch wird nicht nur bei der vollständigen Zerstörung eines Baumes angewendet, sondern kann auch in Fällen der Teilschädigung von Gehölzen oder Bäumen herangezogen werden, um den jeweiligen Minderwert des Grundstücks bzw. des Baumes zu ermitteln. Der Bundesgerichtshof hat die Methode Koch in mehreren Entscheidungen anerkannt und bestätigt, dass sie ein geeignetes Verfahren zur Schadensersatzberechnung bei der Beschädigung von Bäumen darstellt.

Zusammenfassend ist die Methode Koch ein etabliertes Verfahren zur Berechnung des Schadenersatzes bei unrechtmäßigem Einkürzen oder Fällen von Bäumen. Sie berücksichtigt verschiedene Kostenfaktoren und das Anwachsrisiko, um den Wertverlust eines Baumes zu bestimmen und den Schadenersatzanspruch des Geschädigten zu quantifizieren.

Welche Rolle spielt das Anwachsrisiko bei der Berechnung des Schadenersatzes?

Das Anwachsrisiko spielt eine zentrale Rolle bei der Berechnung des Schadenersatzes für beschädigte oder unrechtmäßig gefällte Bäume, da es die Unsicherheit berücksichtigt, ob ein neu gepflanzter Baum erfolgreich anwächst und gedeiht. Bei der Wertermittlung von Bäumen nach der Methode Koch, die in der Rechtsprechung für die Berechnung von Schadenersatzansprüchen bei Baumbeschädigungen anerkannt ist, werden die Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert.

Das Anwachsrisiko reflektiert die Wahrscheinlichkeit, dass ein Baum nach der Pflanzung nicht anwächst, was zu zusätzlichen Kosten für Ersatzpflanzungen oder weitere Pflegemaßnahmen führen kann. Dieses Risiko wird in der Schadensberechnung als ein Prozentsatz der Gesamtkosten angesetzt und spiegelt die Unsicherheit der erfolgreichen Etablierung des Baumes am Standort wider.

Die Berücksichtigung des Anwachsrisikos in der Schadensberechnung ist wichtig, da sie die tatsächlichen wirtschaftlichen Verluste abbildet, die durch das Eingehen eines Baumes entstehen können. Es trägt dazu bei, einen realistischen Wert des Baumes zu ermitteln, der im Falle einer unrechtmäßigen Beschädigung oder Fällung als Grundlage für den Schadenersatz dient. Dadurch wird sichergestellt, dass der Geschädigte für die Kosten und das Risiko einer Ersatzpflanzung angemessen entschädigt wird.

Zusammenfassend ist das Anwachsrisiko ein entscheidender Faktor bei der Berechnung des Schadenersatzes für beschädigte oder unrechtmäßig gefällte Bäume, da es die Unsicherheiten und potenziellen zusätzlichen Kosten berücksichtigt, die mit der Anpflanzung neuer Bäume verbunden sind.

Was versteht man unter dem Begriff der Naturalrestitution im Kontext der Schadensregulierung?

Unter dem Begriff der Naturalrestitution versteht man im Kontext der Schadensregulierung die Wiederherstellung des Zustands, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dies ist in § 249 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verankert und stellt den Grundsatz der Schadensersatzpflicht dar.

Die Naturalrestitution zielt darauf ab, den geschädigten Zustand so weit wie möglich wiederherzustellen. Dies kann durch Reparatur, Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung erfolgen. Im Falle von beschädigten oder zerstörten Bäumen würde dies beispielsweise bedeuten, dass der Schädiger verpflichtet ist, für die Pflanzung eines neuen Baumes zu sorgen, der dem Wert und der Funktion des beschädigten Baumes entspricht.

Wenn eine Wiederherstellung in Natur nicht möglich oder unverhältnismäßig ist, kann der Schädiger gemäß § 251 Abs. 1 BGB verpflichtet werden, den Schaden in Geld zu ersetzen. Dies bedeutet, dass der Geschädigte einen Geldbetrag erhält, der es ihm ermöglicht, den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

Die Naturalrestitution ist somit ein zentraler Aspekt der Schadensregulierung, der darauf abzielt, den geschädigten Zustand so weit wie möglich wiederherzustellen und dem Geschädigten zu ermöglichen, den Zustand zu erreichen, der ohne das schädigende Ereignis bestehen würde.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 823 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Schadensersatzpflicht bei der Verletzung eines Rechtsguts einer Person, wie beispielsweise Eigentum. Im Kontext des vorgegebenen Themas ist dieser Paragraph relevant, weil das unrechtmäßige Einkürzen von Bäumen auf dem Nachbargrundstück eine Verletzung des Eigentums darstellt.
  • § 249 BGB: Dieser Paragraph behandelt die Art und Weise der Schadenswiedergutmachung, insbesondere die Naturalrestitution, also die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob und wie die Beschädigung von Bäumen auf einem Grundstück ausgeglichen werden kann.
  • § 251 BGB: Dieser Paragraph kommt zur Anwendung, wenn eine Naturalrestitution nicht möglich oder unverhältnismäßig ist. Stattdessen kann ein finanzieller Ausgleich für den entstandenen Schaden gefordert werden. Die Berechnung des Schadensersatzes bei der Beschädigung von Bäumen fällt häufig in diesen Bereich, besonders wenn eine Wiederherstellung im ursprünglichen Umfang nicht möglich ist.
  • § 287 ZPO (Zivilprozessordnung): Dieser Paragraph erlaubt dem Gericht, Schadenshöhe und Entschädigung unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu schätzen. Bei der Ermittlung des Schadensersatzes für das Einkürzen von Bäumen ist eine solche Schätzung oft erforderlich, da der genaue Schaden nicht immer exakt bestimmt werden kann.
  • Methode von Koch zur Bewertung von Bäumen: Obwohl dies keine Rechtsnorm ist, stellt die Methode von Koch ein anerkanntes Verfahren zur Bewertung von Bäumen und zur Berechnung von Schadensersatzansprüchen in Fällen ihrer Beschädigung oder Zerstörung dar. Sie berücksichtigt verschiedene Faktoren wie Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko.
  • Nachbarrecht: Das Nachbarrecht regelt die Beziehungen zwischen Grundstücksnachbarn und umfasst Regelungen zu Grenzabständen, Überhang und Überwuchs. Im vorliegenden Fall spielt das Nachbarrecht eine Rolle, da es um Eingriffe in das Eigentum durch das Einkürzen von Bäumen auf dem Nachbargrundstück geht.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 9 U 35/23 – Urteil vom 06.02.2024

Leitsatz

1. Bei der Zerstörung eines Baumes ist in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten, vielmehr ist der Anspruch des Geschädigten auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines jungen Baumes und darüber hinaus ein Ausgleich für eine etwa verbleibende Werteinbuße des Grundstücks zu leisten.

2. Die Werteinbuße ist nach § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sog. Bewertungsmethode von Koch zurückzugreifen ist. Hiernach wird der Wertverlust bestimmt, indem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden. Der danach errechnete Wert wird mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 23.5.2023 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Landgericht vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.675,85 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen des unberechtigten Rückschnitts von Gehölzen auf ihrem Grundstück.

Die Parteien sind Nachbarn. Die Klägerin ist Eigentümerin eines großen, aus mehreren Parzellen bestehendes Hausgrundstücks, auf dem sich ein im Jahr 1956 gepflanzter alter Baumbestand befindet. Die Gartenanlage ist aufwendig gestaltet und gepflegt; es wird auf das Lichtbild auf S. 3 der Klageschrift, Bl. 5 der Akte, Bezug genommen. Bei der Gestaltung des in der Kreisstadt1 gelegenen Gartens kommt es der Klägerin (auch) darauf an, im Stadtgebiet einen Lebensraum für Fische, Frösche, Vögel und sonstige Kleintiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlendioxid in Sauerstoff zu leisten. Die Klägerin lässt den Baum- und Strauchbestand mehrfach jährlich durch ein Fachunternehmen schneiden. An einer Längsseite ihres Grundstückes grenzen mehrere, deutlich kleinere enger bebaute Grundstücke an, darunter auch das Grundstück des Beklagten, welches sich aus der Perspektive des klägerischen Grundstücks in nordwestlicher Richtung im hinteren Gartenbereich befindet und durch einen Zaun und eine Hecke vom klägerischen Grundstück abgegrenzt wird. Es wird auf die Skizze in dem Sachverständigengutachten vom 1.11.2021 sowie die Lichtbilder in der Klageschrift, Bl. 9 und 10 der Akte, Bezug genommen.

Auf dem Grundstück der Klägerin befinden sich unter anderem eine Birke, die zum Grundstück des Beklagten einen Abstand von 1,6 Metern aufweist, sowie ein Kirschbaum, der zum Grundstück des Beklagten einen Abstand von 3,35 Metern aufweist. Der Beklagte erwarb sein Grundstück unstreitig zu einem Zeitpunkt, in dem der Baum- und Strauchbestand auf dem klägerischen Grundstück längst vorhanden war. Er verfügt über keine spezifischen Kenntnisse auf dem Gebiet der Baumpflege.

Am 24.5.2020 kontaktierte der Beklagte die Klägerin telefonisch. In diesem Telefonat erklärte sich die Klägerin jedenfalls damit einverstanden, dass der Beklagte die auf sein Grundstück herüberragenden Äste der Gehölze zurückschneidet; der weitergehende Inhalt des Telefonats ist streitig.

Am 25.5.2020 – in der Schonzeit für Vögel, in der an sich keine Schnittarbeiten durchgeführt werden dürfen -, betrat der Beklagte das Grundstück der Klägerin und führte in ihrer Abwesenheit gravierende Schneidearbeiten an einer Birke, einem Kirschbaum und einem Holunderstrauch durch. An der Birke verblieb im Anschluss kein einziges Blatt. Auch der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum sowie ein Holunder wurden nahezu vollständig eingekürzt. Wegen des Erscheinungsbildes der Bäume wird auf die in dem Gutachten des Sachverständigen A vom 21.1.2021 enthaltenen Lichtbilder Bezug genommen (Sonderband Gutachten, dort S. 9 ff.). Die Birke wies im Zeitpunkt ihres Rückschnitts einen Stammumfang von 1,5 Metern auf (gemessen in 1 Meter Höhe). Der Stammumfang der Kirsche betrug 1,35 Meter (gemessen in 1 Meter Höhe), vgl. Sachverständigengutachten vom 1.11.2021, S. 14.

Das Schnittgut ließ der Beklagte auf dem Grundstück der Klägerin liegen. Für dessen Entsorgung zahlte die Klägerin 418,17 €. Infolge des drastischen Rückschnitts entstand – jedenfalls vorübergehend – eine Lichtschneise in Richtung des Grundstücks des Beklagten. Zwischenzeitlich haben die Gehölze wieder ausgetrieben, wobei streitig ist, ob diese sich (dauerhaft) wieder erholt haben oder es sich nur um sogenannte Nottriebe handelt, die an dem Absterben der Gehölze nichts ändern.

Die Klägerin hat behauptet, die Gehölze sowie der Froschteich der Klägerin seien in der Vergangenheit bereits mehrfach Gegenstand von erheblichen Streitigkeiten zwischen den Parteien gewesen; der Beklagte habe ihren Gärtner immer wieder darauf angesprochen, dass er den Bewuchs stärker beschneide, damit mehr Licht auf sein Grundstück falle (Beweisantritt: Baumpfleger Zeuge B, Bl. 84). Den Rückschnitt habe er vorsätzlich und allein zu seinem eigenen Vorteil vorgenommen (Bl. 83), um die Belichtung seines Grundstücks zu verbessern. Er habe hierzu den Zaun zum klägerischen Grundstück überklettert. Sie habe ihm im Telefonat am Vortag lediglich erlaubt, von seinem Grundstück aus den Überwuchs zu entfernen. Als ein Zeuge ihn während der Schnittarbeiten persönlich angesprochen und hierbei auch die eine Woche später anstehende Kirschernte sowie die Brutzeit der Vögel thematisiert habe, habe der Beklagte wahrheitswidrig vorgespiegelt, die Klägerin sei mit dem Radikalschnitt einverstanden gewesen (schriftsätzlich in Bezug genommene Anlagen K2 und K3 zur Klageschrift; Beweisangebot Zeugen C und D, Bl. 7 d.A.). Die Wiederherstellungskosten für die Bäume beliefen sich auf 19.992 € für die Birke und 14.696,50 € für den Kirschbaum. Die Gehölze seien durch den Kahlschnitt so erheblich geschädigt, dass sie sich nicht wieder erholen würden.

Der Beklagte hat behauptet, die Klägerin habe in einem Telefonat geäußert, er solle abschneiden, was ihn störe. Sie habe gestattet, dass er das Grundstück betrete, weil er seine Hecke auch von der Rückseite her habe schneiden wollen. Er sei ihm als Laien nicht klar gewesen, dass er die Bäume dauerhaft habe schädigen können. Er habe nicht mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Zum Beweis hat der Beklagte sich auf Parteivernehmung, hilfsweise informatorische Anhörung, gestützt und die Beiziehung der staatsanwaltlichen Ermittlungsakte beantragt (Bl. 70 d.A.). Ein dauerhafter Schaden sei auch nicht eingetreten, nachdem die Bäume – was unstreitig ist – wieder ausgetrieben hätten.

Das Landgericht hat gemäß Beweisbeschluss vom 22.12.2020 (Bl. 108 f.d.A.) über die behaupteten Schäden und die Entsorgungskosten für das Schnittgut durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie mehrerer Ergänzungsgutachten des Sachverständigen A Beweis erhoben, auf die wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen wird (Sonderband Gutachten, Bl. 334 ff. d.A., Bl. 301 ff. der Akte). Die von der Klägerin behaupteten Konflikte in der Vergangenheit hat das Landgericht nicht aufgeklärt; auch zu dem genauen Hergang des Schnittvorgangs, zu dem die Klägerin Augenzeugen benannt (Bl. 7 d.A.: Zeugen C und D; vgl. Anlagen zur Klageschrift, Bl. 20 ff.d.A.) und der Beklagte seine eigene Anhörung und Beiziehung der Ermittlungsakte beantragt hat (Bl. 70 d.A.), ist keine Beweisaufnahme erfolgt.

Das Landgericht hat sodann der zuletzt auf Zahlung in Höhe von 34.688,50 € nebst Zinsen und Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klage nur teilweise – i.H.v. 4.012,65 € nebst Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten – stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei nur aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Insoweit stehe der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249, § 251 BGB zu. Der Beklagte sei verpflichtet, der Klägerin den durch den nicht fachgerechten Rückschnitt entstandenen Schaden zu ersetzen. Es handele sich hierbei um einen Anspruch auf Geldersatz gemäß § 251 BGB in Bezug auf die Wertminderung hinsichtlich Kirsche und Birke sowie § 249 Abs. 2 S. 1 BGB in Bezug auf die Kosten für den Umgang mit dem Schnittgut. Den Vermögensschaden habe der Sachverständige in seinem Gutachten vom 1.11.2021 ausgehend von der Methode Koch mit 3.543,33 € beziffert. Der Sachverständige habe auch die geltend gemachten Kosten für die Entsorgung des Schnittgutes i.H.v. 418,17 € für angemessen erachtet. Wegen der Beschädigung des Holunders sei kein Anspruch gegeben, da dieser unstreitig wieder vollständig neu ausgetrieben und sich von dem Rückschnitt erholt habe. Insgesamt bestehe damit ein Anspruch i.H.v. 3.911,50 € zuzüglich der Kosten für die private Begutachtung i.H.v. 101,15 €.

Die geschädigten Bäume seien wesentliche Bestandteile des klägerischen Grundstücks. Der Schadensersatzanspruch bemesse sich deshalb an der Wertminderung des Grundstücks. Grundsätzlich sei bei einer Sachbeschädigung Schadensersatz durch Wiederherstellung oder durch Ersatz des hierzu erforderlichen Geldbetrages zu leisten. Wenn die Kosten der Ersatzbeschaffung aber unverhältnismäßig seien, könne sich der Ersatzpflichtige darauf beschränken, dem Gläubiger lediglich die Werteinbuße zu entschädigen. Diese könne von einem Sachverständigen nach der Berechnungsmethode, die auf Koch zurückgehe, eruiert werden. So liege der Fall hier.

Der Sachverständige habe in seinem Ergänzungsgutachten ausgeführt, welche Kosten durch eine Naturalrestitution entstehen würden. Selbst wenn man den niedrigsten dieser Werte insoweit zu Gunsten der Klägerin für die Bewertung nach § 251 Abs. 2 S. 1 zugrunde legen würde, bestehe eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne dieser Vorschrift. Die Wiederherstellungskosten beliefen sich auf mehr als 700 % des nach der Methode Koch ermittelten Wertes. Üblicherweise reiche eine Überschreitung der 130%-Schwelle um von einer Unverhältnismäßigkeit auszugehen. Die vollen Wiederbeschaffungskosten seien nur dann gerechtfertigt, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum nahelegen würden. Hierfür gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Berechnungen des Sachverständigen A nach der Methode Koch seien uneingeschränkt nachvollziehbar. Gegen die konkrete Berechnung seien keine Einwände vorgebracht worden. Die Klägerseite wende zwar ein, dass eine fehlerhafte Baumgröße zugrunde liege, da die Ausgangsgröße der Berechnung nicht der Größe bei der Schädigung entspreche. Insoweit verkenne die Klägerin, dass es bei der Methode Koch gerade nicht darum gehe, dass ein vergleichbarer Baum gepflanzt werden solle, sondern vielmehr berücksichtigt werde, wie lange der Baum brauche, um auf die Größe des zerstörten Baumes heranzuwachsen. Vor diesem Hintergrund sei die Auswahl des Sachverständigen für die konkreten Bäume und die anzulegenden Kosten ohne weiteres nachvollziehbar. Der Sachverständige sei auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Bäume nicht mehr erholen würden und deshalb zu roden seien.

Ein über den vom Sachverständigen berechneten Betrag hinausgehender Schadensersatzanspruch stehe der Klägerin nicht zu. Der Sachverständige habe sich mit den Einwänden der Parteien ordnungsgemäß auseinandergesetzt; er habe hierbei auch darauf hingewiesen, dass die in den Ergänzungsgutachten vorgenommenen Beispielrechnungen gerade nicht der Schadensermittlung bei der Anwendung der Methode Koch entsprechen würden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung vom 23.5.2023 Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlich gestellten Anträge in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Klägerin macht geltend, es bestünden Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachenfeststellungen. Das erstinstanzliche Gericht orientiere sich allein an dem ersten Sachverständigengutachten vom 1.11.2021, obgleich es zwei Ergänzungsgutachten gebe, die zu anderen Ergebnissen gelangt sein. Das erste Sachverständigengutachten sei rechtsfehlerhaft zustande gekommen und werde der zugrundeliegenden Problematik nicht vollständig gerecht. Der Beklagte sei ohne Einverständnis in den Garten der Klägerin eingedrungen. Er habe eine Straftat begangen, um sich einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil für sein Grundstück zu verschaffen. Dies habe das erstinstanzliche Gericht nicht gewürdigt. Das Gericht habe auch die vorliegenden Sachverständigengutachten falsch bewertet. Es könne nicht darum gehen, den eingetretenen Schaden an zwei 64 Jahre alten Bäumen auf ein Minimum zu reduzieren, und einen stattlichen alten Baum durch ein kleines dünnes Pflänzchen zu ersetzen, welches dem Sichtschutz und dem angefallenen Schaden nicht gerecht werde. Es ergäben sich bei korrekter Anwendung der Methode Koch vollkommen andere Zahlen. Der zerstörte Sichtschutz sei mit einem kleinen Pflänzchen nicht herzustellen. Es müssten die Herstellkosten, die Pflanzkosten, Nebenkosten, die Kosten für die Anwachsungspflege und eine weitere Verzinsung hinzugerechnet und verzinst werden. Nur so lasse sich der Pflanzenwert ermitteln. Die Bezugsgröße für die Methode Koch sei im Ausgangsgutachten falsch gewählt. Es müsse auch der heutige Zinssatz für die Kapitalkosten Verwendung finden und inflationsbereinigt werden. Es habe sich eine vierprozentige Verzinsung durchgesetzt. Die Annahme von Pflanzkosten i.H.v. 75 € sei weltfremd. Auf die Pflegekosten während der Anwartschaftsphase sei der Sachverständige nicht eingegangen. Unter Zugrundelegung der Wertermittlung nach der Methode Koch ergäben sich vielmehr andere, weit höhere Werte.

Hinsichtlich der Kirsche habe ein Baum mit einem Stammumfang von 30-35 cm gewählt werden müssen. Nur so könne ein adäquater Sichtschutz hergestellt werden. Ein solcher Baum habe eine Gesamthöhe von 5 m. Es sei von einem Anschaffungspreis i.H.v. 2.100 € auszugehen. Es seien dann Pflanzkosten von 1.500 € sowie eine Fahrtkostenpauschale von 75 € nebst dem Einsatz eines Kranwagens hinzuzurechnen. Es ergäben sich insgesamt Gehölz- und Pflanzkosten von 5.311 €. Außerdem seien die Kosten der Anwachsungszeit zu kapitalisieren; es ergäben sich hierdurch weitere Kosten i.H.v. 2.753,21 €. Für die Kirsche ergäben sich demnach Herstellungskosten i.H.v. 17.660,62 €. Hinsichtlich der Birke sei ebenfalls von einem neu zu pflanzenden Bau mit einem Stammumfang von 30-35 cm und 5 m Höhe auszugehen. Dieser habe einen Anschaffungspreis von 2.480 € netto, die Pflanzkosten beliefen sich auf 5.763,20 €, die Kosten der Anwachszeit auf 2.809,65 €. Die Herstellungskosten seien zu verzinsen. Insgesamt seien Herstellungskosten für die Birke i.H.v. 18.774,54 € zu veranschlagen; beides zusammen übersteige die Klageforderung.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 22.8.2023, Bl. 486 ff. d.A., Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil vom 23.5.23 teilweise abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 34.688,50 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 18.7.2020 zu zahlen,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 958,19 € nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit 26.9.2020 zu zahlen

hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Sachvortrags und meint, dass in Anwendung der Methode Koch der zugesprochene Betrag die Obergrenze dessen darstelle, was realistisch zugesprochen werden könne. Hinsichtlich des Kirschbaums verbleibe es dabei, dass dieser bis heute, vier Jahre nach dem Rückschnitt, zuverlässig austreibe und keinen bleibenden Schaden davongetragen habe. Der nach dem Rückschnitt entstandene optische Schaden sei nicht mehr vorhanden. Die Birke sei zwar abgestorben; das Landgericht habe allerdings nicht bedacht, dass Birken in der hiesigen Klimaregion über kurz oder lang ohnehin absterben würden, weil sie die verlängerten trockenen Sommer nicht verkrafteten. Der Holunder habe sich vollständig erholt. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung verwiesen (Bl. 535 ff.d.A.).

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

1. Soweit das Landgericht einen Schadensersatzanspruch – von der Berufung unangegriffen – wegen des durch den Beklagten zurückgeschnittenen Holunders verneint hat, war ein Anspruch bereits im Zeitpunkt des Schlusses mündlicher Verhandlung erster Instanz nicht mehr streitgegenständlich. Denn ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 18.4.2023 (Bl. 404 d.A.) hat die Klägerin erstinstanzlich zuletzt unter Abänderung früherer Anträge die Anträge aus dem Schriftsatz vom 18.4.2023 (Bl. 399 ff.d.A.) gestellt. Streitgegenständlich waren hiernach aber nur noch ein Schadensersatzanspruch für die Birke in Höhe von 19.992 € sowie ein Schadensersatz für die Kirsche in Höhe von 14.696,50 €, in Summe 34.688,50 €, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Der Beklagte hat der Klageänderung, die zudem auch sachdienlich gewesen sein dürfte, nicht widersprochen. Ansprüche wegen des Holunders werden auch in der Berufungsinstanz nicht mehr weiterverfolgt.

2. Soweit die Klägerin sich gegen die Abweisung der geltend gemachten Schadensersatzansprüche für die eingekürzte Birke und den eingekürzten Kirschbaum wendet, ist die zulässige Berufung insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen war (§ 538 Abs. 2 ZPO). Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben, da die Klageabweisung auf einem erheblichen Verfahrensfehler beruht.

Das Landgericht hat sich mit dem Kern des (streitigen) Klägervortrags, wonach der Beklagte vorsätzlich und eigenmächtig das Grundstück der Klägerin rechtswidrig betreten habe, um dort allein im eigenen Interesse an einer (anders nicht erreichbaren) besseren Belichtung seines Grundstücks einen Radikalschnitt an diesen beiden Bäumen vorzunehmen, nicht auseinandergesetzt und die klägerischen Behauptungen – auch zu den dargelegten früheren Versuchen des Beklagten, den Baumpfleger der Klägerin in der Vergangenheit zu größeren Rückschnitten zu veranlassen – nicht näher aufgeklärt. Darüber hinaus hat sich das Landgericht mit den bereits erstinstanzlich erhobenen Einwänden der Klägerin gegen die sachverständige Bewertung nicht hinreichend auseinandergesetzt. Hierdurch wurde der Anspruch auf rechtliches Gehör der Klägerin in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Denn das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gericht ist danach unter anderem verpflichtet, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und – soweit er eine zentrale Frage des Verfahrens betrifft – in den Gründen zu bescheiden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 27.9.2023 – VII ZR 212/22 Rn 10, juris; Beschluss vom 29.3.2023 – VII ZR 7/22 Rn 16, BauR 2023, 1422). Das Landgericht durfte deshalb nicht von der Vernehmung der klägerseits benannten Zeugen sowie einer – bereits von Amts wegen gebotenen, zudem beantragten – ergänzenden Begutachtung absehen, da die relevanten und zulässigen Beweismittel der unterliegenden Partei – hier also der Klägerin – grundsätzlich vollständig auszuschöpfen sind (vgl. Zöller/Greger ZPO, 32. Auflage, vor § 284 Rn 8 ff.).

Im Einzelnen:

a) Wie das Landgericht – im Ausgangspunkt zutreffend – ausgeführt hat, ist bei der Beschädigung einer Sache Schadensersatz durch Wiederherstellung (§ 249 Abs. 1 BGB) oder durch Ersatz des hierzu erforderlichen Geldbetrags (§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB) zu leisten. Wird ein Baum zerstört oder beschädigt, ist nicht auf den beschädigten Baum als solchen, sondern auf die mit der Beschädigung eines Baumes erfolgte Beschädigung des Grundstückes abzustellen, dessen wesentlicher Bestandteil der darauf befindliche Bewuchs ist, § 94 BGB. Insoweit entspricht es der inzwischen gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Instanzgerichte, dass bei einer – als Sachbeschädigung des Grundstücks zu behandelnden – Zerstörung eines Baumes in der Regel keine Naturalrestitution zu leisten ist, weil eine Ersatzbeschaffung in Form einer Verpflanzung eines ausgewachsenen Baumes mit besonders hohen, in aller Regel unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist (BGH, Urteil vom 13.5.1975 – VI ZR 85/74, VersR 1975, 1047 unter II.1.b.; BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12, BGHZ 196, 111 Rn 5; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.2.2014 – 13 U 2/12, juris Rn 13 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 18.7.2003 – I-7 U 12/03, VersR 2005, 1445 ff.; OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982 – 5 U 69/82, VersR 1984, 69 ff.; OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20, juris Rn 27; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08, juris Rn 43).

Der Schadensersatz des Geschädigten richtet sich in diesen Fällen vielmehr in der Regel auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baums und darüber hinaus einen Ausgleich gemäß § 251 Abs. 2 BGB für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Diese Werteinbuße ist nach ebenfalls inzwischen gefestigter einhelliger Rechtsprechung gemäß § 287 ZPO durch den Tatrichter zu schätzen, wobei regelmäßig auf die sogenannte Bewertungsmethode von Koch zurückzugreifen ist (BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12, BGHZ 196, 111 Rn 7; OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.2.2014 – 13 U 2/12, juris Rn 14; OLG Koblenz, Urteil vom 13.6.1997 – juris Rn 10; OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982 – 5 U 69/62, a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01, juris Rn 36 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 8.2.2018 – 5 U 109/16, juris Rn 45 ff.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08, juris Rn 43; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.1.2023 – 12 U 92/22, juris Rn 69; OLG Hamm, Urteil vom 18.2.2002 – 5 U 120/01, NuR 2005, 276 f.). Hiernach wird der Wertverlust bestimmt, in dem die für die Herstellung des geschädigten Gehölzes bis zu seiner Funktionserfüllung erforderlichen Anschaffungs-, Pflanzungs- und Pflegekosten sowie das Anwachsrisiko berechnet und kapitalisiert werden; der danach errechnete Wert wird gegebenenfalls mit Blick auf eine Alterswertminderung, Vorschäden und sonstige wertbeeinflussende Umstände bereinigt (BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12 a.a.O.; m.w.N.; vgl. BGH, Urteil vom 27.9.1990 – III ZR 97/89, WM 1991, 155 ff. = juris Rn 18).

Die vollen Wiederbeschaffungskosten können hingegen nur zugebilligt werden, wenn Art, Standort und Funktion des Baumes für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden (BGH, Urteil vom 13.5.1985 – VI UR 85/74, NJW 1975, 2061, 2063; OLG Koblenz, Urteil vom 13.6.1997, a.a.O.; OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20, juris Rn 29). Maßgeblich ist damit die Überlegung, wie eine Gehölzwiederherstellung unter Berücksichtigung der Funktion des Baumes für das Grundstück erfolgt, wenn kein anderer dafür bezahlt (Koch, VersR 1984, 69 f [Anmerkung zu OLG Celle, Urteil vom 9.12.1982]). Ist etwa das einheitliche geschlossene Bild einer Bepflanzung mit (gleich großen) Bäumen einer Allee für den Grundstückswert von prägender Bedeutung, kann eine Nachpflanzung gleich großer Bäume in Betracht kommen (Koch, a.a.O. entgegen OLG Celle, a.a.O.). Auch bei einem Baum in einem botanischen Garten kann aufgrund seiner Funktion und seines Standorts eine Neupflanzung in Betracht kommen (OLG München, Urteil vom 26.11.2020 – 29 U 2518/20, a.a.O). Liegen die Voraussetzungen für eine Naturalrestitution unter Anwendung dieser Grundsätze nicht vor, schuldet der Schädiger „nur“ Wertersatz und die Kosten für eine Teilwiederherstellung. Fehlt es trotz der Zerstörung oder Beschädigung eines Baumes an einer bezifferbaren Wertminderung des Grundstückes, etwa weil der Baum sich zwischenzeitlich wieder erholt (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01, a.a.O. Rn 40 ff.) oder die Neupflanzung eines jungen Baumes die Funktion des zerstörten übernommen hat (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I-15 U 100/08 a.a.O. Rn 50 [Sichtschutzfunktion]), so besteht kein Anspruch auf Wertersatz; der reine Liebhaberwert oder eine Art „Schmerzensgeld“ sind in diesem Fall nicht ersatzfähig (OLG Frankfurt, Urteil vom 31.1.2005 – 12 U 256/01, a.a.O.).

b) Bei der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze hat das Landgericht allerdings rechtsfehlerhaft das rechtliche Gehör der Klägerin in mehrfacher Hinsicht verletzt.

aa) Zum einen hat das Landgericht hinsichtlich der vorgenommenen Wertermittlung nach der „Methode Koch“ im Kern die Bewertung des Sachverständigen im Ausgangsgutachten, die sich im Wesentlichen in einer unkommentierten, jeweils zweiseitigen Tabelle pro Baum erschöpft (Anlagen I und III zum Sachverständigengutachten vom 1.11.2021), unkritisch übernommen und sich mit den rechtzeitig erhobenen Einwänden insbesondere hinsichtlich der Größe der dort zugrunde gelegten Neupflanzungen und der Funktion der zu ersetzenden Bäume in gehörswidriger Weise nicht hinreichend auseinander gesetzt.

Der Sachverständige hat in diesen tabellarischen Aufstellungen die Funktionen der Kirsche und der Birke jeweils schlagwortartig wie folgt beschrieben:

„Gestalterisch. Abschirmung und Sichtschutz/Wohnbebauung“. (Anlage I und III zum Gutachten vom 1.11.2021).“

Eine nähere Erläuterung dieser Einordnung ist nicht erfolgt. Anlass hätte hierzu nach Aktenlage allerdings insoweit bestanden, als die Klägerin bereits in der Klageschrift dargelegt hat, dass es ihr bei der sehr aufwändigen, gleichzeitig naturnahen Gartengestaltung (auch) darauf ankam, im Stadtgebiet einen Lebensraum für Vögel und sonstige Tiere zu schaffen und einen Beitrag zur Umwandlung von Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff zu leisten. Die Klägerin hat darüber hinaus dargelegt, dass der Kirschbaum im Zeitpunkt der Rodung Früchte getragen und kurz vor der Ernte gestanden hatte. Der Zweck als Nutzgehölz oder jedenfalls als Vogelnährgehölz ist von dem Sachverständigen ebenfalls nicht erwähnt worden. Auch auf die ökologische Bedeutung des Baums für das Kleinklima im Garten (Verdunstungskühle, Filterfunktion, Luftqualität) ist der Sachverständige nicht eingegangen.

Insoweit hätte angesichts des klägerischen Sachvortrags bereits von Amts wegen, jedenfalls aber infolge der rechtzeitig erhobenen Einwände Anlass bestanden, den Sachverständigen zu befragen, ob und inwieweit diese weiteren Zwecke Einfluss auf die Wertermittlung nehmen. Denn die Funktion des Gehölzes für das konkrete Grundstück ist für die Bewertung nach Koch von zentraler Bedeutung (vgl. Koch, VersR 1990, 573 ff.), da für das von ihm maßgeblich geprägte und vom Landgericht angewandte Sachwertverfahren entscheidend ist, wie man üblicherweise ein Gehölz für die Aufgaben herstellt, die es erfüllen soll.

bb) Wegen dieser nicht ausreichend aufgeklärten Funktionen der beschädigten Bäume kann die vom Landgericht bei der Schätzung zugrunde gelegte Größe der neu anzupflanzenden Bäume nicht überzeugen. Insoweit hat der Sachverständige im Gutachten vom 1.11.2021 die Ausgangsgröße des Kirschbaums mit einer Höhe von 12 Metern, einer Kronenbreite von acht Metern, einem Stammumfang von 1,35 Metern und seine zu erwartende Restlebensdauer im Zeitpunkt der Schädigung mit 20 Jahren beziffert. Für die Neupflanzung sieht das Gutachten einen Hochstamm mit Stammumfang 14-16 cm vor und bezieht sich auf das Sortiment der Baumschule X im Jahr 2020/2021. Die Anwachszeit hat der Sachverständige mit drei Jahren angegeben, den in dieser Zeit anzusetzenden Zins mit lediglich drei Prozent/Jahr, die weitere Herstellungszeit (= Zeitraum, der erforderlich ist, bis der Baum die alte Funktion wieder erfüllen kann) mit 15 Jahren. Die Berechnung des Sachverständigen hinsichtlich der Birke ist vergleichbar. Auch hier hat der Sachverständige als Ersatz für den nach seinen Feststellungen vormals 16 Meter hohen und 7 Meter breiten Baum einen dreimal verpflanzten Hochstamm mit Umfang von 14-16 cm angesetzt und dessen Anwachszeit mit drei Jahren und die weitere Herstellungszeit mit 15 Jahren beziffert. Weshalb die Entscheidung des Sachverständigen jeweils auf Jungbäume mit einem Stammumfang von 14-16 cm (und nicht etwa 20 cm oder größer) gefallen ist, lässt sich dem Ausgangsgutachten nicht entnehmen. Im Ergänzungsgutachten vom 17.2.2022, in dem der Sachverständige sich unter anderem mit diesem Einwand beschäftigt hat, hat dieser nur folgendes ausgeführt:

„Ausgangsgrößen: Die Größe, die ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch… nach Art, Standort und Funktion … am Stichtag pflanzen würde. Zur fallbezogenen Ausgangsgröße gibt es eine objektive Fachmeinung. Dies ist in dem Gutachten vom 1.11.2021 berücksichtigt und berechnet worden“.

Es mag zutreffen, dass diese Einschätzung im Ergebnis richtig ist; dies kann ohne nähere sachverständige Erläuterung und Darlegung der erwähnten „objektiven Fachmeinung“ indes nicht abschließend nachvollzogen werden, so dass weiterer Aufklärungsbedarf besteht.

Zweifel an der Richtigkeit der gewählten Ausgangsgröße ergeben sich nicht nur deshalb, weil der Sachverständige seine Einschätzung bisher nicht nachvollziehbar erläutert hat, sondern auch, weil in anderen veröffentlichten Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte selbst unter Anwendung der Methode Koch von anderen Ausgangsgrößen der Neupflanzungen ausgegangen wird. So hat das Oberlandesgericht Brandenburg wegen der im Jahr 2012 erfolgten Beschädigung mehrerer im den 1930er Jahren gepflanzten Lindenbäume auf Basis eines Sachverständigengutachtens ausgeführt, dass von einer größeren Ausgangsgröße auszugehen sei, wenn der Baum eine hohe Funktion habe (Schatten, Gestaltung, Repräsentation, Sichtschutz, Kleinklima, Tierwelt usw.), so dass im dort entschiedenen Fall die Neupflanzung mit einer Ausgangsgröße von 25-30 cm Stammumfang und einer Herstellungszeit von 25 Jahren berechnet wurde (OLG Brandenburg, Urteil vom 8.2.2018 – 5 U 109/16, a.a.O. juris, Rn. 47). Das OLG Düsseldorf hat wegen des unberechtigten Fällens von 16 Fichten, deren Zweck sich im Sichtschutz erschöpfte, eine Neupflanzung von neun, jeweils vier Meter hohen Fichten (die damit genauso hoch waren, wie die zuvor gefällten) für angemessen erachtet (OLG Düsseldorf, Urteil vom 5.8.2009 – I 15 U 100/08, juris, a.a.O. Rn 42 ff.). Das OLG Karlsruhe hat entschieden, dass wegen der Beschädigung eines 40 Jahre alten Walnussbaums Wertersatz in Höhe von 7.671 € geschuldet wird (OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.1.2023 – 12 U 92/22, a.a.O. Rn 70), was impliziert, dass auch dort andere Größen zugrunde gelegt wurden als vorliegend.

cc) Soweit der Sachverständige in dem Ergänzungsgutachten vom 17.2.2022 auf S. 3 ausgeführt hat, es sei üblich, dass Galabaubetriebe einen Nachlass von 50 Prozent auf die Listenpreise erhielte, den sie mit einem Aufschlag in Höhe von 25-30 Prozent an die Kunden weitergeben und sich das Landgericht dieser Wertung – jedenfalls im Hinblick auf die Neuanpflanzung gleichgroßer Bäume – ausdrücklich angeschlossen hat, hat die Klägerin auch dies fristgerecht und substantiiert, unter Vorlage eines Angebotes ihres Gärtners beanstandet. Auch diesem Einwand ist das Landgericht nicht in gebotener Weise nachgegangen und besteht weiterer Aufklärungsbedarf; denn in Literatur und Rechtsprechung wird ausgeführt, dass Preisnachlässe von Baumschulen nur gewährt werden, wenn größere Mengen abgenommen würden, so dass bei einer Abnahme von Einzelgehölzen durch einen Garten- und Landschaftsbaubetrieb der Katalogpreis zugrunde zu legen sei (so ausdrücklich Koch, a.a.O.); jedenfalls werde ein etwaiger Rabatt regelmäßig nicht an den Endkunden weitergereicht (OLG Brandenburg, Urteil vom 8.2.2018 – 5 U 109/16, juris Rn 49). Auch hierzu besteht bereits von Amts wegen, aber auch im Lichte der fristgerecht erhobenen Einwände der Klägerin, ergänzender Aufklärungsbedarf und ist dem Sachverständigen aufzugeben, seine Ausführungen mit Blick auf die divergierenden Einschätzungen in Literatur und Rechtsprechung jedenfalls näher zu erläutern, um das Gutachten auf seine Richtigkeit hin überprüfen zu können.

dd) Überdies gilt die Anwendung der Methode Koch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur „in der Regel“ und ist durch das Tatgericht stets in den Blick zu nehmen, dass die durch den Gehölzschaden eintretende Wertminderung des Grundstücks nicht mit mathematischer Genauigkeit ermittelt werden kann. Der Tatrichter muss deshalb nicht nur die Plausibilität einer Sachverständigen erstellten Schadensberechnung kritisch würdigen, sondern die Forderungshöhe auch abschließend unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls auf ihre Angemessenheit hin überprüfen (BGH, Urteil vom 25.1.2013 – V ZR 222/12, a.a.O. Rn 16). Dass dies vorliegend erfolgt wäre, lässt sich den landgerichtlichen Ausführungen nicht entnehmen.

Die Klägerin rügt insoweit vielmehr mit Recht, dass das Landgericht die Umstände des Einzelfalles nicht abschließend aufgeklärt, sondern ihr (streitiges) Vorbringen zu den Hintergründen des Radikalschnitts sowie den (streitigen) Motiven und Absichten des Beklagten nicht in die Betrachtung einbezogen hat. Das Landgericht ist vielmehr unkritisch der Schadensschätzung des Sachverständigen gefolgt, der nicht nur eine relativ kleine Neupflanzung, sondern zudem eine eher kurze Wiederherstellungsdauer von insgesamt 18 Jahren angenommen hat, ohne diese in der gebotenen Weise unter Berücksichtigung der aufklärungsbedürftigen Einzelfallumstände auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen.

Die dem Landgericht anzulastenden Gehörsverstöße sind auch entscheidungserheblich.

Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Landgericht zu einem anderen, für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es in den Blick genommen hätte, dass der Beklagte nach dem streitigen klägerischen Vortrag nach einem vorangegangenen schwelenden Konflikt über die Höhe des Baumbestandes rechtswidrig im eigenen Interesse Hand angelegt und Fakten geschaffen hat, die er auf legalem Weg nicht hätte erreichen können. Ebenso wenig ist auszuschließen, dass die gebotene ergänzende sachverständige Begutachtung zu einer anderen Schadensberechnung geführt hätte.

3. Der erkennende Senat hat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen, da die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung der Sache nach § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO vorliegen: Die Klägerin hat die Zurückverweisung hilfsweise beantragt und das erstinstanzliche Verfahren leidet – wie ausgeführt – an einem wesentlichen Mangel, aufgrund dessen eine aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Die klägerseits angebotenen Zeugen sind zur Vorgeschichte und zu den konkreten Geschehnissen am Tattag zu vernehmen; je nach Ergebnis der Beweisaufnahme ist über die gegenbeweislich angebotenen Beweise (Beiziehung der Strafakte; Parteivernehmung, informatorische Anhörung des Beklagten) zu befinden. Überdies besteht selbst dann, wenn sich die klägerischen Behauptungen nicht bestätigen sollten, erheblicher Ergänzungsbedarf im Hinblick auf das eingeholte Sachverständigengutachten, dem im Wege der erneuten Beauftragung oder Anhörung des Gerichtssachverständigen oder der Einholung eines neuen Gutachtens Rechnung zu tragen sein wird. Eine Sachentscheidung des Senats ist deshalb sowie im Hinblick auf den ansonsten eintretenden Verlust einer Tatsacheninstanz nicht angezeigt.

III.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens ist dem Landgericht vorzubehalten, weil derzeit das endgültige Maß des Obsiegens und Unterliegens der Parteien noch nicht abzusehen ist. Der erforderliche Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit (zur Notwendigkeit der Anordnung bei einem zurückverweisenden Urteil vgl. Zöller-Herget ZPO, § 708 Rn 12).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Zulassung der Revision ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, da die vorliegende Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BGH abweicht, sondern es um eine Umsetzung der höchstrichterlich bereits geklärten Rechtsgrundsätze im hiesigen Einzelfall geht.

Der Gebührenstreitwert entspricht der Beschwer der Klägerin aus dem angefochtenen Urteil.

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