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Verkehrssicherungspflicht – Anbringung von Schneefanggittern

OLG Oldenburg

Az.: 4 U 35/12

Urteil vom 25.07.2012


Gründe

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten aus Verletzung von Verkehrssicherungspflichten in Anspruch.

Am Mittag des Neujahrstages 2011 parkte der Kläger sein Auto in einer Parkbucht vor dem Haus des Beklagten in Osnabrück, in dem dieser eine Praxis betreibt, aber nicht wohnt. Im Laufe des Nachmittags lösten sich vom Dach des Hauses des Beklagten mehrere Eisbrocken, die das Auto des Klägers beschädigten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, dem Kläger den Sachschaden am Auto zu ersetzen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten. Er meint, dass eine Verkehrssicherungspflicht nicht bestanden habe.

Er beantragt, die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Osnabrück vom 21.03. 2012 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung hat Erfolg. Der Beklagte hat Verkehrssicherungspflichten nicht verletzt.

Das Landgericht hat gemeint, den Beklagten habe deswegen eine Verkehrssicherungspflicht getroffen, weil am Morgen des 01.01.2011 extremes Tauwetter geherrscht habe, vor dem sogar im Radio gewarnt worden sei, weshalb der Beklagten gehalten gewesen wäre, das Dach von Schnee und Eis zu befreien. Hierzu hätte er sich gegebenenfalls der Feuerwehr oder einer Fachfirma bedienen müssen.

Dem kann sich der Senat in dieser Allgemeinheit nicht anschließen. Unzweifelhaft hätte der Beklagte das Dach angesichts eines Neigungswinkels von teilweise 80 Grad und einer Haushöhe von wenigstens 2 ½ Vollgeschossen nicht selbst von Eis und Schnee reinigen können, sondern dies ausschließlich durch Fachkräfte besorgen lassen müssen. Eine derartige Verpflichtung wäre jedoch, wenn sonstige besondere Umstände nicht vorliegen, viel zu weitgehend. Sie liefe darauf hinaus, dass bei starkem Tauwetter nahezu jeder Eigentümer eines Hauses, das an öffentliche Verkehrsflächen grenzt und das nicht mit einem Flachdach ausgestattet ist, das Dach von Eis und Schnee reinigenlassen muss. Eine solche generelle und damit weitgehende Verpflichtung wäre gar nicht erfüllbar, weil durch Feuerwehr und Dachdeckerfirmen derartiges in Osnabrück flächendeckend und schnell gar nicht geleistet werden kann.

Ob etwas anderes in schneereichen Gegenden gilt, in denen möglicherweise zu diesem Zwecke eine andere Infrastruktur vorgehalten wird, auf die der Hauseigentümer zurückgreifen kann, kann hier auf sich beruhen, weil Osnabrück in Westniedersachsen kein schneereiches Gebiet ist.

Es liegen auch keine sonstigen konkreten Gründe vor, warum den Beklagten hier ausnahmsweise eine Verpflichtung treffen sollte. Weder ist dem Beklagten zuvor etwas Derartiges passiert, noch war konkret absehbar, dass Eisbrocken vom Dach abgehen würden. Das ist jedenfalls nicht vorgetragen.

Der Beklagte war auch nicht aus einer Verkehrspflicht heraus gehalten, ein Schneefanggitter anzubringen.

Aus § 32 II NBauO kann der Kläger nichts herleiten, denn nach der einschlägigen Bauordnung ist der Hauseigentümer nur dann verpflichtet Schneefanggitter anzubringen, wenn dies die Verkehrssicherheit gebietet. Deshalb wäre es zirkelhaft die Verkehrspflicht, ein Schneefanggitter anzubringen, aus § 32 II NBauO herleiten zu wollen.

Die frühere Durchführungsverordnung zur NBauO, die von 1976 bis 1986 Geltung hatte, hat insofern konkret festgelegt, dass Häuser mit einem Vollgeschoss und einer Dachneigung von mehr als 45 Grad mit Vorrichtungen gegen das Herabfallen von Eis und Schnee versehen sein müssen, sofern die Dachflächen gegen öffentliche Verkehrsflächen geneigt sind (§ 11 II Ziff.1 NDV zu NBauO Nds. GVBl. 1976, 145). Indessen hat der Nds. Gesetzgeber diese Vorschrift nach 10-jähriger Geltung für Neubauvorhaben wieder abgeschafft. Dies kann nach Ansicht des Senates nur so verstanden werden, dass jene generellen Vorgaben bauordnungsrechtlich nicht mehr gewollt sind, sondern einer einzelfallbezogenen Prüfung zu weichen haben. Damit können dann allerdings aus dem niedersächsischen Bauordnungsrecht keine weitergehenden Erkenntnisse für die hier zu beantwortende Frage gewonnen werden.

Im Übrigen ist in der Rechtsprechung eine Verkehrspflicht, Schneefanggitter anzubringen, angenommen worden für schneereiche Gebiete oder, wenn dies in der Ortssatzung festgelegt ist, oder der örtlichen Übung entspricht (vgl. OLG Zweibrücken Urteil vom 09.07.1999 1 U 181/98-Juris Rn.11; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2012, I-24 U 217/11, 24 U 217/11 – Juris Rn.8 m.w.N. ). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

Soweit in der Vergangenheit das OLG Celle (VersR 1980, 1028; VersR 1982, 775) eine derartige Verpflichtung aus der Dachneigung abstrakt hergeleitet hat, beruht dies auf der damals geltenden DV zur NBauO.

Nach Abschaffung der DV zur NBauO hielte es der Senat für verfehlt, abstrakt aus dem Neigungswinkel der Dachfläche eine Verpflichtung, Schneefanggitter vorzuhalten, ableiten zu wollen (so offenbar Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, NBauO, 8. Aufl., § 32 Rn.12; ähnlich wie hier OLG Zweibrücken a.a.O.; AG Saarbrücken Urteil vom 12.07.2012, 42 C 338/11 (09)-JurisRn.32; LG Köln Urteil vom 29.03.2012, 13 S 4/12 – Juris Rn.8 ).

Schließlich sieht der Senat auch keine Verletzung der Verkehrspflicht darin, dass der Beklagte darauf verzichtet hat, Warnschilder aufzustellen. Insoweit gilt das Gleiche, wie anfangs ausgeführt. Da der Beklagte in keiner Weise speziell betroffen ist, etwa in der Weise, dass er durch konkrete Abgänge bereits vorgewarnt war, hätten mit ihm im Grunde alle Hauseigentümer Schilder mit dem allgemeinen Hinweis auf Dachlawinengefahr aufstellen müssen, deren Sinn sich darin erschöpfte, den Passanten auf den allgemeinen Umstand hinzuweisen, dass Tauwetter herrscht und unter diesen Umständen Schnee vom Dach stürzen kann. Dass derart inhaltsleere Schilder eher rituellen Charakter hätten, als konkreten Nutzen für etwaige Passanten böten, liegt nach Ansicht des Senates auf der Hand (vgl. auch LG Köln a.a.O. Rn.10).

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 97 I, 708 Nr.10, 713 ZPO.

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