BGH
Az: V ZR 145/10
Urteil vom 28.01.2011
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2011 für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 10. Juni 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter der im Rubrum näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, der Beklagte deren Mitglied. Im Jahr 2003 erwirkte der Kläger gegen den Beklagten einen Mahnbescheid. Nach Widerspruch und Anspruchsbegründung wurde über die Forderungen aus dem Mahnbescheid und weitere Ansprüche vor dem Amtsgericht ein Verfahren nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit geführt (mit dem Kläger als Antragsteller und dem Beklagten als Antragsgegner). Mit Schriftsatz vom 4. August 2008 hat der Kläger seine Anträge erweitert. Insoweit hat das Amtsgericht das Verfahren abgetrennt und als Rechtsstreit nach der Zivilprozessordnung fortgeführt. Gegenstände der – später erweiterten und teilweise für erledigt erklärten – Klage sind Hausgeldforderungen aus den Jahren 2007 und 2008 sowie eine Sonderumlage für die Sanierung von Dachgauben. Allein um diese Streitgegenstände geht es in dem vorliegenden Revisionsverfahren.
Auf Antrag des Klägers hatte das Amtsgericht den Beklagten zunächst durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 961,80 € nebst Zinsen verurteilt und festgestellt, dass der Rechtstreit in Höhe von 609,49 € erledigt ist. Auf den Einspruch des Beklagten hat es das Urteil aufgehoben und die Klage wegen fehlender Prozessführungsbefugnis als unzulässig abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung, mit der der Kläger nur noch Zahlung von 591,80 € (Sonderumlage) und weiterer 172,27 € (Hausgeld) verlangt und den Rechtstreit wegen des überschießenden Betrages für erledigt erklärt hat, ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die im Berufungsrechtszug gestellten Anträge weiter. Der Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, für die Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft sei jedenfalls seit der gesetzlichen Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als eines teilrechtsfähigen Verbandes kein Raum mehr. Anders als vor der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes könne das erforderliche eigene schutzwürdige Interesse des Verwalters nicht mehr aus dessen Pflicht hergeleitet werden, die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen. Zu dessen Verpflichtungen gehöre es nicht mehr, anstelle der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu handeln. Der Verwalter sei nur noch gehalten, für den nunmehr teilrechtsfähigen Verband tätig zu werden.
II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1.
Ob über die in dem Schriftsatz vom 4. August 2008 enthaltene Antragserweiterung mit Blick auf die Übergangsregelung des § 62 Abs. 1 WEG zu Recht ein Rechtsstreit nach der Zivilprozessordnung geführt worden ist (vgl. Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 62 Rn. 1: Anwendbarkeit der ZPO hinsichtlich des neuen Verfahrensgegenstandes nach dessen Abtrennung) oder ob über diese Ansprüche nach den Regeln der Freiwilligen Gerichtsbarkeit zu entscheiden gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 2010 – XII ZB 197/10, […] Rn. 10 f., zu Art. 111 Abs. 1 FGG-RG: einheitliche Beurteilung nach dem Verfahrensrecht des Ausgangsverfahrens), hat das Revisionsgericht nach dem entsprechend anwendbaren § 17a Abs. 5 GVG (dazu Senat, Urteil vom 30. Juni 1995 – V ZR 118/94, BGHZ 130, 159, 162 f.; Bärmann/Pick, WEG, 16. Aufl., § 46 [aF] Rn. 20; jeweils mwN) nicht zu prüfen.
2.
Die Prozessführungsbefugnis des Klägers hat das Berufungsgericht zu Recht verneint.
a)
Vor Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als eines (teil-)rechtsfähigen Rechtssubjekts (dazu grundlegend Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 158 ff.; nunmehr § 10 Abs. 6 WEG) konnten dem Verband weder Rechte kraft Gesetzes zustehen noch Ansprüche der Wohnungseigentümer auf diesen zur Rechtsausübung übertragen werden. Daher bestand nicht nur im Interesse der Wohnungseigentümer, sondern vielfach auch im Interesse des Schuldners ein erhebliches praktisches Bedürfnis, Ansprüche der Wohnungseigentümer über das Rechtsinstitut der gewillkürten Verfahrensstandschaft zu bündeln (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 – V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 mwN). Vor diesem Hintergrund wurde das neben der hierfür notwendigen Ermächtigung erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Verwalters aus dessen Pflicht hergeleitet, die ihm obliegenden Aufgaben ordnungsgemäß und reibungslos zu erfüllen (Senat, Beschluss vom 21. April 1988 – V ZB 10/87, BGHZ 104, 197, 199; Urteil vom 22. Januar 2004 – V ZB 51/03, NJW 2004, 937, 938).
b)
Ob daran im Lichte der nunmehr gegebenen Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft festzuhalten ist, wird nicht einheitlich beurteilt (bejahend OLG München, NZM 2008, 653; OLG Hamm, NZM 2009, 90 f.; Heinemann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 27 Rn. 125; vgl. auch Spielbauer/Then, WEG, § 27 Rn. 42; zumindest im Regelfall verneinend LG Karlsruhe, ZWE 2009, 410, 411; Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., Anh. 2 § 10 Rn. 62 u. § 43 Rn. 149; Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 245; MünchKomm-BGB/Engelhardt, BGB, 5. Aufl., § 27 WEG Rn. 33; Timme/Knop, WEG, § 27 Rn. 291; Wenzel, NJW 2007, 1905, 1909; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl., vor § 50 Rn. 49). Der Senat verneint die Frage.
aa)
Das für eine gewillkürte Prozessstandschaft erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann nicht mehr aus der diesem durch das Wohnungseigentumsgesetz zugewiesenen Rechts- und Pflichtenstellung hergeleitet werden. Infolge der nunmehr bestehenden Rechts- und Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft ist diese nunmehr ohne weiteres selbst in der Lage, Ansprüche – zumal ohne Entstehen eines Mehrvertretungszuschlages nach Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG – durchzusetzen, so dass das Bedürfnis für ein Tätigwerden des Verwalters im eigenen Namen entfallen ist. Das gilt umso mehr, als einer der tragenden Gründe, die zur Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als Rechtssubjekt geführt haben, gerade darin bestand, die Verwaltung des Gemeinschaftseigentums im Rechtsverkehr zu erleichtern (Klein in Bärmann, aaO, § 43 Rn. 149).
(1)
Allerdings trifft es zu, dass der Verwalter (nach wie vor) gehalten ist, für eine effektive Anspruchsdurchsetzung Sorge zu tragen (so Heinemann in Jennißen, aaO, § 27 Rn. 125). Nur gilt es zu bedenken, dass die nunmehr rechts- und parteifähige Wohnungseigentümergemeinschaft durch ihre Organe handelt und sich vor diesem Hintergrund die Pflichtenstellung des Verwalters verschoben hat. Danach ist der Verwalter nicht (mehr) gehalten, eine effektive Anspruchsdurchsetzung durch ein Handeln im eigenen Namen sicherzustellen. Vielmehr ist er als Organ der durch ihn repräsentierten Gemeinschaft nunmehr verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Verband seine Rechte selbst durchsetzt; von ihm ist nur noch ein Handeln für den Verband gefordert (zutreffend Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 245; Timme/Knop, aaO, § 27 Rn. 291; vgl. auch Wenzel, NJW 2007, 1905, 1909). Folgerichtig ist im Gesetzgebungsverfahren bewusst davon Abstand genommen worden, in § 48 WEG eine Regelung aufzunehmen, die eine aus der Rechtsstellung des Verwalters nach dem Wohnungseigentumsgesetz hergeleitete Prozessführungsbefugnis vorausgesetzt hätte. Die zunächst insbesondere im Hinblick auf die Prozessstandschaft des Verwalters in Hausgeldsachen in Absatz 2 Satz 1 zur Frage der Beiladung vorgesehene Regelung hat der Gesetzgeber unter Hinweis auf die (Teil-)Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft für hinfällig erachtet (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/3843 S. 28 unter Bezugnahme auf BT-Drucks. 16/887 S. 75; dazu auch LG Karlsruhe, Urteil vom 21. Juli 2009 – 11 S 86/09, […] Rn. 19 ff., insoweit in ZWE 2009, 410 f. nicht wiedergegeben).
(2)
Entgegen der Auffassung der Revision folgt aus den Regelungen in § 27 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 3 WEG nichts anderes.
(a)
Dass der Verwalter dem Verband gegenüber berechtigt und verpflichtet ist, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen (§ 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG), lässt keinen Schluss darauf zu, dass er dies auch im eigenen Namen soll tun können. Vielmehr ist die Vorschrift im Lichte der nunmehr gegebenen Rechts- und Parteifähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft dahin auszulegen, dass der Verwalter zur Durchsetzung der Beschlüsse als deren Organ tätig werden darf und muss.
(b)
Aus § 27 Abs. 2 Nr. 3 WEG kann schon deshalb nichts für die hier in Rede stehende Zulässigkeit einer gewillkürten Prozessstandschaft zur Durchsetzung von Rechten der Wohnungseigentümergemeinschaft gewonnen werden, weil Regelungsgegenstand der Vorschrift nur Ansprüche der Wohnungseigentümer sind. Davon abgesehen bringt die Vorschrift – ebenso wie die Ansprüche der Gemeinschaft betreffende Regelung des § 27 Abs. 3 Nr. 7 WEG – lediglich zum Ausdruck, dass der Verwalter nicht kraft Gesetzes Ansprüche gerichtlich geltend machen kann, sondern es grundsätzlich Sache der Wohnungseigentümer ist, darüber zu befinden, ob ein Prozess geführt werden soll oder nicht (vgl. nur Merle in Bärmann, aaO, § 27 Rn. 242). Zur Frage der Prozessstandschaft verhält sich auch diese Vorschrift nicht. Auch insoweit verbleibt es daher bei dem Grundsatz, dass Ansprüche der rechtsfähigen Gemeinschaft von dieser selbst durchzusetzen sind.
(3)
Soweit die Revision geltend macht, bei Zugrundelegung der hier verfolgten Rechtsauffassung werde das Verfahren jedenfalls bei größeren Wohnungseigentümergemeinschaften „unnötig verkompliziert“, weil in das Urteilsrubrum sämtliche Wohnungseigentümer aufgenommen werden müssten, trifft schon die Prämisse nicht zu. Klagt der Verband, muss nach § 10 Abs. 6 Satz 4 WEG i.V.m. Absatz 5 der Regelung lediglich die Bezeichnung „Wohnungseigentümergemeinschaft“ gefolgt von einer das Grundstück näher bestimmenden postalischen oder katastermäßige Bezeichnung angegeben werden (vgl. auch BT-Drucks. 16/887 S. 62; Klein in Bärmann, aaO, § 10 Rn. 214). Die Angabe sämtlicher Wohnungseigentümer ist nach § 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG bei der Beschlussmängelklage erforderlich, die sich gegen die (übrigen) Wohnungseigentümer richtet, nicht aber, wenn die Wohnungseigentümergemeinschaft eigene oder ihr zur Ausübung zustehende Rechte im eigenen Namen geltend macht.
bb)
Kann nach allem eine Prozessführungsbefugnis des Verwalters nicht mehr aus dessen Rechts- und Pflichtenstellung nach dem Wohnungseigentumsgesetz hergeleitet werden, kann die Befugnis, Rechte der Wohnungseigentümergemeinschaft in eigenem Namen geltend zu machen, nur noch aus anderen Gründen in Betracht gezogen werden. So wird ein eigenes schutzwürdiges Interessen des Verwalters an der Durchsetzung von Rechten des Verbandes etwa dann gegeben sein, wenn sich der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber schadensersatzpflichtig gemacht hat und ihn die Gemeinschaft vor diesem Hintergrund zur Schadensminimierung ermächtigt, auf eigene Kosten einen (zweifelhaften) Anspruch der Gemeinschaft gegen Dritte durchzusetzen. Bei der hier verfolgten Durchsetzung von Hausgeldforderungen und einer Sonderumlage sind jedoch keine Umstände ersichtlich, die ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Klägers begründen könnten.
cc)
Der Verneinung der Prozessstandschaft steht schließlich nicht der Senatsbeschluss vom 4. März 2010 (V ZB 130/09, NJW 2010, 807) entgegen. Dort hatte der Senat in einem Fall, in dem der Verwalter Ansprüche der Wohnungseigentümer im eigenen Namen aufgrund einer ihm vor Anerkennung der Wohnungseigentümergemeinschaft als eines (teil-)rechtsfähigen Verbandes erteilten Ermächtigung ein WEG-Verfahren angestrengt hatte, aus übergangsrechtlichen Erwägungen die zunächst gegebene Verfahrensstandschaft des Verwalters als fortbestehend behandelt. Damit ist der vorliegende Fall jedoch schon deshalb nicht vergleichbar, weil die hier in Rede stehenden Ansprüche erst erhebliche Zeit nach der Mitte des Jahres 2005 erfolgten Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Juni 2005 – V ZB 32/05, BGHZ 163, 154, 158 ff.) entstanden und auch erst lange nach dieser Anerkennung gerichtlich geltend gemacht worden sind.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.