LG Hannover, Az.: 6 O 98/11, Urteil vom 09.05.2012
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche auf Entschädigung aus einer Wohngebäudeversicherung.
Die Klägerin war Eigentümerin eines Reihenendhauses in … und unterhielt dafür bei der Beklagten einen Wohngebäudeversicherungsvertrag unter Einschluss einer Leitungswasserversicherung, dem die allgemeinen Wohngebäudeversicherungen der Beklagten in der Version 2003 (VGB 2003) zugrunde liegen.
Das versicherte Gebäude war dem Vorbringen der Klägerin zufolge bis Februar 2009 vermietet und sollte nach dem Auszug der Mieter gründlich renoviert werden. Zu diesem Zwecke übergab die Klägerin ihrem Vorbringen zufolge dem Geschäftsführer der Firma … Bau aus Hannover die Hausschlüssel, damit diese die Renovierungsarbeiten in Eigenregie ausführe. Die Durchführung der Renovierungsarbeiten seitens der Firma … Bau verzögerten sich womit die Klägerin einverstanden war. Am 05.01.2010 soll der Architekt … in dem Haus einen Leitungswasserschaden festgestellt haben. Als die Klägerin davon erfuhr, meldete sie am 05.04.2010 den Schaden telefonisch bei der Beklagten. Anlässlich einer Besichtigung mit dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten am 12.04.2010 erklärte die Klägerin, letztmals vor Bemerken des Schadens an einem Sonntag Ende Oktober 2009 im Haus gewesen zu sein. Seinerzeit seien das Laminat und die Fliesen im Erdgeschoss noch nicht verlegt worden und auch die Bäder noch nicht saniert worden. Beim nächsten Betreten des Hauses am Ostermontag sei erheblicher Schimmelbefall im unteren Wandbereich der Räumlichkeiten im Erdgeschoss festgestellt worden. Die Bäder seien zu der Zeit nach wie vor nicht saniert und der Fußboden im Flur nicht gefliest gewesen, sowie der Laminatboden im Wohnzimmer noch nicht verlegt worden.
Der Sachverständige Dipl.-Ing. … erstellte im Dezember 2012 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten über den Schaden und errechnete den Neuwertschaden in Höhe von 17.374,00 Euro brutto zuzüglich eines Folgeschadens von 15.470,00 Euro brutto sowie einen Zeitwertschaden in Höhe von 14.132,00 Euro netto sowie einen Folgeschaden von 13.000,00 Euro netto (Anlage B6).
Nachdem die Beklagte den Schaden nicht regulierte, erhob die Klägerin unter dem 13.04.2011 Klage bei dem Landgericht Hannover, gerichtet auf Zahlung in Höhe von 40.066,76 Euro zuzüglich Zinsen. Zur Begründung der Sanierungskosten legt sie ein Angebot der Firma … Brand-, Wasser-Schadensanierung Gebäudetrocknung vom 25.08.2010 über einen Betrag von 39.723,60 Euro vor sowie eine Rechnung der Firma … vom 28.05.2010 über 343,16 Euro.
Die Klägerin behauptet, das Gebäude sei zum Zeitpunkt des Wassereintritts bezugsfertig und nutzbar gewesen. Ursache für den Schaden sei gewesen, dass die Mitarbeiten der Firma … die alte Küche demontieren wollten und den Hahn dabei beschädigt haben. Sie haben den Wasserhahn dann auch nicht mehr überprüft, bevor sie das Haus verließen, so dass permanent Wasser ausgetreten sei.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie sich das Verschulden der Mitarbeiter der Firma … nicht entgegenhalten lassen müsse. Sie ist der Auffassung, dass auch die weiteren Einwendungen der Beklagten nicht durchgreifen und führt dies weiter aus.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 40.066,76 Euro nebst 5 % Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 10.05.2010 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet die Ausführungen der Klägerin zur Zeitdauer des Leerstandes, der Beauftragung der Firma …, der Feststellung des Versicherungsfalls durch den Architekten … sowie die Ursache für den Schaden mit Nichtwissen, hilfsweise macht sie sich diese zu Eigen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Schaden nicht unter das versicherte Risiko falle, weil nach § 6 Nr. 3 a VGB 2003 der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser sich nicht auf Schäden an versicherten Sachen erstrecke, solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar sei.
Die Beklagte vermutet, dass der eingetretene Schaden Folge eines Frostschadens während der extremen Kälte im Dezember/Januar 2009/2010 sei und die Klägerin sich das Verschulden des Geschäftsführers der Firma … unter dem Gesichtspunkt der Repräsentanten-Haftung zurechnen lassen müsse. Sie ist der Auffassung, dass eine Eintrittspflicht aus verschiedenen Gründen nicht bestehe, und führt dies weiter aus. Der Höhe nach hält sie den geltend gemachten Schaden für übersetzt und verweist auf das Gutachten des Sachverständigen … sowie den Umstand, dass eine Entschädigung nach Neuwert den Nachweis der Wiederherstellung voraussetzte, welche sie bestreitet und für nicht ordnungsgemäß dargelegt hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlungen aufgrund der Wohngebäudeversicherung, weil der streitgegenständliche Schaden dem Ausschlusstatbestand des § 6 Nr. 3 a der VGB 2003 unterfällt.
Danach erstreckt sich der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch Leitungswasser an versicherten Sachen, solange das versicherte Gebäude noch nicht bezugsfertig oder wegen Umbauarbeiten für seinen Zweck nicht mehr benutzbar ist.
Im vorliegenden Fall ist der Zustand, in dem sich das Haus letztmalig vor dem Bemerken des Schadens durch die Klägerin und zur Zeit des Bemerkens des Schadens befunden hat, in der vom Regulierungsbeauftragten der Beklagten erstellten und von der Klägerin unterschriebenen Schadenaufstellung vom 12.04.2012 wie folgt beschrieben:
„Letztmals vor Bemerken des Schadens waren wir an einem Sonntag Ende Oktober 2009 im Haus. Die Gasheizung war in Betrieb. Die Wände waren frisch mit Rauhfaser, weiß tapeziert. Laminat war im Obergeschoss komplett neu verlegt. Im Erdgeschoss noch nicht. Die Bäder waren noch nicht saniert. Im Wohnzimmer im Erdgeschoss lag noch kein Laminat. Der Flur war noch nicht gefliest. Im Nachhinein bat uns der Geschäftsführer, Herr…, um die Restzahlung des Rechnungsbetrages, da er weiteres Material einkaufen und die Arbeiten umgehend durchführen wollte, damit das Haus zu Frühjahr – ohne genaue Terminvorgabe – verkauft werden sollte. Wir zahlten den Restbetrag, da Herr… im Vorfeld bereits andere Arbeiten durchführte, und dies stets zu unserer Zufriedenheit. Wir hatten zwischenzeitlich immer telefonischen Kontakt zu Herrn …, letztmals am 19. März. Da hieß es, er würde noch 2 Tage für Restarbeiten benötigen.
Am Ostermontag fuhren wir zusammen mit unserer Bekannten, Frau …, Haus, um Fotos vom frisch renovierten Haus zu fertigen. Dabei stellten wir erheblichen Schimmelbefall im unteren Wandbereich der Räumlichkeiten im Erdgeschoss fest. Decken, Wände und Rohrverkleidungen im Kellergeschoss waren mit Schimmel befallen. Die Heizung lief nach wie vor. Es war warm im Haus.
Die Bäder sind nach wie vor nicht saniert. Der Fußboden im Flur im Erdgeschoss noch nicht gefliest. Der Laminatboden im Wohnzimmer noch nicht verlegt. Die Wasserzuleitung war abgestellt. Das Stabparkett im Wohnzimmer fanden wir so vor, wie auf den Fotos, die Herrn … heute ausgehändigt wurden, erkennbar. Angeblich soll zwischenzeitlich auch der Laminatboden im Wohnzimmer zwischenzeitlich gelegen haben. Als wir in das Objekt kamen, lag er allerdings auf dem Rasen.“
Aus der vorstehenden Darstellung, welche die Beklagte mit der Klagerwiderung vorgelegt und in Bezug genommen und deren Richtigkeit die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat, war letztmalig vor Bemerken des Schadens Ende Oktober 2009 der Fußbodenbelag im Erdgeschoss noch nicht hergestellt und auch die Bäder waren noch nicht saniert worden. Zum Zeitpunkt des Bemerkens des Schadens am Ostermontag des nächsten Jahres waren die Bäder nach wie vor nicht saniert, der Fußboden im Flur im Erdgeschoss noch nicht gefliest, der Laminatboden im Wohnzimmer noch nicht verlegt worden. Diesen Zustand würdigt das Gericht dahingehend, dass das Gebäude zu beiden Zeiten noch nicht bezugsfertig war.
Bezugsfertig ist ein Gebäude einem Urteil des OLG Celle zufolge erst dann, wenn es für die Bewohnbarkeit des Gebäudes nur noch an den üblichen beweglichen Einrichtungsgegenständen (Möbel, Gardinen u.s.w.) fehlt. An einer Bezugsfertigkeit fehle es demnach, wenn der Fußboden noch nicht mit einer ordnungsgemäß benutzbaren Oberfläche versehen sei (OLG Celle, Urteil vom 27.03.1981, 8 U 119/80). Letzteres ist hier der Fall, weil der Fußboden im Erdgeschoss noch nicht mit dem vorgesehenen Laminat bzw. den Fliesen im Flur bezugsfertig ausgestattet worden war. Auch die noch nicht vorgenommene Sanierung der Bäder dürfte der Feststellung einer Bezugsfähigkeit entgegengestanden haben, wenngleich der Umfang der geplanten Sanierung nicht bekannt ist. Fest steht allerdings, dass die alte Küche demontiert worden und der Hahn dabei beschädigt worden war. Daher ist davon auszugehen, dass das Gebäude auch im Hinblick auf den Zustand der Küche und der Wasseranschlussmöglichkeiten nicht bezugsfertig war.
Letzteres ergibt sich auch mit Rücksicht auf den Zweck der Ausschlussklausel, die vom Landgericht Kiel zutreffend dahingehend beschrieben wird, dass mit dem Vorbehalt der Bezugsfertigkeit der Versicherer von dem Risiko freigestellt werden solle, dass infolge des unvollendeten Bauzustandes noch Handwerker mehr oder weniger unbeaufsichtigt im Gebäude tätig sein müssen. Bei der Leitungswasserversicherung falle dabei ins Gewicht, ob Handwerksarbeiten gerade im Bereich der Wasseranschlüsse noch bevorstehen. Ein Gebäude, in dem die Decken noch unverputzt seien, bewohnbare Fußbodenbeläge fehlten, Wände noch nicht gestrichen bzw. tapeziert seien und Badewanne, Dusche, Toilette und Wasserhähne noch nicht installiert seien, seien nicht bezugsfertig im Sinne der Leitungswasserversicherung (LG Kiel, R+S 1984, 222).
Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 09.09.2011 unter Benennung zweier Zeuginnen behauptet, „dass das Gebäude auch zur Zeit des Eintritts des Wasserschadens von Mietern oder der Klägerin selbst bezogen werden konnte und auch benutzbar war, weil die in Auftrag gegebenen Arbeiten die Benutzbarkeit nicht beeinträchtigten und im Übrigen nahezu abgeschlossen waren“, ist dieses unsubstantiiert und auf eine unzulässige Ausforschung gerichtet. Die pauschale Behauptung steht im Widerspruch zu dem oben wiedergegebenen Inhalt der Schadenaufstellung und ist auch schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil überhaupt nicht bekannt ist, wann der Schaden eingetreten ist. Weder die Klägerin noch die von ihr benannten Zeuginnen können daher wissen, in welchem Zustand sich das Haus befunden hat, als der Schaden eintrat, weil schon der Zeitpunkt des Schadenseintritts gar nicht bekannt ist. Überdies genügt schon der oben beschriebene, zum Zeitpunkt des Bemerkens des Schadens bestehende Zustand für die Feststellung der mangelnden Bezugsfertigkeit.
Die vorstehenden Erwägungen sind in der mündlichen Verhandlung auch erörtert worden.
Überdies lassen auch die beim Ortstermin vom 06.12.2010 durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. … gefertigten Fotos, die dem Gutachten vom 06.12.2010 (Anlage B6) beigefügt sind, erkennen, dass das Gebäude auch zu der Zeit noch nicht bezugsfertig war.
Auf die Berechtigung der weiteren Einwendungen der Beklagten kommt es demnach nicht mehr an.
Die Klage war abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.