Übersicht:
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Schleswig-Holstein: Kein erneuter Zahlungsanspruch bei Rechnungsmanipulation – Werkunternehmerin haftet für unsicheren E-Mail-Versand
- Der Ausgangspunkt: Eine erbrachte Leistung, eine manipulierte Rechnung und eine fehlgeleitete Zahlung
- Der Weg durch die Instanzen: Das Landgericht Kiel sah die Zahlungspflicht bei der Auftraggeberin
- Die Argumente in der Berufung: Wer trägt das Risiko der Manipulation?
- Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein: Klage abgewiesen
- Die detaillierten Entscheidungsgründe des OLG
- Zulassung der Revision: Grundsätzliche Bedeutung der E-Mail-Sicherheit
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich eine Rechnung zweimal bezahlen, wenn die erste Zahlung wegen Betrugs auf ein falsches Konto ging?
- Wann haftet ein Unternehmen für Schäden, die durch manipulierte E-Mail-Rechnungen entstehen?
- Welche Sicherheitsmaßnahmen sind für den E-Mail-Versand von Rechnungen wichtig, um Betrug zu verhindern?
- Kann ich Schadensersatz verlangen, wenn ich durch eine gefälschte E-Mail-Rechnung finanziell geschädigt wurde?
- Was sollte ich sofort tun, wenn ich den Verdacht habe, auf eine gefälschte E-Mail-Rechnung bezahlt zu haben?
- Glossar
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 12 U 9/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
- Datum: 18.12.2024
- Aktenzeichen: 12 U 9/24
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Werkvertragsrecht, Datenschutzrecht (DSGVO)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Werkunternehmerin, die die erneute Zahlung einer Werklohnforderung verlangte.
- Beklagte: Eine Auftraggeberin, die die Zahlung ursprünglich auf ein manipuliertes Drittkonto leistete und die erneute Zahlung verweigerte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine Werkunternehmerin stellte ihrer Auftraggeberin eine Rechnung für erbrachte Bauleistungen. Die Auftraggeberin überwies den Betrag auf ein Konto, das sich als manipuliert herausstellte, weil die Rechnung zuvor von Kriminellen verändert worden war. Die Werkunternehmerin forderte daraufhin die erneute Zahlung des Betrags.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob die Auftraggeberin den Werklohn erneut zahlen muss, nachdem die erste Zahlung aufgrund einer kriminellen Rechnungsmanipulation auf ein falsches Konto ging. Zentral war dabei, welche Partei das Risiko dieses finanziellen Verlusts trägt, insbesondere unter dem Aspekt möglicher Pflichtverletzungen im Bereich der Datensicherheit nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht änderte das Urteil der Vorinstanz ab und wies die Klage der Werkunternehmerin ab. Das bedeutet, die Auftraggeberin muss den Werklohn nicht erneut zahlen.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass die erste Zahlung auf das manipulierte Konto keine Erfüllung der Forderung darstellte, da das Geld nicht bei der Werkunternehmerin ankam und diese die Zahlung an Dritte nicht genehmigt hatte. Jedoch hat die Auftraggeberin einen Schadensersatzanspruch gegen die Werkunternehmerin aufgrund eines Verstoßes gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die Werkunternehmerin hatte beim Versand der Rechnung per E-Mail keine ausreichenden Sicherheitsmaßnahmen getroffen, insbesondere wurde keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung verwendet, was die Manipulation der Rechnung ermöglichte. Ein Mitverschulden der Auftraggeberin wurde verneint.
- Folgen: Die Werkunternehmerin trägt das alleinige Risiko des Schadens, der durch die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen beim E-Mail-Versand verursacht wurde. Das Urteil hat grundsätzliche Bedeutung für die Anforderungen an die E-Mail-Verschlüsselung im geschäftlichen Verkehr unter dem Gesichtspunkt der DSGVO bei Betrugsfällen durch Datenmanipulation.
Der Fall vor Gericht
OLG Schleswig-Holstein: Kein erneuter Zahlungsanspruch bei Rechnungsmanipulation – Werkunternehmerin haftet für unsicheren E-Mail-Versand
Was passiert, wenn eine per E-Mail versandte Rechnung von Kriminellen abgefangen, manipuliert und die Zahlung daraufhin auf einem falschen Konto landet? Muss der Auftraggeber dann den Rechnungsbetrag ein zweites Mal an den eigentlichen Rechnungssteller zahlen? Mit dieser Frage und den damit verbundenen Aspekten der Datensicherheit beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig-Holstein in einem bemerkenswerten Urteil (Az.: 12 U 9/24) vom 18. Dezember 2024. Das Gericht entschied, dass die Werkunternehmerin in diesem speziellen Fall keinen Anspruch auf eine erneute Zahlung hat, da sie aufgrund unzureichender Sicherheitsmaßnahmen beim E-Mail-Versand für den entstandenen Schaden haftet.
Der Ausgangspunkt: Eine erbrachte Leistung, eine manipulierte Rechnung und eine fehlgeleitete Zahlung

Zwischen einer Werkunternehmerin (im Folgenden: die Klägerin) und ihrer Auftraggeberin (im Folgenden: die Beklagte) bestand ein Werkvertrag, genauer gesagt ein Bauvertrag gemäß § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Klägerin erbrachte die vereinbarten Bauleistungen ordnungsgemäß. Nach der Abnahme des Werkes am 12. Januar 2023 und der Ausstellung einer Schlussrechnung am 26. September 2022 war noch eine Restvergütung in Höhe von 15.385,78 Euro offen.
Die Beklagte überwies daraufhin einen Betrag von 14.924,20 Euro, bei dem bereits ein Skonto abgezogen war. Diese Zahlung landete jedoch nicht auf dem Konto der Klägerin, sondern auf dem Konto eines unbekannten Dritten. Der Grund hierfür war, dass die Rechnung, auf deren Basis die Zahlung erfolgte, von Kriminellen manipuliert worden war – die Bankverbindung war ausgetauscht worden. Die Klägerin, die ihr Geld nicht erhalten hatte, forderte die Beklagte daraufhin auf, den ausstehenden Betrag erneut zu zahlen.
Der Weg durch die Instanzen: Das Landgericht Kiel sah die Zahlungspflicht bei der Auftraggeberin
Bevor das OLG Schleswig-Holstein entschied, hatte sich bereits das Landgericht (LG) Kiel mit dem Fall befasst (Az. 9 O 110/23) und der Klage der Werkunternehmerin stattgegeben. Das LG Kiel argumentierte, dass die Zahlung der Beklagten auf das falsche Konto die Schuld nicht getilgt habe. Eine sogenannte Erfüllungswirkung einer Zahlung trete nach § 362 BGB erst dann ein, wenn der Gläubiger – hier die Klägerin – den geschuldeten Betrag endgültig zur freien Verfügung erhalte. Dies sei bei einer Gutschrift auf einem Drittkonto nicht der Fall.
Einen Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin, den die Beklagte der Zahlungsforderung hätte entgegenhalten können, verneinte das Landgericht. Es führte an, dass es keine konkreten gesetzlichen Vorgaben für Sicherheitsvorkehrungen beim E-Mail-Versand gebe. Die Klägerin habe zudem dargelegt, dass sie ausreichende Mindestschutzmaßnahmen (eine Transportverschlüsselung namens SMTP über TLS) getroffen habe. Da dies der erste Fall einer Rechnungsmanipulation gewesen sei, wäre für die Klägerin auch kein erhöhtes Risiko erkennbar gewesen, das sie zu besonderen Schutzmaßnahmen verpflichtet hätte. Überdies sei unklar, wie genau die Manipulation stattgefunden habe, sodass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung der Klägerin und dem Schaden nicht nachgewiesen sei. Schließlich, so das LG, hätte ein möglicher Schadensersatzanspruch der Beklagten wegen erheblichen Mitverschuldens gekürzt werden müssen, da die manipulierte Rechnung deutliche optische Unterschiede und fehlende Elemente im Vergleich zu früheren Rechnungen aufgewiesen habe.
Die Argumente in der Berufung: Wer trägt das Risiko der Manipulation?
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung beim OLG Schleswig-Holstein ein. Sie argumentierte, die Angabe einer neuen Bankverbindung in der manipulierten Rechnung sei als stillschweigender Widerruf der bisherigen Kontoverbindung zu verstehen gewesen. Sie habe zum Zeitpunkt der Überweisung nichts von der Manipulation gewusst und sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Bankdaten gesondert zu überprüfen. Vielmehr machte die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin geltend, der ihre Zahlungspflicht entfallen lasse. Sie bestritt, dass die Klägerin ausreichende Sicherheitsmaßnahmen getroffen habe und verwies auf eine „Orientierungshilfe der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK)“. Diese fordere eine Transportverschlüsselung, um die Vertraulichkeit beim E-Mail-Versand personenbezogener Daten zu wahren. Die Beklagte vermutete, dass gerade eine fehlende oder unzureichende Verschlüsselung auf Seiten der Klägerin die Manipulation ermöglicht habe und bot hierfür einen Sachverständigenbeweis an. Ein Mitverschulden wies sie zurück, da die optischen Mängel der Rechnung bei einer handschriftlich ausgefüllten Überweisung nicht relevant gewesen seien.
Der Streithelfer der Beklagten, ihr Architekt A., unterstützte die Berufung. Er betonte, die von der Klägerin versandte PDF-Rechnung sei ohne Schutzfunktionen verschickt worden, weshalb die Risiken hierfür allein bei der Klägerin lägen. Die Klägerin wiederum beantragte die Zurückweisung der Berufung und verteidigte das Urteil des Landgerichts.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein: Klage abgewiesen
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein kam zu einer anderen Bewertung als die Vorinstanz. Es änderte das Urteil des Landgerichts Kiel ab und wies die Klage der Werkunternehmerin auf erneute Zahlung vollständig ab. Die Klägerin muss somit die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen, einschließlich der Kosten des Streithelfers der Beklagten. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das OLG ließ jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof zu, da der Fall grundsätzliche Rechtsfragen aufwirft.
Die detaillierten Entscheidungsgründe des OLG
Das Gericht begründete seine Entscheidung ausführlich und stützte sich dabei maßgeblich auf datenschutzrechtliche Aspekte und die Verantwortlichkeit für Sicherheitsmaßnahmen.
Grundsatz bestätigt: Zahlung an Dritte ohne Ermächtigung befreit nicht von der Schuld
Zunächst bestätigte das OLG die Auffassung des Landgerichts, dass die Zahlung der Beklagten auf das manipulierte Konto die ursprüngliche Forderung der Klägerin nicht gemäß § 362 Absatz 2 BGB erfüllt hat. Dieser Paragraph regelt, wann eine Schuld durch Leistung erlischt. Das Gericht stellte klar: Für eine schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung an einen Dritten reicht es nicht aus, dass der Schuldner (hier die Beklagte) gutgläubig annimmt, auf das richtige Konto des Gläubigers (hier die Klägerin) zu zahlen.
Eine Erfüllungswirkung tritt vielmehr nur ein, wenn der Dritte vom Gläubiger tatsächlich rechtsgeschäftlich ermächtigt wurde, die Leistung entgegenzunehmen, oder wenn der Gläubiger dem Schuldner die Leistung an den Dritten gestattet hat (gemäß §§ 362 Abs. 2, 185 BGB). Eine Leistung an einen nicht empfangsberechtigten Dritten – wie im Fall der manipulierten Kontodaten – erlangt erst dann erfüllende Wirkung, wenn der Dritte das Geld an den eigentlichen Gläubiger weiterleitet oder der Gläubiger die Zahlung an den Dritten nachträglich genehmigt. All diese Voraussetzungen lagen hier unstreitig nicht vor.
Der entscheidende Punkt: Schadensersatzanspruch der Auftraggeberin wegen DSGVO-Verstoßes
Obwohl die Zahlung auf das falsche Konto die Schuld nicht getilgt hatte, musste die Beklagte laut OLG dennoch nicht erneut zahlen. Der Grund: Ihr stand ein Schadensersatzanspruch in Höhe des fehlgeleiteten Betrags gegen die Klägerin zu. Diesen Anspruch konnte die Beklagte der Forderung der Klägerin als sogenannte „dolo-agit-Einwendung“ nach § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) entgegenhalten. Vereinfacht gesagt bedeutet das: Es wäre treuwidrig von der Klägerin, die Zahlung zu verlangen, wenn sie der Beklagten gleichzeitig denselben Betrag als Schadensersatz schuldet.
Diesen Schadensersatzanspruch leitete das OLG primär aus Artikel 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ab. Auch wenn sich die Beklagte nicht ausdrücklich auf diese Norm berufen hatte, ist es Aufgabe des Gerichts, den vorgetragenen Sachverhalt unter alle in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkte zu prüfen.
Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Das Gericht stellte zunächst fest, dass die DSGVO im vorliegenden Fall anwendbar ist.
Die per E-Mail versandte Rechnung enthielt personenbezogene Daten der Beklagten (Name, Anschrift, Kundenbeziehung, Details zur offenen Forderung), wie sie in Artikel 4 Nummer 1 DSGVO definiert sind. Der Versand dieser Rechnung per E-Mail stellt eine „Verarbeitung“ dieser Daten im Sinne von Artikel 4 Nummer 2 DSGVO dar, nämlich eine „Offenlegung durch Übermittlung“.
Zwar wurden nicht die personenbezogenen Daten der Beklagten selbst manipuliert, sondern die Bankverbindung der Klägerin. Das Gericht betonte jedoch, dass ohne den unbefugten Zugriff auf die E-Mail mit den Daten der Beklagten und deren Manipulation die Beklagte nicht dazu veranlasst worden wäre, auf das falsche Konto zu zahlen. Die Klägerin handelte als Unternehmen und damit nicht im Rahmen des sogenannten Haushaltsprivilegs (Art. 2 Abs. 2 lit. c DSGVO). Die Beklagte ist als geschädigte Person anspruchsberechtigt (Art. 82 Abs. 1 DSGVO), die Klägerin als für die Datenverarbeitung „Verantwortliche“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO die richtige Anspruchsgegnerin.
Verstoß gegen die DSGVO: Unzureichende technische und organisatorische Maßnahmen
Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO setzt einen Verstoß gegen die Verordnung, einen entstandenen Schaden und einen Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden voraus.
Das OLG sah einen Verstoß der Klägerin gegen die Grundsätze der Artikel 5, 24 und 32 DSGVO. Diese Artikel verpflichten den Verantwortlichen unter anderem zur Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit der Daten sowie zur Implementierung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen (TOMs), um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau sicherzustellen.
Zwar bedeutet ein unbefugter Zugriff Dritter nicht automatisch, dass die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen ungeeignet waren. Umgekehrt ist der Verantwortliche aber auch nicht von seiner Haftung befreit, nur weil der Schaden durch einen Dritten verursacht wurde. Entscheidend ist: Im Rahmen ihrer Rechenschaftspflicht (Art. 5 Abs. 2, Art. 24 DSGVO) muss die Klägerin darlegen und beweisen, dass ihre Sicherheitsmaßnahmen geeignet waren, die Daten angemessen zu schützen. Diesen Nachweis hat die Klägerin nach Ansicht des OLG nicht erbracht.
Die vom Klägerin behauptete Transportverschlüsselung (SMTP über TLS) beim E-Mail-Versand stufte das Gericht als nicht ausreichend und damit nicht als „geeignet“ im Sinne der DSGVO ein. Ob diese Verschlüsselung tatsächlich durchgehend funktionierte, konnte daher offenbleiben. Das Gericht verwies darauf, dass die Geeignetheit von Maßnahmen konkret unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Kosten, der Art und des Zwecks der Verarbeitung sowie der Risiken zu beurteilen ist.
Unter Bezugnahme auf die bereits erwähnte „Orientierungshilfe“ der Datenschutzkonferenz und Informationen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) führte das OLG aus:
- Es gibt einen Unterschied zwischen Transportverschlüsselung (wie SMTP über TLS) und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung.
- Eine reine Transportverschlüsselung sichert nur den Übertragungsweg zwischen dem E-Mail-Programm und dem Mailserver, nicht aber die E-Mail selbst auf den Servern der Provider oder an Zwischenstationen. Dort liegt sie im Klartext vor und ist anfällig für Angriffe (z.B. „Man-in-the-Middle-Angriffe“).
- Nur die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung schützt den Inhalt der E-Mail selbst, sodass nur Sender und Empfänger mit dem passenden Schlüssel sie lesen können. Sie gewährleistet Vertraulichkeit, Authentizität und Integrität der Nachricht.
- Für einen Geschäftsbetrieb wie den der Klägerin sei es ausgeschlossen, geschäftliche E-Mails mit personenbezogenen Daten völlig unverschlüsselt zu versenden.
- Eine bloße Transportverschlüsselung sei nicht ausreichend, um ein angemessenes Sicherheitsniveau für Rechnungen mit personenbezogenen Daten zu gewährleisten. Da es um eine Rechnung und damit um eine geschäftliche Transaktion mit direkten finanziellen Auswirkungen und der Verwendung sensibler personenbezogener Daten ging, sah das Gericht die Anforderungen an die Sicherheit als erhöht an.
Entstandener Schaden und ursächliche Verbindung
Der Beklagten ist ein materieller Schaden in Höhe der fehlgeleiteten Zahlung von 14.924,20 Euro entstanden. Der Verstoß der Klägerin gegen die DSGVO – also die unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen beim E-Mail-Versand – war nach Überzeugung des Gerichts auch ursächlich für diesen Schaden, da er die Manipulation der Rechnung und die darauf basierende Fehlüberweisung erst ermöglichte.
Kein Mitverschulden der Auftraggeberin
Ein Mitverschulden der Beklagten, das ihren Schadensersatzanspruch mindern könnte (§ 254 BGB), sah das OLG Schleswig-Holstein – anders als das Landgericht – nicht. Die vom Landgericht angeführten optischen Unterschiede und fehlenden Elemente der manipulierten Rechnung wertete das OLG nicht als ausreichend für die Annahme eines Mitverschuldens. Somit trägt nach Ansicht des OLG die Klägerin das alleinige Risiko des Schadens, der durch die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen in ihrer Sphäre verursacht wurde.
Zulassung der Revision: Grundsätzliche Bedeutung der E-Mail-Sicherheit
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat. Dies geschah aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, welche konkreten Anforderungen an die E-Mail-Verschlüsselung im geschäftlichen Verkehr unter Berücksichtigung der DSGVO bei Betrugsfällen durch Datenmanipulation zu stellen sind. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich der Bundesgerichtshof zu dieser praxisrelevanten Thematik äußern wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Bei manipulierten Rechnungen mit falschen Bankdaten muss der Zahlende nicht doppelt zahlen, wenn dem Rechnungssteller ein Datenschutzverstoß nachgewiesen werden kann. Das OLG Schleswig-Holstein entschied, dass unzureichende E-Mail-Verschlüsselung (nur Transport- statt Ende-zu-Ende-Verschlüsselung) bei Rechnungsversand gegen die DSGVO verstößt und zu Schadensersatzansprüchen führt. Unternehmen müssen beim elektronischen Rechnungsversand angemessene Sicherheitsmaßnahmen implementieren, um sich vor finanziellen Verlusten zu schützen, da sie sonst für fehlgeleitete Zahlungen haften können.
Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich eine Rechnung zweimal bezahlen, wenn die erste Zahlung wegen Betrugs auf ein falsches Konto ging?
Grundsätzlich gilt: Ihre Zahlungspflicht ist erst dann erfüllt, wenn das Geld auf dem Konto des tatsächlichen Rechnungsstellers (Gläubigers) angekommen ist. Geht eine Zahlung aufgrund von Betrug auf ein falsches Konto, ist die ursprüngliche Geldforderung des Gläubigers nicht automatisch beglichen. Das bedeutet, der Rechnungssteller kann die Zahlung erneut fordern, da er sein Geld ja nicht erhalten hat.
Wann muss nicht noch einmal gezahlt werden?
Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme, die in der Praxis von großer Bedeutung ist, gerade wenn es um Cyberkriminalität wie manipulierte Rechnungen geht. Sie müssen die Rechnung nicht zweimal bezahlen, wenn der Rechnungssteller eine Mitschuld daran trägt, dass die Zahlung auf das falsche Konto ging.
Dies ist der Fall, wenn der Rechnungssteller oder dessen Kommunikationswege (wie zum Beispiel E-Mail-Systeme) gehackt wurden und dadurch die gefälschten Bankdaten an Sie gelangt sind. Stellen Sie sich vor, das E-Mail-System eines Bauunternehmens wird manipuliert und Betrüger senden Ihnen von dort eine gefälschte Rechnung mit geänderten Kontodaten. In einer solchen Situation wird die Verantwortung für das Risiko, dass die Zahlung nicht ankommt, zwischen Ihnen als Zahler und dem Rechnungssteller aufgeteilt.
Wer trägt das Risiko?
Die Frage, wer das Risiko trägt, dass die Zahlung nicht richtig ankommt, hängt entscheidend von den konkreten Umständen des Betrugsfalles ab:
- Risiko des Zahlers: Normalerweise trägt der Zahler das Risiko, dass seine Überweisung auch wirklich das korrekte Konto erreicht. Es liegt in seiner Verantwortung, die Bankdaten sorgfältig zu prüfen.
- Risiko des Rechnungsstellers: Dieses Risiko verschiebt sich jedoch ganz oder teilweise auf den Rechnungssteller, wenn der Betrug in dessen Einflussbereich oder Sphäre stattgefunden hat. Das ist der Fall, wenn beispielsweise die IT-Systeme des Rechnungsstellers unzureichend gesichert waren und die Betrüger dadurch die Möglichkeit bekamen, die Rechnungen oder Kontodaten zu manipulieren und an Sie zu senden. Wenn Sie also die manipulierte Rechnung von einer E-Mail-Adresse erhalten haben, die scheinbar zum Rechnungssteller gehört und aufgrund der Umstände davon ausgehen konnten, dass die neuen Bankdaten legitim sind, kann der Rechnungssteller für den entstandenen Schaden mitverantwortlich sein.
Für Sie bedeutet das: Konnte der Rechnungssteller durch eine bessere Sicherung seiner Systeme oder Kommunikation den Betrug verhindern, und Sie haben die Überweisung an das falsche Konto in gutem Glauben getätigt, weil die Information scheinbar vom Rechnungssteller kam, dann kann es sein, dass Sie die Rechnung nicht erneut bezahlen müssen. Es ist entscheidend, ob der Rechnungssteller seinen Pflichten zur sicheren Kommunikation und Datenübermittlung ausreichend nachgekommen ist.
Wann haftet ein Unternehmen für Schäden, die durch manipulierte E-Mail-Rechnungen entstehen?
Ein Unternehmen kann für Schäden, die durch manipulierte E-Mail-Rechnungen entstehen, haftbar sein, wenn es seinen Pflichten zur IT-Sicherheit nicht ausreichend nachgekommen ist und der Schaden direkt dadurch verursacht wurde. Diese Pflichten ergeben sich insbesondere aus dem Datenschutzrecht und den allgemeinen zivilrechtlichen Sorgfaltspflichten.
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und IT-Sicherheitspflichten
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ist eine zentrale Rechtsgrundlage, die Unternehmen zu umfassenden Schutzmaßnahmen verpflichtet. Auch wenn es um Rechnungen geht, die personenbezogene Daten enthalten (wie Name, Adresse, Bankverbindung), sind die Regeln der DSGVO relevant.
- Pflicht zu angemessenen technischen und organisatorischen Maßnahmen (TOMs): Artikel 32 der DSGVO verlangt von Unternehmen, „angemessene technische und organisatorische Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Sicherheit der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten. Das bedeutet, ein Unternehmen muss seine IT-Systeme und Kommunikationswege so schützen, dass Daten sicher sind und Manipulationen erschwert werden.
- Was bedeutet „angemessen“? Diese Maßnahmen müssen dem Stand der Technik entsprechen, die Art, den Umfang, die Umstände und Zwecke der Datenverarbeitung berücksichtigen und das Risiko für die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen bewerten. Es geht nicht um absolute Sicherheit, sondern um ein dem Risiko angepasstes Schutzniveau.
- Beispiele für solche Maßnahmen im Kontext von E-Mail-Rechnungen: Dazu gehören sichere E-Mail-Systeme, Verschlüsselung sensibler Daten, Zugangsbeschränkungen zu Systemen mit Rechnungsdaten, regelmäßige Sicherheitsupdates, Firewalls, Virenschutz und vor allem auch die Schulung von Mitarbeitern im Umgang mit Cybergefahren. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel unverschlüsselte E-Mails mit sensiblen Rechnungsdaten versendet, obwohl dies technisch möglich und zumutbar wäre, könnte dies als Mangel an angemessenen Maßnahmen angesehen werden.
- Recht auf Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO: Entsteht einem Empfänger durch eine Verletzung der DSGVO-Pflichten – also durch unzureichende Sicherheitsmaßnahmen des rechnungsstellenden Unternehmens – ein Schaden, kann ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen. Für Sie als Geschädigter (zum Beispiel das Bauunternehmen im genannten Kontext, das eine manipulierte Rechnung erhält und Geld überweist) bedeutet das, dass das Unternehmen, von dem die Rechnung scheinbar kam, möglicherweise haftet, wenn die Manipulation aufgrund seiner mangelhaften IT-Sicherheit möglich war.
Wann genau eine Haftung eintritt
Eine Haftung des Unternehmens tritt dann ein, wenn nachgewiesen werden kann, dass der Schaden (z.B. der Verlust des überwiesenen Geldes) direkt auf eine Verletzung der oben genannten Sicherheitspflichten des Unternehmens zurückzuführen ist.
- Ursache der Manipulation: Es muss also ein Zusammenhang bestehen zwischen den unzureichenden Sicherheitsmaßnahmen des Rechnungs stellenden Unternehmens und der Tatsache, dass die E-Mail-Rechnung manipuliert werden konnte. Wenn beispielsweise die Systeme des Unternehmens durch Hackerangriffe aufgrund fehlender Grundschutzmaßnahmen kompromittiert wurden und dies zur Manipulation der Rechnung führte, könnte eine Haftung bestehen.
- Keine Haftung bei unverschuldeten Angriffen: Wenn das Unternehmen alle angemessenen und dem Stand der Technik entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen ergriffen hat, aber dennoch Opfer eines hochprofessionellen Cyberangriffs wurde, der trotz aller Vorkehrungen nicht abgewendet werden konnte, ist eine Haftung unwahrscheinlich. Die Verantwortung liegt dann nicht bei einem Versäumnis des Unternehmens, sondern bei der kriminellen Energie Dritter.
Kurz gesagt: Ein Unternehmen haftet, wenn es die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen nicht getroffen hat, die nach den Umständen angemessen und zumutbar gewesen wären, und dieser Mangel ursächlich für die Manipulation der Rechnung und den entstandenen Schaden war. Jede Situation muss dabei im Einzelfall genau betrachtet werden, um zu beurteilen, ob ein Verstoß gegen die Sicherheitspflichten vorlag und dieser für den Schaden verantwortlich war.
Welche Sicherheitsmaßnahmen sind für den E-Mail-Versand von Rechnungen wichtig, um Betrug zu verhindern?
Warum sichere E-Mail-Kommunikation für Rechnungen so wichtig ist
Der E-Mail-Versand von Rechnungen birgt ein Risiko, da diese wichtige Finanzinformationen enthalten und ein attraktives Ziel für Betrüger darstellen. Es geht darum, sicherzustellen, dass die Rechnung vom richtigen Absender stammt und ihr Inhalt während der Übertragung nicht verändert wurde. Betrüger manipulieren oft Bankverbindungen in Rechnungen, um Zahlungen auf eigene Konten umzuleiten. Dies erfordert präventive Maßnahmen, die über den Standard-E-Mail-Verkehr hinausgehen.
Die Grenzen der Transportverschlüsselung
Viele E-Mail-Anbieter nutzen eine sogenannte Transportverschlüsselung, oft erkennbar am „HTTPS“ in Webmail-Diensten oder durch Symbole wie ein Schloss. Stellen Sie sich das wie einen gesicherten Tunnel vor, durch den Ihre E-Mails auf dem Weg von einem E-Mail-Server zum nächsten reisen. Diese Verschlüsselung schützt den Übertragungsweg vor unbefugtem Mithören.
Das Problem dabei ist: Die Transportverschlüsselung allein sichert nicht den Inhalt der E-Mail selbst über die gesamte Strecke vom Absender bis zum Empfänger. Sobald die E-Mail aus dem verschlüsselten Tunnel kommt, beispielsweise auf dem Server des Empfängers, ist sie prinzipiell im Klartext verfügbar. Wenn also ein System des Absenders oder Empfängers bereits kompromittiert ist, kann die E-Mail dort manipuliert werden, bevor sie in den Tunnel geht oder nachdem sie ihn verlassen hat. Für Rechnungen, bei denen die Integrität (Unveränderlichkeit) und Authentizität (Echtheit der Herkunft) entscheidend sind, ist diese Art der Verschlüsselung oft nicht ausreichend.
Schutz der Inhalte: Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und digitale Signaturen
Um die Sicherheit von Rechnungen im E-Mail-Verkehr umfassend zu gewährleisten und Betrug zu verhindern, sind weitere Maßnahmen erforderlich:
- Ende-zu-Ende-Verschlüsselung: Dies ist vergleichbar mit einem versiegelten und verschlossenen Umschlag, den nur der vorgesehene Empfänger mit dem passenden Schlüssel öffnen kann. Bei dieser Methode (z.B. mittels S/MIME oder PGP) wird der Inhalt der E-Mail bereits beim Absender verschlüsselt und erst beim Empfänger entschlüsselt. Das bedeutet, selbst wenn jemand den „Tunnel“ der Transportverschlüsselung überwindet oder Zugriff auf einen Zwischenserver hat, ist die E-Mail für ihn unlesbar. Für Unternehmen und ihre Kunden bedeutet dies ein Höchstmaß an Vertraulichkeit.
- Digitale Signatur: Eine digitale Signatur ist wie eine digitale Echtheitsbestätigung und ein manipulationssicheres Siegel des Absenders. Sie erfüllt zwei wichtige Funktionen:
- Authentizität: Sie beweist, dass die E-Mail tatsächlich vom deklarierten Absender stammt.
- Integrität: Sie stellt sicher, dass der Inhalt der E-Mail seit der Signierung nicht verändert wurde. Wenn auch nur ein Zeichen in der Rechnung manipuliert wurde, wird die digitale Signatur als ungültig erkannt. Dies ist besonders wichtig, um die Manipulation von Bankverbindungen zu verhindern. Für Empfänger von Rechnungen ist die Überprüfung der digitalen Signatur ein entscheidender Schritt, um Betrug zu erkennen.
Zusätzlich zu diesen technischen Maßnahmen ist es für Unternehmen wichtig, dass E-Mail-Konten durch starke Passwörter und idealerweise eine Zwei-Faktor-Authentifizierung (2FA) geschützt sind. Dies minimiert das Risiko, dass Kriminelle überhaupt Zugriff auf das E-Mail-Konto erhalten und dort E-Mails manipulieren oder gefälschte Rechnungen versenden. wenngleich auch diese Maßnahmen keine absolute Sicherheit bieten. Um noch besser gegen Manipulationen geschützt zu sein, sollte man eine sichere, kryptografische Signatur (z.B. S/MIME-Signierung) verwenden.
Für Unternehmen gibt es gesetzliche Vorgaben, die die Unveränderbarkeit, Authentizität und Nachvollziehbarkeit von elektronischen Rechnungen verlangen, etwa die GoBD (Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff). Die genannten technischen Maßnahmen tragen maßgeblich dazu bei, diesen Anforderungen gerecht zu werden und die Sicherheit der Geschäftsprozesse zu erhöhen.
Kann ich Schadensersatz verlangen, wenn ich durch eine gefälschte E-Mail-Rechnung finanziell geschädigt wurde?
Ja, grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Schadensersatz zu verlangen, wenn Sie durch eine gefälschte E-Mail-Rechnung finanziell geschädigt wurden. Schadensersatz hat das Ziel, den erlittenen finanziellen Schaden auszugleichen, sodass Sie so gestellt werden, als ob der Schaden nie eingetreten wäre.
Gegen wen kann Schadensersatz verlangt werden?
Der primäre Adressat für Schadensersatzansprüche ist der Betrüger, der die gefälschte E-Mail-Rechnung erstellt und damit den finanziellen Schaden bei Ihnen verursacht hat. Damit ein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Betrüger besteht, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss ein tatsächlicher finanzieller Schaden entstanden sein.
- Die Handlung des Betrügers (das Fälschen der Rechnung und das Verleiten zur Zahlung) muss rechtswidrig gewesen sein (z.B. durch Betrug).
- Der Betrüger muss vorsätzlich (absichtlich) oder fahrlässig (durch Unachtsamkeit) gehandelt haben.
- Es muss ein direkter Zusammenhang zwischen der rechtswidrigen Handlung des Betrügers und Ihrem Schaden bestehen.
Ein häufiges Problem ist jedoch, dass es sehr schwierig sein kann, die Verantwortlichen solcher Cyberstraftaten zu identifizieren und rechtlich zur Rechenschaft zu ziehen, da sie oft anonym agieren.
Haftung des ursprünglichen Rechnungsstellers oder Dritter
In bestimmten, besonderen Fällen könnte unter Umständen auch ein Schadensersatzanspruch gegen das Unternehmen in Betracht kommen, dessen Name oder Rechnung missbraucht wurde oder dessen Systeme möglicherweise kompromittiert wurden. Dies ist dann denkbar, wenn dieses Unternehmen eigene Pflichten verletzt hat, die zur Ermöglichung des Betrugs beigetragen haben.
Ein wichtiger Aspekt kann hierbei eine Verletzung datenschutzrechtlicher Pflichten (beispielsweise nach der Datenschutz-Grundverordnung – DSGVO) sein. Wenn es in diesem Unternehmen zu einer Datenpanne kam, die es den Betrügern ermöglichte, sensible Informationen zu erlangen oder zu manipulieren (wie zum Beispiel Bankverbindungen in einer Rechnung), könnte eine solche Pflichtverletzung einen Ansatzpunkt für Schadensersatzansprüche bieten. Auch die Verletzung allgemeiner IT-Sicherheitspflichten kann eine Rolle spielen, wenn unzureichende Schutzmaßnahmen die Manipulation von Daten oder Systemen ermöglichten.
Für einen solchen Anspruch ist es entscheidend, dass ein nachweisbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung des Unternehmens und dem von Ihnen erlittenen Schaden besteht. Das bedeutet, der Schaden muss genau aufgrund dieser Pflichtverletzung entstanden sein. Die rechtliche Beurteilung solcher Fälle ist komplex und erfordert eine genaue Prüfung aller Umstände.
Was sollte ich sofort tun, wenn ich den Verdacht habe, auf eine gefälschte E-Mail-Rechnung bezahlt zu haben?
Wenn Sie den Verdacht haben, eine Überweisung aufgrund einer gefälschten E-Mail-Rechnung getätigt zu haben, ist schnelles Handeln wichtig, um den entstandenen Schaden zu begrenzen oder zu verhindern. Hier sind die allgemeinen Schritte, die in solchen Fällen relevant sind:
Sofortige Kontaktaufnahme mit Ihrer Bank
Der erste und wichtigste Schritt ist der direkte Kontakt zu Ihrer Bank. Informieren Sie die Bank unverzüglich über den Vorfall. Erklären Sie, dass Sie den Verdacht haben, auf eine betrügerische Rechnung bezahlt zu haben. Die Bank kann versuchen, die Überweisung zu stoppen oder rückgängig zu machen. Ob dies gelingt, hängt vom Zeitpunkt Ihrer Meldung und der Bearbeitungszeit der Bank ab. Bei bereits ausgeführten Überweisungen sind die Möglichkeiten, Geld zurückzuholen, leider oft begrenzt, aber ein schneller Versuch ist immer ratsam.
Kontaktaufnahme mit dem tatsächlichen Gläubiger
Nehmen Sie auch Kontakt mit dem Unternehmen oder der Person auf, von der die ursprüngliche, echte Rechnung hätte kommen sollen. Dies dient der Klärung. Wenn es sich tatsächlich um eine Fälschung handelt, ist der ursprüngliche Gläubiger nicht der Empfänger Ihrer Zahlung und wird seinerseits möglicherweise ebenfalls über Betrugsversuche informiert sein oder werden müssen. So können Sie sicherstellen, dass Sie nicht doppelt zahlen und der tatsächliche Gläubiger über den Betrug informiert ist.
Beweismittel sorgfältig sichern
Es ist entscheidend, alle verfügbaren Informationen und Dokumente zu sichern, die mit dem Vorfall in Verbindung stehen. Dazu gehören insbesondere:
- Die gefälschte E-Mail-Rechnung selbst (am besten als vollständige E-Mail mit Kopfzeilen, da diese wichtige technische Informationen enthalten).
- Der Nachweis Ihrer Zahlung (z.B. Kontoauszüge, Überweisungsbestätigungen).
- Möglicherweise weitere Korrespondenz oder Dokumente, die mit dem Betrugsversuch zusammenhängen.
Diese gesicherten Informationen sind wichtige Anhaltspunkte für mögliche weitere Schritte und für die Aufklärung des Sachverhalts.
Erwägung einer Strafanzeige
Da es sich bei der Zahlung auf eine gefälschte Rechnung in der Regel um eine Form von Betrug oder Datenmissbrauch handelt, ist es in vielen Fällen sinnvoll, eine Strafanzeige bei der Polizei zu stellen. Eine Strafanzeige dient dazu, die Behörden über eine Straftat zu informieren und kann Ermittlungen einleiten. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Täter zur Rechenschaft zu ziehen und gegebenenfalls weitere Betrugsfälle zu verhindern. Sie können die gesicherten Beweismittel bei der Anzeige vorlegen.
Diese Schritte sind allgemeine Empfehlungen für das Vorgehen bei einem Verdacht auf eine betrügerische Zahlung und dienen der Information.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar
Juristische Fachbegriffe kurz erklärt
Werkvertrag gemäß § 631 BGB
Ein Werkvertrag ist ein Vertrag, bei dem sich der Unternehmer zur Herstellung eines bestimmten Werkes verpflichtet und der Besteller zur Zahlung der vereinbarten Vergütung. Nach § 631 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) steht im Vordergrund das Herbeiführen eines bestimmten Erfolges, z.B. die ordnungsgemäße Fertigstellung eines Bauwerks. Der Werkunternehmer schuldet also nicht nur eine Tätigkeit, sondern das Ergebnis der Arbeit. Im hier geschilderten Fall verpflichtete sich die Klägerin, Bauleistungen zu erbringen, deren erfolgreiche Abnahme Voraussetzung für die Zahlung war.
Beispiel: Wenn ein Handwerker beauftragt wird, ein Hausdach zu decken, schuldet er nicht nur das Tätigwerden, sondern die Fertigstellung eines dichtes Daches.
Erfüllungswirkung einer Zahlung (§ 362 BGB)
Gemäß § 362 BGB erlischt eine Schuld durch Leistung, also wenn der Schuldner dem Gläubiger die geschuldete Sache oder Geld korrekt übergibt. Die Erfüllungswirkung bedeutet, dass mit der Zahlung die Verpflichtung des Schuldners erlischt. Entscheidend ist, dass die Zahlung dem Gläubiger tatsächlich und endgültig zur Verfügung steht. Im Fall einer Zahlung auf ein manipuliertes Konto eines Dritten liegt keine Erfüllung vor, weil der Gläubiger das Geld nicht erhalten hat und daher die Schuld weiterhin besteht.
Beispiel: Wenn Sie jemandem 100 Euro schulden und das Geld versehentlich an einen Fremden überweisen, sind Sie weiterhin schuldig, da der Gläubiger das Geld nicht erhalten hat.
Technisch-Organisatorische Maßnahmen (TOMs) gemäß Art. 32 DSGVO
Technisch-organisatorische Maßnahmen sind alle technischen und organisatorischen Vorkehrungen, die ein Unternehmen ergreift, um personenbezogene Daten vor unbefugtem Zugriff, Veränderung oder Verlust zu schützen. Nach Art. 32 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) müssen diese Maßnahmen dem aktuellen Stand der Technik, dem Schutzbedarf der Daten sowie den Risiken angepasst sein. Dazu zählen beispielsweise Verschlüsselung, Zugangsbeschränkungen und regelmäßige Sicherheitsüberprüfungen. Im vorliegenden Fall waren die vom Rechnungssteller getroffenen Maßnahmen unzureichend, da allein eine Transportverschlüsselung nicht den Schutz der Daten auf den Servern und am Endgerät gewährleistete.
Beispiel: Ein Unternehmen verschlüsselt die Übertragung von E-Mails, verwendet aber keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung; so können Daten auf Servern abgefangen und manipuliert werden.
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist eine Sicherheitsmethode, bei der eine Nachricht bereits beim Absender verschlüsselt wird und erst beim Empfänger entschlüsselt werden kann. Nur Sender und Empfänger besitzen die nötigen Schlüssel für das Ver- und Entschlüsseln, wodurch der Inhalt selbst auf Transportwegen und Servern geschützt bleibt. Diese Methode garantiert Vertraulichkeit und verhindert, dass Dritte Nachrichten lesen oder verändern können. Anders als bei einfacher Transportverschlüsselung bleibt die E-Mail dadurch auch auf den Servern geschützt.
Beispiel: Eine per Ende-zu-Ende-verschlüsselte Nachricht ist vergleichbar mit einem verschlossenen Briefumschlag, den nur der Adressat öffnen kann; kein Postbeamter oder Zwischenstation kann den Inhalt sehen oder verändern.
Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO
Artikel 82 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) regelt, dass Personen, die durch eine Verletzung der Datenschutzvorschriften einen Schaden erleiden, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen der Datenverarbeitung haben. Voraussetzung ist, dass die Pflichtverletzung ursächlich für den Schaden ist. Im hier dargestellten Fall hatte die Klägerin als Verantwortliche die Pflicht, angemessene Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, was nicht ausreichend geschah. Dadurch wurde ein Schaden in Form der fehlgeleiteten Zahlung verursacht, weshalb die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz hatte.
Beispiel: Wenn ein Unternehmen Kundendaten nicht ausreichend schützt und dadurch Daten gestohlen und missbraucht werden, können Betroffene Schadenersatz verlangen, um ihre Verluste auszugleichen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 362 Absatz 2 BGB (Erfüllung durch Dritte): Regelt, dass eine Leistungserfüllung auch über einen Dritten wirksam sein kann, sofern dieser vom Gläubiger ermächtigt ist oder der Schuldner berechtigt ist, an den Dritten zu leisten. Ohne diese Ermächtigung behält die Schuld ihren Bestand. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zahlung an das manipulierte Konto eines Dritten durch die Beklagte erbringt keine Erfüllung der Forderung. Eine erneute Zahlungspflicht gegenüber der Werkunternehmerin besteht grundsätzlich, da keine wirksame Erfüllung eingetreten ist.
- Art. 82 DSGVO (Rechtsbehelfe und Haftung): Gewährt Betroffenen einen Anspruch auf Schadensersatz bei Verstößen gegen die DSGVO, wenn ein Schaden durch eine Verletzung der Datenschutzvorschriften entstanden ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Beklagte kann gegenüber der Klägerin Schadensersatz in Höhe des fehlgeleiteten Betrags geltend machen, da die Klägerin gegen datenschutzrechtliche Pflichten verstoßen und dadurch den Schaden verursacht hat.
- Art. 5 Abs. 1, Art. 24 und Art. 32 DSGVO (Grundsätze der Datenverarbeitung, Verantwortlichkeit und Sicherheit): Verlangen eine angemessene technische und organisatorische Umsetzung von Datenschutzmaßnahmen durch den Verantwortlichen, insbesondere Schutz der Datenintegrität und -vertraulichkeit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Klägerin hat nach Auffassung des OLG keine geeigneten Sicherheitsmaßnahmen getroffen, speziell keine angemessene E-Mail-Verschlüsselung, was zur Manipulation der Rechnung und zum Schaden führte.
- § 242 BGB (Treu und Glauben): Verbietet Rechtsausübung, die gegen Treu und Glauben verstößt; dient als Grundlage für Einwendungen und Einreden zur Verhinderung von Rechtsmissbrauch. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG erlaubte der Beklagten, den Schadensersatzanspruch gegen die Forderung der Klägerin als Einwendung entgegenzuhalten, weil es treuwidrig wäre, doppelt zu zahlen.
- § 254 BGB (Mitverschulden): Regelt die Haftungsverteilung bei Schäden, wenn beide Parteien eine Mitschuld tragen; der Schaden wird entsprechend gekürzt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG verneinte ein Mitverschulden der Beklagten, da die optischen Unterschiede der manipulierten Rechnung keine Such- und Prüfpflichten auslösten, sodass die Klägerin das alleinige Risiko trägt.
- Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB): Regelt die vertraglichen Pflichten bei Herstellung eines Werkes, einschließlich Abnahme und Vergütung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Grundlage der Rechtsbeziehung ist ein Werkvertrag; die Klägerin hat die Leistungen erbracht, sodass die Vergütungsforderung grundsätzlich besteht, jedoch durch den Schadensersatzanspruch eingeschränkt wird.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 12 U 9/24 – Urteil vom 18.12.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.