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Parkplatzeinfahrt über abgesenkten Bordstein – Pflichten Kraftfahrzeugführer

Der kurze Weg vom Supermarkt-Parkplatz auf die Hauptstraße wurde zur Crash-Zone. Als ein Autofahrer auf die belebte Straße einfuhr, kam es zum Zusammenstoß mit dem fließenden Verkehr. Wer trägt die Verantwortung, wenn beim Verlassen eines Parkplatzes ein Unfall passiert? Ein Gerichtsurteil liefert nun eine unmissverständliche Antwort auf diese alltägliche Gefahr.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 U 155/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
  • Verfahrensart: Berufung
  • Rechtsbereiche: Straßenverkehrsrecht, Zivilprozessrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Fahrer, der vom Parkplatz in die Straße einfuhr und in der Berufung höhere Schadensersatzansprüche verfolgte.
  • Beklagte: Der Fahrer des auf der Straße fahrenden Fahrzeugs und seine Haftpflichtversicherung.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Ein Fahrer fuhr von einem Parkplatz auf eine Straße ein und kollidierte mit einem dort fahrenden Auto. Der Kläger, der vom Parkplatz kam, sah den anderen Fahrer, fuhr aber dennoch ein. Er legte Berufung ein, um eine höhere Haftungsquote der Gegenseite zu erreichen.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, wer die Schuld an dem Unfall trägt: Der Fahrer, der von einem Parkplatz auf die Straße einfuhr, oder der Fahrer auf der Hauptstraße. Zentral war die Frage, wer wessen Vorfahrt verletzte und wie die Verantwortlichkeiten verteilt sind.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Gericht wies die Berufung des Klägers zurück. Er erhält keinen weiteren Schadensersatz über den bereits in erster Instanz zugesprochenen geringen Betrag hinaus. Der Kläger muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen.
  • Begründung: Das Gericht begründete die Entscheidung damit, dass der Kläger den Unfall allein verschuldet hat. Er habe beim Einfahren von einem Parkplatz gegen seine Wartepflicht verstoßen und den vorrangigen Verkehr nicht durchfahren lassen. Schuldhaftes Verhalten des Fahrers auf der Hauptstraße konnte nicht nachgewiesen werden.
  • Folgen: Der Kläger erhält keinen weiteren Schadensersatz für seinen Schaden. Er muss die Kosten des Berufungsverfahrens tragen. Das erstinstanzliche Urteil, das ihm einen kleinen Betrag zusprach, bleibt bestehen und ist nun vollstreckbar.

Der Fall vor Gericht


Parkplatzausfahrt als Unfallfalle: Wer haftet, wenn es beim Einfädeln kracht?

Ein alltäglicher Vorgang: Das Ausfahren von einem Supermarktparkplatz auf eine belebte Straße. Doch was, wenn es hierbei zu einem Unfall kommt? Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hatte genau solch einen Fall zu entscheiden und fällte ein Urteil, das die strengen Pflichten für ausfahrende Autofahrer einmal mehr unterstreicht. Im Kern ging es um die Frage, wer die Verantwortung trägt, wenn ein Fahrzeug von einer Parkplatzausfahrt auf eine Hauptstraße einbiegt und mit dem fließenden Verkehr kollidiert. Das Gericht musste die Sorgfaltspflichten des Einfahrenden gegen den sogenannten Vertrauensgrundsatz des fließenden Verkehrs abwägen.

Der Crash an der Supermarktausfahrt: Worum ging es genau?

Kollision zweier Fahrzeuge bei Ausfahrt mit 'Vorfahrt achten'-Schild, Schäden, Straße, Gehweg
Symbolbild: KI-generiertes Bild

Am 28. Oktober 2022 kam es zu einem Verkehrsunfall. Der Kläger wollte mit seinem Fahrzeug von einem Aldi-Parkplatz nach rechts auf die … Straße einbiegen. Die Beklagtenseite bestand aus dem Fahrer des anderen beteiligten Fahrzeugs (Beklagter zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 2).

Die Ausfahrt des Parkplatzes, so stellte das Gericht fest, ist rechtlich nicht wie eine normale Straßeneinmündung zu behandeln, sondern als „anderer Straßenteil“, vergleichbar mit einer Grundstücksausfahrt. Für solche Ausfahrten gilt der § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO), der besonders hohe Sorgfaltsanforderungen an den Einfahrenden stellt. Am Beginn dieser Ausfahrt befand sich zudem ein „Vorfahrt-achten“-Schild. Bevor die Ausfahrt auf die Fahrbahn der … Straße mündet, kreuzt sie einen Bürgersteig und einen Radweg. Die … Straße selbst war in Fahrtrichtung des Beklagten zu 1 zweispurig.

Der Kläger gab an, er habe das von links auf dem linken Fahrstreifen herannahende Fahrzeug des Beklagten zu 1 zwar gesehen, sei aber dennoch in die Straße eingefahren. Es kam zu einer streifenden Kollision zwischen der vorderen linken Seite des Klägerfahrzeugs und der Seite des Fahrzeugs des Beklagten zu 1. Der Kläger behauptete, die Kollision habe sich etwa 8 bis 10 Meter nach dem „Vorfahrt-achten“-Schild ereignet, als sein Fahrzeug bereits parallel zur Fahrbahn gefahren sei. Seine Beifahrerin hingegen erinnerte sich, der Zusammenstoß sei fast unmittelbar nach Überqueren der Fahrradspur passiert.

Der Kläger forderte umfassenden Schadensersatz, darunter Reparaturkosten, Sachverständigenkosten und Nutzungsausfallentschädigung, und zielte auf eine vollständige Haftung der Beklagtenseite ab. Der Fall von Herrn K. illustriert eine typische Problematik bei Unfällen an Parkplatzausfahrten, wo die Einschätzung der Verkehrslage und die Einhaltung der Vorfahrtsregeln oft zu Konflikten führen.

Der Weg durch die Instanzen

In erster Instanz sprach das Landgericht Kaiserslautern dem Kläger nur einen kleinen Teil des geforderten Schadensersatzes zu (789,64 € plus Anwaltskosten). Dies deutete auf eine angenommene Haftungsquote von lediglich 10 % zu Lasten der Beklagten hin, obwohl diese Quote nicht explizit im Urteilstenor festgeschrieben wurde. Die weitergehenden Ansprüche des Klägers, insbesondere die Nutzungsausfallentschädigung, wies das Landgericht ab.

Unzufrieden mit dieser Entscheidung legte der Kläger Berufung beim OLG Zweibrücken ein. Sein Ziel: Eine hälftige Haftung (50 %) der Beklagtenseite und damit die Zuerkennung weiterer Schadensersatzbeträge.

Die kniffligen Fragen für das Oberlandesgericht

Das OLG Zweibrücken musste im Kern klären:

  • Hat der Kläger beim Einfahren von der Parkplatzausfahrt die ihm nach § 10 StVO obliegenden Sorgfaltspflichten verletzt?
  • Traf den Beklagten zu 1, der sich im fließenden Verkehr befand, ein Mitverschulden an dem Unfall?
  • Wie sind die jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge im Rahmen des § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zu gewichten, der die Haftungsverteilung bei einem Unfall regelt, an dem mehrere Kraftfahrzeuge beteiligt sind?

Klartext vom OLG Zweibrücken: Einfahrender haftet allein

Das Oberlandesgericht Zweibrücken wies die Berufung des Klägers zurück. Es entschied, dass dem Kläger über den bereits rechtskräftig zuerkannten geringen Betrag hinaus keine weiteren Schadensersatzansprüche zustehen. Der Kläger habe den Unfall allein verschuldet. Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 1 – also die generelle Gefahr, die vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht, auch ohne Verschulden des Fahrers – trete hinter dem groben Verschulden des Klägers vollständig zurück.

Die richterliche Lupe: Warum der Einfahrende die volle Verantwortung trägt

Die Richter begründeten ihre Entscheidung ausführlich und stützten sich dabei maßgeblich auf die Ausführungen eines Sachverständigen.

§ 10 StVO: Die strenge Pflicht des Einfahrenden

Zentral für das Urteil ist die Anwendung des § 10 Satz 1 StVO. Diese Vorschrift besagt: „Wer aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone (Zeichen 242.1 und 242.2), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325.1 und 325.2) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen.“


Die Schlüsselerkenntnisse

Dieses Urteil unterstreicht die strenge Pflicht für Fahrzeugführer, die aus Parkplätzen auf Hauptstraßen einfahren: Sie tragen die Hauptverantwortung für die Verkehrssicherheit beim Einfahren und müssen warten, bis dies gefahrlos möglich ist. Die Quintessenz liegt in der klaren Rechtsauslegung, dass die Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs hinter dem Verschulden des Einfahrenden zurücktritt. Die Bedeutung des Urteils zeigt sich in der praktischen Anwendung für den Alltag: Wer aus „anderen Straßenteilen“ wie Parkplätzen einfährt, muss besondere Vorsicht walten lassen und trägt bei Unfällen typischerweise die Hauptlast der Haftung.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet „Einfahren von einem anderen Straßenteil“ im Sinne der Straßenverkehrsordnung (StVO)?

In der Straßenverkehrsordnung (StVO) gibt es eine wichtige Regelung für das Einfahren in den fließenden Verkehr, die sich vom Abbiegen an einer normalen Kreuzung unterscheidet. Der Begriff „Einfahren von einem anderen Straßenteil“ bezieht sich auf Situationen, in denen Sie nicht von einer bereits dem durchgehenden Verkehr gewidmeten Straße in eine andere Straße wechseln.

Ein „anderer Straßenteil“ ist im Wesentlichen jeder Bereich, der nicht zum normalen, durchgehenden Verkehr einer Fahrbahn gehört. Dazu zählen zum Beispiel:

  • Parkplätze (öffentlich oder privat)
  • Grundstücke (z.B. private Einfahrten, Firmengelände)
  • Tankstellengelände
  • Rastplätze
  • Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigte Bereiche
  • Feld- oder Waldwege

Wenn Sie von einem solchen Bereich auf eine Straße einfahren möchten, gelten besondere Sorgfaltspflichten. Sie haben dabei grundsätzlich keine Vorfahrt gegenüber dem fließenden Verkehr auf der Straße, in die Sie einfahren. Dies ist der entscheidende Unterschied zum Abbiegen an einer regulären Kreuzung, wo Vorfahrtsregeln (wie „rechts vor links“ oder Verkehrszeichen) gelten.

Die StVO schreibt in solchen Fällen vor, dass Sie sich beim Einfahren so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das bedeutet, Sie müssen äußerste Vorsicht walten lassen. Sie dürfen erst dann auf die Straße fahren, wenn Sie sicher sind, dass dadurch niemand behindert oder in Gefahr gebracht wird. Stellen Sie sich vor, Sie verlassen eine Einfahrt auf eine vielbefahrene Straße: Sie müssen warten, bis wirklich kein Auto kommt, das durch Ihr Einfahren auch nur leicht abbremsen müsste.

Diese strenge Regelung soll sicherstellen, dass der fließende Verkehr auf der Straße nicht durch plötzlich einfahrende Fahrzeuge gestört oder gefährdet wird. Sie ist ein wichtiger Grundsatz, um Unfälle in solchen Übergangsbereichen zu vermeiden. Für Sie als Fahrer bedeutet das, dass Sie in solchen Situationen besonders aufmerksam sein müssen und im Zweifel warten sollten.


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Welche konkreten Verhaltensweisen werden von einem Kraftfahrzeugführer beim Einfahren über einen abgesenkten Bordstein gemäß § 10 StVO erwartet?

Wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug über einen abgesenkten Bordstein von einem Grundstück, einem Parkplatz, einem verkehrsberuhigten Bereich oder ähnlichem auf eine Straße fahren, müssen Sie gemäß § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) besonders vorsichtig sein. Diese Regelung bedeutet, dass Sie auf alles achten müssen, was auf der Straße passiert, auf die Sie auffahren möchten.

Für Sie als Fahrer bedeutet das konkret:

  • Ganz langsam fahren: Sie sollten sich der Straße nur in Schrittgeschwindigkeit nähern. Das ist so langsam, dass Sie jederzeit sofort anhalten können.
  • Intensiv beobachten: Schauen Sie sehr genau, was auf der Straße links und rechts von Ihnen geschieht. Achten Sie nicht nur auf Autos, sondern auch auf Fahrradfahrer und Fußgänger. Diese haben Vorrang, wenn Sie über den Bordstein fahren. Stellen Sie sicher, dass Sie freie Sicht haben.
  • Bereit sein anzuhalten: Wenn die Sicht nicht gut ist oder sich andere Verkehrsteilnehmer nähern, müssen Sie gegebenenfalls vollständig anhalten und warten. Es ist oft ratsam, erst kurz vor der Fahrbahn anzuhalten, um einen besseren Überblick zu bekommen.
  • Niemanden behindern oder gefährden: Sie dürfen nur dann auf die Straße fahren, wenn Sie sicher sind, dass dadurch kein anderer Verkehrsteilnehmer (egal ob im Auto, auf dem Fahrrad oder zu Fuß) seine Geschwindigkeit ändern, bremsen oder ausweichen muss. Sie müssen warten, bis die Straße für Sie frei ist.

Zusammengefasst erwartet der Gesetzgeber von Ihnen beim Überfahren eines abgesenkten Bordsteins also äußerste Vorsicht und die Pflicht, niemandem die Vorfahrt zu nehmen oder ihn zu behindern.


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In welchen Fällen kann der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr außer Kraft treten, und welche Auswirkungen hat dies auf die Haftung bei einem Unfall an einer Parkplatzausfahrt?

Der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr bedeutet, dass jeder Verkehrsteilnehmer sich grundsätzlich darauf verlassen darf, dass sich andere Verkehrsteilnehmer regelkonform verhalten. Sie dürfen also erwarten, dass andere die Verkehrsregeln beachten.

Dieser Grundsatz hat jedoch Grenzen. Er gilt nicht mehr uneingeschränkt, wenn Sie erkennen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer sich offensichtlich falsch verhält und die Regeln missachtet. Stellen Sie sich vor, jemand fährt sichtlich bei Rot über die Ampel oder schert ohne Rücksicht aus. In solchen Fällen können Sie nicht mehr blind darauf vertrauen, dass alles gut geht. Dann müssen Sie selbst besonders vorsichtig sein und versuchen, eine Gefahr abzuwenden.

Vertrauensgrundsatz an der Parkplatzausfahrt

Ein häufiges Beispiel, bei dem der Vertrauensgrundsatz eine wichtige Rolle spielt, ist das Ausfahren aus einem Grundstück, einer Parkplatzzufahrt oder einer ähnlichen Fläche auf die öffentliche Straße. Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt in § 10, dass derjenige, der aus solchen Bereichen auf die Fahrbahn fährt, besondere Vorsicht walten lassen muss. Er darf den fließenden Verkehr auf der Straße nicht behindern oder gefährden. Das bedeutet: Er muss warten, bis die Straße frei ist und er einfahren kann, ohne andere zu beeinträchtigen.

Der Verkehrsteilnehmer, der auf der öffentlichen Straße fährt, darf zunächst darauf vertrauen, dass derjenige, der aus der Parkplatzausfahrt kommt, diese Pflicht zur Vorsicht beachtet und ihn durch sein Einfahren nicht gefährdet.

Wenn der Vertrauensgrundsatz endet und die Haftung

Dieses Vertrauen endet jedoch, sobald der Fahrer auf der öffentlichen Straße erkennt, dass derjenige aus der Ausfahrt trotz seiner Wartepflicht einfach losfährt oder sich offensichtlich rücksichtslos verhält. Wenn für den Fahrer auf der Straße klar erkennbar ist, dass der andere die Regeln missachtet, kann er sich nicht mehr nur auf sein Vorrecht verlassen. Er muss dann seinerseits reagieren, um einen Unfall zu verhindern, zum Beispiel bremsen oder ausweichen, wenn das möglich ist.

Bei einem Unfall an einer Parkplatzausfahrt trägt in der Regel derjenige, der ausfährt, die Hauptschuld, da er gegen seine Pflichten aus § 10 StVO verstoßen hat. Er hat den Vorrang des fließenden Verkehrs auf der Straße missachtet.

Wenn der Fahrer auf der öffentlichen Straße aber rechtzeitig erkannt hat, dass der andere offensichtlich falsch handelt und trotzdem nicht reagiert hat, obwohl er den Unfall durch Bremsen oder Ausweichen noch hätte verhindern können, kann ihm ein Mitverschulden angelastet werden. Das bedeutet, dass die Haftung und damit die Kosten für den Schaden zwischen beiden Unfallbeteiligten aufgeteilt werden können, auch wenn der Hauptverursacher der Ausfahrende bleibt.

Die genaue Verteilung der Schuld hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab: Wer hat was wann gesehen? Wie schnell waren die Fahrzeuge? Gab es Möglichkeiten auszuweichen?


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Wie wirkt sich ein „Vorfahrt Achten“-Schild an einer Parkplatzausfahrt auf die Sorgfaltspflichten des Ausfahrenden aus?

Wenn Sie mit Ihrem Fahrzeug aus einem Parkplatz auf eine öffentliche Straße fahren, gelten besondere Regeln. Eine wichtige Grundlage dafür ist § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dieser Paragraph besagt grundsätzlich, dass Sie beim Einfahren oder Anfahren vom Fahrbahnrand, aus einem Grundstück, aus einer Fußgängerzone mit zugelassenem Fahrverkehr oder aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Fahrbahn andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährden dürfen. Das bedeutet bereits eine hohe Sorgfaltspflicht: Sie müssen sicherstellen, dass niemand durch Ihr Einfahren behindert oder gefährdet wird. Sie haben gegenüber dem fließenden Verkehr keine Vorfahrt.

Das „Vorfahrt Achten“-Schild (Zeichen 205) an einer solchen Parkplatzausfahrt verstärkt diese ohnehin bestehende Pflicht nochmals deutlich. Es ist ein zusätzlicher, unmissverständlicher Hinweis darauf, dass Sie keine Vorfahrt haben und dem Verkehr auf der Straße Vorfahrt gewähren müssen.

Für Sie als Ausfahrenden bedeutet das konkret:

  • Ihre Pflicht, besonders vorsichtig zu sein, wird durch das Schild unterstrichen und erhöht.
  • Sie müssen den Verkehr auf der Straße genau beobachten und dürfen nur dann ausfahren, wenn Sie sicher sind, dass Sie dabei niemanden behindern oder gefährden.
  • Das Schild erinnert Sie daran, dass der fließende Verkehr auf der Straße Vorrang hat, auch wenn die Ausfahrt nach § 10 StVO ohnehin schon keine Vorfahrt gewährt.
  • Das Übersehen des „Vorfahrt Achten“-Schildes oder eine falsche Einschätzung der Verkehrssituation, obwohl das Schild da war, wird rechtlich sehr streng bewertet. Es zeigt eine Missachtung der klaren Vorfahrtsregelung.

Kommt es zu einem Unfall beim Ausfahren aus einem Parkplatz mit einem „Vorfahrt Achten“-Schild, weil Sie den querenden Verkehr nicht beachtet haben oder zu schnell ausgefahren sind, liegt die alleinige Schuld in der Regel bei Ihnen als Ausfahrendem. Das Schild macht die Vorfahrtsregelung so eindeutig, dass kaum Spielraum für eine Mithaftung des anderen Verkehrsteilnehmers bleibt, es sei denn, dieser hat selbst gravierende Verkehrsverstöße begangen (z.B. Fahren unter Alkoholeinfluss oder bei Rot über die Ampel, sofern vorhanden).

Zusammenfassend lässt sich sagen: Das „Vorfahrt Achten“-Schild an einer Parkplatzausfahrt ist kein bloßer Hinweis, sondern eine klare Anweisung, die Ihre Pflicht, dem fließenden Verkehr Vorfahrt zu gewähren, rechtlich absichert und Ihre Sorgfaltspflichten weiter verschärft.


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Welche Rolle spielt die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs bei der Haftungsverteilung nach einem Unfall an einer Parkplatzausfahrt?

Die Betriebsgefahr beschreibt die grundlegende Gefahr, die allein schon vom Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgeht. Stellen Sie sich vor, jedes Auto birgt allein durch seine Anwesenheit und Bewegung im Verkehr ein gewisses, unvermeidbares Risiko für andere. Diese Betriebsgefahr kann grundsätzlich bei einem Unfall zur Haftung des Fahrzeughalters führen, auch wenn ihn kein direktes Verschulden trifft.

Bei einem Unfall an einer Parkplatzausfahrt oder Grundstücksausfahrt treffen aber meist unterschiedliche Pflichten aufeinander. Eine sehr wichtige Regel ist hier § 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Diese Vorschrift verpflichtet jeden, der aus einem Grundstück, einem Parkplatz oder ähnlichen Bereichen auf die Fahrbahn fährt, ganz besondere Vorsicht walten zu lassen. Man muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das bedeutet, man muss warten, bis die Straße frei ist und andere nicht behindert oder gefährdet werden.

Kommt es bei einem solchen Ausfahren zu einem Unfall, liegt oft ein Verstoß gegen diese strenge Sorgfaltspflicht nach § 10 StVO vor. Das Gericht prüft dann, welche Ursache für den Unfall überwiegend verantwortlich war.

Hier kommt die Betriebsgefahr ins Spiel: Die Rechtsprechung sieht einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten aus § 10 StVO in der Regel als erheblich schwerwiegender an als die bloße Betriebsgefahr des Fahrzeugs, das auf der Straße fährt.

Das bedeutet: Wenn der Fahrer, der aus der Parkplatzausfahrt fährt, seine besonderen Sorgfaltspflichten grob missachtet hat (z.B. ohne ausreichende Sichtprüfung losgefahren ist), tritt seine Verantwortung für diesen Fehler meist vollständig in den Vordergrund. Die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs, das sich korrekt auf der Straße befand, wird in diesem Fall oft als so geringfügig angesehen, dass sie bei der Haftungsverteilung nicht mehr berücksichtigt wird.

Als Folge kann dies dazu führen, dass der Fahrer, der aus der Parkplatzausfahrt gefahren ist und dabei gegen § 10 StVO verstoßen hat, allein für den entstandenen Schaden haftet. Seine Betriebsgefahr und das grobe Verschulden beim Ausfahren wiegen so schwer, dass die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs dahinter zurücktritt.

Kurz gesagt: Bei einem klaren Verstoß gegen die strenge Wartepflicht beim Ausfahren von einem Parkplatz überwiegt das Verschulden des Ausfahrenden die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs in aller Regel deutlich.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Juristische Fachbegriffe kurz und knapp einfach erklärt

Glossar


Juristische Fachbegriffe kurz erklärt

§ 10 Straßenverkehrsordnung (StVO)

§ 10 StVO regelt das Verhalten beim Einfahren in den fließenden Verkehr von sogenannten „anderen Straßenteilen“ wie Grundstücken, Parkplätzen oder verkehrsberuhigten Bereichen. Wer aus solchen Bereichen auf eine öffentliche Straße fahren will, muss besonders vorsichtig sein, da er keine Vorfahrt hat. Diese Person muss warten, bis eine gefahrlose Einfahrt möglich ist, also niemand behindert oder gefährdet wird. Ein typisches Beispiel ist das Ausfahren von einem Supermarktparkplatz auf eine stark befahrene Straße.


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Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr

Der Vertrauensgrundsatz besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer grundsätzlich davon ausgehen darf, dass sich andere an die Verkehrsregeln halten. Man vertraut also darauf, dass niemand rücksichtslos oder regelwidrig handelt. Dieses Vertrauen endet jedoch, sobald klar erkennbar ist, dass jemand sich falsch verhält, zum Beispiel wenn ein Fahrzeug ohne Rücksicht losfährt. Im Unfallfall kann das bedeuten, dass der andere Verkehrsteilnehmer nicht nur Vorfahrt gewährt, sondern auch aktiv auf Gefahr reagiert, zum Beispiel durch Bremsen oder Ausweichen.


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Vorfahrt-achten-Schild (Zeichen 205 StVO)

Das „Vorfahrt achten“-Schild verpflichtet den Verkehrsteilnehmer an der Ausfahrt, dem bevorrechtigten Verkehr auf der Straße Vorrang zu gewähren und besonders aufmerksam zu sein. Es verstärkt die für Ausfahrende ohnehin strenge Pflicht aus § 10 StVO, niemanden zu behindern oder zu gefährden. Wird diese Pflicht missachtet und es kommt zum Unfall, trägt der Ausfahrende grundsätzlich die alleinige Schuld. Ein Beispiel ist das Verlassen eines Parkplatzes mit diesem Schild und das gleichzeitige Missachten des herannahenden Verkehrs.


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Betriebsgefahr des Fahrzeugs

Betriebsgefahr bezeichnet die grundsätzliche Gefahr, die von jedem fahrenden Kraftfahrzeug ausgeht, unabhängig von einem Verschulden des Fahrers. Das heißt, allein das Fahren eines Autos birgt Risiken, weil es zu Unfällen führen kann. Bei Unfällen wird diese Betriebsgefahr oft bei der Haftungsverteilung berücksichtigt. Allerdings tritt die Betriebsgefahr zurück, wenn ein Fahrer grob gegen seine Pflichten verstößt, etwa beim Ausfahren aus einem Parkplatz ohne ausreichende Vorsicht (Verstoß gegen § 10 StVO). Dann fällt die alleinige Haftung meist dem Ausfahrenden zu.


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§ 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG)

§ 17 StVG regelt die Haftungsverteilung bei Verkehrsunfällen mit mehreren Beteiligten. Er bestimmt, dass die Schadensersatzpflicht entsprechend der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile verteilt wird. Das bedeutet, wenn mehrere Fahrer zum Unfall beitragen, wird geprüft, wer wie viel Schuld an dem Unfall hat, und die Kosten entsprechend aufgeteilt. Im Fall einer Parkplatzausfahrt wird so etwa ermittelt, ob der Fahrer auf der Straße auch ein Mitverschulden trifft, wenn er die Gefahr rechtzeitig erkannt und nicht reagiert hat.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 10 Straßenverkehrsordnung (StVO): Regelt die besonderen Sorgfaltspflichten beim Einfahren von einem Grundstück oder einem anderen Straßenteil auf die Fahrbahn. Der Einfahrende muss eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer verhindern und sich gegebenenfalls einweisen lassen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger hatte beim Einfahren von der Parkplatzausfahrt gemäß § 10 StVO eine erhöhte Sorgfaltspflicht, deren Verletzung zu seinem alleinigen Verschulden am Unfall führte.
  • § 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG): Bestimmt die Haftungsverteilung bei Unfällen zwischen mehreren Kraftfahrzeugen und differenziert zwischen verschiedenen Anteilen von Verschulden und Betriebsgefahr. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG bewertete die Haftungsquoten und stellte fest, dass der Kläger mit seinem groben Verschulden allein haftet, wobei die Betriebsgefahr des Beklagten zurücktritt.
  • Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr: Grundsatz, dass Verkehrsteilnehmer im fließenden Verkehr grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, dass andere die Verkehrsregeln beachten und keine Gefährdung verursachen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht betonte, dass der fließende Verkehr auf der Hauptstraße grundsätzlich Vorrang hat und der Einfahrende sich diesem anzupassen hat, weshalb kein Mitverschulden des Beklagten angenommen wurde.
  • Vorfahrtregeln und Verkehrszeichen (insb. „Vorfahrt achten“-Schild): Legen neben den generellen Verkehrsregeln die Prioritäten an Kreuzungen und Ausfahrten fest und erhöhen die Sorgfaltspflicht des Einfahrenden, der dem fließenden Verkehr Vorfahrt einzuräumen hat. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Vorfahrt-achten-Schild an der Parkplatzausfahrt verpflichtet den Kläger, besonders wachsam zu sein und den fließenden Verkehr durchzulassen, was er offenbar missachtete.
  • Betriebsgefahr des Fahrzeugs: Die vom Betrieb eines Fahrzeugs ausgehende allgemeine Gefahr, die unabhängig vom Verschulden entsteht und bei der Haftungsverteilung zu berücksichtigen ist. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs wurde vom Gericht als untergeordnet eingestuft, da das grobe Verschulden des Klägers dominierte.
  • Haftpflichtversicherung und Schadensersatzrecht: Regelt die Ansprüche auf Entschädigung für entstandene Schäden bei Verkehrsunfällen und die Einbindung der Versicherung als sekundär haftender Partei. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Kläger forderte Schadensersatz von der Haftpflichtversicherung des Beklagten, die jedoch mangels Mitverschulden des Beklagten nicht voll haftete.

Das vorliegende Urteil


OLG Zweibrücken – Az.: 1 U 155/23 – Urteil vom 14.08.2024


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